Neues nationales Forschungsprogramm. Grundlagen für eine Globalgeschichte der Schweiz

ShortId
18.3563
Id
20183563
Updated
28.07.2023 03:28
Language
de
Title
Neues nationales Forschungsprogramm. Grundlagen für eine Globalgeschichte der Schweiz
AdditionalIndexing
04;36
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>In den Wissenschaften besteht ein zunehmender Konsens, dass Vergangenheit und Gegenwart auch von europäischen Ländern nur in globalen Kontexten verständlich werden. Namentlich durch die europäische Expansion ab dem 16. Jahrhundert traten Europa, die Amerikas, Afrika und Asien in dauerhafte Beziehungen. Diese waren durch den Sklaven- und Kolonialwarenhandel, den Aufbau von europäischen Imperien in Übersee geprägt. Historikerinnen und Historiker weltweit verstehen die Kernmerkmale der globalisierten Gegenwart wie die Marktwirtschaft und den Welthandel, das Völkerrecht und die internationalen Organisationen, die Wissenschaften oder die Demokratie nicht mehr als "europäische Erfindungen", die von hier in die Welt diffundierten. Eine Folge des "transimperialen" Charakters der Vorgeschichte unserer globalisierten Gegenwart war, dass auch die Schweiz, welche formell nie eine imperiale Macht war, von kolonialen Prozessen erfasst wurde und sich auf der europäisch-profitierenden Seite in die imperiale Globalität eingliederte. Bisherige Forschungen haben auf einzelne Aspekte und Facetten der globalen Dimension der schweizerischen Geschichte fokussiert, die Ergebnisse aber kaum systematisiert (Auswanderung, Beteiligung am transatlantischen Sklavenhandel, Missionierung, schweizerische Handelshäuser, "Rassenforscher" in den Kolonien usw.). Heute ist die Schweiz nicht nur ein internationales Zentrum des globalen Rohstoffhandels und der Finanzindustrie, sondern zählt auch zu den führenden Zentren der internationalen Wissenschaften und ist Gastland zahlreicher internationaler Organisationen. Eine historische Reflexion über die Genese dieses Zustands und das Erbe, welches damit fortlebt, hat bis anhin jedoch noch kaum eingesetzt. Eine breit besetzte, eidgenössische Historikerinnen- und Historikerkonferenz an der Universität Bern hat im April dieses Jahres den Stand der Forschung und die offenen Fragen zusammengetragen. Dabei hat sich eindeutig die Notwendigkeit eines systematischen Forschungsprogrammes gezeigt.</p>
  • <p>Die vom Motionär erwähnte Konferenz zum Thema "Von der Kolonisierung zur Globalisierung" hat ihre Ergebnisse in einem Tagungsbericht publiziert ("Von der Kolonisierung zur Globalisierung: Weshalb wir Schweizer Geschichte neu denken sollten", in: H-Soz-Kult, 30. Mai 2018). Die darin enthaltenen Zusammenfassungen der Vorträge beleuchten aus der Perspektive einer transnationalen Geschichte primär die Prozesse der Verflechtung der Schweiz mit dem Kolonialismus und der Globalisierung. Als ein Ergebnis der Konferenz wird dargelegt, dass es einen Bedarf an neuen Recherchen und Konzepten zur Bearbeitung dieser Thematik in der Schweizer Geschichte gebe. Solche Prozesse der Identifikation von allfälligen Forschungslücken innerhalb einer Forschungsgemeinschaft zu einer bestimmten Thematik sind wichtige Massnahmen, um gezielt neue Forschungen anzuregen und namentlich auch junge Forschende für entsprechende Forschungsthemen gewinnen zu können.</p><p>Was die Förderung betrifft, so haben Forschende jederzeit die Möglichkeit, wissenschaftliche Projekte zu Einzelfragen aus dem erwähnten Themenfeld beim Schweizerischen Nationalfonds (SNF) über die Projektförderung und/oder im Rahmen von kollaborativ und interdisziplinär ausgerichteten Sinergia-Projekten einzureichen. Für die Lancierung neuer nationaler Forschungsprogramme (NFP) können Vorschläge im Rahmen der jeweiligen Prüfrunden eingereicht werden (siehe Art. 3ff. der Forschungs- und Innovationsförderungsverordnung, V-FIFG; SR 420.11). Das zuständige Fachamt, das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI), kommuniziert jeweils die Fristen und Bedingungen für Eingaben von Vorschlägen zu neuen NFP auf seiner Website (<a href="http://www.sbfi.admin.ch">www.sbfi.admin.ch</a>).</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
  • <p>Der Bundesrat wird eingeladen, ein nationales Forschungsprogramm (NFP) zu Fragen einer Globalgeschichte der Schweiz zu lancieren. Neben einer Bestandsaufnahme der bisherigen Forschung soll das NFP Grundlagen liefern für Vorschläge zu einer neuen Geschichtsvermittlung unter anderem im schulischen Geschichtsunterricht, in der populären Geschichtsvermittlung oder in den öffentlichen Geschichtsdebatten.</p>
  • Neues nationales Forschungsprogramm. Grundlagen für eine Globalgeschichte der Schweiz
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>In den Wissenschaften besteht ein zunehmender Konsens, dass Vergangenheit und Gegenwart auch von europäischen Ländern nur in globalen Kontexten verständlich werden. Namentlich durch die europäische Expansion ab dem 16. Jahrhundert traten Europa, die Amerikas, Afrika und Asien in dauerhafte Beziehungen. Diese waren durch den Sklaven- und Kolonialwarenhandel, den Aufbau von europäischen Imperien in Übersee geprägt. Historikerinnen und Historiker weltweit verstehen die Kernmerkmale der globalisierten Gegenwart wie die Marktwirtschaft und den Welthandel, das Völkerrecht und die internationalen Organisationen, die Wissenschaften oder die Demokratie nicht mehr als "europäische Erfindungen", die von hier in die Welt diffundierten. Eine Folge des "transimperialen" Charakters der Vorgeschichte unserer globalisierten Gegenwart war, dass auch die Schweiz, welche formell nie eine imperiale Macht war, von kolonialen Prozessen erfasst wurde und sich auf der europäisch-profitierenden Seite in die imperiale Globalität eingliederte. Bisherige Forschungen haben auf einzelne Aspekte und Facetten der globalen Dimension der schweizerischen Geschichte fokussiert, die Ergebnisse aber kaum systematisiert (Auswanderung, Beteiligung am transatlantischen Sklavenhandel, Missionierung, schweizerische Handelshäuser, "Rassenforscher" in den Kolonien usw.). Heute ist die Schweiz nicht nur ein internationales Zentrum des globalen Rohstoffhandels und der Finanzindustrie, sondern zählt auch zu den führenden Zentren der internationalen Wissenschaften und ist Gastland zahlreicher internationaler Organisationen. Eine historische Reflexion über die Genese dieses Zustands und das Erbe, welches damit fortlebt, hat bis anhin jedoch noch kaum eingesetzt. Eine breit besetzte, eidgenössische Historikerinnen- und Historikerkonferenz an der Universität Bern hat im April dieses Jahres den Stand der Forschung und die offenen Fragen zusammengetragen. Dabei hat sich eindeutig die Notwendigkeit eines systematischen Forschungsprogrammes gezeigt.</p>
    • <p>Die vom Motionär erwähnte Konferenz zum Thema "Von der Kolonisierung zur Globalisierung" hat ihre Ergebnisse in einem Tagungsbericht publiziert ("Von der Kolonisierung zur Globalisierung: Weshalb wir Schweizer Geschichte neu denken sollten", in: H-Soz-Kult, 30. Mai 2018). Die darin enthaltenen Zusammenfassungen der Vorträge beleuchten aus der Perspektive einer transnationalen Geschichte primär die Prozesse der Verflechtung der Schweiz mit dem Kolonialismus und der Globalisierung. Als ein Ergebnis der Konferenz wird dargelegt, dass es einen Bedarf an neuen Recherchen und Konzepten zur Bearbeitung dieser Thematik in der Schweizer Geschichte gebe. Solche Prozesse der Identifikation von allfälligen Forschungslücken innerhalb einer Forschungsgemeinschaft zu einer bestimmten Thematik sind wichtige Massnahmen, um gezielt neue Forschungen anzuregen und namentlich auch junge Forschende für entsprechende Forschungsthemen gewinnen zu können.</p><p>Was die Förderung betrifft, so haben Forschende jederzeit die Möglichkeit, wissenschaftliche Projekte zu Einzelfragen aus dem erwähnten Themenfeld beim Schweizerischen Nationalfonds (SNF) über die Projektförderung und/oder im Rahmen von kollaborativ und interdisziplinär ausgerichteten Sinergia-Projekten einzureichen. Für die Lancierung neuer nationaler Forschungsprogramme (NFP) können Vorschläge im Rahmen der jeweiligen Prüfrunden eingereicht werden (siehe Art. 3ff. der Forschungs- und Innovationsförderungsverordnung, V-FIFG; SR 420.11). Das zuständige Fachamt, das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI), kommuniziert jeweils die Fristen und Bedingungen für Eingaben von Vorschlägen zu neuen NFP auf seiner Website (<a href="http://www.sbfi.admin.ch">www.sbfi.admin.ch</a>).</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
    • <p>Der Bundesrat wird eingeladen, ein nationales Forschungsprogramm (NFP) zu Fragen einer Globalgeschichte der Schweiz zu lancieren. Neben einer Bestandsaufnahme der bisherigen Forschung soll das NFP Grundlagen liefern für Vorschläge zu einer neuen Geschichtsvermittlung unter anderem im schulischen Geschichtsunterricht, in der populären Geschichtsvermittlung oder in den öffentlichen Geschichtsdebatten.</p>
    • Neues nationales Forschungsprogramm. Grundlagen für eine Globalgeschichte der Schweiz

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