Abschwächung der Kriterien zur Ausserbetriebnahme von Kernkraftwerken. Eine Lex Beznau?

ShortId
18.3362
Id
20183362
Updated
28.07.2023 03:46
Language
de
Title
Abschwächung der Kriterien zur Ausserbetriebnahme von Kernkraftwerken. Eine Lex Beznau?
AdditionalIndexing
66;52
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>1.-3. Im Sinne des Schutzes von Mensch und Umwelt vor Gefährdungen durch ionisierende Strahlen ist für jeden zu unterstellenden Störfall der jeweils zulässige Dosiswert unabhängig von der genauen Herkunft der freigesetzten Radioaktivität einzuhalten. Wird das Dosiskriterium verletzt, so ist die Anlage zwingend nachzurüsten.</p><p>Eine unverzügliche Ausserbetriebnahme der Anlage zum Zwecke der Nachrüstung ist nur dann angezeigt, wenn die Ausserbetriebnahme in diesem Kontext auch risikomindernd wirksam ist. Dies ist bei einer ungenügenden Kernkühlbarkeit der Fall. Dementsprechend ist in Artikel 44 der Kernenergieverordnung (KEV, SR 732.11) vorgeschrieben, dass ein Reaktor ausser Betrieb zu nehmen und nachzurüsten ist, wenn die Kernkühlung nicht mehr gewährleistet ist.</p><p>Neben der Nichtgewährleistung der Kernkühlung werden in der Kernenergieverordnung auch die Nichtgewährleistung der Integrität des Primärkreislaufs und des Containments als Ausserbetriebnahmekriterien aufgeführt (vgl. dazu Antwort zur Frage 4).</p><p>Zu den berechneten Dosen, welche aus Freisetzungen von radioaktiven Stoffen aus den Brennelementlagerbecken resultieren, ist anzumerken, dass eine unverzügliche Ausserbetriebnahme des Kernkraftwerks in diesem Zusammenhang keine risikomindernde Massnahme wäre.</p><p>4. Für die Ausserbetriebnahme der Anlage wegen einer unzureichenden Integrität des Primärkreislaufs bzw. des Containments gelten spezifische und störfallunabhängige Kriterien, welche den radiologischen Kriterien vorgelagert sind (vgl. 3. Kapitel der Verordnung des UVEK über die Methodik und die Randbedingungen zur Überprüfung der Kriterien für die vorläufige Ausserbetriebnahme von Kernkraftwerken, SR 732.114.5). Soweit die unzureichende Integrität des Primärkreislaufs bzw. des Containments bei einem Störfall zu einer erhöhten Freisetzung radioaktiver Stoffe führt, würde dies im Rahmen der Überprüfung hinsichtlich Einhaltung der radiologischen Ausserbetriebnahmekriterien ebenfalls berücksichtigt. Diese Konstellation ist jedoch hypothetischer Natur, da die spezifischen und störfallunabhängigen Kriterien vor den radiologischen greifen.</p><p>5./6. Der Dosiswert von 78 Millisievert wurde für ein auslegungsüberschreitendes Szenario berechnet, das seltener als einmal in einer Million Jahren eintritt. Für den abdeckenden Auslegungsstörfall eines 10 000-jährlichen Erdbebens ergab sich eine maximale berechnete Gesamtdosis von 28,9 Millisievert pro Reaktorblock für Kleinkinder. Nach Berücksichtigung der Mitte Juli 2012 vom Kernkraftwerk Beznau ergriffenen sicherheitsgerichteten Massnahmen beträgt die maximale berechnete Gesamtdosis für Kleinkinder nur noch 15,5 Millisievert pro Reaktorblock (Erwachsene: 5,3 Millisievert). Die Gefährdung aus dieser potenziellen Dosis wäre in der Grössenordnung der (durchschnittlichen) jährlichen natürlichen Strahlenbelastung in der Schweiz (ca. 4,3 Millisievert, Quelle: BAG).</p><p>Die berechnete Gesamtdosis setzt sich sowohl aus Beiträgen aus qualifizierten Sicherheitssystemen als auch aus konservativ unterstelltem Versagen von nicht gegen Erdbeben qualifizierten Einrichtungen zusammen.</p> Antwort des Bundesrates.
  • <p>Der Bundesrat plant, im Rahmen der Revision der Kernenergieverordnung den Anwendungsbereich der radiologischen Ausserbetriebnahmekriterien einzig auf eine ungenügende Gewährleistung der Kernkühlung zu beschränken. Ein Störfall in einem Kernkraftwerk kann zu einer Freisetzung von Radioaktivität führen, ohne dass die Kernkühlung zwingend versagen muss. Das hat der Reaktor 4 in Fukushima illustriert, wo der Kern nicht beladen war, aber Probleme im Abklingbecken trotzdem zu einer erheblichen Freisetzung hätten führen können. </p><p>Ich bitte den Bundesrat, folgende Fragen zu beantworten:</p><p>1. Warum plant er, den Anwendungsbereich der radiologischen Ausserbetriebnahmekriterien ausschliesslich auf ein Versagen der Kernkühlung einzuschränken?</p><p>2. Warum soll der Grund bzw. die Herkunft der Strahlendosis relevant sein für die Anwendung der radiologischen Ausserbetriebnahmekriterien? </p><p>3. Was soll geschehen, wenn der Dosisgrenzwert zwar überschritten wird, die Radioaktivität aber nicht oder nicht vollständig aus der Kernkühlung stammt?</p><p>4. Warum schliesst er neu ein Versagen des Primärkreislaufs, des Containments oder des Abklingbeckens aus dem Anwendungsbereich der radiologischen Ausserbetriebnahmekriterien aus?</p><p>5. Ist es richtig, dass bei Beznau gemäss Ensi die Dosis von 78 Millisievert bei einem 10 000-jährlichen Erdbeben aus dem Versagen von nichterdbebenqualifizierten Systemen resultiert? </p><p>6. Ist es richtig, dass diese Komponenten nicht zu den Systemen gehören, welche die Kernkühlung sicherstellen?</p>
  • Abschwächung der Kriterien zur Ausserbetriebnahme von Kernkraftwerken. Eine Lex Beznau?
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>1.-3. Im Sinne des Schutzes von Mensch und Umwelt vor Gefährdungen durch ionisierende Strahlen ist für jeden zu unterstellenden Störfall der jeweils zulässige Dosiswert unabhängig von der genauen Herkunft der freigesetzten Radioaktivität einzuhalten. Wird das Dosiskriterium verletzt, so ist die Anlage zwingend nachzurüsten.</p><p>Eine unverzügliche Ausserbetriebnahme der Anlage zum Zwecke der Nachrüstung ist nur dann angezeigt, wenn die Ausserbetriebnahme in diesem Kontext auch risikomindernd wirksam ist. Dies ist bei einer ungenügenden Kernkühlbarkeit der Fall. Dementsprechend ist in Artikel 44 der Kernenergieverordnung (KEV, SR 732.11) vorgeschrieben, dass ein Reaktor ausser Betrieb zu nehmen und nachzurüsten ist, wenn die Kernkühlung nicht mehr gewährleistet ist.</p><p>Neben der Nichtgewährleistung der Kernkühlung werden in der Kernenergieverordnung auch die Nichtgewährleistung der Integrität des Primärkreislaufs und des Containments als Ausserbetriebnahmekriterien aufgeführt (vgl. dazu Antwort zur Frage 4).</p><p>Zu den berechneten Dosen, welche aus Freisetzungen von radioaktiven Stoffen aus den Brennelementlagerbecken resultieren, ist anzumerken, dass eine unverzügliche Ausserbetriebnahme des Kernkraftwerks in diesem Zusammenhang keine risikomindernde Massnahme wäre.</p><p>4. Für die Ausserbetriebnahme der Anlage wegen einer unzureichenden Integrität des Primärkreislaufs bzw. des Containments gelten spezifische und störfallunabhängige Kriterien, welche den radiologischen Kriterien vorgelagert sind (vgl. 3. Kapitel der Verordnung des UVEK über die Methodik und die Randbedingungen zur Überprüfung der Kriterien für die vorläufige Ausserbetriebnahme von Kernkraftwerken, SR 732.114.5). Soweit die unzureichende Integrität des Primärkreislaufs bzw. des Containments bei einem Störfall zu einer erhöhten Freisetzung radioaktiver Stoffe führt, würde dies im Rahmen der Überprüfung hinsichtlich Einhaltung der radiologischen Ausserbetriebnahmekriterien ebenfalls berücksichtigt. Diese Konstellation ist jedoch hypothetischer Natur, da die spezifischen und störfallunabhängigen Kriterien vor den radiologischen greifen.</p><p>5./6. Der Dosiswert von 78 Millisievert wurde für ein auslegungsüberschreitendes Szenario berechnet, das seltener als einmal in einer Million Jahren eintritt. Für den abdeckenden Auslegungsstörfall eines 10 000-jährlichen Erdbebens ergab sich eine maximale berechnete Gesamtdosis von 28,9 Millisievert pro Reaktorblock für Kleinkinder. Nach Berücksichtigung der Mitte Juli 2012 vom Kernkraftwerk Beznau ergriffenen sicherheitsgerichteten Massnahmen beträgt die maximale berechnete Gesamtdosis für Kleinkinder nur noch 15,5 Millisievert pro Reaktorblock (Erwachsene: 5,3 Millisievert). Die Gefährdung aus dieser potenziellen Dosis wäre in der Grössenordnung der (durchschnittlichen) jährlichen natürlichen Strahlenbelastung in der Schweiz (ca. 4,3 Millisievert, Quelle: BAG).</p><p>Die berechnete Gesamtdosis setzt sich sowohl aus Beiträgen aus qualifizierten Sicherheitssystemen als auch aus konservativ unterstelltem Versagen von nicht gegen Erdbeben qualifizierten Einrichtungen zusammen.</p> Antwort des Bundesrates.
    • <p>Der Bundesrat plant, im Rahmen der Revision der Kernenergieverordnung den Anwendungsbereich der radiologischen Ausserbetriebnahmekriterien einzig auf eine ungenügende Gewährleistung der Kernkühlung zu beschränken. Ein Störfall in einem Kernkraftwerk kann zu einer Freisetzung von Radioaktivität führen, ohne dass die Kernkühlung zwingend versagen muss. Das hat der Reaktor 4 in Fukushima illustriert, wo der Kern nicht beladen war, aber Probleme im Abklingbecken trotzdem zu einer erheblichen Freisetzung hätten führen können. </p><p>Ich bitte den Bundesrat, folgende Fragen zu beantworten:</p><p>1. Warum plant er, den Anwendungsbereich der radiologischen Ausserbetriebnahmekriterien ausschliesslich auf ein Versagen der Kernkühlung einzuschränken?</p><p>2. Warum soll der Grund bzw. die Herkunft der Strahlendosis relevant sein für die Anwendung der radiologischen Ausserbetriebnahmekriterien? </p><p>3. Was soll geschehen, wenn der Dosisgrenzwert zwar überschritten wird, die Radioaktivität aber nicht oder nicht vollständig aus der Kernkühlung stammt?</p><p>4. Warum schliesst er neu ein Versagen des Primärkreislaufs, des Containments oder des Abklingbeckens aus dem Anwendungsbereich der radiologischen Ausserbetriebnahmekriterien aus?</p><p>5. Ist es richtig, dass bei Beznau gemäss Ensi die Dosis von 78 Millisievert bei einem 10 000-jährlichen Erdbeben aus dem Versagen von nichterdbebenqualifizierten Systemen resultiert? </p><p>6. Ist es richtig, dass diese Komponenten nicht zu den Systemen gehören, welche die Kernkühlung sicherstellen?</p>
    • Abschwächung der Kriterien zur Ausserbetriebnahme von Kernkraftwerken. Eine Lex Beznau?

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