Rechtsgleichheit für religiöse Gemeinschaften in der Schweiz. Bericht

ShortId
18.3414
Id
20183414
Updated
28.07.2023 03:34
Language
de
Title
Rechtsgleichheit für religiöse Gemeinschaften in der Schweiz. Bericht
AdditionalIndexing
1236;2831;04
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Die Gesetzgebungen einer Mehrheit der Schweizer Kantone haben die Möglichkeit festgeschrieben, weitere Religionsgemeinschaften als die bereits öffentlich-rechtlich anerkannten zu anerkennen. Es besteht aber eine Vielzahl von kantonalen Unterschieden betreffend Einschränkungen, wie im Kanton Baselland auf christliche und jüdische Glaubensgemeinschaften, betreffend fehlende gesetzliche Regelungen einer Anerkennung, wie in den Kantonen Bern, Luzern und Neuenburg, und betreffend fehlende Regelung der Voraussetzungen für eine Anerkennung, wie in den Kantonen Glarus, Graubünden, Nid- und Obwalden. Es bleiben also lediglich neun Kantone, deren Verfassungen grundsätzlich offen sind für die öffentlich-rechtliche Anerkennung weiterer Religionsgemeinschaften und welche zudem die dafür notwendigen Kriterien und gesetzlichen Regelungen festgelegt haben. Das führt zu einer Rechtsungleichheit für religiöse Gemeinschaften, die durchaus diskriminierend empfunden werden kann, da der Weg der öffentlichen und/oder öffentlich-rechtlichen Anerkennung nicht allen Religionsgemeinschaften offensteht.</p><p>Laut Artikel 72 Absatz 1 BV sind die Kantone für die Regelung des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat zuständig. In Absatz 2 wird aber festgehalten, dass auch der Bund im Rahmen seiner Zuständigkeit Massnahmen treffen kann zur Wahrung des öffentlichen Friedens zwischen den verschiedenen Religionsgemeinschaften.</p><p>Vor diesem Hintergrund ist es am Bund aufzuzeigen, wie die verschiedenen Religionsgemeinschaften in den verschiedenen Kantonen besser integriert werden können und wie die Rechtsgleichheit und Nichtdiskriminierung für verschiedene religiöse Gemeinschaften in den verschiedenen Kantonen gewährleistet werden kann. Weiter soll der Bundesrat aufzeigen, was er im Rahmen des aktuellen Verfassungsauftrags tun kann und will und ob allenfalls auch eidgenössische Formen der Anerkennung zu prüfen sind.</p>
  • <p>Nach Artikel 72 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV) sind die Kantone für die Regelung des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat zuständig. Die Bestimmung, die auch nichtchristliche Religionsgemeinschaften einschliesst, ist deklaratorischer Art, folgt die kantonale Zuständigkeit doch schon aus der generellen bundesstaatlichen Kompetenzverteilung (Art. 3 BV). Artikel 72 Absatz 1 BV hebt die kantonale Kompetenz aber besonders hervor. Nach einer Zeit mit religionsbedingten Spannungen konnte der Bundesstaat 1848 nur gegründet werden, weil man den Kantonen ihre religiösen Traditionen beliess. Diese Rücksichtnahme auf kantonale Eigenheiten in religiösen Angelegenheiten ist für den Zusammenhalt unseres Landes noch immer wichtig.</p><p>Die kantonalen Regelungen sind sehr unterschiedlich. Neben Kantonen mit laizistischen Systemen der Trennung von Kirche und Staat, die sich an Frankreich orientieren, gibt es viele Kantone, die Religionsgemeinschaften öffentlich-rechtlich oder öffentlich anerkennen. Dabei zeigen sich Unterschiede bei den Anerkennungsvoraussetzungen, bei der Form der Anerkennung und bei den damit verbundenen Rechten und Pflichten. Ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf staatliche Anerkennung wird allgemein abgelehnt. Kantone, die Anerkennungskriterien definiert haben, müssen diese immerhin rechtsgleich anwenden. Über die Anerkennung beschliessen aber am Ende politische Organe. Häufig ist eine Verfassungsänderung mit einem obligatorischen Volksentscheid erforderlich. Wichtig sind somit nicht nur rechtliche Faktoren, sondern auch die gesellschaftliche Akzeptanz.</p><p>Die von der grünen Fraktion aufgeworfenen Aspekte, die das kantonale Religionsrecht betreffen, sind wissenschaftlich gut aufgearbeitet. Einen Bericht des Bundesrates braucht es in dieser Hinsicht nicht. Der Bundesrat hat auch keinen Grund anzunehmen, dass die Kantone mit der Anerkennungsthematik überfordert sind. Anhaltspunkte, dass die Sicherheit oder die Wahrung des Friedens zwischen den Religionsgemeinschaften durch solche Fragen gefährdet sind und deshalb von einem Fall gemäss Artikel 72 Absatz 2 BV auszugehen wäre, hat er nicht. Der Diskurs darüber, unter welchen Voraussetzungen religiöse Gemeinschaften anerkannt werden sollen bzw. ob nicht eher eine vollständige Entflechtung zwischen Religionsgemeinschaften und Staat angezeigt wäre, wird in interessierten Kreisen, aber auch in der Gesellschaft und in der Politik lebhaft und kontrovers geführt.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung des Postulates.
  • <p>Der Bundesrat wird gebeten, in einem Bericht aufzuzeigen, wie die Rechtsgleichheit unter dem Aspekt der Nichtdiskriminierung für verschiedene religiöse Gemeinschaften in der Schweiz hergestellt werden kann, und mögliche Strategien aufzuzeigen, wie der multireligiösen Realität der Schweiz rechtlich und im Sinne einer Kooperation zwischen Staat und Religionsgemeinschaften Rechnung getragen werden kann.</p>
  • Rechtsgleichheit für religiöse Gemeinschaften in der Schweiz. Bericht
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Die Gesetzgebungen einer Mehrheit der Schweizer Kantone haben die Möglichkeit festgeschrieben, weitere Religionsgemeinschaften als die bereits öffentlich-rechtlich anerkannten zu anerkennen. Es besteht aber eine Vielzahl von kantonalen Unterschieden betreffend Einschränkungen, wie im Kanton Baselland auf christliche und jüdische Glaubensgemeinschaften, betreffend fehlende gesetzliche Regelungen einer Anerkennung, wie in den Kantonen Bern, Luzern und Neuenburg, und betreffend fehlende Regelung der Voraussetzungen für eine Anerkennung, wie in den Kantonen Glarus, Graubünden, Nid- und Obwalden. Es bleiben also lediglich neun Kantone, deren Verfassungen grundsätzlich offen sind für die öffentlich-rechtliche Anerkennung weiterer Religionsgemeinschaften und welche zudem die dafür notwendigen Kriterien und gesetzlichen Regelungen festgelegt haben. Das führt zu einer Rechtsungleichheit für religiöse Gemeinschaften, die durchaus diskriminierend empfunden werden kann, da der Weg der öffentlichen und/oder öffentlich-rechtlichen Anerkennung nicht allen Religionsgemeinschaften offensteht.</p><p>Laut Artikel 72 Absatz 1 BV sind die Kantone für die Regelung des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat zuständig. In Absatz 2 wird aber festgehalten, dass auch der Bund im Rahmen seiner Zuständigkeit Massnahmen treffen kann zur Wahrung des öffentlichen Friedens zwischen den verschiedenen Religionsgemeinschaften.</p><p>Vor diesem Hintergrund ist es am Bund aufzuzeigen, wie die verschiedenen Religionsgemeinschaften in den verschiedenen Kantonen besser integriert werden können und wie die Rechtsgleichheit und Nichtdiskriminierung für verschiedene religiöse Gemeinschaften in den verschiedenen Kantonen gewährleistet werden kann. Weiter soll der Bundesrat aufzeigen, was er im Rahmen des aktuellen Verfassungsauftrags tun kann und will und ob allenfalls auch eidgenössische Formen der Anerkennung zu prüfen sind.</p>
    • <p>Nach Artikel 72 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV) sind die Kantone für die Regelung des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat zuständig. Die Bestimmung, die auch nichtchristliche Religionsgemeinschaften einschliesst, ist deklaratorischer Art, folgt die kantonale Zuständigkeit doch schon aus der generellen bundesstaatlichen Kompetenzverteilung (Art. 3 BV). Artikel 72 Absatz 1 BV hebt die kantonale Kompetenz aber besonders hervor. Nach einer Zeit mit religionsbedingten Spannungen konnte der Bundesstaat 1848 nur gegründet werden, weil man den Kantonen ihre religiösen Traditionen beliess. Diese Rücksichtnahme auf kantonale Eigenheiten in religiösen Angelegenheiten ist für den Zusammenhalt unseres Landes noch immer wichtig.</p><p>Die kantonalen Regelungen sind sehr unterschiedlich. Neben Kantonen mit laizistischen Systemen der Trennung von Kirche und Staat, die sich an Frankreich orientieren, gibt es viele Kantone, die Religionsgemeinschaften öffentlich-rechtlich oder öffentlich anerkennen. Dabei zeigen sich Unterschiede bei den Anerkennungsvoraussetzungen, bei der Form der Anerkennung und bei den damit verbundenen Rechten und Pflichten. Ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf staatliche Anerkennung wird allgemein abgelehnt. Kantone, die Anerkennungskriterien definiert haben, müssen diese immerhin rechtsgleich anwenden. Über die Anerkennung beschliessen aber am Ende politische Organe. Häufig ist eine Verfassungsänderung mit einem obligatorischen Volksentscheid erforderlich. Wichtig sind somit nicht nur rechtliche Faktoren, sondern auch die gesellschaftliche Akzeptanz.</p><p>Die von der grünen Fraktion aufgeworfenen Aspekte, die das kantonale Religionsrecht betreffen, sind wissenschaftlich gut aufgearbeitet. Einen Bericht des Bundesrates braucht es in dieser Hinsicht nicht. Der Bundesrat hat auch keinen Grund anzunehmen, dass die Kantone mit der Anerkennungsthematik überfordert sind. Anhaltspunkte, dass die Sicherheit oder die Wahrung des Friedens zwischen den Religionsgemeinschaften durch solche Fragen gefährdet sind und deshalb von einem Fall gemäss Artikel 72 Absatz 2 BV auszugehen wäre, hat er nicht. Der Diskurs darüber, unter welchen Voraussetzungen religiöse Gemeinschaften anerkannt werden sollen bzw. ob nicht eher eine vollständige Entflechtung zwischen Religionsgemeinschaften und Staat angezeigt wäre, wird in interessierten Kreisen, aber auch in der Gesellschaft und in der Politik lebhaft und kontrovers geführt.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung des Postulates.
    • <p>Der Bundesrat wird gebeten, in einem Bericht aufzuzeigen, wie die Rechtsgleichheit unter dem Aspekt der Nichtdiskriminierung für verschiedene religiöse Gemeinschaften in der Schweiz hergestellt werden kann, und mögliche Strategien aufzuzeigen, wie der multireligiösen Realität der Schweiz rechtlich und im Sinne einer Kooperation zwischen Staat und Religionsgemeinschaften Rechnung getragen werden kann.</p>
    • Rechtsgleichheit für religiöse Gemeinschaften in der Schweiz. Bericht

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