Praktika. Den Status der Praktikantinnen und Praktikanten besser regeln und damit stärken

ShortId
18.3489
Id
20183489
Updated
28.07.2023 03:35
Language
de
Title
Praktika. Den Status der Praktikantinnen und Praktikanten besser regeln und damit stärken
AdditionalIndexing
44;1211
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Seit 2010 ist die Zahl befristeter Arbeitsverträge in allen Alterskategorien deutlich gestiegen. Gemäss der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung ist diese Vertragsform bei den 15- bis 24-jährigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern (Lernende ausgenommen) die häufigste; auf sie entfällt fast ein Viertel (22,7 Prozent) der Arbeitsverträge. Davon wiederum waren 40,9 Prozent Verträge mit Praktikantinnen und Praktikanten.</p><p>Von den 15- bis 24-Jährigen sind also 9,3 Prozent mit einem Praktikantenvertrag angestellt, und dieser Anteil steigt in der Schweiz stetig. In zahlreichen Ausbildungsgängen wird das Praktikum zu einer Art obligatorischem Übergang, und das Gleiche gilt für die Berufswelt selber. Dabei ist es aber so, dass die Praktika noch immer nicht besonders gesetzlich geregelt sind; wenn es sich überhaupt um bezahlte Praktika handelt, gelten für sie die Bestimmungen über den Arbeitsvertrag (Art. 319ff. OR). Das Gleiche gilt für die Entlöhnung; diese ist durch die Gesamtarbeitsverträge (GAV) geregelt. Die GAV variieren jedoch sehr stark und decken nicht alle Berufsbereiche ab. </p><p>Es braucht Massnahmen, die verhindern, dass Praktika zu verschleierten prekären Arbeitsplätzen verkommen, und die dafür sorgen, dass die Praktika eine Ausbildungsform bleiben. Solche Massnahmen könnten beispielsweise darin bestehen, dass es zwischen zwei Besetzungen einer Praktikumsstelle eine Mindestkarenzfrist gibt (damit könnte verhindert werden, dass die Praktikumstelle zu einer dauerhaften prekären Arbeitsstelle umfunktioniert wird); oder sie könnten darin bestehen, dass eine angemessene und dem Ausbildungsniveau entsprechende Entlöhnung vorgeschrieben wird, dass zwingend eine Vereinbarung zwischen dem Unternehmen, der Ausbildungsinstitution und der Praktikantin oder dem Praktikanten abgeschlossen werden muss, oder darin, dass die maximale Anzahl Praktikumsplätze in einem Betrieb von der Anzahl festangestellter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abhängt.</p><p>Ein Praktikum hat den Erfordernissen einer Ausbildung zu dienen und darf nicht den Betrieben billige Arbeitskräfte verschaffen.</p>
  • <p>Praktika spielen für die Integration in den Arbeitsmarkt für verschiedene Personengruppen und vor allem für Jugendliche eine wichtige Rolle. Für einen Teil der Berufspersonen ermöglicht ein Praktikum, erste praktische Erfahrungen zu sammeln und einen Berufseinstieg zu finden. Für andere ist das Praktikum Bestandteil einer Aus- oder Weiterbildung.</p><p>Die Bedeutung von Praktika ist in der Schweiz insgesamt relativ gering. 2017 absolvierten gemäss der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung 1,5 Prozent der Arbeitnehmenden ein bezahltes Praktikum. 2010 waren es 1,0 Prozent. Fast zwei Drittel der Praktika (60 Prozent) wurden von Personen unter 25 Jahren absolviert. 2017 entsprach dies einem Anteil von 5,9 Prozent der 15- bis 24-jährigen Arbeitnehmenden (inklusive Lehrlinge). Im Vergleich dazu waren es 2010 rund 4,0 Prozent. Praktika und Volontariate standen nach Angaben der befragten Personen sehr oft in Zusammenhang mit einer Ausbildung. 2017 war dies bei 77 Prozent der Fall, 2010 noch bei 73 Prozent. Demgegenüber scheinen Schwierigkeiten beim Arbeitsmarkteintritt keine treibende Kraft hinter der beobachteten Zunahme bei den Praktika zwischen 2010 und 2017 zu sein: Lediglich rund 7 Prozent der Praktikantinnen und Praktikanten (rund 4000) gaben 2017 an, ein Praktikum zu absolvieren, weil sie keine Festanstellung finden konnten. 2010 waren es noch 11 Prozent gewesen. Auch der Bildungsbericht 2018 zeigt, dass sich bei Studierenden ein Jahr nach Studienabschluss der Anteil Praktikantinnen und Praktikanten zwischen 1991 und 2015 leicht verringert hat bei gleichzeitig steigender Erwerbstätigenquote. Es bestehen somit keine Anhaltspunkte, dass Praktika in der Schweiz zu einem Einfallstor für prekäre Arbeitsbedingungen geworden wären. Praktika spielen vor allem in Zusammenhang mit Ausbildungen eine grosse und zunehmend bedeutende Rolle.</p><p>In verschiedenen Konstellationen stellen spezifische Regelungen sicher, dass der Aus- oder Weiterbildungscharakter von Praktika im Vordergrund steht und Missbräuche eingeschränkt werden. Der Bundesrat und das Parlament haben sich im Rahmen der Motion 14.3077 und des Postulates 16.3997 bereits wiederholt mit Fragen im Kontext von Praktika auseinandergesetzt. Aufgrund der Vielfalt möglicher Konstellationen, in denen Praktika absolviert werden, wäre eine einheitliche Regulierung solcher Arbeitsverhältnisse nicht sinnvoll. Eine Erhöhung des administrativen Aufwands bei den Unternehmen könnte das Angebot an Praktikumsstellen sogar in unerwünschter Weise beeinträchtigen. Regelungen zur Mindestentlohnung könnten sich auf den Bildungsfokus von Praktika kontraproduktiv auswirken. Auch eine gesetzliche zeitliche Begrenzung von Praktikumsverträgen erachten der Bundesrat und das Parlament als nicht zielführend bzw. nicht notwendig (Motion 14.3077).</p><p>Gemäss schweizerischem Arbeitsrecht unterstehen sowohl unbefristete als auch befristete Arbeitsverträge den Regeln des privaten Arbeitsrechtes (Art. 319ff. des Obligationenrechts). Ein Praktikum - sofern es als Arbeitsvertrag qualifiziert ist - geniesst im Sinne des Arbeitsrechtes daher den gleichen rechtlichen Schutz wie alle anderen Arbeitsverhältnisse, und dieser kann auch gerichtlich eingefordert werden.</p><p>Die Arbeitsmarktaufsicht wird durch die Kantone vollzogen, und sie verfügen auch über die notwendigen Instrumente, um allfälligen Missbräuchen bei Praktikumskonstellationen zu begegnen. Diese Verantwortung wird von den Kantonen auch wahrgenommen.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, eine Änderung des Arbeitsrechts vorzulegen, mit der die Praktika geregelt werden. Ihnen soll auf Bundesebene ein rechtlicher Rahmen gesetzt werden, namentlich was Dauer, Entschädigung und Ausbildung betrifft. Dabei soll differenziert werden zwischen verschiedenen Typen von Praktika (obligatorische Praktika im Rahmen einer Ausbildung, Praktika nach Abschluss einer Ausbildung).</p>
  • Praktika. Den Status der Praktikantinnen und Praktikanten besser regeln und damit stärken
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Seit 2010 ist die Zahl befristeter Arbeitsverträge in allen Alterskategorien deutlich gestiegen. Gemäss der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung ist diese Vertragsform bei den 15- bis 24-jährigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern (Lernende ausgenommen) die häufigste; auf sie entfällt fast ein Viertel (22,7 Prozent) der Arbeitsverträge. Davon wiederum waren 40,9 Prozent Verträge mit Praktikantinnen und Praktikanten.</p><p>Von den 15- bis 24-Jährigen sind also 9,3 Prozent mit einem Praktikantenvertrag angestellt, und dieser Anteil steigt in der Schweiz stetig. In zahlreichen Ausbildungsgängen wird das Praktikum zu einer Art obligatorischem Übergang, und das Gleiche gilt für die Berufswelt selber. Dabei ist es aber so, dass die Praktika noch immer nicht besonders gesetzlich geregelt sind; wenn es sich überhaupt um bezahlte Praktika handelt, gelten für sie die Bestimmungen über den Arbeitsvertrag (Art. 319ff. OR). Das Gleiche gilt für die Entlöhnung; diese ist durch die Gesamtarbeitsverträge (GAV) geregelt. Die GAV variieren jedoch sehr stark und decken nicht alle Berufsbereiche ab. </p><p>Es braucht Massnahmen, die verhindern, dass Praktika zu verschleierten prekären Arbeitsplätzen verkommen, und die dafür sorgen, dass die Praktika eine Ausbildungsform bleiben. Solche Massnahmen könnten beispielsweise darin bestehen, dass es zwischen zwei Besetzungen einer Praktikumsstelle eine Mindestkarenzfrist gibt (damit könnte verhindert werden, dass die Praktikumstelle zu einer dauerhaften prekären Arbeitsstelle umfunktioniert wird); oder sie könnten darin bestehen, dass eine angemessene und dem Ausbildungsniveau entsprechende Entlöhnung vorgeschrieben wird, dass zwingend eine Vereinbarung zwischen dem Unternehmen, der Ausbildungsinstitution und der Praktikantin oder dem Praktikanten abgeschlossen werden muss, oder darin, dass die maximale Anzahl Praktikumsplätze in einem Betrieb von der Anzahl festangestellter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abhängt.</p><p>Ein Praktikum hat den Erfordernissen einer Ausbildung zu dienen und darf nicht den Betrieben billige Arbeitskräfte verschaffen.</p>
    • <p>Praktika spielen für die Integration in den Arbeitsmarkt für verschiedene Personengruppen und vor allem für Jugendliche eine wichtige Rolle. Für einen Teil der Berufspersonen ermöglicht ein Praktikum, erste praktische Erfahrungen zu sammeln und einen Berufseinstieg zu finden. Für andere ist das Praktikum Bestandteil einer Aus- oder Weiterbildung.</p><p>Die Bedeutung von Praktika ist in der Schweiz insgesamt relativ gering. 2017 absolvierten gemäss der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung 1,5 Prozent der Arbeitnehmenden ein bezahltes Praktikum. 2010 waren es 1,0 Prozent. Fast zwei Drittel der Praktika (60 Prozent) wurden von Personen unter 25 Jahren absolviert. 2017 entsprach dies einem Anteil von 5,9 Prozent der 15- bis 24-jährigen Arbeitnehmenden (inklusive Lehrlinge). Im Vergleich dazu waren es 2010 rund 4,0 Prozent. Praktika und Volontariate standen nach Angaben der befragten Personen sehr oft in Zusammenhang mit einer Ausbildung. 2017 war dies bei 77 Prozent der Fall, 2010 noch bei 73 Prozent. Demgegenüber scheinen Schwierigkeiten beim Arbeitsmarkteintritt keine treibende Kraft hinter der beobachteten Zunahme bei den Praktika zwischen 2010 und 2017 zu sein: Lediglich rund 7 Prozent der Praktikantinnen und Praktikanten (rund 4000) gaben 2017 an, ein Praktikum zu absolvieren, weil sie keine Festanstellung finden konnten. 2010 waren es noch 11 Prozent gewesen. Auch der Bildungsbericht 2018 zeigt, dass sich bei Studierenden ein Jahr nach Studienabschluss der Anteil Praktikantinnen und Praktikanten zwischen 1991 und 2015 leicht verringert hat bei gleichzeitig steigender Erwerbstätigenquote. Es bestehen somit keine Anhaltspunkte, dass Praktika in der Schweiz zu einem Einfallstor für prekäre Arbeitsbedingungen geworden wären. Praktika spielen vor allem in Zusammenhang mit Ausbildungen eine grosse und zunehmend bedeutende Rolle.</p><p>In verschiedenen Konstellationen stellen spezifische Regelungen sicher, dass der Aus- oder Weiterbildungscharakter von Praktika im Vordergrund steht und Missbräuche eingeschränkt werden. Der Bundesrat und das Parlament haben sich im Rahmen der Motion 14.3077 und des Postulates 16.3997 bereits wiederholt mit Fragen im Kontext von Praktika auseinandergesetzt. Aufgrund der Vielfalt möglicher Konstellationen, in denen Praktika absolviert werden, wäre eine einheitliche Regulierung solcher Arbeitsverhältnisse nicht sinnvoll. Eine Erhöhung des administrativen Aufwands bei den Unternehmen könnte das Angebot an Praktikumsstellen sogar in unerwünschter Weise beeinträchtigen. Regelungen zur Mindestentlohnung könnten sich auf den Bildungsfokus von Praktika kontraproduktiv auswirken. Auch eine gesetzliche zeitliche Begrenzung von Praktikumsverträgen erachten der Bundesrat und das Parlament als nicht zielführend bzw. nicht notwendig (Motion 14.3077).</p><p>Gemäss schweizerischem Arbeitsrecht unterstehen sowohl unbefristete als auch befristete Arbeitsverträge den Regeln des privaten Arbeitsrechtes (Art. 319ff. des Obligationenrechts). Ein Praktikum - sofern es als Arbeitsvertrag qualifiziert ist - geniesst im Sinne des Arbeitsrechtes daher den gleichen rechtlichen Schutz wie alle anderen Arbeitsverhältnisse, und dieser kann auch gerichtlich eingefordert werden.</p><p>Die Arbeitsmarktaufsicht wird durch die Kantone vollzogen, und sie verfügen auch über die notwendigen Instrumente, um allfälligen Missbräuchen bei Praktikumskonstellationen zu begegnen. Diese Verantwortung wird von den Kantonen auch wahrgenommen.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, eine Änderung des Arbeitsrechts vorzulegen, mit der die Praktika geregelt werden. Ihnen soll auf Bundesebene ein rechtlicher Rahmen gesetzt werden, namentlich was Dauer, Entschädigung und Ausbildung betrifft. Dabei soll differenziert werden zwischen verschiedenen Typen von Praktika (obligatorische Praktika im Rahmen einer Ausbildung, Praktika nach Abschluss einer Ausbildung).</p>
    • Praktika. Den Status der Praktikantinnen und Praktikanten besser regeln und damit stärken

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