Wechsel der Krankenkasse. Klarere Frist für die Versicherten

ShortId
18.3549
Id
20183549
Updated
28.07.2023 03:33
Language
de
Title
Wechsel der Krankenkasse. Klarere Frist für die Versicherten
AdditionalIndexing
2841
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Artikel 7 KVG regelt den Wechsel des Versicherers. In der Praxis wird am meisten von der Möglichkeit nach Artikel 7 Absatz 2 KVG Gebrauch gemacht. Dort ist vorgesehen, dass die versicherte Person den Versicherer wechseln kann "unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist auf das Ende des Monats ..., welcher der Gültigkeit der neuen Prämie vorangeht".</p><p>Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichtes (im Besonderen BGE 126 V 480) ist der Brief, mit dem die versicherte Person dem Versicherer den Wechsel der Krankenkasse anzeigt, eine Willensäusserung, die der Zustellung bedarf, vergleichbar einer Kündigung. Gegenwärtig gilt für den Wechsel des Versicherers das Empfangsprinzip, das heisst, der Brief muss spätestens am letzten Tag der Frist beim Empfänger - dem Versicherer - eintreffen. Wird beispielsweise der Brief am letzten Tag der Frist erst versandt, ist die gesetzliche Voraussetzung nicht erfüllt, und genauso wenig kommt die Kündigung zustande, wenn bei der Post ein Fehler passiert und der Brief irregeleitet wird. </p><p>Dieses Empfangsprinzip ist im Bereich der Sozialversicherungen eine Ausnahme; naheliegender wäre das Expeditionsprinzip. Das System wäre jenem nach Artikel 39 Absatz 1 ATSG nachzubauen, das die allgemeine Regel im Sozialversicherungsrecht ist. Dieser Regel entsprechend müsste der Wechsel des Versicherers spätestens am letzten Tag der Frist dem Versicherer eingereicht oder der Schweizerischen Post übergeben werden.</p><p>Das Expeditionsprinzip hat den Vorteil, für die Versicherten verständlicher zu sein. Es rechtfertigt sich aber auch aus Gründen der Rechtssicherheit, weil der Beweis der Einhaltung der Frist viel einfacher zu erbringen ist. Das Expeditionsprinzip ist auch die Regel im Verwaltungsverfahren, sodass es kohärenter wäre, wenn dieses Prinzip auch für den Krankenkassenwechsel gelten würde. </p><p>Jedes Jahr kommt es vor, dass Versicherte, die den Versicherer wechseln möchten, erfahren müssen, dass ihre Kündigung zurückgewiesen wird, weil das Schreiben zu spät eingetroffen ist aufgrund verzögerter Zustellung, für welche die Post verantwortlich ist, selbst wenn die Versicherten genug Zeit eingerechnet haben. In diesen Fällen geht es nicht an, dass die Versicherten den Schaden zu tragen haben, während die Verantwortung doch bei der Post liegt.</p>
  • <p>Es ist zwischen materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Fristen zu unterscheiden. Die Einhaltung ersterer hat einen materiellen Einfluss auf die Rechtsbeziehungen, während letztere, für die die Artikel 38ff. des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) gelten, die Beziehungen zwischen dem Staat und den Bürgerinnen und Bürgern oder zwischen den an einem Verfahren Beteiligten formell bestimmen. Die Möglichkeit, gemäss Artikel 7 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10) den Versicherer wechseln zu können, entspricht ihrer Natur und ihren Rechtswirkungen nach einer Kündigung. Mit einer einseitigen Willenserklärung kündigt die versicherte Person das Versicherungsverhältnis ungeachtet der Zustimmung des Versicherers. Die Kündigung stellt somit einen Gestaltungsakt dar. Die Fristen gemäss Artikel 7 Absätze 1 und 2 KVG sind materiell-rechtliche Fristen, welche die Zeitspanne festlegen, in der ein Akt vollzogen werden muss, damit er eine materielle Änderung der Rechtsbeziehung zwischen versicherter Person und Versicherer herbeiführt.</p><p>Im Rechtssystem ist das Empfangsprinzip bei Gestaltungsakten die Regel. Die Kündigung des Vertrags für die obligatorische Krankenpflegeversicherung muss demzufolge innert der gesetzlich festgelegten Frist beim Versicherer eingehen. Diese Regel gilt grundsätzlich auch für Mietverträge, für öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Arbeitsverträge sowie für die im Versicherungsvertragsgesetz (VVG; SR 221.229.1) geregelten Zusatzversicherungen.</p><p>Das VVG enthält keine Bestimmung, welche die ordentliche Kündigung des Versicherungsvertrags regelt. Diese ist meistens in den allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelt. Der Entwurf des revidierten VVG (E-VVG; BBl 2017 5141) sieht zwecks Vereinheitlichung der Kündigungsfrist eine Bestimmung zur ordentlichen Kündigung vor (Art. 35a E-VVG). Der E-VVG ändert jedoch nichts am Prinzip, wonach die Kündigung vor Fristablauf beim Empfänger eingehen muss, damit sie wirksam wird. Demnach ist der Bundesrat der Ansicht, dass es nicht sinnvoll ist, das System bei der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu ändern. Viele Versicherte haben nämlich auch Zusatzversicherungen abgeschlossen, und zwar oftmals bei der Versicherungsgruppe, bei der sie auch ihre Grundversicherung haben. Es ist daher zu vermeiden, dass sie mit zwei unterschiedlichen Systemen - Empfangsprinzip bei den Zusatzversicherungen und Expeditionsprinzip bei der obligatorischen Krankenpflegeversicherung - konfrontiert werden. Um die Kohärenz zwischen den beiden Versicherungszweigen im Interesse der Versicherten zu verstärken, hat der Gesetzgeber im Rahmen der Debatten zum E-VVG zudem die Möglichkeit, die Kündigungsfrist der Zusatzversicherungen auf die Fristen nach Artikel 7 Absätze 1 und 2 KVG abzustimmen.</p><p>Jeden Herbst verbreiten die Versicherten- und Konsumentenschutzverbände die Information, dass die Kündigung des Vertrags für die obligatorische Krankenpflegeversicherung bis spätestens 30. November beim Versicherer eingegangen sein muss. Das EDI legt zudem das erforderliche Vorgehen und die einzuhaltende Frist für den Versichererwechsel auf seiner Website (www.priminfo.ch) ausführlich dar. Die Versicherten verfügen somit über eine transparente und umfassende Information.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, eine Änderung von Artikel 7 KVG vorzulegen des Inhalts, dass für die Einhaltung der Frist für den Wechsel des Versicherers das Datum des Versands des entsprechenden Schreibens (Expeditionsprinzip) und nicht der Zustellung (Empfangsprinzip) massgeblich ist. Der Wechsel des Versicherers folgte damit der gleichen Fristenregelung, wie sie Artikel 39 Absatz 1 ATSG vorsieht.</p>
  • Wechsel der Krankenkasse. Klarere Frist für die Versicherten
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Artikel 7 KVG regelt den Wechsel des Versicherers. In der Praxis wird am meisten von der Möglichkeit nach Artikel 7 Absatz 2 KVG Gebrauch gemacht. Dort ist vorgesehen, dass die versicherte Person den Versicherer wechseln kann "unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist auf das Ende des Monats ..., welcher der Gültigkeit der neuen Prämie vorangeht".</p><p>Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichtes (im Besonderen BGE 126 V 480) ist der Brief, mit dem die versicherte Person dem Versicherer den Wechsel der Krankenkasse anzeigt, eine Willensäusserung, die der Zustellung bedarf, vergleichbar einer Kündigung. Gegenwärtig gilt für den Wechsel des Versicherers das Empfangsprinzip, das heisst, der Brief muss spätestens am letzten Tag der Frist beim Empfänger - dem Versicherer - eintreffen. Wird beispielsweise der Brief am letzten Tag der Frist erst versandt, ist die gesetzliche Voraussetzung nicht erfüllt, und genauso wenig kommt die Kündigung zustande, wenn bei der Post ein Fehler passiert und der Brief irregeleitet wird. </p><p>Dieses Empfangsprinzip ist im Bereich der Sozialversicherungen eine Ausnahme; naheliegender wäre das Expeditionsprinzip. Das System wäre jenem nach Artikel 39 Absatz 1 ATSG nachzubauen, das die allgemeine Regel im Sozialversicherungsrecht ist. Dieser Regel entsprechend müsste der Wechsel des Versicherers spätestens am letzten Tag der Frist dem Versicherer eingereicht oder der Schweizerischen Post übergeben werden.</p><p>Das Expeditionsprinzip hat den Vorteil, für die Versicherten verständlicher zu sein. Es rechtfertigt sich aber auch aus Gründen der Rechtssicherheit, weil der Beweis der Einhaltung der Frist viel einfacher zu erbringen ist. Das Expeditionsprinzip ist auch die Regel im Verwaltungsverfahren, sodass es kohärenter wäre, wenn dieses Prinzip auch für den Krankenkassenwechsel gelten würde. </p><p>Jedes Jahr kommt es vor, dass Versicherte, die den Versicherer wechseln möchten, erfahren müssen, dass ihre Kündigung zurückgewiesen wird, weil das Schreiben zu spät eingetroffen ist aufgrund verzögerter Zustellung, für welche die Post verantwortlich ist, selbst wenn die Versicherten genug Zeit eingerechnet haben. In diesen Fällen geht es nicht an, dass die Versicherten den Schaden zu tragen haben, während die Verantwortung doch bei der Post liegt.</p>
    • <p>Es ist zwischen materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Fristen zu unterscheiden. Die Einhaltung ersterer hat einen materiellen Einfluss auf die Rechtsbeziehungen, während letztere, für die die Artikel 38ff. des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) gelten, die Beziehungen zwischen dem Staat und den Bürgerinnen und Bürgern oder zwischen den an einem Verfahren Beteiligten formell bestimmen. Die Möglichkeit, gemäss Artikel 7 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10) den Versicherer wechseln zu können, entspricht ihrer Natur und ihren Rechtswirkungen nach einer Kündigung. Mit einer einseitigen Willenserklärung kündigt die versicherte Person das Versicherungsverhältnis ungeachtet der Zustimmung des Versicherers. Die Kündigung stellt somit einen Gestaltungsakt dar. Die Fristen gemäss Artikel 7 Absätze 1 und 2 KVG sind materiell-rechtliche Fristen, welche die Zeitspanne festlegen, in der ein Akt vollzogen werden muss, damit er eine materielle Änderung der Rechtsbeziehung zwischen versicherter Person und Versicherer herbeiführt.</p><p>Im Rechtssystem ist das Empfangsprinzip bei Gestaltungsakten die Regel. Die Kündigung des Vertrags für die obligatorische Krankenpflegeversicherung muss demzufolge innert der gesetzlich festgelegten Frist beim Versicherer eingehen. Diese Regel gilt grundsätzlich auch für Mietverträge, für öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Arbeitsverträge sowie für die im Versicherungsvertragsgesetz (VVG; SR 221.229.1) geregelten Zusatzversicherungen.</p><p>Das VVG enthält keine Bestimmung, welche die ordentliche Kündigung des Versicherungsvertrags regelt. Diese ist meistens in den allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelt. Der Entwurf des revidierten VVG (E-VVG; BBl 2017 5141) sieht zwecks Vereinheitlichung der Kündigungsfrist eine Bestimmung zur ordentlichen Kündigung vor (Art. 35a E-VVG). Der E-VVG ändert jedoch nichts am Prinzip, wonach die Kündigung vor Fristablauf beim Empfänger eingehen muss, damit sie wirksam wird. Demnach ist der Bundesrat der Ansicht, dass es nicht sinnvoll ist, das System bei der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu ändern. Viele Versicherte haben nämlich auch Zusatzversicherungen abgeschlossen, und zwar oftmals bei der Versicherungsgruppe, bei der sie auch ihre Grundversicherung haben. Es ist daher zu vermeiden, dass sie mit zwei unterschiedlichen Systemen - Empfangsprinzip bei den Zusatzversicherungen und Expeditionsprinzip bei der obligatorischen Krankenpflegeversicherung - konfrontiert werden. Um die Kohärenz zwischen den beiden Versicherungszweigen im Interesse der Versicherten zu verstärken, hat der Gesetzgeber im Rahmen der Debatten zum E-VVG zudem die Möglichkeit, die Kündigungsfrist der Zusatzversicherungen auf die Fristen nach Artikel 7 Absätze 1 und 2 KVG abzustimmen.</p><p>Jeden Herbst verbreiten die Versicherten- und Konsumentenschutzverbände die Information, dass die Kündigung des Vertrags für die obligatorische Krankenpflegeversicherung bis spätestens 30. November beim Versicherer eingegangen sein muss. Das EDI legt zudem das erforderliche Vorgehen und die einzuhaltende Frist für den Versichererwechsel auf seiner Website (www.priminfo.ch) ausführlich dar. Die Versicherten verfügen somit über eine transparente und umfassende Information.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, eine Änderung von Artikel 7 KVG vorzulegen des Inhalts, dass für die Einhaltung der Frist für den Wechsel des Versicherers das Datum des Versands des entsprechenden Schreibens (Expeditionsprinzip) und nicht der Zustellung (Empfangsprinzip) massgeblich ist. Der Wechsel des Versicherers folgte damit der gleichen Fristenregelung, wie sie Artikel 39 Absatz 1 ATSG vorsieht.</p>
    • Wechsel der Krankenkasse. Klarere Frist für die Versicherten

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