Warum behandelt der Bundesrat nicht alle Parteien und Fraktionen des Bundesparlamentes als gleichwertig?

ShortId
18.3953
Id
20183953
Updated
01.07.2023 10:13
Language
de
Title
Warum behandelt der Bundesrat nicht alle Parteien und Fraktionen des Bundesparlamentes als gleichwertig?
AdditionalIndexing
04;0421
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Der Bundesrat ist die oberste leitende und vollziehende Behörde des Bundes (Art. 174 der Bundesverfassung, BV; SR 101). Er bestimmt die Ziele und Mittel seiner Regierungspolitik und plant und koordiniert die staatlichen Tätigkeiten (Art. 180 Abs. 1 BV). Damit er seine politischen Ziele festlegen und umsetzen kann, hat sich die Praxis etabliert, dass sich der Bundesrat jeweils vor der Session mit den Bundesratsparteien, die in der Regel die grössten Fraktionen in der Bundesversammlung stellen, austauscht.</p><p>1. Der informelle Austausch des Bundesrates mit den Bundesratsparteien im Rahmen der Von-Wattenwyl-Gespräche steht nicht im Widerspruch zu Artikel 169 BV oder zu Artikel 7 des Parlamentsgesetzes (ParlG; SR 171.10).</p><p>Ziel der Oberaufsicht nach Artikel 169 BV ist insbesondere, dass der Bundesrat gegenüber der Bundesversammlung und ihren Organen Rechenschaft ablegt. Die Oberaufsicht ist in erster Linie eine nachträgliche, teilweise auch mitschreitende Prüfung der Tätigkeit des Bundesrates. Die Oberaufsicht beschränkt sich grundsätzlich auf Einsichtsrechte und umfasst keinen Anspruch auf Einbezug in den exekutiven Entscheidungsprozess. Bei den Von-Wattenwyl-Gesprächen geht es demgegenüber um die Diskussion von wichtigen politischen Themen.</p><p>Artikel 7 ParlG gibt den Parlamentsmitgliedern einen Anspruch darauf, vom Bundesrat und von der Bundesverwaltung auf Anfrage hin Auskünfte über jede Angelegenheit des Bundes zu erhalten und Unterlagen einzusehen, soweit dies unmittelbar für die Ausübung ihres parlamentarischen Mandates erforderlich ist. Dieser Anspruch besteht unabhängig von der Partei- und Fraktionszugehörigkeit.</p><p>Will der Bundesrat hingegen von sich aus Informationen den Parteien (oder anderen Akteuren, z. B. parlamentarischen Kommissionen) weitergeben, so kommt ihm dabei ein breites Ermessen zu.</p><p>2./4./5. Für den Bundesrat ist der Austausch mit allen in der Bundesversammlung vertretenen Parteien und Fraktionen von grosser Bedeutung.</p><p>Der Bundesrat erachtet es als wichtig, mit den Parteien, die im Bundesrat vertreten sind und die damit Regierungsverantwortung wahrnehmen, einen vertieften Dialog im Rahmen der Von-Wattenwyl-Gespräche führen zu können. Es geht bei den Gesprächen auch darum, dass die Mitglieder des Bundesrates zusammen mit ihren Parteien politische Spielräume ausloten können. Aus der Sicht des Bundesrates ist es daher sinnvoll, dass die Von-Wattenwyl-Gespräche im bisherigen Rahmen weitergeführt werden.</p><p>Seit 2014 werden die Fraktionen der Grünen und der Grünliberalen auf ihren Wunsch nachträglich mit den Unterlagen für die Von-Wattenwyl-Gespräche bedient. Seit 2017 wird auch die BDP-Fraktion jeweils dokumentiert. Für den Bundesrat hat sich diese Form der Information in der Praxis bewährt. Er ist gerne bereit, den genannten Parteien (respektive Fraktionen) die Unterlagen auch in Zukunft zur Verfügung zu stellen.</p><p>3. Nein.</p>
  • <p>Seit Jahrzehnten finden jeweils vor den Parlamentssessionen die sogenannten Von-Wattenwyl-Gespräche zwischen dem Bundesrat und den im Bundesrat vertretenen Parteien/Fraktionen statt. Diese Treffen werden in Form einer Klausur abgehalten. Ziel ist eine freie und informelle Diskussion über zentrale politische Fragen der Schweiz. Diese Gespräche sind offenbar nirgends geregelt und haben keine konkrete gesetzliche Grundlage, werden aber als sehr bedeutsam eingestuft, wie eine erst kürzlich erfolgte Überprüfung der Gespräche durch Bundesrat und teilnehmende Parteien ergeben hat. Trotz dieser Wichtigkeit sind die nicht im Bundesrat vertretenen Parteien/Fraktionen, derzeit GP, GLP und BDP, nicht zu den Gesprächen zugelassen, obwohl sie immerhin 28 von 246 Sitzen, also mehr als 10 Prozent, und rund 16 Prozent der Wählerinnen und Wähler umfassen. Damit wird das Bundesparlament durch den Bundesrat in eine Zweiklassengesellschaft eingeteilt. Den nichteingeladenen Parteien/Fraktionen werden wichtige Informationen und Mitwirkungsmöglichkeiten vorenthalten. Sie erhalten auch nach den Gesprächen keine Informationen darüber.</p><p>Vor diesem Hintergrund stellen sich folgende Fragen:</p><p>1. Sind diese Gespräche mit Artikel 169 BV und Artikel 7 ParlG vereinbar, bzw. lassen diese Rechtsgrundlagen eine Ungleichbehandlung der Parlamentsmitglieder durch den Bundesrat zu? Oder sieht der Bundesrat eine andere Rechtsgrundlage, die eine solche Ungleichbehandlung explizit zulässt?</p><p>2. Welches sind die Gründe, die nicht im Bundesrat vertretenen Parteien/Fraktionen nicht an die Von-Wattenwyl-Gespräche einzuladen?</p><p>3. Gibt es andere institutionalisierte Treffen des Bundesrates, bei denen zwischen den im Bundesrat vertretenen Parteien und den übrigen unterschieden wird?</p><p>4. Ist er bereit, von der bisherigen Praxis abzuweichen und künftig alle im Parlament vertretenen Parteien/Fraktionen einzuladen?</p><p>5. Erachtet er es nicht als angebracht, mit den nicht im Bundesrat vertretenen Parteien/Fraktionen gerade deswegen erst recht einen engen internen Dialog zu pflegen?</p>
  • Warum behandelt der Bundesrat nicht alle Parteien und Fraktionen des Bundesparlamentes als gleichwertig?
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Der Bundesrat ist die oberste leitende und vollziehende Behörde des Bundes (Art. 174 der Bundesverfassung, BV; SR 101). Er bestimmt die Ziele und Mittel seiner Regierungspolitik und plant und koordiniert die staatlichen Tätigkeiten (Art. 180 Abs. 1 BV). Damit er seine politischen Ziele festlegen und umsetzen kann, hat sich die Praxis etabliert, dass sich der Bundesrat jeweils vor der Session mit den Bundesratsparteien, die in der Regel die grössten Fraktionen in der Bundesversammlung stellen, austauscht.</p><p>1. Der informelle Austausch des Bundesrates mit den Bundesratsparteien im Rahmen der Von-Wattenwyl-Gespräche steht nicht im Widerspruch zu Artikel 169 BV oder zu Artikel 7 des Parlamentsgesetzes (ParlG; SR 171.10).</p><p>Ziel der Oberaufsicht nach Artikel 169 BV ist insbesondere, dass der Bundesrat gegenüber der Bundesversammlung und ihren Organen Rechenschaft ablegt. Die Oberaufsicht ist in erster Linie eine nachträgliche, teilweise auch mitschreitende Prüfung der Tätigkeit des Bundesrates. Die Oberaufsicht beschränkt sich grundsätzlich auf Einsichtsrechte und umfasst keinen Anspruch auf Einbezug in den exekutiven Entscheidungsprozess. Bei den Von-Wattenwyl-Gesprächen geht es demgegenüber um die Diskussion von wichtigen politischen Themen.</p><p>Artikel 7 ParlG gibt den Parlamentsmitgliedern einen Anspruch darauf, vom Bundesrat und von der Bundesverwaltung auf Anfrage hin Auskünfte über jede Angelegenheit des Bundes zu erhalten und Unterlagen einzusehen, soweit dies unmittelbar für die Ausübung ihres parlamentarischen Mandates erforderlich ist. Dieser Anspruch besteht unabhängig von der Partei- und Fraktionszugehörigkeit.</p><p>Will der Bundesrat hingegen von sich aus Informationen den Parteien (oder anderen Akteuren, z. B. parlamentarischen Kommissionen) weitergeben, so kommt ihm dabei ein breites Ermessen zu.</p><p>2./4./5. Für den Bundesrat ist der Austausch mit allen in der Bundesversammlung vertretenen Parteien und Fraktionen von grosser Bedeutung.</p><p>Der Bundesrat erachtet es als wichtig, mit den Parteien, die im Bundesrat vertreten sind und die damit Regierungsverantwortung wahrnehmen, einen vertieften Dialog im Rahmen der Von-Wattenwyl-Gespräche führen zu können. Es geht bei den Gesprächen auch darum, dass die Mitglieder des Bundesrates zusammen mit ihren Parteien politische Spielräume ausloten können. Aus der Sicht des Bundesrates ist es daher sinnvoll, dass die Von-Wattenwyl-Gespräche im bisherigen Rahmen weitergeführt werden.</p><p>Seit 2014 werden die Fraktionen der Grünen und der Grünliberalen auf ihren Wunsch nachträglich mit den Unterlagen für die Von-Wattenwyl-Gespräche bedient. Seit 2017 wird auch die BDP-Fraktion jeweils dokumentiert. Für den Bundesrat hat sich diese Form der Information in der Praxis bewährt. Er ist gerne bereit, den genannten Parteien (respektive Fraktionen) die Unterlagen auch in Zukunft zur Verfügung zu stellen.</p><p>3. Nein.</p>
    • <p>Seit Jahrzehnten finden jeweils vor den Parlamentssessionen die sogenannten Von-Wattenwyl-Gespräche zwischen dem Bundesrat und den im Bundesrat vertretenen Parteien/Fraktionen statt. Diese Treffen werden in Form einer Klausur abgehalten. Ziel ist eine freie und informelle Diskussion über zentrale politische Fragen der Schweiz. Diese Gespräche sind offenbar nirgends geregelt und haben keine konkrete gesetzliche Grundlage, werden aber als sehr bedeutsam eingestuft, wie eine erst kürzlich erfolgte Überprüfung der Gespräche durch Bundesrat und teilnehmende Parteien ergeben hat. Trotz dieser Wichtigkeit sind die nicht im Bundesrat vertretenen Parteien/Fraktionen, derzeit GP, GLP und BDP, nicht zu den Gesprächen zugelassen, obwohl sie immerhin 28 von 246 Sitzen, also mehr als 10 Prozent, und rund 16 Prozent der Wählerinnen und Wähler umfassen. Damit wird das Bundesparlament durch den Bundesrat in eine Zweiklassengesellschaft eingeteilt. Den nichteingeladenen Parteien/Fraktionen werden wichtige Informationen und Mitwirkungsmöglichkeiten vorenthalten. Sie erhalten auch nach den Gesprächen keine Informationen darüber.</p><p>Vor diesem Hintergrund stellen sich folgende Fragen:</p><p>1. Sind diese Gespräche mit Artikel 169 BV und Artikel 7 ParlG vereinbar, bzw. lassen diese Rechtsgrundlagen eine Ungleichbehandlung der Parlamentsmitglieder durch den Bundesrat zu? Oder sieht der Bundesrat eine andere Rechtsgrundlage, die eine solche Ungleichbehandlung explizit zulässt?</p><p>2. Welches sind die Gründe, die nicht im Bundesrat vertretenen Parteien/Fraktionen nicht an die Von-Wattenwyl-Gespräche einzuladen?</p><p>3. Gibt es andere institutionalisierte Treffen des Bundesrates, bei denen zwischen den im Bundesrat vertretenen Parteien und den übrigen unterschieden wird?</p><p>4. Ist er bereit, von der bisherigen Praxis abzuweichen und künftig alle im Parlament vertretenen Parteien/Fraktionen einzuladen?</p><p>5. Erachtet er es nicht als angebracht, mit den nicht im Bundesrat vertretenen Parteien/Fraktionen gerade deswegen erst recht einen engen internen Dialog zu pflegen?</p>
    • Warum behandelt der Bundesrat nicht alle Parteien und Fraktionen des Bundesparlamentes als gleichwertig?

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