Lösung gefragt. Entscheide des Bundesverwaltungsgerichtes bringen die Spitex und Heime in Schwierigkeiten

ShortId
18.3393
Id
20183393
Updated
28.07.2023 03:32
Language
de
Title
Lösung gefragt. Entscheide des Bundesverwaltungsgerichtes bringen die Spitex und Heime in Schwierigkeiten
AdditionalIndexing
2841
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) hat mit seiner aktuellen Rechtsprechung die rechtliche Situation und damit auch die Haltung des Bundesrates bestätigt (vgl. z. B. Stellungnahme des Bundesrates vom 13. März 2015 zur Motion Humbel 14.4292, "Praxistaugliche Zulassung der Pflegeheime als Leistungserbringer"). Danach stellt das Pflegematerial zur Applikation durch Pflegefachpersonen einen notwendigen Bestandteil der Pflegeleistungen dar. Dessen Vergütung hat demnach nicht separat, sondern nach den Regeln der Pflegefinanzierung durch die drei Kostenträger (Krankenversicherer, versicherte Personen, Restfinanzierung durch Kantone oder Gemeinden) zu erfolgen. Die Beiträge der Versicherer sowie jene der versicherten Personen sind in Gesetz und Verordnung fixiert, die Kantone übernehmen die verbleibenden Restkosten. Hinsichtlich der Festsetzung der Beiträge der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) an die Pflegeleistungen ist anzumerken, dass diese gemäss der in der gesetzlichen Übergangsbestimmung enthaltenen Vorgabe erfolgt ist und die Vergütung der OKP für Pflegeleistungen vor und nach Inkrafttreten der Neuordnung der Pflegefinanzierung gleich hoch und somit kostenneutral sein sollte.</p><p>1. Das BVGer führt in seinen Urteilen nicht aus, wie eine Rückerstattung abzuwickeln wäre. Empfänger der praxisgemäss vertraglich vereinbarten, separaten Vergütungen für das Pflegematerial durch die Versicherer waren die Leistungserbringer. Die versicherten Personen haben keine zusätzlichen Leistungen erhalten, da das Pflegematerial zur Applikation durch Pflegefachpersonen einen Bestandteil der Pflegeleistungen darstellt. Von einer allfälligen Rückerstattung wären diese daher nicht betroffen.</p><p>2. Der Bundesrat hat nicht die Kompetenz, den Versicherern einen Verzicht auf allfällige Rückforderungen vorzuschreiben. Dieser Entscheid bleibt den Versicherern vorbehalten. Der Bundesrat weist jedoch darauf hin, dass insbesondere die Feststellung, ob das separat verrechnete Pflegematerial jeweils zur Selbstanwendung (vgl. hierzu Art. 20 der Verordnung des EDI vom 29. September 1995 über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (KLV); SR 832.112.31) oder zur Applikation durch Pflegefachpersonen abgegeben worden ist, einen allfälligen Rückforderungsprozess erheblich erschweren würde. Zudem müsste geklärt werden, wie mit der Tatsache umzugehen ist, dass die Kosten für das separat vergütete Pflegematerial in die Prämienberechnung der Versicherer eingeflossen sind.</p><p>3. Wie eingangs festgehalten wird mit der aktuellen Rechtsprechung die Gesetzesinterpretation des Bundesrates vom BVGer bestätigt. Eine allfällige Änderung des rechtlichen Rahmens hätte nach Meinung des Bundesrates daher auf Gesetzesstufe zu erfolgen. Als "Übergangslösung" eine separate Abgeltung von Kosten für teures Pflegematerial vorzusehen, erachtet der Bundesrat daher nicht als angezeigt.</p><p>4. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat mit den Akteuren mehrfach vergeblich versucht, im Bereich der Vergütung der Pflegematerialien Transparenz zu schaffen. In erster Linie sind die Leistungserbringer, die Kantone und die Versicherer aufgefordert, die gesetzlichen Vorgaben, wie sie vom BVGer bestätigt worden sind, umzusetzen. Das BAG hat die involvierten Akteure erneut zu einem runden Tisch im September 2018 eingeladen. Ziel der Gespräche soll es sein, Transparenz im Bereich des Pflegematerials zu schaffen, um darauf aufbauend eine nachhaltige Lösung zu finden. Eine einseitige und umgehende Erhöhung der Beiträge, ohne dass Transparenz über bisherige Abrechnungspraktiken und die effektiven Kosten des Pflegematerials besteht, ist jedenfalls nicht zuletzt aus Sicht der Kostenentwicklung in der OKP abzulehnen.</p><p>Was die Frage der von den Kantonen und Gemeinden verlangten Anpassung der OKP-Pflegebeiträge an die Kostenentwicklung anbelangt, soll im Rahmen des zu erstellenden Berichtes in Erfüllung des Postulates SGK-N 16.3352, "Gleichmässige Finanzierung der Kostensteigerung bei den Pflegeleistungen durch alle Kostenträger", vertieft geprüft werden, ob und wie bei den OKP-Beiträgen an die Pflegeleistungen der Kostenentwicklung Rechnung zu tragen ist.</p> Antwort des Bundesrates.
  • <p>Das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) setzte mit zwei Urteilen im Herbst 2017 die Praxis zur Vergütung von Pflegematerial in Pflegeheimen und in der Spitexpflege fest. Für die Pflege notwendige und vom Personal angewendete Gegenstände, wie etwa Injektionshilfen oder Wundverbände, die sich auf der Mittel- und Gegenständeliste (Migel) befinden, dürfen demnach nicht mehr separat bei den Krankenkassen abgerechnet werden, sondern sind als Teil der gesamten Pflegekosten zu betrachten. Demnach müssen Pflegematerialien im Rahmen der bestehenden Pflegekostenregelung finanziert werden. Das bringt die Leistungserbringenden in schwierige Situationen. Wenn Spitex, Alters- und Pflegeheime das Verbrauchsmaterial wie Spritzen und Verbände nicht mehr über die OKP abrechnen dürfen, ja sogar Rückforderungen auf mehrere Jahre hinaus vonseiten der Kassen drohen, hat dies für Organisationen, Gemeinden und Kantone schwerwiegende Konsequenzen. Es ist davon auszugehen, dass die Rückabwicklung unter Umständen fast gleich viel kostet, wie die Kassen einfordern, dies wegen der Aufwände für die Rechnungsprüfung, ob Selbstanwendung oder nicht, und der Rückzahlungen von vielen kleinen Beträgen an die Klienten. Dazu stellen sich folgende Fragen: </p><p>1. Wer müsste schliesslich für die Rückzahlungen aufkommen, die Organisationen oder die Kantone respektive Gemeinden oder beide Teile? Könnten die Rückzahlungen auch Patienten betreffen?</p><p>2. Ist der Bundesrat bereit, rechtliche Schritte einzuleiten, um einen Verzicht der Krankenversicherer auf Rückforderungen zu erreichen? Welche alternativen Möglichkeiten hat er sonst? Wie beurteilt er die Dringlichkeit für eine diesbezüglich sinnvolle, für alle tragbare Lösung - und wie die Chancen?</p><p>3. Ist er bereit, im Sinne einer rasch wirkenden Übergangslösung, die bisherige gut funktionierende Praxis (Abrechnung von teurem Material wie z. B. für die Wundpflege) zu legalisieren? Könnte er dies eventuell sogar auf Verordnungsstufe tun?</p><p>4. Wie stellt er sich zum Begehren von Kantonen und Gemeinden auf eine Anpassung der OKP-Beiträge an die stationäre und ambulante Pflege hinsichtlich der Kostenentwicklung, dies unter spezieller und differenzierter Berücksichtigung der Kosten in den OKP-Beiträgen für die Verwendung von Mitteln und Gegenständen der gesetzlichen Liste (Migel)?</p>
  • Lösung gefragt. Entscheide des Bundesverwaltungsgerichtes bringen die Spitex und Heime in Schwierigkeiten
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) hat mit seiner aktuellen Rechtsprechung die rechtliche Situation und damit auch die Haltung des Bundesrates bestätigt (vgl. z. B. Stellungnahme des Bundesrates vom 13. März 2015 zur Motion Humbel 14.4292, "Praxistaugliche Zulassung der Pflegeheime als Leistungserbringer"). Danach stellt das Pflegematerial zur Applikation durch Pflegefachpersonen einen notwendigen Bestandteil der Pflegeleistungen dar. Dessen Vergütung hat demnach nicht separat, sondern nach den Regeln der Pflegefinanzierung durch die drei Kostenträger (Krankenversicherer, versicherte Personen, Restfinanzierung durch Kantone oder Gemeinden) zu erfolgen. Die Beiträge der Versicherer sowie jene der versicherten Personen sind in Gesetz und Verordnung fixiert, die Kantone übernehmen die verbleibenden Restkosten. Hinsichtlich der Festsetzung der Beiträge der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) an die Pflegeleistungen ist anzumerken, dass diese gemäss der in der gesetzlichen Übergangsbestimmung enthaltenen Vorgabe erfolgt ist und die Vergütung der OKP für Pflegeleistungen vor und nach Inkrafttreten der Neuordnung der Pflegefinanzierung gleich hoch und somit kostenneutral sein sollte.</p><p>1. Das BVGer führt in seinen Urteilen nicht aus, wie eine Rückerstattung abzuwickeln wäre. Empfänger der praxisgemäss vertraglich vereinbarten, separaten Vergütungen für das Pflegematerial durch die Versicherer waren die Leistungserbringer. Die versicherten Personen haben keine zusätzlichen Leistungen erhalten, da das Pflegematerial zur Applikation durch Pflegefachpersonen einen Bestandteil der Pflegeleistungen darstellt. Von einer allfälligen Rückerstattung wären diese daher nicht betroffen.</p><p>2. Der Bundesrat hat nicht die Kompetenz, den Versicherern einen Verzicht auf allfällige Rückforderungen vorzuschreiben. Dieser Entscheid bleibt den Versicherern vorbehalten. Der Bundesrat weist jedoch darauf hin, dass insbesondere die Feststellung, ob das separat verrechnete Pflegematerial jeweils zur Selbstanwendung (vgl. hierzu Art. 20 der Verordnung des EDI vom 29. September 1995 über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (KLV); SR 832.112.31) oder zur Applikation durch Pflegefachpersonen abgegeben worden ist, einen allfälligen Rückforderungsprozess erheblich erschweren würde. Zudem müsste geklärt werden, wie mit der Tatsache umzugehen ist, dass die Kosten für das separat vergütete Pflegematerial in die Prämienberechnung der Versicherer eingeflossen sind.</p><p>3. Wie eingangs festgehalten wird mit der aktuellen Rechtsprechung die Gesetzesinterpretation des Bundesrates vom BVGer bestätigt. Eine allfällige Änderung des rechtlichen Rahmens hätte nach Meinung des Bundesrates daher auf Gesetzesstufe zu erfolgen. Als "Übergangslösung" eine separate Abgeltung von Kosten für teures Pflegematerial vorzusehen, erachtet der Bundesrat daher nicht als angezeigt.</p><p>4. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat mit den Akteuren mehrfach vergeblich versucht, im Bereich der Vergütung der Pflegematerialien Transparenz zu schaffen. In erster Linie sind die Leistungserbringer, die Kantone und die Versicherer aufgefordert, die gesetzlichen Vorgaben, wie sie vom BVGer bestätigt worden sind, umzusetzen. Das BAG hat die involvierten Akteure erneut zu einem runden Tisch im September 2018 eingeladen. Ziel der Gespräche soll es sein, Transparenz im Bereich des Pflegematerials zu schaffen, um darauf aufbauend eine nachhaltige Lösung zu finden. Eine einseitige und umgehende Erhöhung der Beiträge, ohne dass Transparenz über bisherige Abrechnungspraktiken und die effektiven Kosten des Pflegematerials besteht, ist jedenfalls nicht zuletzt aus Sicht der Kostenentwicklung in der OKP abzulehnen.</p><p>Was die Frage der von den Kantonen und Gemeinden verlangten Anpassung der OKP-Pflegebeiträge an die Kostenentwicklung anbelangt, soll im Rahmen des zu erstellenden Berichtes in Erfüllung des Postulates SGK-N 16.3352, "Gleichmässige Finanzierung der Kostensteigerung bei den Pflegeleistungen durch alle Kostenträger", vertieft geprüft werden, ob und wie bei den OKP-Beiträgen an die Pflegeleistungen der Kostenentwicklung Rechnung zu tragen ist.</p> Antwort des Bundesrates.
    • <p>Das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) setzte mit zwei Urteilen im Herbst 2017 die Praxis zur Vergütung von Pflegematerial in Pflegeheimen und in der Spitexpflege fest. Für die Pflege notwendige und vom Personal angewendete Gegenstände, wie etwa Injektionshilfen oder Wundverbände, die sich auf der Mittel- und Gegenständeliste (Migel) befinden, dürfen demnach nicht mehr separat bei den Krankenkassen abgerechnet werden, sondern sind als Teil der gesamten Pflegekosten zu betrachten. Demnach müssen Pflegematerialien im Rahmen der bestehenden Pflegekostenregelung finanziert werden. Das bringt die Leistungserbringenden in schwierige Situationen. Wenn Spitex, Alters- und Pflegeheime das Verbrauchsmaterial wie Spritzen und Verbände nicht mehr über die OKP abrechnen dürfen, ja sogar Rückforderungen auf mehrere Jahre hinaus vonseiten der Kassen drohen, hat dies für Organisationen, Gemeinden und Kantone schwerwiegende Konsequenzen. Es ist davon auszugehen, dass die Rückabwicklung unter Umständen fast gleich viel kostet, wie die Kassen einfordern, dies wegen der Aufwände für die Rechnungsprüfung, ob Selbstanwendung oder nicht, und der Rückzahlungen von vielen kleinen Beträgen an die Klienten. Dazu stellen sich folgende Fragen: </p><p>1. Wer müsste schliesslich für die Rückzahlungen aufkommen, die Organisationen oder die Kantone respektive Gemeinden oder beide Teile? Könnten die Rückzahlungen auch Patienten betreffen?</p><p>2. Ist der Bundesrat bereit, rechtliche Schritte einzuleiten, um einen Verzicht der Krankenversicherer auf Rückforderungen zu erreichen? Welche alternativen Möglichkeiten hat er sonst? Wie beurteilt er die Dringlichkeit für eine diesbezüglich sinnvolle, für alle tragbare Lösung - und wie die Chancen?</p><p>3. Ist er bereit, im Sinne einer rasch wirkenden Übergangslösung, die bisherige gut funktionierende Praxis (Abrechnung von teurem Material wie z. B. für die Wundpflege) zu legalisieren? Könnte er dies eventuell sogar auf Verordnungsstufe tun?</p><p>4. Wie stellt er sich zum Begehren von Kantonen und Gemeinden auf eine Anpassung der OKP-Beiträge an die stationäre und ambulante Pflege hinsichtlich der Kostenentwicklung, dies unter spezieller und differenzierter Berücksichtigung der Kosten in den OKP-Beiträgen für die Verwendung von Mitteln und Gegenständen der gesetzlichen Liste (Migel)?</p>
    • Lösung gefragt. Entscheide des Bundesverwaltungsgerichtes bringen die Spitex und Heime in Schwierigkeiten

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