Artikel 64a Absatz 7 KVG. Abschaffung der schwarzen Listen

ShortId
18.3643
Id
20183643
Updated
28.07.2023 03:24
Language
de
Title
Artikel 64a Absatz 7 KVG. Abschaffung der schwarzen Listen
AdditionalIndexing
2841;28
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Gemäss dieser Bestimmung können Kantone sogenannte schwarze Listen führen, auf denen versicherte Personen, die ihrer Prämienpflicht gegenüber der Krankenkasse trotz Betreibung nicht nachkommen, erfasst sind. Mit Ausnahme von Notfallbehandlungen übernehmen die Versicherer für sie keine Kosten mehr und sistieren ihre Leistungen.</p><p>In der Praxis führte die Auslegung des Begriffs "Notfallbehandlung" zu fatalen Folgen. In gewissen Kantonen bestimmen die behandelnden Ärztinnen und Ärzte, ob ein Notfall vorliegt, und die Versicherung ist an diese Einschätzung gebunden. In anderen Kantonen bestimmt nicht das involvierte Behandlungsteam, ob die beantragte Behandlung als Notfallbehandlung gilt. Es besteht der Eindruck, dass gewisse Entscheidungsträgerinnen und -träger nicht im Interesse der Patientinnen und Patienten handeln. In Chur hat die Verweigerung der Kostenübernahme einer HIV-Therapie schliesslich zum Tod des Patienten geführt, im Kanton St. Gallen wurde die Kostenübernahme für eine Geburt verweigert.</p><p>Die schwarzen Listen haben in den Kantonen, welche sie eingeführt haben, keineswegs dazu geführt, dass die Prämien besser bezahlt werden. Das Führen der Listen hat mehr Kosten verursacht, als es Prämienausstände eingebracht hat.</p><p>Der Umstand, dass eine Person erst auf der schwarzen Liste erfasst wird, wenn sie erfolglos betrieben worden ist, deutet vielmehr darauf hin, dass sie trotz Androhung der Leistungskürzung nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügt. Die Bestimmung verfehlt ihre abschreckende Wirkung.</p><p>Besonders hart trifft es Menschen mit chronischen Krankheiten, welche auf regelmässige Untersuchungen und die tägliche Einnahme von Medikamenten angewiesen sind. Das System der schwarzen Listen verstösst gegen das Solidaritätsprinzip und das verfassungsmässige Recht auf Leben, auf medizinische Pflege und begründet eine Zweiklassenmedizin. </p><p>Insgesamt haben neun Kantone eine schwarze Liste eingeführt. Davon haben sich bis Frühjahr 2018 zwei Kantone entschieden, die Liste wieder aufzuheben. Ihr erhofftes Ziel wurde nicht erreicht. Die Zahl der säumigen Prämienzahlenden hat nicht abgenommen. Hinzu kam ein administrativer Aufwand. Leidtragende dieser Listen waren in erster Linie Versicherte in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen.</p>
  • <p>Seit 2012 haben die Kantone die Möglichkeit versicherte Personen, welche trotz Betreibung ihrer Prämienpflicht nicht nachkommen auf einer Liste zu erfassen. Dies im Sinne einer schwarzen Liste. Die Versicherer übernehmen in der Folge auf Meldung des Kantons hin nur noch die Kosten für die Notfallbehandlung dieser versicherten Personen. Die übrigen Kosten werden erst nach Begleichung der ausstehenden Forderungen übernommen. (Art. 64a KVG; SR 832.10). Es obliegt den Kantonen, die Abläufe bezüglich Meldung der säumigen Prämienzahler und der Führung der schwarzen Liste zu regeln.</p><p>Notfallbehandlungen müssen aber in jedem Fall übernommen werden. Die Kantone stehen somit in der Verantwortung, die korrekte Anwendung der schwarzen Listen zu garantieren. Wie die Rechtsprechung des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen (Urteil vom 26. April 2018, KSCHG 2017/5) zeigt, sind Notfallbehandlungen sehr umfassend zu interpretieren. Die verfassungsmässigen Rechte der Patientinnen und Patienten sind stets zu gewährleisten. Aufgrund sich abzeichnenden Umsetzungsschwierigkeiten sprach sich der Bundesrat während der parlamentarischen Debatte gegen die Einführung der Listen aus. Der Bundesrat bestätigte seine kritische Haltung gegenüber der Anwendung der schwarzen Listen mehrfach, ohne aber die föderale Ausgestaltung in Frage zu stellen. Der Bundesrat unterstützt daher die Motion der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates 18.3708, "Schwarze Listen. Definition Notfall", wonach Kantone welche eine schwarze Liste führen den Begriff der Notfallbehandlung umschreiben müssen. Damit soll bei Versicherten, Leistungserbringern und Versicherern Klarheit geschafft werden, wann eine Notfallbehandlung vorliegt und vergütet wird. Die vom Motionär geforderte Abschaffung der schwarzen Listen würde jedoch die Handlungsmöglichkeiten der Kantone zu stark einschränken.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, Artikel 64a Absatz 7 des Krankenversicherungsgesetzes ersatzlos zu streichen.</p>
  • Artikel 64a Absatz 7 KVG. Abschaffung der schwarzen Listen
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Gemäss dieser Bestimmung können Kantone sogenannte schwarze Listen führen, auf denen versicherte Personen, die ihrer Prämienpflicht gegenüber der Krankenkasse trotz Betreibung nicht nachkommen, erfasst sind. Mit Ausnahme von Notfallbehandlungen übernehmen die Versicherer für sie keine Kosten mehr und sistieren ihre Leistungen.</p><p>In der Praxis führte die Auslegung des Begriffs "Notfallbehandlung" zu fatalen Folgen. In gewissen Kantonen bestimmen die behandelnden Ärztinnen und Ärzte, ob ein Notfall vorliegt, und die Versicherung ist an diese Einschätzung gebunden. In anderen Kantonen bestimmt nicht das involvierte Behandlungsteam, ob die beantragte Behandlung als Notfallbehandlung gilt. Es besteht der Eindruck, dass gewisse Entscheidungsträgerinnen und -träger nicht im Interesse der Patientinnen und Patienten handeln. In Chur hat die Verweigerung der Kostenübernahme einer HIV-Therapie schliesslich zum Tod des Patienten geführt, im Kanton St. Gallen wurde die Kostenübernahme für eine Geburt verweigert.</p><p>Die schwarzen Listen haben in den Kantonen, welche sie eingeführt haben, keineswegs dazu geführt, dass die Prämien besser bezahlt werden. Das Führen der Listen hat mehr Kosten verursacht, als es Prämienausstände eingebracht hat.</p><p>Der Umstand, dass eine Person erst auf der schwarzen Liste erfasst wird, wenn sie erfolglos betrieben worden ist, deutet vielmehr darauf hin, dass sie trotz Androhung der Leistungskürzung nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügt. Die Bestimmung verfehlt ihre abschreckende Wirkung.</p><p>Besonders hart trifft es Menschen mit chronischen Krankheiten, welche auf regelmässige Untersuchungen und die tägliche Einnahme von Medikamenten angewiesen sind. Das System der schwarzen Listen verstösst gegen das Solidaritätsprinzip und das verfassungsmässige Recht auf Leben, auf medizinische Pflege und begründet eine Zweiklassenmedizin. </p><p>Insgesamt haben neun Kantone eine schwarze Liste eingeführt. Davon haben sich bis Frühjahr 2018 zwei Kantone entschieden, die Liste wieder aufzuheben. Ihr erhofftes Ziel wurde nicht erreicht. Die Zahl der säumigen Prämienzahlenden hat nicht abgenommen. Hinzu kam ein administrativer Aufwand. Leidtragende dieser Listen waren in erster Linie Versicherte in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen.</p>
    • <p>Seit 2012 haben die Kantone die Möglichkeit versicherte Personen, welche trotz Betreibung ihrer Prämienpflicht nicht nachkommen auf einer Liste zu erfassen. Dies im Sinne einer schwarzen Liste. Die Versicherer übernehmen in der Folge auf Meldung des Kantons hin nur noch die Kosten für die Notfallbehandlung dieser versicherten Personen. Die übrigen Kosten werden erst nach Begleichung der ausstehenden Forderungen übernommen. (Art. 64a KVG; SR 832.10). Es obliegt den Kantonen, die Abläufe bezüglich Meldung der säumigen Prämienzahler und der Führung der schwarzen Liste zu regeln.</p><p>Notfallbehandlungen müssen aber in jedem Fall übernommen werden. Die Kantone stehen somit in der Verantwortung, die korrekte Anwendung der schwarzen Listen zu garantieren. Wie die Rechtsprechung des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen (Urteil vom 26. April 2018, KSCHG 2017/5) zeigt, sind Notfallbehandlungen sehr umfassend zu interpretieren. Die verfassungsmässigen Rechte der Patientinnen und Patienten sind stets zu gewährleisten. Aufgrund sich abzeichnenden Umsetzungsschwierigkeiten sprach sich der Bundesrat während der parlamentarischen Debatte gegen die Einführung der Listen aus. Der Bundesrat bestätigte seine kritische Haltung gegenüber der Anwendung der schwarzen Listen mehrfach, ohne aber die föderale Ausgestaltung in Frage zu stellen. Der Bundesrat unterstützt daher die Motion der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates 18.3708, "Schwarze Listen. Definition Notfall", wonach Kantone welche eine schwarze Liste führen den Begriff der Notfallbehandlung umschreiben müssen. Damit soll bei Versicherten, Leistungserbringern und Versicherern Klarheit geschafft werden, wann eine Notfallbehandlung vorliegt und vergütet wird. Die vom Motionär geforderte Abschaffung der schwarzen Listen würde jedoch die Handlungsmöglichkeiten der Kantone zu stark einschränken.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, Artikel 64a Absatz 7 des Krankenversicherungsgesetzes ersatzlos zu streichen.</p>
    • Artikel 64a Absatz 7 KVG. Abschaffung der schwarzen Listen

Back to List