Umsetzung von Artikel 74 der Bundesverfassung. Klimaabgabe auf Flugtickets einführen

ShortId
18.3939
Id
20183939
Updated
28.07.2023 03:02
Language
de
Title
Umsetzung von Artikel 74 der Bundesverfassung. Klimaabgabe auf Flugtickets einführen
AdditionalIndexing
15;48;52
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Die Schweiz hat sich beim Pariser Klimaabkommen verpflichtet, die Treibhausgase zu reduzieren, um die Klimaerhitzung zu bremsen. Heute steht die Schweiz international in verschiedenen Bereichen des Klimaschutzes schlecht da. Die CO2-Emissionen des Verkehrs verharren auf dem Niveau von 1990. Die Pro-Kopf-Emissionen des Flugverkehrs steigen sogar weiter an. Es besteht rascher Handlungsbedarf, weil es keine Tendenzen für eine baldige, positive Wende gibt. </p><p>Die Höhe der Flugticketabgabe soll sich an der Länge des Flugs orientieren. Durch andere Länder erhobene, adäquate Abgaben könnten allenfalls angerechnet werden.</p><p>Die Bundesverfassung (Art. 74 Abs. 1) schreibt vor, dass der Bund Vorschriften erlässt, um Mensch und Umwelt vor schädlichen Einwirkungen zu schützen. Die Kosten der Vermeidung tragen die Verursacher (Abs. 2). In der Flugbranche ist dies jedoch bis heute nicht vollständig der Fall. Es gibt keine Flugticketabgabe, welche die Kosten, die durch CO2-Emissionen entstehen, den Verursachern (Fluggästen) auferlegt. Absatz 3 deklariert die Kantone als zuständig für den Vollzug der Vorschriften, sofern kein Gesetz den Vollzug dem Bund vorbehält. Da es wenig Sinn macht, eine Flugverkehrsabgabe auf kantonaler Ebene zu regeln, wird der Bundesrat beauftragt, ein Gesetz für die Umsetzung der Flugverkehrsabgabe auszuarbeiten.</p><p>Die Schweiz hat auch internationale Verpflichtungen im Bereich der Klimafinanzierung. An der Vertragsparteienkonferenz 2010 in Cancún sagten die entwickelten Länder zu, ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar für Klimaschutzmassnahmen in Entwicklungsländern aus öffentlichen, privaten und alternativen Finanzierungsquellen zu mobilisieren. Im Klimaübereinkommen von Paris wurde diese Verpflichtung bekräftigt. Mit den Einnahmen aus einer Flugticketabgabe könnte die Schweiz ihren internationalen Verpflichtungen bei der Klimafinanzierung zumindest teilweise nachkommen.</p>
  • <p>Die Treibhausgasemissionen des Flugverkehrs werden gemäss den aktuell verfügbaren Prognosen auch in Zukunft stark ansteigen. Der Bundesrat unterstützt deshalb das von der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (International Civil Aviation Organisation, Icao) im Herbst 2016 bestätigte globale Ziel, ab 2020 ein CO2-neutrales Wachstum des internationalen Zivilluftverkehrs anzustreben und zu diesem Zweck unter anderem auch eine globale marktbasierte Massnahme zur Kompensation der darüber hinausgehenden CO2-Emissionen einzuführen. Die zur Einführung dieser Massnahme nötigen Vorschriften unter der Konvention von Chicago sind am 22. Oktober 2018 in Kraft getreten. Deren Umsetzung hat in der Schweiz bereits begonnen.</p><p>Ausserdem will der Bundesrat den Luftverkehr bei einer Verknüpfung des schweizerischen Emissionshandelssystems (EHS) mit demjenigen der EU im Einklang mit der EU dem EHS unterstellen. Ein entsprechendes Abkommen, das im Oktober 2017 unterzeichnet wurde, liegt dem Parlament gegenwärtig zur Genehmigung vor. Analog zur geltenden Regelung in der EU sollen Flüge innerhalb der Schweiz und zwischen dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und der Schweiz ab 2020 in das verknüpfte System einbezogen werden. Die Menge der Emissionsrechte für Luftfahrzeugbetreiber soll nach 2020 jährlich um 2,2 Prozent sinken. Diese Absenkung dürfte eine wesentlich grössere CO2-Wirkung entfalten als eine Ticketabgabe.</p><p>Wie der Bundesrat bereits in früheren Stellungnahmen auf ähnliche Vorstösse (Postulat Seiler Graf 17.3129, Motion Masshardt 13.3901 und Postulat Lachenmeier-Thüring 10.4006) ausgeführt hat, könnte eine Ticketabgabe auch unerwünschte wirtschaftliche und ökologische Folgen mit sich bringen. Die Erfahrung, dass Verkehrsströme ins Ausland verlagert werden, hat beispielsweise in den Niederlanden und Dänemark zum Rückzug ähnlich gelagerter Vorhaben und in Österreich zur Halbierung der Abgabehöhe geführt. Zu beachten ist auch, dass der Bund eine Ticketabgabe, deren Einnahmen vollumfänglich zweckgebunden sind, nur gestützt auf eine ausdrückliche Grundlage in der Bundesverfassung erheben könnte. Gestützt auf die Sachkompetenz in Artikel 74 Absatz 1 BV könnte der Bund eine Lenkungsabgabe einführen. Die Abgabe müsste das Handeln in eine gewünschte Richtung lenken können, und die Lenkungswirkung müsste in erster Linie durch die Mehrkosten und nicht durch die Verwendung der Mittel entstehen. Zudem müsste mehr als die Hälfte des Ertrags der Lenkungsabgabe zurückverteilt werden. Nur der kleinere Teil des Abgabeertrags dürfte für Zwecke teilgebunden werden, welche den Lenkungszweck verstärken, was nur bei einer Verwendung für die Verminderung der Treibhausgase gegeben wäre. Wenn die Einnahmen vorwiegend für Massnahmen zur Anpassung an den Klimawandel und zur Vermeidung von Klimaschäden verwendet werden sollten, wäre die Abgabe als Zwecksteuer zu betrachten und bedürfte deshalb einer expliziten Grundlage in der Bundesverfassung.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, einen Gesetzentwurf auszuarbeiten, um eine Ticketabgabe in der Zivilluftfahrt einzuführen. Die Flugticketabgabe soll sich an den Klimaauswirkungen bemessen, und deren Kosten sollen den Fluggästen übertragen werden. Die eingenommenen Gelder sollen zur Finanzierung von Massnahmen zur Anpassung an den Klimawandel, zur Verminderung von Treibhausgasen und zur Vermeidung von Klimaschäden eingesetzt werden.</p>
  • Umsetzung von Artikel 74 der Bundesverfassung. Klimaabgabe auf Flugtickets einführen
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Die Schweiz hat sich beim Pariser Klimaabkommen verpflichtet, die Treibhausgase zu reduzieren, um die Klimaerhitzung zu bremsen. Heute steht die Schweiz international in verschiedenen Bereichen des Klimaschutzes schlecht da. Die CO2-Emissionen des Verkehrs verharren auf dem Niveau von 1990. Die Pro-Kopf-Emissionen des Flugverkehrs steigen sogar weiter an. Es besteht rascher Handlungsbedarf, weil es keine Tendenzen für eine baldige, positive Wende gibt. </p><p>Die Höhe der Flugticketabgabe soll sich an der Länge des Flugs orientieren. Durch andere Länder erhobene, adäquate Abgaben könnten allenfalls angerechnet werden.</p><p>Die Bundesverfassung (Art. 74 Abs. 1) schreibt vor, dass der Bund Vorschriften erlässt, um Mensch und Umwelt vor schädlichen Einwirkungen zu schützen. Die Kosten der Vermeidung tragen die Verursacher (Abs. 2). In der Flugbranche ist dies jedoch bis heute nicht vollständig der Fall. Es gibt keine Flugticketabgabe, welche die Kosten, die durch CO2-Emissionen entstehen, den Verursachern (Fluggästen) auferlegt. Absatz 3 deklariert die Kantone als zuständig für den Vollzug der Vorschriften, sofern kein Gesetz den Vollzug dem Bund vorbehält. Da es wenig Sinn macht, eine Flugverkehrsabgabe auf kantonaler Ebene zu regeln, wird der Bundesrat beauftragt, ein Gesetz für die Umsetzung der Flugverkehrsabgabe auszuarbeiten.</p><p>Die Schweiz hat auch internationale Verpflichtungen im Bereich der Klimafinanzierung. An der Vertragsparteienkonferenz 2010 in Cancún sagten die entwickelten Länder zu, ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar für Klimaschutzmassnahmen in Entwicklungsländern aus öffentlichen, privaten und alternativen Finanzierungsquellen zu mobilisieren. Im Klimaübereinkommen von Paris wurde diese Verpflichtung bekräftigt. Mit den Einnahmen aus einer Flugticketabgabe könnte die Schweiz ihren internationalen Verpflichtungen bei der Klimafinanzierung zumindest teilweise nachkommen.</p>
    • <p>Die Treibhausgasemissionen des Flugverkehrs werden gemäss den aktuell verfügbaren Prognosen auch in Zukunft stark ansteigen. Der Bundesrat unterstützt deshalb das von der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (International Civil Aviation Organisation, Icao) im Herbst 2016 bestätigte globale Ziel, ab 2020 ein CO2-neutrales Wachstum des internationalen Zivilluftverkehrs anzustreben und zu diesem Zweck unter anderem auch eine globale marktbasierte Massnahme zur Kompensation der darüber hinausgehenden CO2-Emissionen einzuführen. Die zur Einführung dieser Massnahme nötigen Vorschriften unter der Konvention von Chicago sind am 22. Oktober 2018 in Kraft getreten. Deren Umsetzung hat in der Schweiz bereits begonnen.</p><p>Ausserdem will der Bundesrat den Luftverkehr bei einer Verknüpfung des schweizerischen Emissionshandelssystems (EHS) mit demjenigen der EU im Einklang mit der EU dem EHS unterstellen. Ein entsprechendes Abkommen, das im Oktober 2017 unterzeichnet wurde, liegt dem Parlament gegenwärtig zur Genehmigung vor. Analog zur geltenden Regelung in der EU sollen Flüge innerhalb der Schweiz und zwischen dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und der Schweiz ab 2020 in das verknüpfte System einbezogen werden. Die Menge der Emissionsrechte für Luftfahrzeugbetreiber soll nach 2020 jährlich um 2,2 Prozent sinken. Diese Absenkung dürfte eine wesentlich grössere CO2-Wirkung entfalten als eine Ticketabgabe.</p><p>Wie der Bundesrat bereits in früheren Stellungnahmen auf ähnliche Vorstösse (Postulat Seiler Graf 17.3129, Motion Masshardt 13.3901 und Postulat Lachenmeier-Thüring 10.4006) ausgeführt hat, könnte eine Ticketabgabe auch unerwünschte wirtschaftliche und ökologische Folgen mit sich bringen. Die Erfahrung, dass Verkehrsströme ins Ausland verlagert werden, hat beispielsweise in den Niederlanden und Dänemark zum Rückzug ähnlich gelagerter Vorhaben und in Österreich zur Halbierung der Abgabehöhe geführt. Zu beachten ist auch, dass der Bund eine Ticketabgabe, deren Einnahmen vollumfänglich zweckgebunden sind, nur gestützt auf eine ausdrückliche Grundlage in der Bundesverfassung erheben könnte. Gestützt auf die Sachkompetenz in Artikel 74 Absatz 1 BV könnte der Bund eine Lenkungsabgabe einführen. Die Abgabe müsste das Handeln in eine gewünschte Richtung lenken können, und die Lenkungswirkung müsste in erster Linie durch die Mehrkosten und nicht durch die Verwendung der Mittel entstehen. Zudem müsste mehr als die Hälfte des Ertrags der Lenkungsabgabe zurückverteilt werden. Nur der kleinere Teil des Abgabeertrags dürfte für Zwecke teilgebunden werden, welche den Lenkungszweck verstärken, was nur bei einer Verwendung für die Verminderung der Treibhausgase gegeben wäre. Wenn die Einnahmen vorwiegend für Massnahmen zur Anpassung an den Klimawandel und zur Vermeidung von Klimaschäden verwendet werden sollten, wäre die Abgabe als Zwecksteuer zu betrachten und bedürfte deshalb einer expliziten Grundlage in der Bundesverfassung.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, einen Gesetzentwurf auszuarbeiten, um eine Ticketabgabe in der Zivilluftfahrt einzuführen. Die Flugticketabgabe soll sich an den Klimaauswirkungen bemessen, und deren Kosten sollen den Fluggästen übertragen werden. Die eingenommenen Gelder sollen zur Finanzierung von Massnahmen zur Anpassung an den Klimawandel, zur Verminderung von Treibhausgasen und zur Vermeidung von Klimaschäden eingesetzt werden.</p>
    • Umsetzung von Artikel 74 der Bundesverfassung. Klimaabgabe auf Flugtickets einführen

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