Optimierung der flankierenden Massnahmen. Ă„nderung von Artikel 2 des Entsendegesetzes

ShortId
18.3473
Id
20183473
Updated
28.07.2023 14:38
Language
de
Title
Optimierung der flankierenden Massnahmen. Änderung von Artikel 2 des Entsendegesetzes
AdditionalIndexing
44;2811;10
1
PriorityCouncil1
Ständerat
Texts
  • <p>Am 14. Juni 2015 hat die Tessiner Bevölkerung die Volksinitiative "Salviamo il lavoro in Ticino!" angenommen. Die Tessiner Verfassung vom 14. Dezember 1997 wurde wie folgt geändert:</p><p>Verfassung von Republik und Kanton Tessin</p><p>Titel III: Sozialrechte und -ziele</p><p>Artikel 13</p><p>Absatz 3 (neu) Jede Person hat Anspruch auf einen Mindestlohn, der ihr ein würdiges Dasein sichert. Ist ein Mindestlohn nicht durch einen Gesamtarbeitsvertrag garantiert, der allgemeinverbindlich ist oder der einen obligatorischen Mindestlohn vorsieht, so wird ein solcher vom Staatsrat festgelegt in Form eines prozentualen Anteils des nationalen Medianlohnes für die entsprechende Art der Aufgabe im entsprechenden Wirtschaftszweig.</p><p>Artikel 14</p><p>Absatz 1 Buchstabe a (neu) ... jeder seinen Lebensunterhalt durch Arbeit zu angemessenen Bedingungen bestreiten kann, gegen die Folgen von unverschuldeter Arbeitslosigkeit geschützt ist und in den Genuss von bezahlten Ferien gelangt;</p><p>Am 8. November 2017 hat der Tessiner Staatsrat die Botschaft zum neuen Gesetz über den Mindestlohn verabschiedet (Botschaft Nr. 7452 vom 8. November 2017). Dieses konkretisiert die Initiative und sieht einen Mindestlohn vor, der zwischen Fr. 18.75 und Fr. 19.25 pro Stunde liegt.</p><p>Falls dieses neue Gesetz in Kraft tritt, müssen unbedingt auch ausländische Firmen, die Personal ins Tessin entsenden (grenzüberschreitende Dienstleistungen), zur Einhaltung dieser Mindestlöhne verpflichtet werden können, dies aufgrund der besonderen Situation auf dem Tessiner Arbeitsmarkt.</p><p>Artikel 2 EntsG lautet in seiner geltenden Fassung wie folgt: "Die Arbeitgeber müssen den entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mindestens die Arbeits- und Lohnbedingungen garantieren, die in Bundesgesetzen, Verordnungen des Bundesrates, allgemein verbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen und Normalarbeitsverträgen im Sinne von Artikel 360a OR ... vorgeschrieben sind ...".</p><p>Dieser Artikel bezieht sich ausdrücklich auf Lohnbedingungen, die in Bundesgesetzen, Verordnungen des Bundesrates, allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen und Normalarbeitsverträgen im Sinne von Artikel 360a OR vorgeschrieben sind, nicht aber auf Lohnbedingungen, die in kantonalen Gesetzen vorgeschrieben sind. Bei Inkrafttreten des kantonalen Umsetzungsgesetzes zu Artikel 13 Absatz 3 der Tessiner Verfassung könnten ausländische Arbeitgeber, die ihre Angestellten vorübergehend ins Tessin entsenden, somit nicht zur Einhaltung des Mindestlohns verpflichtet werden.</p><p>Neben dem Kanton Tessin haben weitere Kantone ähnliche Gesetzesbestimmungen erlassen oder bereiten solche vor. Diese Kantone sind daher sicherlich auch an der hier vorgeschlagenen Anpassung von Artikel 2 EntsG interessiert. Für Kantone, die keine eigenen kantonalen Bestimmungen über einen Mindestlohn erlassen, wird diese Gesetzesänderung hingegen keinerlei Auswirkungen haben.</p>
  • <p>Der Bundesrat teilt das Anliegen des Motionärs, dass der Einhaltung der Schweizer Lohn- und Arbeitsbedingungen auch im Kontext des Freizügigkeitsabkommens mit der EU eine wichtige Bedeutung zukommt. Die flankierenden Massnahmen umfassen ein wirksames Instrumentarium zum Schutz der in- und ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor missbräuchlichen Lohnunterbietungen und Verstössen gegen die Arbeitsbedingungen. So haben die Arbeitgeber den entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Arbeits- und Lohnbedingungen zu garantieren.</p><p>Der Motionär fordert, dass die in kantonalen Gesetzen festgelegten Mindestlöhne im Entsendegesetz aufzunehmen seien. Hierzu gilt es aus Sicht des Bundesrates festzuhalten, dass die Einführung von Mindestlöhnen in den Kantonen, im Gegensatz zu den oben beschriebenen flankierenden Massnahmen, den Zweck verfolgt, die Armut zu bekämpfen. Gemäss Bundesgerichtsentscheid vom 21. Juli 2017 ist der Mindestlohn nur als sozialpolitische Massnahme mit dem verfassungsmässig garantierten Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit und mit dem Bundesrecht vereinbar.</p><p>Eine Aufnahme der kantonalen Mindestlöhne im Entsendegesetz würde auch dem Geltungsbereich der kantonalen Gesetze widersprechen. Gemäss der Botschaft des Regierungsrates des Kantons Tessin zum neuen Mindestlohngesetz vom 8. November 2017 (messagio no. 7452) unterliegen nur diejenigen Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern dem Mindestlohn, die gewöhnlich im Tessin ihrer Arbeit nachgehen. Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die nur gelegentlich im Tessin tätig sind, sind vom Mindestlohngesetz ausgenommen. Somit fallen die Entsandten grundsätzlich nicht unter den Anwendungsbereich dieses kantonalen Gesetzes. Der gleiche Wortlaut findet sich auch im entsprechenden Neuenburger Gesetz.</p><p>Der Bund hat keine Kompetenz, den Geltungsbereich von kantonalen Mindestlohngesetzen zu erweitern, indem er sie im Sinne des Motionärs in einem Bundesgesetz (EntsG) auf entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für anwendbar erklärt.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, einen Entwurf zur Änderung von Artikel 2 des Entsendegesetzes vom 8. Oktober 1999 (EntsG) vorzulegen. Der neue Gesetzestext soll vorsehen, dass ausländische Arbeitgeber, die ihre Angestellten in die Schweiz entsenden, zur Einhaltung auch derjenigen minimalen Lohnbedingungen verpflichtet werden können, die in einem kantonalen Gesetz vorgeschrieben sind.</p>
  • Optimierung der flankierenden Massnahmen. Änderung von Artikel 2 des Entsendegesetzes
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Am 14. Juni 2015 hat die Tessiner Bevölkerung die Volksinitiative "Salviamo il lavoro in Ticino!" angenommen. Die Tessiner Verfassung vom 14. Dezember 1997 wurde wie folgt geändert:</p><p>Verfassung von Republik und Kanton Tessin</p><p>Titel III: Sozialrechte und -ziele</p><p>Artikel 13</p><p>Absatz 3 (neu) Jede Person hat Anspruch auf einen Mindestlohn, der ihr ein würdiges Dasein sichert. Ist ein Mindestlohn nicht durch einen Gesamtarbeitsvertrag garantiert, der allgemeinverbindlich ist oder der einen obligatorischen Mindestlohn vorsieht, so wird ein solcher vom Staatsrat festgelegt in Form eines prozentualen Anteils des nationalen Medianlohnes für die entsprechende Art der Aufgabe im entsprechenden Wirtschaftszweig.</p><p>Artikel 14</p><p>Absatz 1 Buchstabe a (neu) ... jeder seinen Lebensunterhalt durch Arbeit zu angemessenen Bedingungen bestreiten kann, gegen die Folgen von unverschuldeter Arbeitslosigkeit geschützt ist und in den Genuss von bezahlten Ferien gelangt;</p><p>Am 8. November 2017 hat der Tessiner Staatsrat die Botschaft zum neuen Gesetz über den Mindestlohn verabschiedet (Botschaft Nr. 7452 vom 8. November 2017). Dieses konkretisiert die Initiative und sieht einen Mindestlohn vor, der zwischen Fr. 18.75 und Fr. 19.25 pro Stunde liegt.</p><p>Falls dieses neue Gesetz in Kraft tritt, müssen unbedingt auch ausländische Firmen, die Personal ins Tessin entsenden (grenzüberschreitende Dienstleistungen), zur Einhaltung dieser Mindestlöhne verpflichtet werden können, dies aufgrund der besonderen Situation auf dem Tessiner Arbeitsmarkt.</p><p>Artikel 2 EntsG lautet in seiner geltenden Fassung wie folgt: "Die Arbeitgeber müssen den entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mindestens die Arbeits- und Lohnbedingungen garantieren, die in Bundesgesetzen, Verordnungen des Bundesrates, allgemein verbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen und Normalarbeitsverträgen im Sinne von Artikel 360a OR ... vorgeschrieben sind ...".</p><p>Dieser Artikel bezieht sich ausdrücklich auf Lohnbedingungen, die in Bundesgesetzen, Verordnungen des Bundesrates, allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen und Normalarbeitsverträgen im Sinne von Artikel 360a OR vorgeschrieben sind, nicht aber auf Lohnbedingungen, die in kantonalen Gesetzen vorgeschrieben sind. Bei Inkrafttreten des kantonalen Umsetzungsgesetzes zu Artikel 13 Absatz 3 der Tessiner Verfassung könnten ausländische Arbeitgeber, die ihre Angestellten vorübergehend ins Tessin entsenden, somit nicht zur Einhaltung des Mindestlohns verpflichtet werden.</p><p>Neben dem Kanton Tessin haben weitere Kantone ähnliche Gesetzesbestimmungen erlassen oder bereiten solche vor. Diese Kantone sind daher sicherlich auch an der hier vorgeschlagenen Anpassung von Artikel 2 EntsG interessiert. Für Kantone, die keine eigenen kantonalen Bestimmungen über einen Mindestlohn erlassen, wird diese Gesetzesänderung hingegen keinerlei Auswirkungen haben.</p>
    • <p>Der Bundesrat teilt das Anliegen des Motionärs, dass der Einhaltung der Schweizer Lohn- und Arbeitsbedingungen auch im Kontext des Freizügigkeitsabkommens mit der EU eine wichtige Bedeutung zukommt. Die flankierenden Massnahmen umfassen ein wirksames Instrumentarium zum Schutz der in- und ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor missbräuchlichen Lohnunterbietungen und Verstössen gegen die Arbeitsbedingungen. So haben die Arbeitgeber den entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Arbeits- und Lohnbedingungen zu garantieren.</p><p>Der Motionär fordert, dass die in kantonalen Gesetzen festgelegten Mindestlöhne im Entsendegesetz aufzunehmen seien. Hierzu gilt es aus Sicht des Bundesrates festzuhalten, dass die Einführung von Mindestlöhnen in den Kantonen, im Gegensatz zu den oben beschriebenen flankierenden Massnahmen, den Zweck verfolgt, die Armut zu bekämpfen. Gemäss Bundesgerichtsentscheid vom 21. Juli 2017 ist der Mindestlohn nur als sozialpolitische Massnahme mit dem verfassungsmässig garantierten Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit und mit dem Bundesrecht vereinbar.</p><p>Eine Aufnahme der kantonalen Mindestlöhne im Entsendegesetz würde auch dem Geltungsbereich der kantonalen Gesetze widersprechen. Gemäss der Botschaft des Regierungsrates des Kantons Tessin zum neuen Mindestlohngesetz vom 8. November 2017 (messagio no. 7452) unterliegen nur diejenigen Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern dem Mindestlohn, die gewöhnlich im Tessin ihrer Arbeit nachgehen. Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die nur gelegentlich im Tessin tätig sind, sind vom Mindestlohngesetz ausgenommen. Somit fallen die Entsandten grundsätzlich nicht unter den Anwendungsbereich dieses kantonalen Gesetzes. Der gleiche Wortlaut findet sich auch im entsprechenden Neuenburger Gesetz.</p><p>Der Bund hat keine Kompetenz, den Geltungsbereich von kantonalen Mindestlohngesetzen zu erweitern, indem er sie im Sinne des Motionärs in einem Bundesgesetz (EntsG) auf entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für anwendbar erklärt.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, einen Entwurf zur Änderung von Artikel 2 des Entsendegesetzes vom 8. Oktober 1999 (EntsG) vorzulegen. Der neue Gesetzestext soll vorsehen, dass ausländische Arbeitgeber, die ihre Angestellten in die Schweiz entsenden, zur Einhaltung auch derjenigen minimalen Lohnbedingungen verpflichtet werden können, die in einem kantonalen Gesetz vorgeschrieben sind.</p>
    • Optimierung der flankierenden Massnahmen. Änderung von Artikel 2 des Entsendegesetzes

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