Die Kartellgesetzrevision muss sowohl qualitative als auch quantitative Kriterien berücksichtigen, um die Unzulässigkeit einer Wettbewerbsabrede zu beurteilen

ShortId
18.4282
Id
20184282
Updated
28.07.2023 14:37
Language
de
Title
Die Kartellgesetzrevision muss sowohl qualitative als auch quantitative Kriterien berücksichtigen, um die Unzulässigkeit einer Wettbewerbsabrede zu beurteilen
AdditionalIndexing
15
1
PriorityCouncil1
Ständerat
Texts
  • <p>Artikel 5 des Kartellgesetzes (KG) legt insbesondere in den Absätzen 3 und 4 fest, was eine unzulässige Abrede im Sinne einer Wettbewerbsbeschränkung ist.</p><p>Seit dem Inkrafttreten des KG waren die praktische Auslegung dieses Tatbestands und namentlich die Art und Weise, wie die Auswirkung einer Abrede als erheblich beurteilt wird, Gegenstand mehrerer Mitteilungen und Merkblätter der Wettbewerbskommission (Weko). Die Entscheide und Mitteilungen der Weko haben regelmässig bestätigt, dass sowohl qualitative als auch quantitative Kriterien in die Beurteilung der Erheblichkeit einer Abrede aus Wettbewerbssicht einfliessen müssen. Die Berücksichtigung solcher Kriterien ermöglicht es, in voller Kenntnis der Sachlage, d. h. unter Berücksichtigung der nachgewiesenen Auswirkungen, zu beurteilen, ob eine Wettbewerbsbeeinträchtigung auf einem Markt und somit eine zulässige oder unzulässige Abrede vorliegt.</p><p>Kürzlich hat die Weko infolge eines einzigen Entscheids des Bundesgerichtes (BGE Gaba/Elmex 2C_180/2014 - 28. Juni 2016) ihre Praxis geändert. Fortan geht sie davon aus, dass die Abreden nach Artikel 5 Absätze 3 und 4 KG per se eine erhebliche Wettbewerbsbeschränkung darstellen. Die zur Beurteilung der tatsächlichen Tragweite einer Wettbewerbsabrede notwendigen Elemente werden nicht mehr berücksichtigt. Die Abrede muss also nicht mehr gelten oder eine wie auch immer geartete Auswirkung auf dem Markt haben, um als unzulässig angesehen zu werden, da sie den Wettbewerb erheblich beeinträchtigt.</p><p>Statt zur Klärung der Situation beizutragen, bringt diese völlige Umkehrung der Beurteilung einer Abrede zwischen Parteien bedeutende Unsicherheiten für die Unternehmen mit sich. Gegenwärtig kann die Weko potenziell gegen jegliche Form der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen mit der Begründung vorgehen, dass dies potenziell den Wettbewerb beeinträchtigen könnte. Ebenso könnten nun Abreden und Formen der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, die bis heute als vollkommen legal angesehen werden, als unzulässig beurteilt werden. Wichtige quantitative Elemente wie die tatsächliche Tragweite der Zusammenarbeit (beispielsweise bezüglich eines Marktanteils), ihre Verbindlichkeit oder ihre zeitliche Tragweite werden nicht mehr berücksichtigt.</p><p>Dies hat bedeutende Folgen für die Unternehmen. Die durch diese Praxisänderung verursachte Rechtsunsicherheit erschwert die Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen, die jedoch für das reibungslose Funktionieren der Wirtschaft notwendig ist.</p><p>Folglich muss das Gesetz geändert werden, um den Begriff der Erheblichkeit einer Abrede im Sinne von Artikel 5 KG zu präzisieren. Auch müssen die Elemente, die auf die Ausschaltung eines wirksamen Wettbewerbs schliessen lassen, sowohl qualitative als auch quantitative Kriterien umfassen, um die tatsächliche Auswirkung einer Abrede oder einer Form der Zusammenarbeit zwischen Parteien zu bestimmen. Ein solches Vorgehen kann die Rechtsunsicherheit, die bei der Anwendung des KG besteht, verringern und so einen zugleich gesunden, wirksamen, fairen und realistischen Wettbewerb zwischen Unternehmen fördern.</p>
  • <p>Die Frage der erheblichen Beeinträchtigung des wirksamen Wettbewerbs durch eine Abrede im Sinne von Artikel 5 Absatz 1 des Kartellgesetzes (KG; SR 251) war lange Zeit umstritten. Die Unternehmen, Behörden und Gerichte haben mit grossem Ressourcenaufwand versucht, eine Antwort zu finden. In der Praxis ist eine solche Rechtsunsicherheit für die Unternehmen problematisch. Der Bundesgerichtsentscheid in Sachen Gaba/Elmex (BGE 143 II 297) hat bezüglich der Anwendung der Bestimmungen über unzulässige Wettbewerbsabreden insofern Klarheit gebracht, als eine erhebliche Wettbewerbsbeeinträchtigung grundsätzlich bei den fünf Typen von harten Abreden gegeben ist, die in Artikel 5 Absätze 3 und 4 KG aufgeführt sind. Diese fünf Arten hat der Gesetzgeber selbst als besonders schädlich bezeichnet. Wenn diese fünf Arten von harten Abreden im Einzelfall nicht durch Gründe der wirtschaftlichen Effizienz gerechtfertigt sind (Art. 5 Abs. 2 KG), sind sie grundsätzlich unzulässig. Die aus dem oben zitierten Bundesgerichtsentscheid hervorgehende Auslegung wurde in der Folge insbesondere durch die Entscheide in Sachen BMW (BGE 144 II 194) und Altimum (BGE 144 II 246) bestätigt. Um die praktische Umsetzung des Entscheids Gaba/Elmex zu präzisieren, hat die Wettbewerbskommission (Weko) ihre Bekanntmachung über die wettbewerbsrechtliche Behandlung vertikaler Abreden vom 28. Juni 2010 (Vertbek) im Mai 2017 angepasst. Damit wurde die Rechtssicherheit deutlich verbessert.</p><p>Die Berücksichtigung quantitativer Kriterien ist im aktuellen KG bereits vorgesehen, nämlich um die Widerlegung der Vermutung der Wettbewerbsbeseitigung, die Rechtfertigung und die Berechnung der Sanktionsbeträge zu beurteilen. Des Weiteren steht diese Rechtsprechung im Einklang mit dem EU-Recht und demjenigen unserer Nachbarländer. Eine Änderung von Artikel 5 KG hätte eine erneute Praxisänderung zur Folge und somit auch einen Verlust an Rechtssicherheit für die Unternehmen, die kaum vorgängig über das Ausmass der Schädlichkeit einer harten Abrede auf dem Markt urteilen können. Zudem können sie schlecht abschätzen, wie die Behörden den Markt im Einzelfall genau definieren werden. Für die fünf vom Gesetzgeber als harte Abreden bezeichneten Arten von Abreden wissen die Unternehmen unterdessen, dass diese grundsätzlich zu vermeiden sind, ausser sie führen zu mehr wirtschaftlicher Effizienz. Auf jeden Fall ist eine genaue Prüfung jedes Einzelfalls garantiert. Was die Unzulässigkeit von Verhaltensweisen der Unternehmen betrifft, liegt die Beweislast bei den Wettbewerbsbehörden. Die Rechtsprechung Gaba/Elmex führt zudem zu einer Vereinfachung der Verfahren, da eine mühsame Beurteilung der Erheblichkeit, deren Ausgang KMU besonders schlecht im Voraus abschätzen können, grundsätzlich nicht nötig ist. Ausserdem lassen sich zahlreiche Fälle rasch durch eine einvernehmliche Regelung lösen.</p><p>Eine Änderung von Artikel 5 KG würde die Instrumente, die der Weko zur Bekämpfung der Hochpreisinsel zur Verfügung stehen, sowie die präventive Wirkung des KG schwächen. Die Folge wäre eine hohe Rechtsunsicherheit verbunden mit langen, komplexen und kostspieligen Verfahren, was sowohl den Unternehmen als auch dem Wettbewerb und der Wirtschaft insgesamt schaden würde.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
  • <p>Um die Gesetzgebung im Wettbewerbsbereich wirksamer zu gestalten und die Unsicherheiten in Bezug auf ihre Anwendung zu verringern, wird der Bundesrat aufgefordert, Artikel 5 des Kartellgesetzes zu präzisieren. Diese Änderung soll es ermöglichen, den Tatbestand der unzulässigen Wettbewerbsabrede unter Berücksichtigung sowohl qualitativer als auch quantitativer Kriterien zu bestimmen.</p>
  • Die Kartellgesetzrevision muss sowohl qualitative als auch quantitative Kriterien berücksichtigen, um die Unzulässigkeit einer Wettbewerbsabrede zu beurteilen
State
Überwiesen an den Bundesrat
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Artikel 5 des Kartellgesetzes (KG) legt insbesondere in den Absätzen 3 und 4 fest, was eine unzulässige Abrede im Sinne einer Wettbewerbsbeschränkung ist.</p><p>Seit dem Inkrafttreten des KG waren die praktische Auslegung dieses Tatbestands und namentlich die Art und Weise, wie die Auswirkung einer Abrede als erheblich beurteilt wird, Gegenstand mehrerer Mitteilungen und Merkblätter der Wettbewerbskommission (Weko). Die Entscheide und Mitteilungen der Weko haben regelmässig bestätigt, dass sowohl qualitative als auch quantitative Kriterien in die Beurteilung der Erheblichkeit einer Abrede aus Wettbewerbssicht einfliessen müssen. Die Berücksichtigung solcher Kriterien ermöglicht es, in voller Kenntnis der Sachlage, d. h. unter Berücksichtigung der nachgewiesenen Auswirkungen, zu beurteilen, ob eine Wettbewerbsbeeinträchtigung auf einem Markt und somit eine zulässige oder unzulässige Abrede vorliegt.</p><p>Kürzlich hat die Weko infolge eines einzigen Entscheids des Bundesgerichtes (BGE Gaba/Elmex 2C_180/2014 - 28. Juni 2016) ihre Praxis geändert. Fortan geht sie davon aus, dass die Abreden nach Artikel 5 Absätze 3 und 4 KG per se eine erhebliche Wettbewerbsbeschränkung darstellen. Die zur Beurteilung der tatsächlichen Tragweite einer Wettbewerbsabrede notwendigen Elemente werden nicht mehr berücksichtigt. Die Abrede muss also nicht mehr gelten oder eine wie auch immer geartete Auswirkung auf dem Markt haben, um als unzulässig angesehen zu werden, da sie den Wettbewerb erheblich beeinträchtigt.</p><p>Statt zur Klärung der Situation beizutragen, bringt diese völlige Umkehrung der Beurteilung einer Abrede zwischen Parteien bedeutende Unsicherheiten für die Unternehmen mit sich. Gegenwärtig kann die Weko potenziell gegen jegliche Form der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen mit der Begründung vorgehen, dass dies potenziell den Wettbewerb beeinträchtigen könnte. Ebenso könnten nun Abreden und Formen der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, die bis heute als vollkommen legal angesehen werden, als unzulässig beurteilt werden. Wichtige quantitative Elemente wie die tatsächliche Tragweite der Zusammenarbeit (beispielsweise bezüglich eines Marktanteils), ihre Verbindlichkeit oder ihre zeitliche Tragweite werden nicht mehr berücksichtigt.</p><p>Dies hat bedeutende Folgen für die Unternehmen. Die durch diese Praxisänderung verursachte Rechtsunsicherheit erschwert die Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen, die jedoch für das reibungslose Funktionieren der Wirtschaft notwendig ist.</p><p>Folglich muss das Gesetz geändert werden, um den Begriff der Erheblichkeit einer Abrede im Sinne von Artikel 5 KG zu präzisieren. Auch müssen die Elemente, die auf die Ausschaltung eines wirksamen Wettbewerbs schliessen lassen, sowohl qualitative als auch quantitative Kriterien umfassen, um die tatsächliche Auswirkung einer Abrede oder einer Form der Zusammenarbeit zwischen Parteien zu bestimmen. Ein solches Vorgehen kann die Rechtsunsicherheit, die bei der Anwendung des KG besteht, verringern und so einen zugleich gesunden, wirksamen, fairen und realistischen Wettbewerb zwischen Unternehmen fördern.</p>
    • <p>Die Frage der erheblichen Beeinträchtigung des wirksamen Wettbewerbs durch eine Abrede im Sinne von Artikel 5 Absatz 1 des Kartellgesetzes (KG; SR 251) war lange Zeit umstritten. Die Unternehmen, Behörden und Gerichte haben mit grossem Ressourcenaufwand versucht, eine Antwort zu finden. In der Praxis ist eine solche Rechtsunsicherheit für die Unternehmen problematisch. Der Bundesgerichtsentscheid in Sachen Gaba/Elmex (BGE 143 II 297) hat bezüglich der Anwendung der Bestimmungen über unzulässige Wettbewerbsabreden insofern Klarheit gebracht, als eine erhebliche Wettbewerbsbeeinträchtigung grundsätzlich bei den fünf Typen von harten Abreden gegeben ist, die in Artikel 5 Absätze 3 und 4 KG aufgeführt sind. Diese fünf Arten hat der Gesetzgeber selbst als besonders schädlich bezeichnet. Wenn diese fünf Arten von harten Abreden im Einzelfall nicht durch Gründe der wirtschaftlichen Effizienz gerechtfertigt sind (Art. 5 Abs. 2 KG), sind sie grundsätzlich unzulässig. Die aus dem oben zitierten Bundesgerichtsentscheid hervorgehende Auslegung wurde in der Folge insbesondere durch die Entscheide in Sachen BMW (BGE 144 II 194) und Altimum (BGE 144 II 246) bestätigt. Um die praktische Umsetzung des Entscheids Gaba/Elmex zu präzisieren, hat die Wettbewerbskommission (Weko) ihre Bekanntmachung über die wettbewerbsrechtliche Behandlung vertikaler Abreden vom 28. Juni 2010 (Vertbek) im Mai 2017 angepasst. Damit wurde die Rechtssicherheit deutlich verbessert.</p><p>Die Berücksichtigung quantitativer Kriterien ist im aktuellen KG bereits vorgesehen, nämlich um die Widerlegung der Vermutung der Wettbewerbsbeseitigung, die Rechtfertigung und die Berechnung der Sanktionsbeträge zu beurteilen. Des Weiteren steht diese Rechtsprechung im Einklang mit dem EU-Recht und demjenigen unserer Nachbarländer. Eine Änderung von Artikel 5 KG hätte eine erneute Praxisänderung zur Folge und somit auch einen Verlust an Rechtssicherheit für die Unternehmen, die kaum vorgängig über das Ausmass der Schädlichkeit einer harten Abrede auf dem Markt urteilen können. Zudem können sie schlecht abschätzen, wie die Behörden den Markt im Einzelfall genau definieren werden. Für die fünf vom Gesetzgeber als harte Abreden bezeichneten Arten von Abreden wissen die Unternehmen unterdessen, dass diese grundsätzlich zu vermeiden sind, ausser sie führen zu mehr wirtschaftlicher Effizienz. Auf jeden Fall ist eine genaue Prüfung jedes Einzelfalls garantiert. Was die Unzulässigkeit von Verhaltensweisen der Unternehmen betrifft, liegt die Beweislast bei den Wettbewerbsbehörden. Die Rechtsprechung Gaba/Elmex führt zudem zu einer Vereinfachung der Verfahren, da eine mühsame Beurteilung der Erheblichkeit, deren Ausgang KMU besonders schlecht im Voraus abschätzen können, grundsätzlich nicht nötig ist. Ausserdem lassen sich zahlreiche Fälle rasch durch eine einvernehmliche Regelung lösen.</p><p>Eine Änderung von Artikel 5 KG würde die Instrumente, die der Weko zur Bekämpfung der Hochpreisinsel zur Verfügung stehen, sowie die präventive Wirkung des KG schwächen. Die Folge wäre eine hohe Rechtsunsicherheit verbunden mit langen, komplexen und kostspieligen Verfahren, was sowohl den Unternehmen als auch dem Wettbewerb und der Wirtschaft insgesamt schaden würde.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
    • <p>Um die Gesetzgebung im Wettbewerbsbereich wirksamer zu gestalten und die Unsicherheiten in Bezug auf ihre Anwendung zu verringern, wird der Bundesrat aufgefordert, Artikel 5 des Kartellgesetzes zu präzisieren. Diese Änderung soll es ermöglichen, den Tatbestand der unzulässigen Wettbewerbsabrede unter Berücksichtigung sowohl qualitativer als auch quantitativer Kriterien zu bestimmen.</p>
    • Die Kartellgesetzrevision muss sowohl qualitative als auch quantitative Kriterien berücksichtigen, um die Unzulässigkeit einer Wettbewerbsabrede zu beurteilen

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