Kulturland und Wald sind gleichwertig. Stopp dem Kulturlandverlust zugunsten der Waldflächenausdehnung

ShortId
18.3869
Id
20183869
Updated
28.07.2023 14:36
Language
de
Title
Kulturland und Wald sind gleichwertig. Stopp dem Kulturlandverlust zugunsten der Waldflächenausdehnung
AdditionalIndexing
2846;52;55
1
PriorityCouncil1
Ständerat
Texts
  • <p>Der strikte Waldschutz machte vor 100 Jahren Sinn, als der Wald in der Schweiz stark unter Druck war. Heute ist die Situation genau umgekehrt: Jede Sekunde fällt ein halber Quadratmeter Kulturland der Ausdehnung des Waldes zum Opfer. Zusammen mit dem Flächenbedarf der Siedlungs- und Infrastrukturentwicklung geht trotz der ersten Etappe der RPG-Revision nach wie vor fast ein Quadratmeter Kulturland pro Sekunde verloren. Dies zeigen die neuesten Resultate der aktuellen Arealstatistik.</p><p>Angesichts dieser Tatsache macht es keinen Sinn, dass auf Kulturland weiterhin Wald aufgeforstet wird oder für ökologische Ausgleichsmassnahmen wertvolle Flächen der Lebensmittelproduktion entzogen werden. Erst vor ein paar Jahren haben wir im Parlament entschieden, den Rodungsersatz zu lockern. Allerdings stellen wir in der Praxis fest, dass die Bundesbehörden selbst im Berggebiet, wo der Waldeinwuchs unsere Landschaft und Landwirtschaft gefährdet, die Kantone zwingen, Realersatz auf Kulturland zu leisten. Dies läuft dem verfassungsgemässen Kulturlandschutz zuwider.</p><p>Solange der Wald gesamtschweizerisch auf dem Vormarsch ist und Kulturland verlorengeht, ist dieser Rodungsersatz wie auch die ökologischen Ausgleichsmassnahmen auf der grünen Wiese oder gar auf besten Ackerflächen nicht mehr tolerierbar. Umso weniger, als das Stimmvolk im Herbst 2017 den Verfassungsartikel 104a zur Ernährungssicherheit mit überwältigenden 78 Prozent Jastimmen angenommen hat. Dort steht prominent, dass das Kulturland langfristig erhalten werden muss. Dasselbe verlangen auch die Verfassungsartikel zur Raumplanung, zur Landesversorgung und zur Landwirtschaft, ebenfalls die Grundsätze des Raumplanungsgesetzes. 2015 hat die GPK einen Bericht zum Kulturlandschutz erstellt und ist zum Schluss gekommen, dass der Bund seine Aufgabe nicht wahrnimmt.</p><p>Daher muss die Gesetzgebung so angepasst werden, dass auf landwirtschaftlichem Kulturland auf jegliche Form von Rodungsersatz und ökologischen Ausgleichsmassnahmen künftig verzichtet wird. Wenn, dann sollen diese Ersatzmassnahmen beispielsweise durch eine qualitative Aufwertung innerhalb des bestehenden Wald- oder Naturschutzareals erfolgen.</p>
  • <p>Der Motionär fordert grundsätzlich einen besseren Schutz des Kulturlandes. Der geforderte Verzicht auf Rodungsersatz und ökologische Ausgleichsmassnahmen auf landwirtschaftlichen Nutzflächen hätte aber negative Auswirkungen auf den Schutz der Waldfläche, ohne dass dadurch der Schutz des Kulturlandes wesentlich gestärkt werden könnte. Durch diese Forderung würde de facto die Waldfläche im Mittelland und in Talebenen kontinuierlich abnehmen. Zusammen mit der Einführung der statischen Waldgrenze (Art. 12a der Waldverordnung, WaV; SR 921.01) würde sich diese Abnahme noch verschärfen. Dies steht im Widerspruch zum Walderhaltungsgebot nach Artikel 3 des Waldgesetzes (WaG; SR 921.0) und zur Waldpolitik 2020 des Bundes. Es wäre zudem zu prüfen, inwieweit die Walderhaltung gemäss Artikel 77 der Bundesverfassung (BV; SR 101) infrage gestellt würde.</p><p>Die Raumplanung soll den haushälterischen Umgang mit der knappen Ressource Boden unter Berücksichtigung der laufenden Siedlungsentwicklung und des gleichzeitigen Schutzes von Kulturland und Wald mit den entsprechenden Instrumenten sicherstellen. Im Rahmen der ersten Etappe der Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG; SR 700) und der Änderung des Waldgesetzes vom 16. März 2012 hat sich das Parlament bereits mit der Thematik des Rodungsersatzes auseinandergesetzt. Im Grundsatz wurde am Walderhaltungsgebot festgehalten. Beim Rodungsersatz hat der Gesetzgeber in Artikel 7 WaG zur Schonung des landwirtschaftlichen Kulturlandes jedoch je nach Entwicklung der Waldfläche differenzierte Regelungen festgelegt (Art. 7 Abs. 2 Bst. a und b; Abs. 3 Bst. a WaG sowie Art. 9 Abs. 1 WaV). So ist es zur Schonung von landwirtschaftlichem Kulturland möglich, ausnahmsweise anstelle des Realersatzes Massnahmen zugunsten des Natur- und Landschaftsschutzes zu leisten. Somit wird dem Anliegen des Kulturlandschutzes hinreichend Rechnung getragen. </p><p>Die Massnahmen zugunsten des Natur- und Landschaftsschutzes gemäss WaG, die anstelle des Rodungsersatzes geleistet werden, sowie die vom Motionär zusätzlich erwähnten ökologischen Ausgleichsmassnahmen nach dem Natur- und Heimatschutzgesetz (Art. 18b Abs. 2 NHG; SR 451) können im Siedlungsgebiet, auf einer landwirtschaftlich genutzten Fläche, im Wald oder auf anderen Flächen - wie bereits bestehenden Naturschutzflächen - erbracht werden. Je nach Art dieser Massnahmen sind die weitere landwirtschaftliche Nutzung oder eine Anrechnung als Biodiversitätsförderfläche gemäss Landwirtschaftsrecht möglich. Wichtig bei ökologischen Ausgleichsflächen ist insbesondere auch die Vernetzung. Diese kann nur erreicht werden, wenn überall - d. h. auch im Kulturland - Flächen mit einer hohen Biodiversität verteilt sind. Zudem ist bei ökologischen Ausgleichsflächen zu beachten, dass je nach Art die Bodenfunktionen und damit das Produktionspotenzial der Flächen erhalten bleiben.</p><p>Die Waldfläche hat in den letzten Jahrzehnten in höheren Lagen in den Alpen und auf der Alpensüdseite - vor allem dort, wo die Landwirtschaftsflächen nicht mehr bewirtschaftet werden - zugenommen. In den intensiv genutzten Räumen der tieferen Lagen nimmt die Waldfläche nicht zu: Sie steht - wie auch das Kulturland und die ausgeschiedenen Biodiversitätsflächen - vor allem durch Siedlungen und Infrastrukturen unter Druck. Gemäss der Arealstatistik beträgt der durchschnittliche Kulturlandverlust 3500 Hektaren pro Jahr. Davon gehen pro Jahr lediglich rund 33 Hektaren oder ein Prozent zulasten des Realersatzes für die definitiven Rodungen. Weiter wurde in den Jahren 2015 bis 2017 nach der Änderung des Waldgesetzes vom 16. März 2012 die neueingeführte Flexibilisierung beim Rodungsersatz bereits genutzt: Bei durchschnittlich elf Hektaren pro Jahr wurde auf den Rodungsersatz ganz verzichtet (ein Drittel der definitiven Rodungen). Es ist somit festzustellen, dass die Leistung des Rodungsersatzes nur einen minimalen Einfluss auf den Rückgang an Kulturland hat. Der Kulturlandverlust ist hauptsächlich durch die Einwirkungen der Siedlungs- und Infrastrukturentwicklung bedingt.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, durch Anpassung der Gesetzgebung sicherzustellen, dass Rodungsersatz und ökologische Ausgleichsmassnahmen nicht mehr auf landwirtschaftlicher Nutzfläche erfolgen.</p>
  • Kulturland und Wald sind gleichwertig. Stopp dem Kulturlandverlust zugunsten der Waldflächenausdehnung
State
Erledigt
Related Affairs
  • 20184039
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Der strikte Waldschutz machte vor 100 Jahren Sinn, als der Wald in der Schweiz stark unter Druck war. Heute ist die Situation genau umgekehrt: Jede Sekunde fällt ein halber Quadratmeter Kulturland der Ausdehnung des Waldes zum Opfer. Zusammen mit dem Flächenbedarf der Siedlungs- und Infrastrukturentwicklung geht trotz der ersten Etappe der RPG-Revision nach wie vor fast ein Quadratmeter Kulturland pro Sekunde verloren. Dies zeigen die neuesten Resultate der aktuellen Arealstatistik.</p><p>Angesichts dieser Tatsache macht es keinen Sinn, dass auf Kulturland weiterhin Wald aufgeforstet wird oder für ökologische Ausgleichsmassnahmen wertvolle Flächen der Lebensmittelproduktion entzogen werden. Erst vor ein paar Jahren haben wir im Parlament entschieden, den Rodungsersatz zu lockern. Allerdings stellen wir in der Praxis fest, dass die Bundesbehörden selbst im Berggebiet, wo der Waldeinwuchs unsere Landschaft und Landwirtschaft gefährdet, die Kantone zwingen, Realersatz auf Kulturland zu leisten. Dies läuft dem verfassungsgemässen Kulturlandschutz zuwider.</p><p>Solange der Wald gesamtschweizerisch auf dem Vormarsch ist und Kulturland verlorengeht, ist dieser Rodungsersatz wie auch die ökologischen Ausgleichsmassnahmen auf der grünen Wiese oder gar auf besten Ackerflächen nicht mehr tolerierbar. Umso weniger, als das Stimmvolk im Herbst 2017 den Verfassungsartikel 104a zur Ernährungssicherheit mit überwältigenden 78 Prozent Jastimmen angenommen hat. Dort steht prominent, dass das Kulturland langfristig erhalten werden muss. Dasselbe verlangen auch die Verfassungsartikel zur Raumplanung, zur Landesversorgung und zur Landwirtschaft, ebenfalls die Grundsätze des Raumplanungsgesetzes. 2015 hat die GPK einen Bericht zum Kulturlandschutz erstellt und ist zum Schluss gekommen, dass der Bund seine Aufgabe nicht wahrnimmt.</p><p>Daher muss die Gesetzgebung so angepasst werden, dass auf landwirtschaftlichem Kulturland auf jegliche Form von Rodungsersatz und ökologischen Ausgleichsmassnahmen künftig verzichtet wird. Wenn, dann sollen diese Ersatzmassnahmen beispielsweise durch eine qualitative Aufwertung innerhalb des bestehenden Wald- oder Naturschutzareals erfolgen.</p>
    • <p>Der Motionär fordert grundsätzlich einen besseren Schutz des Kulturlandes. Der geforderte Verzicht auf Rodungsersatz und ökologische Ausgleichsmassnahmen auf landwirtschaftlichen Nutzflächen hätte aber negative Auswirkungen auf den Schutz der Waldfläche, ohne dass dadurch der Schutz des Kulturlandes wesentlich gestärkt werden könnte. Durch diese Forderung würde de facto die Waldfläche im Mittelland und in Talebenen kontinuierlich abnehmen. Zusammen mit der Einführung der statischen Waldgrenze (Art. 12a der Waldverordnung, WaV; SR 921.01) würde sich diese Abnahme noch verschärfen. Dies steht im Widerspruch zum Walderhaltungsgebot nach Artikel 3 des Waldgesetzes (WaG; SR 921.0) und zur Waldpolitik 2020 des Bundes. Es wäre zudem zu prüfen, inwieweit die Walderhaltung gemäss Artikel 77 der Bundesverfassung (BV; SR 101) infrage gestellt würde.</p><p>Die Raumplanung soll den haushälterischen Umgang mit der knappen Ressource Boden unter Berücksichtigung der laufenden Siedlungsentwicklung und des gleichzeitigen Schutzes von Kulturland und Wald mit den entsprechenden Instrumenten sicherstellen. Im Rahmen der ersten Etappe der Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG; SR 700) und der Änderung des Waldgesetzes vom 16. März 2012 hat sich das Parlament bereits mit der Thematik des Rodungsersatzes auseinandergesetzt. Im Grundsatz wurde am Walderhaltungsgebot festgehalten. Beim Rodungsersatz hat der Gesetzgeber in Artikel 7 WaG zur Schonung des landwirtschaftlichen Kulturlandes jedoch je nach Entwicklung der Waldfläche differenzierte Regelungen festgelegt (Art. 7 Abs. 2 Bst. a und b; Abs. 3 Bst. a WaG sowie Art. 9 Abs. 1 WaV). So ist es zur Schonung von landwirtschaftlichem Kulturland möglich, ausnahmsweise anstelle des Realersatzes Massnahmen zugunsten des Natur- und Landschaftsschutzes zu leisten. Somit wird dem Anliegen des Kulturlandschutzes hinreichend Rechnung getragen. </p><p>Die Massnahmen zugunsten des Natur- und Landschaftsschutzes gemäss WaG, die anstelle des Rodungsersatzes geleistet werden, sowie die vom Motionär zusätzlich erwähnten ökologischen Ausgleichsmassnahmen nach dem Natur- und Heimatschutzgesetz (Art. 18b Abs. 2 NHG; SR 451) können im Siedlungsgebiet, auf einer landwirtschaftlich genutzten Fläche, im Wald oder auf anderen Flächen - wie bereits bestehenden Naturschutzflächen - erbracht werden. Je nach Art dieser Massnahmen sind die weitere landwirtschaftliche Nutzung oder eine Anrechnung als Biodiversitätsförderfläche gemäss Landwirtschaftsrecht möglich. Wichtig bei ökologischen Ausgleichsflächen ist insbesondere auch die Vernetzung. Diese kann nur erreicht werden, wenn überall - d. h. auch im Kulturland - Flächen mit einer hohen Biodiversität verteilt sind. Zudem ist bei ökologischen Ausgleichsflächen zu beachten, dass je nach Art die Bodenfunktionen und damit das Produktionspotenzial der Flächen erhalten bleiben.</p><p>Die Waldfläche hat in den letzten Jahrzehnten in höheren Lagen in den Alpen und auf der Alpensüdseite - vor allem dort, wo die Landwirtschaftsflächen nicht mehr bewirtschaftet werden - zugenommen. In den intensiv genutzten Räumen der tieferen Lagen nimmt die Waldfläche nicht zu: Sie steht - wie auch das Kulturland und die ausgeschiedenen Biodiversitätsflächen - vor allem durch Siedlungen und Infrastrukturen unter Druck. Gemäss der Arealstatistik beträgt der durchschnittliche Kulturlandverlust 3500 Hektaren pro Jahr. Davon gehen pro Jahr lediglich rund 33 Hektaren oder ein Prozent zulasten des Realersatzes für die definitiven Rodungen. Weiter wurde in den Jahren 2015 bis 2017 nach der Änderung des Waldgesetzes vom 16. März 2012 die neueingeführte Flexibilisierung beim Rodungsersatz bereits genutzt: Bei durchschnittlich elf Hektaren pro Jahr wurde auf den Rodungsersatz ganz verzichtet (ein Drittel der definitiven Rodungen). Es ist somit festzustellen, dass die Leistung des Rodungsersatzes nur einen minimalen Einfluss auf den Rückgang an Kulturland hat. Der Kulturlandverlust ist hauptsächlich durch die Einwirkungen der Siedlungs- und Infrastrukturentwicklung bedingt.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, durch Anpassung der Gesetzgebung sicherzustellen, dass Rodungsersatz und ökologische Ausgleichsmassnahmen nicht mehr auf landwirtschaftlicher Nutzfläche erfolgen.</p>
    • Kulturland und Wald sind gleichwertig. Stopp dem Kulturlandverlust zugunsten der Waldflächenausdehnung

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