Überprüfung des Abstammungsrechts

ShortId
18.3714
Id
20183714
Updated
10.04.2024 16:42
Language
de
Title
Überprüfung des Abstammungsrechts
AdditionalIndexing
04;28;1211
1
PriorityCouncil1
Ständerat
Texts
  • <p>Das Abstammungsrecht des Zivilgesetzbuches (ZGB) regelt, wer Mutter und wer Vater eines Kindes ist. Es bestimmt, in wessen Verantwortung das Kind aufwächst und wessen Namen und Bürgerrechte es trägt. Aber auch die Unterhaltsberechtigung, Unterstützungspflichten sowie das Erb- und Pflichtteilsrecht knüpfen an das Abstammungsrecht an. Als Kernbereich des Privatrechts ist es von grösster Bedeutung.</p><p>Seit der Revision des Kindesrechts von 1976 hat sich die Situation der Familien in der Schweiz stark verändert. Obwohl sich nach wie vor ein Grossteil der Paare bei der Geburt eines Kindes für eine Heirat entscheidet, hat sich die Spannweite gelebter und gesellschaftlich akzeptierter Familienentwürfe erweitert. Sie reicht von Alleinerziehendenfamilien bis hin zu Patchwork- oder Regenbogenfamilien. Gleichzeitig haben sich die Möglichkeiten der Fortpflanzungsmedizin und der Humangenetik im In- und Ausland stark entwickelt. Diese Entwicklungen stellen die Gesetzgeber aller Länder vor grosse Herausforderungen. Exemplarisch zeigt dies der im Juli 2017 vom deutschen Bundesjustizministerium publizierte Abschlussbericht des Arbeitskreises Abstammungsrecht.</p><p>Auch der Ständerat hat dies erst kürzlich anlässlich der Beratung der Totalrevision des Bundesgesetzes über genetische Untersuchungen beim Menschen (GUMG) festgestellt: Die "Problematik rund um das Recht eines biologischen oder rechtlichen Vaters zur Durchführung eines Vaterschaftstests" müsse im Rahmen der Vaterschaftsanfechtung im Familienrecht des ZGB behandelt werden (AB 2018 S 334, Kommissionssprecher Noser). Schliesslich hat auch das Bundesgericht in mehreren jüngeren Entscheiden an den Gesetzgeber appelliert, und dies in ungewohnt deutlicher Weise: So hat es dem genetischen Vater des Kindes einer verheirateten Mutter unter Hinweis auf die rechtliche Stellung des Ehemanns der Mutter einen Anspruch auf Kenntnis seiner Nachkommenschaft abgesprochen (BGE 144 III 1 Erw. 4.4.3). Angesichts der gesellschaftspolitischen Dimension dieser Fragen stehe primär der Gesetzgeber in der Pflicht. Auch die Ausweitung des "bislang eher eng gezogenen Kreis[es] der Anfechtungsberechtigten gemäss Artikel 256 ZGB" (BGE 144 III 1 Erw. 4.4.1) sei ebenso Sache des Gesetzgebers wie die Schaffung "zusätzliche[r] Anfechtungsmöglichkeiten (...), wenn er zur Auffassung gelangen sollte, dass das Abstammungsrecht des ZGB nicht mehr zeitgemäss ist" (Urteil 5A_541/2017 vom 10. Januar 2018). Zum allgemeinen Prüfungsbedarf im Bereich des Abstammungsrechts besteht mittlerweile umfangreiches Schrifttum, worauf im Übrigen auch der Bundesrat in seinem Bericht zum Postulat Fehr Jacqueline 12.3607 hingewiesen hat.</p><p>Angesichts dieser Entwicklungen scheint es angezeigt, dass der Bundesrat in grundsätzlicher Weise prüft, ob das geltende Abstammungsrecht den heutigen Lebensrealitäten noch gerecht wird, und dass er gegebenenfalls Empfehlungen für eine kohärente Gesamtreform vorlegt. Der Bericht soll das geltende fortpflanzungsmedizinische Verbot der Ei- und der Embryonenspende sowie der Leihmutterschaft nicht infrage stellen. Er soll aber prüfen, ob und gegebenenfalls wie das Abstammungsrecht der Tatsache Rechnung tragen kann, dass in der Schweiz verbotene Reproduktionsmethoden zunehmend im Ausland in Anspruch genommen werden.</p>
  • Der Bundesrat beantragt die Annahme des Postulates.
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, den Reformbedarf im Abstammungsrecht zu prüfen und dem Parlament in einem Bericht gegebenenfalls entsprechende Empfehlungen zu unterbreiten.</p>
  • Überprüfung des Abstammungsrechts
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Das Abstammungsrecht des Zivilgesetzbuches (ZGB) regelt, wer Mutter und wer Vater eines Kindes ist. Es bestimmt, in wessen Verantwortung das Kind aufwächst und wessen Namen und Bürgerrechte es trägt. Aber auch die Unterhaltsberechtigung, Unterstützungspflichten sowie das Erb- und Pflichtteilsrecht knüpfen an das Abstammungsrecht an. Als Kernbereich des Privatrechts ist es von grösster Bedeutung.</p><p>Seit der Revision des Kindesrechts von 1976 hat sich die Situation der Familien in der Schweiz stark verändert. Obwohl sich nach wie vor ein Grossteil der Paare bei der Geburt eines Kindes für eine Heirat entscheidet, hat sich die Spannweite gelebter und gesellschaftlich akzeptierter Familienentwürfe erweitert. Sie reicht von Alleinerziehendenfamilien bis hin zu Patchwork- oder Regenbogenfamilien. Gleichzeitig haben sich die Möglichkeiten der Fortpflanzungsmedizin und der Humangenetik im In- und Ausland stark entwickelt. Diese Entwicklungen stellen die Gesetzgeber aller Länder vor grosse Herausforderungen. Exemplarisch zeigt dies der im Juli 2017 vom deutschen Bundesjustizministerium publizierte Abschlussbericht des Arbeitskreises Abstammungsrecht.</p><p>Auch der Ständerat hat dies erst kürzlich anlässlich der Beratung der Totalrevision des Bundesgesetzes über genetische Untersuchungen beim Menschen (GUMG) festgestellt: Die "Problematik rund um das Recht eines biologischen oder rechtlichen Vaters zur Durchführung eines Vaterschaftstests" müsse im Rahmen der Vaterschaftsanfechtung im Familienrecht des ZGB behandelt werden (AB 2018 S 334, Kommissionssprecher Noser). Schliesslich hat auch das Bundesgericht in mehreren jüngeren Entscheiden an den Gesetzgeber appelliert, und dies in ungewohnt deutlicher Weise: So hat es dem genetischen Vater des Kindes einer verheirateten Mutter unter Hinweis auf die rechtliche Stellung des Ehemanns der Mutter einen Anspruch auf Kenntnis seiner Nachkommenschaft abgesprochen (BGE 144 III 1 Erw. 4.4.3). Angesichts der gesellschaftspolitischen Dimension dieser Fragen stehe primär der Gesetzgeber in der Pflicht. Auch die Ausweitung des "bislang eher eng gezogenen Kreis[es] der Anfechtungsberechtigten gemäss Artikel 256 ZGB" (BGE 144 III 1 Erw. 4.4.1) sei ebenso Sache des Gesetzgebers wie die Schaffung "zusätzliche[r] Anfechtungsmöglichkeiten (...), wenn er zur Auffassung gelangen sollte, dass das Abstammungsrecht des ZGB nicht mehr zeitgemäss ist" (Urteil 5A_541/2017 vom 10. Januar 2018). Zum allgemeinen Prüfungsbedarf im Bereich des Abstammungsrechts besteht mittlerweile umfangreiches Schrifttum, worauf im Übrigen auch der Bundesrat in seinem Bericht zum Postulat Fehr Jacqueline 12.3607 hingewiesen hat.</p><p>Angesichts dieser Entwicklungen scheint es angezeigt, dass der Bundesrat in grundsätzlicher Weise prüft, ob das geltende Abstammungsrecht den heutigen Lebensrealitäten noch gerecht wird, und dass er gegebenenfalls Empfehlungen für eine kohärente Gesamtreform vorlegt. Der Bericht soll das geltende fortpflanzungsmedizinische Verbot der Ei- und der Embryonenspende sowie der Leihmutterschaft nicht infrage stellen. Er soll aber prüfen, ob und gegebenenfalls wie das Abstammungsrecht der Tatsache Rechnung tragen kann, dass in der Schweiz verbotene Reproduktionsmethoden zunehmend im Ausland in Anspruch genommen werden.</p>
    • Der Bundesrat beantragt die Annahme des Postulates.
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, den Reformbedarf im Abstammungsrecht zu prüfen und dem Parlament in einem Bericht gegebenenfalls entsprechende Empfehlungen zu unterbreiten.</p>
    • Überprüfung des Abstammungsrechts

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