Änderung des Geltungsbereichs der Gesamtarbeitsverträge

ShortId
18.3599
Id
20183599
Updated
28.07.2023 03:36
Language
de
Title
Änderung des Geltungsbereichs der Gesamtarbeitsverträge
AdditionalIndexing
10;44
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Gesamtarbeitsverträge (GAV) sind privatrechtliche Verträge, zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die in einem bestimmten Wirtschaftsbereich die Arbeitsbedingungen regeln. Dank ihrer Flexibilität garantieren sie eine Sozialpartnerschaft, die Rücksicht nimmt auf die Eigenheiten in einer bestimmten Branche und auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten in einer bestimmten Region. Hinzu kommt, dass die Ausdehnung der GAV einen gesunden und gerechten Wettbewerb unter den Unternehmen garantiert, die Arbeitsplätze schützt und dem Lohndumping, das mit der Personenfreizügigkeit droht, vorbeugt.</p><p>Die Verfahren zur Ausdehnung der GAV sind nötig, aber sie sind nicht mehr angemessen und werden von den involvierten Akteuren auch nicht mehr verstanden. Tatsächlich handelt es sich dabei um ein hybrides Recht, um ein mehr oder weniger formelles Verfahren, das aber keineswegs Rechtssicherheit garantiert. Genauer gesagt gibt es keinerlei Beschwerdemöglichkeit gegen die Gutachten und gegen die Meinungen und Entscheide der Bundesbehörden, sprich des Seco. Zudem dauert das Verfahren gemessen an den Erfordernissen der Wirtschaft im 21. Jahrhundert zu lange.</p><p>Es ist inakzeptabel, dass diese Verfahren den heutigen Realitäten nicht entsprechen und dass die Entscheide des Seco nicht angefochten werden können. Das widerspricht den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit und des Föderalismus. Im Endeffekt entsprechen die Entscheide auch nicht mehr der ursprünglichen Philosophie des Bundesgesetzes über die Allgemeinverbindlicherklärung von GAV, der es ein Anliegen war, die Arbeit und die Erfahrung der jeweiligen Branchenkenner, die die spezifischen geopolitischen, wirtschaftlichen und sozialen Bedürfnisse des Kantons kennen, zu berücksichtigen.</p><p>Demzufolge scheint sich eine Revision des genannten Bundesgesetzes aufzudrängen. Der Bundesrat wird daher beauftragt, ein formelles Verfahren vorzusehen, mit Fristen, die den wirtschaftlichen Gegebenheiten Rechnung tragen, ein Beschwerderecht einzuführen und insbesondere auch vorzusehen, dass die kantonalen Behörden kompetent sind, über die wirtschaftlichen Gegebenheiten auf ihrem Gebiet zu befinden.</p>
  • <p>Das Bundesgesetz über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen (Aveg, SR 221.215.311) regelt bereits heute das Verfahren zur Ausdehnung eines Gesamtarbeitsvertrages (GAV) auf Arbeitgeber und Arbeitnehmende, die nicht Mitglieder der GAV-Parteien sind. Das Aveg regelt auch die Zuständigkeiten und die Voraussetzungen für die Anordnung einer Allgemeinverbindlichkeit (AVE). Das AVE-Verfahren beinhaltet die Publikation des AVE-Gesuchs im kantonalen Amtsblatt bzw. im Schweizerischen Handelsamtsblatt mit der Möglichkeit, Einsprache gegen die AVE zu erheben. Weiter ist der Ablauf des Einspracheverfahrens gesetzlich geregelt, ebenso der Entscheid der zuständigen Behörde. Gegen eine kantonale AVE kann beim Bundesgericht Beschwerde erhoben werden. </p><p>Heute bestehen in der Tat keine gesetzlichen Fristen, welche die Dauer der AVE-Verfahren regeln. Die Verfahrensdauer hängt allerdings nicht von den AVE-Behörden allein ab, sondern auch von den GAV-Parteien. Die Einführung von Fristen erachtet der Bundesrat nicht als zielführend, da dies die Sozialpartner in Bedrängnis bringen könnte. Sie benötigen oftmals mehrere Wochen oder Monate, um Lösungen für ihren GAV zu finden, die der AVE zugänglich sind. </p><p>Weil mit der AVE eine Einschränkung der Wirtschafts- und Vertragsfreiheit einhergeht und Nichtmitglieder der GAV-Parteien zwangsweise einem GAV unterstellt werden, prüfen die für die Durchführung des AVE-Verfahrens zuständigen Behörden namentlich, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung der AVE erfüllt sind. Dies dient nicht zuletzt der Rechtssicherheit. Die AVE soll zudem keine unerwünschten Auswirkungen auf die regionalen und betrieblichen Minderheitsinteressen in der zu regulierenden Branche sowie die berechtigten Interessen anderer Wirtschaftsgruppen haben. In diesem Sinne wird auch lokalen wirtschaftlichen Realitäten Rechnung getragen. </p><p>Es ist ausserdem von grosser Bedeutung, dass die zuständigen Bundes- und kantonalen Behörden eine einheitliche Praxis verfolgen, wofür das Seco soweit möglich besorgt ist. In dieser Rolle kommen dem Seco allerdings keine formellen Entscheidkompetenzen zu. Die Anordnung der AVE liegt allein in der Zuständigkeit der kantonalen Behörden (Regierungsrat) und des Eidgenössischen Departementes für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) bzw. des Gesamtbundesrates. Wäre das Seco nicht bereits während der AVE-Verfahren für eine einheitliche Praxis besorgt, könnte es dazu kommen, dass das WBF als Genehmigungsbehörde der kantonalen AVE diese zurückweisen müsste. Dies ist weder aus Sicht der Sozialpartner noch aus Sicht der Kantone, noch des WBF wünschenswert.</p><p>Der Bundesrat ist der Ansicht, dass das heutige System zur AVE eines GAV gut funktioniert und sich bewährt hat. </p><p>Wie aufgezeigt wird, ist das Verfahren zur AVE von GAV bereits formalisiert, und es bestehen auch Rekursmöglichkeiten. Der Bundesrat sieht somit keinen Handlungsbedarf.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, eine Änderung des Bundesgesetzes vom 28. September 1956 über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen vorzulegen. Es soll ein formelles Verfahren mit Verwirkungsfristen vorgesehen werden sowie ein Beschwerderecht, und vor allem soll anerkannt werden, dass die kantonalen Behörden kompetent sind, über die wirtschaftlichen Gegebenheiten auf ihrem Gebiet zu befinden.</p>
  • Änderung des Geltungsbereichs der Gesamtarbeitsverträge
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Gesamtarbeitsverträge (GAV) sind privatrechtliche Verträge, zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die in einem bestimmten Wirtschaftsbereich die Arbeitsbedingungen regeln. Dank ihrer Flexibilität garantieren sie eine Sozialpartnerschaft, die Rücksicht nimmt auf die Eigenheiten in einer bestimmten Branche und auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten in einer bestimmten Region. Hinzu kommt, dass die Ausdehnung der GAV einen gesunden und gerechten Wettbewerb unter den Unternehmen garantiert, die Arbeitsplätze schützt und dem Lohndumping, das mit der Personenfreizügigkeit droht, vorbeugt.</p><p>Die Verfahren zur Ausdehnung der GAV sind nötig, aber sie sind nicht mehr angemessen und werden von den involvierten Akteuren auch nicht mehr verstanden. Tatsächlich handelt es sich dabei um ein hybrides Recht, um ein mehr oder weniger formelles Verfahren, das aber keineswegs Rechtssicherheit garantiert. Genauer gesagt gibt es keinerlei Beschwerdemöglichkeit gegen die Gutachten und gegen die Meinungen und Entscheide der Bundesbehörden, sprich des Seco. Zudem dauert das Verfahren gemessen an den Erfordernissen der Wirtschaft im 21. Jahrhundert zu lange.</p><p>Es ist inakzeptabel, dass diese Verfahren den heutigen Realitäten nicht entsprechen und dass die Entscheide des Seco nicht angefochten werden können. Das widerspricht den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit und des Föderalismus. Im Endeffekt entsprechen die Entscheide auch nicht mehr der ursprünglichen Philosophie des Bundesgesetzes über die Allgemeinverbindlicherklärung von GAV, der es ein Anliegen war, die Arbeit und die Erfahrung der jeweiligen Branchenkenner, die die spezifischen geopolitischen, wirtschaftlichen und sozialen Bedürfnisse des Kantons kennen, zu berücksichtigen.</p><p>Demzufolge scheint sich eine Revision des genannten Bundesgesetzes aufzudrängen. Der Bundesrat wird daher beauftragt, ein formelles Verfahren vorzusehen, mit Fristen, die den wirtschaftlichen Gegebenheiten Rechnung tragen, ein Beschwerderecht einzuführen und insbesondere auch vorzusehen, dass die kantonalen Behörden kompetent sind, über die wirtschaftlichen Gegebenheiten auf ihrem Gebiet zu befinden.</p>
    • <p>Das Bundesgesetz über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen (Aveg, SR 221.215.311) regelt bereits heute das Verfahren zur Ausdehnung eines Gesamtarbeitsvertrages (GAV) auf Arbeitgeber und Arbeitnehmende, die nicht Mitglieder der GAV-Parteien sind. Das Aveg regelt auch die Zuständigkeiten und die Voraussetzungen für die Anordnung einer Allgemeinverbindlichkeit (AVE). Das AVE-Verfahren beinhaltet die Publikation des AVE-Gesuchs im kantonalen Amtsblatt bzw. im Schweizerischen Handelsamtsblatt mit der Möglichkeit, Einsprache gegen die AVE zu erheben. Weiter ist der Ablauf des Einspracheverfahrens gesetzlich geregelt, ebenso der Entscheid der zuständigen Behörde. Gegen eine kantonale AVE kann beim Bundesgericht Beschwerde erhoben werden. </p><p>Heute bestehen in der Tat keine gesetzlichen Fristen, welche die Dauer der AVE-Verfahren regeln. Die Verfahrensdauer hängt allerdings nicht von den AVE-Behörden allein ab, sondern auch von den GAV-Parteien. Die Einführung von Fristen erachtet der Bundesrat nicht als zielführend, da dies die Sozialpartner in Bedrängnis bringen könnte. Sie benötigen oftmals mehrere Wochen oder Monate, um Lösungen für ihren GAV zu finden, die der AVE zugänglich sind. </p><p>Weil mit der AVE eine Einschränkung der Wirtschafts- und Vertragsfreiheit einhergeht und Nichtmitglieder der GAV-Parteien zwangsweise einem GAV unterstellt werden, prüfen die für die Durchführung des AVE-Verfahrens zuständigen Behörden namentlich, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung der AVE erfüllt sind. Dies dient nicht zuletzt der Rechtssicherheit. Die AVE soll zudem keine unerwünschten Auswirkungen auf die regionalen und betrieblichen Minderheitsinteressen in der zu regulierenden Branche sowie die berechtigten Interessen anderer Wirtschaftsgruppen haben. In diesem Sinne wird auch lokalen wirtschaftlichen Realitäten Rechnung getragen. </p><p>Es ist ausserdem von grosser Bedeutung, dass die zuständigen Bundes- und kantonalen Behörden eine einheitliche Praxis verfolgen, wofür das Seco soweit möglich besorgt ist. In dieser Rolle kommen dem Seco allerdings keine formellen Entscheidkompetenzen zu. Die Anordnung der AVE liegt allein in der Zuständigkeit der kantonalen Behörden (Regierungsrat) und des Eidgenössischen Departementes für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) bzw. des Gesamtbundesrates. Wäre das Seco nicht bereits während der AVE-Verfahren für eine einheitliche Praxis besorgt, könnte es dazu kommen, dass das WBF als Genehmigungsbehörde der kantonalen AVE diese zurückweisen müsste. Dies ist weder aus Sicht der Sozialpartner noch aus Sicht der Kantone, noch des WBF wünschenswert.</p><p>Der Bundesrat ist der Ansicht, dass das heutige System zur AVE eines GAV gut funktioniert und sich bewährt hat. </p><p>Wie aufgezeigt wird, ist das Verfahren zur AVE von GAV bereits formalisiert, und es bestehen auch Rekursmöglichkeiten. Der Bundesrat sieht somit keinen Handlungsbedarf.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, eine Änderung des Bundesgesetzes vom 28. September 1956 über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen vorzulegen. Es soll ein formelles Verfahren mit Verwirkungsfristen vorgesehen werden sowie ein Beschwerderecht, und vor allem soll anerkannt werden, dass die kantonalen Behörden kompetent sind, über die wirtschaftlichen Gegebenheiten auf ihrem Gebiet zu befinden.</p>
    • Änderung des Geltungsbereichs der Gesamtarbeitsverträge

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