Keinen Freipass für den Zugang zur Arbeitslosenversicherung und zu den Sozialversicherungen der Schweiz

ShortId
18.3746
Id
20183746
Updated
28.07.2023 03:28
Language
de
Title
Keinen Freipass für den Zugang zur Arbeitslosenversicherung und zu den Sozialversicherungen der Schweiz
AdditionalIndexing
2836;2811
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Die schweizerischen Arbeitslosen- und Sozialwerke sind für im Ausland lebende Menschen aufgrund der hohen Kaufkraft unserer Leistungen und des Schweizerfrankens höchst attraktiv. Dies kann dazu führen, dass Personen die Schweiz als Einwanderungsland in das Sozialsystem wählen, um nach kürzester Aufenthaltsdauer mit geringen Steuer- sowie Beitragsleistungen sich vergleichbar in ihrem ausländischen Domizilland nachträglich hohe Sozialbezüge ausbezahlen lassen. </p><p>Auch sind internationale Organisationen daran, Sozialversicherungsleistungen zu harmonisieren. Die Schweiz wäre in einem solchen Umfeld die grosse Verliererin und würde volkswirtschaftlich massiv geschwächt. In allen internationalen Vereinbarungen gilt die Regel der Nichtdiskriminierung. Würde also die Schweiz wie hier vorgeschlagen neu die Wohnsitzdauer als ein Kriterium zur Beitragshöhe einführen, dann hätte diese Gesetzesbestimmung nationalitätsneutral auf alle Bezugsberechtigten ihre Anwendungswirkung und wäre international nicht anfechtbar. So zum Beispiel würde der "Nichtdiskriminierungs"-Artikel 2 des Personenfreizügigkeitsabkommens (FZA) mit der EU eingehalten, und gleichzeitig könnte sich die Schweiz auf den Anhang II mit Zusatzprotokoll zum FZA (Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit) berufen, welcher die Ausgestaltung der Modalitäten zu den Leistungserbringungen unter die Rechtsvorschriften der jeweiligen Vertragspartner stellt.</p>
  • <p>Die Einführung einer Wohnsitzdauer als Voraussetzung für den Zugang zu Sozialversicherungsleistungen hätte zur Folge, dass ausländische Wohnzeiten aufgrund internationaler Verpflichtungen angerechnet werden müssten. Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004, die in Anhang II des FZA beziehungsweise in Anlage 2 des Anhangs K des Efta-Übereinkommens übernommen wurde, sieht das Totalisierungsprinzip vor. Danach muss ein Staat, dessen Rechtsvorschriften den Erwerb des Leistungsanspruchs von der Zurücklegung von Versicherungs- oder Wohnzeiten abhängig machen, soweit erforderlich die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Staats zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten berücksichtigen, als ob es sich um Zeiten handeln würde, die nach seinen Rechtsvorschriften zurückgelegt worden sind.</p><p>Diese Anrechnung von ausländischen Wohnzeiten für die Erfüllung der Mindestwohndauer in der Schweiz würde diese Personen in der Rentenversicherung nicht besser stellen als Personen, die seit Langem in der Schweiz wohnen, denn die Leistungshöhe würde nur aufgrund der in der Schweiz zurückgelegten Versicherungszeiten bemessen.</p><p>Zudem können gestützt auf das FZA sowie auf das Efta-Übereinkommen Personen wie Grenzgänger, die aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit in der Schweiz sozialversicherungspflichtig sind, nicht wegen fehlendem Wohnsitz generell vom Zugang zu Sozialleistungen ausgeschlossen werden.</p><p>Auch die bilateralen Sozialversicherungsabkommen mit Staaten ausserhalb der EU/Efta, welche i. d. R. nur auf die AHV/IV-Renten anwendbar sind, enthalten, mit wenigen Ausnahmen, Bestimmungen, welche die Anrechnung von schweizerischen Versicherungszeiten für die Erfüllung der Mindestversicherungsdauer für Rentenleistungen des anderen Vertragsstaats vorsehen. Diese Bestimmungen sind für die schweizerischen Staatsangehörigen vorteilhaft, da sie die Erfüllung der teilweise sehr langen Mindestversicherungszeiten für den Anspruch auf eine Rente der anderen Vertragsstaaten massgeblich erleichtern. Bei der Einführung einer längeren Wohnsitzdauer für den Anspruch auf AHV/IV-Renten würden die Vertragspartner von der Schweiz verlangen, dass sie Gegenrecht hält und ausländische Wohnzeiten für die Erfüllung der Mindestwohndauer in der AHV/IV anrechnet.</p><p>Im Ergebnis wäre es für Angehörige von EU-/Efta-Staaten in Bezug auf alle Sozialversicherungen und für Angehörige von Vertragsstaaten in Bezug auf die AHV/IV also relativ einfach, eine Mindestwohndauer zu erfüllen. Erschwert würden vor allem der Zugang zur Arbeitslosenversicherung für Personen, die aus Vertragsstaaten ausserhalb der EU/Efta einwandern, und der Zugang zu allen Sozialversicherungen für Personen aus Nichtvertragsstaaten. Da die Zuwanderung für Angehörige von Staaten ausserhalb der EU/Efta beschränkt ist, würde der Zugang zu Sozialversicherungen vor allem für rückkehrende Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer erschwert.</p><p>Was die Höhe der Sozialversicherungsleistungen anbelangt, so werden die AHV/IV-Renten schon heute "gestaffelt", d. h. abhängig von der in der Schweiz zurückgelegten Versicherungsdauer, als Teilrenten ausgerichtet.</p><p>Die Einführung einer Wohnsitzdauer für die Staffelung der Sozialversicherungsleistungen würde diejenigen Personen diskriminieren, die in der Schweiz aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit Sozialversicherungsbeiträge zahlen oder gezahlt haben, aber hier keinen Wohnsitz haben oder nur während einer bestimmten Zeit in der Schweiz lebten. Vorwiegend benachteiligt würden ausländische Staatsangehörige, für welche die Erfüllung der Wohndauer erheblich schwieriger wäre als für Schweizerinnen und Schweizer. Unter dem FZA sowie dem Efta-Übereinkommen wäre eine solche Benachteiligung nicht zulässig. Die Wohnsitzdauer in einem EU-/Efta-Staat, während derer eine Person in der Schweiz sozialversichert war, müsste gegebenenfalls so berücksichtigt werden, wie wenn diese in der Schweiz zurückgelegt worden wäre. Es ist auch zu erwarten, dass unsere Vertragspartner ausserhalb der EU/Efta von der Schweiz verlangen würden, ausländische Wohnzeiten angemessen zu berücksichtigen.</p><p>Schliesslich würden Personen, welche die erforderliche Wohndauer für den Zugang und die Höhe der Leistungen nicht erfüllen könnten, sozialhilfeabhängig, was eine Verschiebung der Kosten zu den Kantonen bedeuten würde.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, eine Vorlage auszuarbeiten, welche Arbeitslosen- sowie Sozialleistungen auch von der Dauer des Wohnsitzes in der Schweiz abhängig machen. </p><p>Die Dauer eines schweizerischen Wohnsitzes beginnt entweder mit der Geburt oder mit einer späteren Wohnsitznahme in der Schweiz. Sie endet mit dem Wegzug aus der Schweiz. </p><p>Insbesondere soll die Machbarkeit von gestaffelten Leistungsauszahlungen in Abhängigkeit von der Wohnsitzdauer geprüft werden.</p>
  • Keinen Freipass für den Zugang zur Arbeitslosenversicherung und zu den Sozialversicherungen der Schweiz
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Die schweizerischen Arbeitslosen- und Sozialwerke sind für im Ausland lebende Menschen aufgrund der hohen Kaufkraft unserer Leistungen und des Schweizerfrankens höchst attraktiv. Dies kann dazu führen, dass Personen die Schweiz als Einwanderungsland in das Sozialsystem wählen, um nach kürzester Aufenthaltsdauer mit geringen Steuer- sowie Beitragsleistungen sich vergleichbar in ihrem ausländischen Domizilland nachträglich hohe Sozialbezüge ausbezahlen lassen. </p><p>Auch sind internationale Organisationen daran, Sozialversicherungsleistungen zu harmonisieren. Die Schweiz wäre in einem solchen Umfeld die grosse Verliererin und würde volkswirtschaftlich massiv geschwächt. In allen internationalen Vereinbarungen gilt die Regel der Nichtdiskriminierung. Würde also die Schweiz wie hier vorgeschlagen neu die Wohnsitzdauer als ein Kriterium zur Beitragshöhe einführen, dann hätte diese Gesetzesbestimmung nationalitätsneutral auf alle Bezugsberechtigten ihre Anwendungswirkung und wäre international nicht anfechtbar. So zum Beispiel würde der "Nichtdiskriminierungs"-Artikel 2 des Personenfreizügigkeitsabkommens (FZA) mit der EU eingehalten, und gleichzeitig könnte sich die Schweiz auf den Anhang II mit Zusatzprotokoll zum FZA (Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit) berufen, welcher die Ausgestaltung der Modalitäten zu den Leistungserbringungen unter die Rechtsvorschriften der jeweiligen Vertragspartner stellt.</p>
    • <p>Die Einführung einer Wohnsitzdauer als Voraussetzung für den Zugang zu Sozialversicherungsleistungen hätte zur Folge, dass ausländische Wohnzeiten aufgrund internationaler Verpflichtungen angerechnet werden müssten. Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004, die in Anhang II des FZA beziehungsweise in Anlage 2 des Anhangs K des Efta-Übereinkommens übernommen wurde, sieht das Totalisierungsprinzip vor. Danach muss ein Staat, dessen Rechtsvorschriften den Erwerb des Leistungsanspruchs von der Zurücklegung von Versicherungs- oder Wohnzeiten abhängig machen, soweit erforderlich die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Staats zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten berücksichtigen, als ob es sich um Zeiten handeln würde, die nach seinen Rechtsvorschriften zurückgelegt worden sind.</p><p>Diese Anrechnung von ausländischen Wohnzeiten für die Erfüllung der Mindestwohndauer in der Schweiz würde diese Personen in der Rentenversicherung nicht besser stellen als Personen, die seit Langem in der Schweiz wohnen, denn die Leistungshöhe würde nur aufgrund der in der Schweiz zurückgelegten Versicherungszeiten bemessen.</p><p>Zudem können gestützt auf das FZA sowie auf das Efta-Übereinkommen Personen wie Grenzgänger, die aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit in der Schweiz sozialversicherungspflichtig sind, nicht wegen fehlendem Wohnsitz generell vom Zugang zu Sozialleistungen ausgeschlossen werden.</p><p>Auch die bilateralen Sozialversicherungsabkommen mit Staaten ausserhalb der EU/Efta, welche i. d. R. nur auf die AHV/IV-Renten anwendbar sind, enthalten, mit wenigen Ausnahmen, Bestimmungen, welche die Anrechnung von schweizerischen Versicherungszeiten für die Erfüllung der Mindestversicherungsdauer für Rentenleistungen des anderen Vertragsstaats vorsehen. Diese Bestimmungen sind für die schweizerischen Staatsangehörigen vorteilhaft, da sie die Erfüllung der teilweise sehr langen Mindestversicherungszeiten für den Anspruch auf eine Rente der anderen Vertragsstaaten massgeblich erleichtern. Bei der Einführung einer längeren Wohnsitzdauer für den Anspruch auf AHV/IV-Renten würden die Vertragspartner von der Schweiz verlangen, dass sie Gegenrecht hält und ausländische Wohnzeiten für die Erfüllung der Mindestwohndauer in der AHV/IV anrechnet.</p><p>Im Ergebnis wäre es für Angehörige von EU-/Efta-Staaten in Bezug auf alle Sozialversicherungen und für Angehörige von Vertragsstaaten in Bezug auf die AHV/IV also relativ einfach, eine Mindestwohndauer zu erfüllen. Erschwert würden vor allem der Zugang zur Arbeitslosenversicherung für Personen, die aus Vertragsstaaten ausserhalb der EU/Efta einwandern, und der Zugang zu allen Sozialversicherungen für Personen aus Nichtvertragsstaaten. Da die Zuwanderung für Angehörige von Staaten ausserhalb der EU/Efta beschränkt ist, würde der Zugang zu Sozialversicherungen vor allem für rückkehrende Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer erschwert.</p><p>Was die Höhe der Sozialversicherungsleistungen anbelangt, so werden die AHV/IV-Renten schon heute "gestaffelt", d. h. abhängig von der in der Schweiz zurückgelegten Versicherungsdauer, als Teilrenten ausgerichtet.</p><p>Die Einführung einer Wohnsitzdauer für die Staffelung der Sozialversicherungsleistungen würde diejenigen Personen diskriminieren, die in der Schweiz aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit Sozialversicherungsbeiträge zahlen oder gezahlt haben, aber hier keinen Wohnsitz haben oder nur während einer bestimmten Zeit in der Schweiz lebten. Vorwiegend benachteiligt würden ausländische Staatsangehörige, für welche die Erfüllung der Wohndauer erheblich schwieriger wäre als für Schweizerinnen und Schweizer. Unter dem FZA sowie dem Efta-Übereinkommen wäre eine solche Benachteiligung nicht zulässig. Die Wohnsitzdauer in einem EU-/Efta-Staat, während derer eine Person in der Schweiz sozialversichert war, müsste gegebenenfalls so berücksichtigt werden, wie wenn diese in der Schweiz zurückgelegt worden wäre. Es ist auch zu erwarten, dass unsere Vertragspartner ausserhalb der EU/Efta von der Schweiz verlangen würden, ausländische Wohnzeiten angemessen zu berücksichtigen.</p><p>Schliesslich würden Personen, welche die erforderliche Wohndauer für den Zugang und die Höhe der Leistungen nicht erfüllen könnten, sozialhilfeabhängig, was eine Verschiebung der Kosten zu den Kantonen bedeuten würde.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, eine Vorlage auszuarbeiten, welche Arbeitslosen- sowie Sozialleistungen auch von der Dauer des Wohnsitzes in der Schweiz abhängig machen. </p><p>Die Dauer eines schweizerischen Wohnsitzes beginnt entweder mit der Geburt oder mit einer späteren Wohnsitznahme in der Schweiz. Sie endet mit dem Wegzug aus der Schweiz. </p><p>Insbesondere soll die Machbarkeit von gestaffelten Leistungsauszahlungen in Abhängigkeit von der Wohnsitzdauer geprüft werden.</p>
    • Keinen Freipass für den Zugang zur Arbeitslosenversicherung und zu den Sozialversicherungen der Schweiz

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