Die rechtlich geforderte Beschaffungsreife bei Rüstungsgütern endlich einhalten

ShortId
18.4287
Id
20184287
Updated
28.07.2023 03:06
Language
de
Title
Die rechtlich geforderte Beschaffungsreife bei Rüstungsgütern endlich einhalten
AdditionalIndexing
09;04
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Seit dem Mirage-Skandal besteht bei der Beschaffung von Rüstungsmaterial der Grundsatz, "dass vor der Erteilung eines Beschaffungskredites die Entwicklung des zu beschaffenden Materials abgeschlossen ist", wie es im Bericht der Mirage-Kommission von 1964 heisst. Der Grundsatz der "Beschaffungsreife" wird heute in Artikel 9 der Armeematerialverordnung (Vamat; SR 514.20) anhand acht Kriterien konkretisiert.</p><p>Diese sind freilich zu wenig präzis. So behauptete der Bundesrat in der Botschaft 12.085 zum Gripen: "Das Vorhaben wird als beschaffungsreif beurteilt." Und: "Die Lieferung wird in den Jahren 2018 bis 2021 erfolgen." Heute ist klar: Beides traf schlicht nicht zu. Der Gripen E ist nicht fertig entwickelt, er ist bis heute ein Papierflieger, die vom Bundesrat ab 2018 versprochene Lieferung wäre erst Jahre später erfolgt. Der Jungfernflug des ersten Prototyps erfolgte am 15. Juni 2017, am 18. Oktober 2017 durchbrach er erstmals die Schallmauer, das Flugverhalten eines zweiten Prototyps wurde im November 2018 erprobt, ein dritter Prototyp ist erst noch in Entwicklung, Abnahme und Zertifizierung in weiter Ferne. Beim Gripen C/D verstrichen zwischen Erstflug und Serienproduktion sieben Jahre (von 1988 bis 1995). Die bundesrätlichen Versprechen von 2012 waren völlig illusionär, Parlament und Volk wurden getäuscht.</p><p>Ähnliches gilt für die Drohne Hermes 900 HFE. Die Botschaft 15.017 verschwieg, dass der Flugkörper der Drohne bisher allein mit Benzinmotor zugelassen war, nicht aber mit dem deutlich schwereren Dieselmotor. Damit verschob sich der Schwerpunkt um fast 90 cm, es brauchte grössere Flügel, eine komplett neue Konfiguration und umfangreiche Tests im Windkanal. Es ist ein Rätsel, wie der Rüstungschef 2015 die Beschaffungsreife erklärte, obschon es keinen zertifizierten Flugkörper gab. Entsprechend unbefriedigend sind die Antworten des Bundesrates auf die Interpellation 18.3999. Obschon er bestätigt, "dass der Entwicklungsprozess bis und mit Zertifizierung aufwendiger als ursprünglich geplant werden könnte" und erste Testflüge erst "seit Juni 2018" starteten, beharrt er auf der Behauptung, es habe sich 2015 "nicht um eine Papierdrohne" gehandelt.</p><p>Hier braucht es endlich mehr Klarheit.</p>
  • <p>Es ist ein Grundsatz der Rüstungspolitik des Bundesrates, dass wenn immer möglich internationale Standards anzuwenden sind sowie handelsübliches und interoperables Material zu beschaffen ist. Gleichzeitig führt der rasche technologische Fortschritt dazu, dass Rüstungsgüter ständig weiterentwickelt und optimiert werden. Zwischen dem Zeitpunkt der Evaluation, der Bestellung und der Ablieferung von insbesondere komplexeren Rüstungsgütern liegen je nach zu beschaffendem Gut oder System allenfalls Jahre. Es gibt deshalb insbesondere bei Systemen mit Softwareanteil in der Regel Weiterentwicklungen, die berücksichtigt werden müssen, wenn ein System zum Zeitpunkt der Einführung dem aktuellen Stand der Technik entsprechen soll.</p><p>Damit das zu beschaffende Rüstungsgut von der Schweizer Armee betrieben und genutzt werden kann, müssen im Rahmen der Beschaffung die entsprechenden Voraussetzungen zum Beispiel in der Logistik oder den Führungssystemen geschaffen werden. Die Integration in die bestehende Systemlandschaft der Schweizer Armee ist nicht zu unterschätzen. Ein, wie von der Motion gefordert, zeitliches Vorziehen dieser Entwicklungen vor die Genehmigung des Beschaffungskredites wäre unverhältnismässig. Es würde dazu führen, dass ein Grossteil der im Beschaffungsprozess anfallenden finanziellen und personellen Ressourcen noch vor der Beurteilung des Rüstungsvorhabens durch Bundesrat und Parlament aufgewendet werden müsste. Bei einer Ablehnung des Vorhabens würden so im Vergleich zu heute deutlich mehr finanzielle und personelle Ressourcen vergeblich eingesetzt.</p><p>Damit die eidgenössischen Räte eine gute Grundlage für die Entscheidung über Verpflichtungskredite für Rüstungsvorhaben haben, muss gemäss Artikel 22 des Finanzhaushaltgesetzes (FHG; SR 611.0) die mit der Vorbereitung des Kreditbegehrens betraute Verwaltungseinheit die Berechnungsgrundlage und die Unsicherheitsfaktoren darlegen sowie die nötigen Reserven einplanen. Die Verantwortung für die Ermittlung des Finanzbedarfs trägt der Bundesrat. Im Prozess der Rüstungsbeschaffung muss die sogenannte Beschaffungsreife vorliegen. Die Voraussetzungen für die Erklärung der Beschaffungsreife sind in der Materialverordnung (MatV; SR 514.20) eindeutig dargelegt.</p><p>Im Verlaufe des Beschaffungsprozesses werden zudem durch die Gruppe Verteidigung und Armasuisse komplementäre Risikobetrachtungen vorgenommen. Das zu beschaffende Rüstungsgut wird damit sowohl auf technische als auch auf kommerzielle Risiken überprüft. Diese Risiken werden laufend und systematisch beurteilt und die notwendigen Massnahmen getroffen. Das Risiko wird in der Armeebotschaft ausgewiesen, in die beantragten Verpflichtungskredite einkalkuliert und entsprechend von den eidgenössischen Räten behandelt.</p><p>Ebenfalls werden Beschaffungsverträge in der Regel so ausgestaltet, dass der Grossteil der technischen und somit auch finanziellen Risiken in der anschliessenden Realisierungsphase von den jeweiligen Industriepartnern getragen wird. Der Bund trägt die innerhalb des Eidgenössischen Departementes für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport anfallenden Kosten allfälliger Zeitverzögerungen. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass Nachtragskredite für Rüstungsbeschaffungen die Ausnahme sind.</p><p>Im Übrigen treffen die in der Motionsbegründung vorgebrachten Umstände bezüglich der Beschaffung sowohl des Kampfflugzeugs Gripen als auch des Aufklärungsdrohnensystems 15 (ADS 15) nicht zu. Für die gemeinsame Beschaffung mit der Schweiz hätte Schweden den Zeitplan für die Entwicklung des Gripen E angepasst und um rund ein Jahr vorgezogen. Die Lieferung der Flugzeuge wurde der Schweiz von der schwedischen Regierung vertraglich zugesichert. Nach der Ablehnung des Gripen-Fonds-Gesetzes durch die Schweizer Stimmbevölkerung am 18. Mai 2014 hat Schweden den Zeitplan dann wieder angepasst. Die Erstauslieferung an die schwedische Luftwaffe ist für Ende 2019 vorgesehen.</p><p>Bei der Drohne Hermes 900 HFE handelt es sich um eine vom Hersteller so angebotene Variante der Hermes-900-Produktelinie, die dem internationalen Trend hin zu einer Umstellung auf Dieselmotoren für diese Kategorie von Drohnen folgt. Allgemein sind allfällige technische Anpassungen Bestandteil des Vertrags und somit im Systempreis enthalten. Dem Bund entstehen dabei keine Mehrkosten. Die Motorisierung der ADS 15 entspricht zudem den in der Rüstungsbotschaft 2015 gemachten Angaben.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, dafür zu sorgen, dass vor der Erteilung eines Beschaffungskredites die Entwicklung des zu beschaffenden Rüstungsmaterials abgeschlossen ist.</p>
  • Die rechtlich geforderte Beschaffungsreife bei Rüstungsgütern endlich einhalten
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Seit dem Mirage-Skandal besteht bei der Beschaffung von Rüstungsmaterial der Grundsatz, "dass vor der Erteilung eines Beschaffungskredites die Entwicklung des zu beschaffenden Materials abgeschlossen ist", wie es im Bericht der Mirage-Kommission von 1964 heisst. Der Grundsatz der "Beschaffungsreife" wird heute in Artikel 9 der Armeematerialverordnung (Vamat; SR 514.20) anhand acht Kriterien konkretisiert.</p><p>Diese sind freilich zu wenig präzis. So behauptete der Bundesrat in der Botschaft 12.085 zum Gripen: "Das Vorhaben wird als beschaffungsreif beurteilt." Und: "Die Lieferung wird in den Jahren 2018 bis 2021 erfolgen." Heute ist klar: Beides traf schlicht nicht zu. Der Gripen E ist nicht fertig entwickelt, er ist bis heute ein Papierflieger, die vom Bundesrat ab 2018 versprochene Lieferung wäre erst Jahre später erfolgt. Der Jungfernflug des ersten Prototyps erfolgte am 15. Juni 2017, am 18. Oktober 2017 durchbrach er erstmals die Schallmauer, das Flugverhalten eines zweiten Prototyps wurde im November 2018 erprobt, ein dritter Prototyp ist erst noch in Entwicklung, Abnahme und Zertifizierung in weiter Ferne. Beim Gripen C/D verstrichen zwischen Erstflug und Serienproduktion sieben Jahre (von 1988 bis 1995). Die bundesrätlichen Versprechen von 2012 waren völlig illusionär, Parlament und Volk wurden getäuscht.</p><p>Ähnliches gilt für die Drohne Hermes 900 HFE. Die Botschaft 15.017 verschwieg, dass der Flugkörper der Drohne bisher allein mit Benzinmotor zugelassen war, nicht aber mit dem deutlich schwereren Dieselmotor. Damit verschob sich der Schwerpunkt um fast 90 cm, es brauchte grössere Flügel, eine komplett neue Konfiguration und umfangreiche Tests im Windkanal. Es ist ein Rätsel, wie der Rüstungschef 2015 die Beschaffungsreife erklärte, obschon es keinen zertifizierten Flugkörper gab. Entsprechend unbefriedigend sind die Antworten des Bundesrates auf die Interpellation 18.3999. Obschon er bestätigt, "dass der Entwicklungsprozess bis und mit Zertifizierung aufwendiger als ursprünglich geplant werden könnte" und erste Testflüge erst "seit Juni 2018" starteten, beharrt er auf der Behauptung, es habe sich 2015 "nicht um eine Papierdrohne" gehandelt.</p><p>Hier braucht es endlich mehr Klarheit.</p>
    • <p>Es ist ein Grundsatz der Rüstungspolitik des Bundesrates, dass wenn immer möglich internationale Standards anzuwenden sind sowie handelsübliches und interoperables Material zu beschaffen ist. Gleichzeitig führt der rasche technologische Fortschritt dazu, dass Rüstungsgüter ständig weiterentwickelt und optimiert werden. Zwischen dem Zeitpunkt der Evaluation, der Bestellung und der Ablieferung von insbesondere komplexeren Rüstungsgütern liegen je nach zu beschaffendem Gut oder System allenfalls Jahre. Es gibt deshalb insbesondere bei Systemen mit Softwareanteil in der Regel Weiterentwicklungen, die berücksichtigt werden müssen, wenn ein System zum Zeitpunkt der Einführung dem aktuellen Stand der Technik entsprechen soll.</p><p>Damit das zu beschaffende Rüstungsgut von der Schweizer Armee betrieben und genutzt werden kann, müssen im Rahmen der Beschaffung die entsprechenden Voraussetzungen zum Beispiel in der Logistik oder den Führungssystemen geschaffen werden. Die Integration in die bestehende Systemlandschaft der Schweizer Armee ist nicht zu unterschätzen. Ein, wie von der Motion gefordert, zeitliches Vorziehen dieser Entwicklungen vor die Genehmigung des Beschaffungskredites wäre unverhältnismässig. Es würde dazu führen, dass ein Grossteil der im Beschaffungsprozess anfallenden finanziellen und personellen Ressourcen noch vor der Beurteilung des Rüstungsvorhabens durch Bundesrat und Parlament aufgewendet werden müsste. Bei einer Ablehnung des Vorhabens würden so im Vergleich zu heute deutlich mehr finanzielle und personelle Ressourcen vergeblich eingesetzt.</p><p>Damit die eidgenössischen Räte eine gute Grundlage für die Entscheidung über Verpflichtungskredite für Rüstungsvorhaben haben, muss gemäss Artikel 22 des Finanzhaushaltgesetzes (FHG; SR 611.0) die mit der Vorbereitung des Kreditbegehrens betraute Verwaltungseinheit die Berechnungsgrundlage und die Unsicherheitsfaktoren darlegen sowie die nötigen Reserven einplanen. Die Verantwortung für die Ermittlung des Finanzbedarfs trägt der Bundesrat. Im Prozess der Rüstungsbeschaffung muss die sogenannte Beschaffungsreife vorliegen. Die Voraussetzungen für die Erklärung der Beschaffungsreife sind in der Materialverordnung (MatV; SR 514.20) eindeutig dargelegt.</p><p>Im Verlaufe des Beschaffungsprozesses werden zudem durch die Gruppe Verteidigung und Armasuisse komplementäre Risikobetrachtungen vorgenommen. Das zu beschaffende Rüstungsgut wird damit sowohl auf technische als auch auf kommerzielle Risiken überprüft. Diese Risiken werden laufend und systematisch beurteilt und die notwendigen Massnahmen getroffen. Das Risiko wird in der Armeebotschaft ausgewiesen, in die beantragten Verpflichtungskredite einkalkuliert und entsprechend von den eidgenössischen Räten behandelt.</p><p>Ebenfalls werden Beschaffungsverträge in der Regel so ausgestaltet, dass der Grossteil der technischen und somit auch finanziellen Risiken in der anschliessenden Realisierungsphase von den jeweiligen Industriepartnern getragen wird. Der Bund trägt die innerhalb des Eidgenössischen Departementes für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport anfallenden Kosten allfälliger Zeitverzögerungen. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass Nachtragskredite für Rüstungsbeschaffungen die Ausnahme sind.</p><p>Im Übrigen treffen die in der Motionsbegründung vorgebrachten Umstände bezüglich der Beschaffung sowohl des Kampfflugzeugs Gripen als auch des Aufklärungsdrohnensystems 15 (ADS 15) nicht zu. Für die gemeinsame Beschaffung mit der Schweiz hätte Schweden den Zeitplan für die Entwicklung des Gripen E angepasst und um rund ein Jahr vorgezogen. Die Lieferung der Flugzeuge wurde der Schweiz von der schwedischen Regierung vertraglich zugesichert. Nach der Ablehnung des Gripen-Fonds-Gesetzes durch die Schweizer Stimmbevölkerung am 18. Mai 2014 hat Schweden den Zeitplan dann wieder angepasst. Die Erstauslieferung an die schwedische Luftwaffe ist für Ende 2019 vorgesehen.</p><p>Bei der Drohne Hermes 900 HFE handelt es sich um eine vom Hersteller so angebotene Variante der Hermes-900-Produktelinie, die dem internationalen Trend hin zu einer Umstellung auf Dieselmotoren für diese Kategorie von Drohnen folgt. Allgemein sind allfällige technische Anpassungen Bestandteil des Vertrags und somit im Systempreis enthalten. Dem Bund entstehen dabei keine Mehrkosten. Die Motorisierung der ADS 15 entspricht zudem den in der Rüstungsbotschaft 2015 gemachten Angaben.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, dafür zu sorgen, dass vor der Erteilung eines Beschaffungskredites die Entwicklung des zu beschaffenden Rüstungsmaterials abgeschlossen ist.</p>
    • Die rechtlich geforderte Beschaffungsreife bei Rüstungsgütern endlich einhalten

Back to List