Die gesunde Entwicklung von Kindern auch bei Zwangsmassnahmen gewährleisten

ShortId
18.4300
Id
20184300
Updated
28.07.2023 03:00
Language
de
Title
Die gesunde Entwicklung von Kindern auch bei Zwangsmassnahmen gewährleisten
AdditionalIndexing
2841;1211
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Das Bild vom weinenden Mädchen, welches an der Grenze zu den USA von der Mutter getrennt und in ein Lager gebracht wurde, während die Mutter inhaftiert wurde, hat aufgewühlt. Ja, in den USA wird das Leid von Kindern geringer gewichtet als Migrationsfragen. Sind wir sicher, dass dies in der Schweiz nicht passieren kann?</p><p>Ein Bericht von Terre des Hommes aus dem Jahr 2016 lässt vermuten, dass Unrecht auch hier passiert. Zwangsmassnahmen, wie die Administrativhaft, werden von den Kantonen unterschiedlich umgesetzt. Aus Ressourcengründen werden die Rechte von Kindern auch in der Schweiz dem Ausschaffungsanliegen unterstellt. So kann es passieren, dass Minderjährige aufgrund ihres Migrationsstatus oder aufgrund desjenigen ihrer Eltern inhaftiert werden. Sie werden gleich behandelt wie Straftäterinnen und Straftäter. Das verträgt sich kaum mit einer gesunden Entwicklung des Kindes und auch nicht mit diversen Bestimmungen aus der UN-Kinderrechtskonvention (Art. 3 zum übergeordneten Wohl des Kindes oder Art. 16 zum Recht auf Familienleben) und kollidiert mit Bundesverfassungsartikeln (Art. 11 und 13 BV). </p><p>Das AuG erlaubt heute die Inhaftierung von Minderjährigen bis 15 Jahre zwar nicht, es erlaubt jedoch die Administrativhaft von Jugendlichen zwischen 15 und 18 Jahren. Es ergibt objektiv keinen Sinn, dass die Kindheit betreffend Haft in zwei Alterskategorien unterteilt wird. Die Schutzbedürftigkeit ist auch zwischen 15 und 18 Jahren gegeben. Auch die obgenannten Rechte müssen hier zur Anwendung kommen. Das Wohlbefinden des Kindes respektive Jugendlichen muss immer beachtet werden. Es ist unabdingbar, dass gute Bedingungen für die ungestörte physische und psychische Entwicklung gewährleistet werden.</p>
  • <p>Der Bundesrat teilt die Auffassung der Postulantin, dass bei der Anwendung ausländerrechtlicher Zwangsmassnahmen das Kindeswohl besonders zu berücksichtigen ist. Dabei ist zu betonen, dass die Rückkehrpolitik des Bundes in erster Linie die freiwillige Rückkehr fördert. Personen, welche die Schweiz verlassen müssen, erhalten die Gelegenheit, freiwillig und - falls dies gesetzlich möglich ist - mit Rückkehrhilfe auszureisen. Dabei wird den Bedürfnissen von Familien mit Kindern besondere Beachtung geschenkt. Erst wenn ein negativer Asylentscheid bzw. eine Weg- oder Ausweisungsverfügung in Rechtskraft erwachsen und eine eingeräumte Ausreisefrist unbenutzt verstrichen ist, muss die betroffene Person gestützt auf ihr Verhalten damit rechnen, dass Zwangsmassnahmen angewendet werden können.</p><p>In seiner Stellungnahme vom 28. September 2018 zum Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) zur Administrativhaft im Asylbereich vom 26. Juni 2018 hat sich der Bundesrat ausführlich zur Inhaftierung von minderjährigen Personen geäussert (BBl 2018 7601). Er hat dabei betont, dass keine minderjährigen Personen unter 15 Jahren in Administrativhaft untergebracht werden dürfen. Ferner hat der Bundesrat auch zu den in der Begründung des Postulates konkret beanstandeten Punkten, namentlich zur rechtlich möglichen Inhaftierung von Jugendlichen zwischen 15 und 18 Jahren, zur Ausgestaltung des Haftregimes sowie zur mangelnden Harmonisierung bei der kantonalen Anwendungspraxis, Stellung genommen. Dabei ist er zur Ansicht gelangt, dass die Garantien der Kinderrechtskonvention im Bereich der Zwangsmassnahmen grundsätzlich eingehalten werden.</p><p>Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Kantone bei Minderjährigen und Familien in der Regel auf die Anordnung von Administrativhaft verzichten und den Vollzug der Wegweisung ab der Unterkunft durchführen. Als Alternativen zur Administrativhaft werden in der kantonalen Praxis für den Vollzug von Wegweisungen bei Familien und Minderjährigen vor allem Meldepflichten auferlegt und Eingrenzungen angeordnet. In den wenigen Fällen, in denen die Kantone die Administrativhaft anordnen, ist gemäss Artikel 81 Absatz 3 AIG den Bedürfnissen von unbegleiteten Minderjährigen und Familien mit Minderjährigen bei der Ausgestaltung der Haft Rechnung zu tragen. Das bedeutet konkret, dass Familien in Haft eine gesonderte Unterbringung erhalten, womit insbesondere ein angemessenes Mass an Privatsphäre gewährleistet und eine räumliche Trennung von Straftäterinnen und Straftätern sichergestellt wird.</p><p>Bezüglich der Harmonisierung der ausländerrechtlichen Zwangsmassnahmen hat der Bundesrat in der Vergangenheit betont, dass eine uneinheitliche Anwendungspraxis der Kantone zu stossenden Ergebnissen führen kann. Folglich unterstützt er eine Harmonisierung im Bereich der Zwangsmassnahmen. Der Bundesrat weist insbesondere auf die kantonalen Koordinationsgremien wie die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) sowie die Vereinigung der kantonalen Migrationsbehörden (VKM) hin. Diese stellen in Verbindung mit dem vom EJPD und von der KKJPD eingesetzten paritätischen Fachausschuss Rückkehr und Wegweisungsvollzug eine behördliche Zusammenarbeit sicher, welche die Harmonisierung und rechtsgleiche Anwendung der Zwangsmassnahmen durch geeignete Massnahmen wie die Durchführung von Fachtagungen oder Fachschulungen fördert.</p><p>Der Bund und die Kantone haben zwecks Harmonisierung der ausländerrechtlichen Zwangsmassnahmen einen Katalog mit den Umsetzungsvorschlägen erarbeitet, welche der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Bericht der GPK-N in Aussicht gestellt hat, und eine Arbeitsgruppe mit der Umsetzung dieser Empfehlungen der GPK-N beauftragt.</p><p>Abschliessend weist der Bundesrat darauf hin, dass im Rahmen des Berichtes der GPK-N vom 26. Juni 2018 durch die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) bereits eine Evaluation der Administrativhaft im Asylbereich durchgeführt worden ist. Die Evaluation war Grundlage für die Empfehlungen des Berichtes. Der Bundesrat erachtet die im Postulat geforderte Situationsanalyse deshalb nicht als notwendig.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung des Postulates.
  • <p>Damit die physisch und psychisch gesunde Entwicklung von Kindern, die von einer Zwangsmassnahme im Ausländerrecht betroffen sind, gewährleistet werden kann, wird der Bundesrat beauftragt, in einer gesamtschweizerischen Situationsanalyse den Umgang mit diesen Kindern und Familien zu ermitteln und Best Practices zur Umsetzung der Kinderrechtskonvention zu erarbeiten.</p><p>Bei der Erstellung der Bestandesaufnahme gilt es folgende Kategorien zu unterscheiden:</p><p>1. MNA (bis 18 Jahre);</p><p>2. Familien mit Minderjährigen (bis 15 Jahre);</p><p>3. Familien mit Minderjährigen (15 bis 18 Jahre);</p><p>4. begleitete Minderjährige (bis 18 Jahre; Begleitperson: Familienmitglieder zweiten Grades oder Bekannte/Verwandte).</p>
  • Die gesunde Entwicklung von Kindern auch bei Zwangsmassnahmen gewährleisten
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Das Bild vom weinenden Mädchen, welches an der Grenze zu den USA von der Mutter getrennt und in ein Lager gebracht wurde, während die Mutter inhaftiert wurde, hat aufgewühlt. Ja, in den USA wird das Leid von Kindern geringer gewichtet als Migrationsfragen. Sind wir sicher, dass dies in der Schweiz nicht passieren kann?</p><p>Ein Bericht von Terre des Hommes aus dem Jahr 2016 lässt vermuten, dass Unrecht auch hier passiert. Zwangsmassnahmen, wie die Administrativhaft, werden von den Kantonen unterschiedlich umgesetzt. Aus Ressourcengründen werden die Rechte von Kindern auch in der Schweiz dem Ausschaffungsanliegen unterstellt. So kann es passieren, dass Minderjährige aufgrund ihres Migrationsstatus oder aufgrund desjenigen ihrer Eltern inhaftiert werden. Sie werden gleich behandelt wie Straftäterinnen und Straftäter. Das verträgt sich kaum mit einer gesunden Entwicklung des Kindes und auch nicht mit diversen Bestimmungen aus der UN-Kinderrechtskonvention (Art. 3 zum übergeordneten Wohl des Kindes oder Art. 16 zum Recht auf Familienleben) und kollidiert mit Bundesverfassungsartikeln (Art. 11 und 13 BV). </p><p>Das AuG erlaubt heute die Inhaftierung von Minderjährigen bis 15 Jahre zwar nicht, es erlaubt jedoch die Administrativhaft von Jugendlichen zwischen 15 und 18 Jahren. Es ergibt objektiv keinen Sinn, dass die Kindheit betreffend Haft in zwei Alterskategorien unterteilt wird. Die Schutzbedürftigkeit ist auch zwischen 15 und 18 Jahren gegeben. Auch die obgenannten Rechte müssen hier zur Anwendung kommen. Das Wohlbefinden des Kindes respektive Jugendlichen muss immer beachtet werden. Es ist unabdingbar, dass gute Bedingungen für die ungestörte physische und psychische Entwicklung gewährleistet werden.</p>
    • <p>Der Bundesrat teilt die Auffassung der Postulantin, dass bei der Anwendung ausländerrechtlicher Zwangsmassnahmen das Kindeswohl besonders zu berücksichtigen ist. Dabei ist zu betonen, dass die Rückkehrpolitik des Bundes in erster Linie die freiwillige Rückkehr fördert. Personen, welche die Schweiz verlassen müssen, erhalten die Gelegenheit, freiwillig und - falls dies gesetzlich möglich ist - mit Rückkehrhilfe auszureisen. Dabei wird den Bedürfnissen von Familien mit Kindern besondere Beachtung geschenkt. Erst wenn ein negativer Asylentscheid bzw. eine Weg- oder Ausweisungsverfügung in Rechtskraft erwachsen und eine eingeräumte Ausreisefrist unbenutzt verstrichen ist, muss die betroffene Person gestützt auf ihr Verhalten damit rechnen, dass Zwangsmassnahmen angewendet werden können.</p><p>In seiner Stellungnahme vom 28. September 2018 zum Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) zur Administrativhaft im Asylbereich vom 26. Juni 2018 hat sich der Bundesrat ausführlich zur Inhaftierung von minderjährigen Personen geäussert (BBl 2018 7601). Er hat dabei betont, dass keine minderjährigen Personen unter 15 Jahren in Administrativhaft untergebracht werden dürfen. Ferner hat der Bundesrat auch zu den in der Begründung des Postulates konkret beanstandeten Punkten, namentlich zur rechtlich möglichen Inhaftierung von Jugendlichen zwischen 15 und 18 Jahren, zur Ausgestaltung des Haftregimes sowie zur mangelnden Harmonisierung bei der kantonalen Anwendungspraxis, Stellung genommen. Dabei ist er zur Ansicht gelangt, dass die Garantien der Kinderrechtskonvention im Bereich der Zwangsmassnahmen grundsätzlich eingehalten werden.</p><p>Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Kantone bei Minderjährigen und Familien in der Regel auf die Anordnung von Administrativhaft verzichten und den Vollzug der Wegweisung ab der Unterkunft durchführen. Als Alternativen zur Administrativhaft werden in der kantonalen Praxis für den Vollzug von Wegweisungen bei Familien und Minderjährigen vor allem Meldepflichten auferlegt und Eingrenzungen angeordnet. In den wenigen Fällen, in denen die Kantone die Administrativhaft anordnen, ist gemäss Artikel 81 Absatz 3 AIG den Bedürfnissen von unbegleiteten Minderjährigen und Familien mit Minderjährigen bei der Ausgestaltung der Haft Rechnung zu tragen. Das bedeutet konkret, dass Familien in Haft eine gesonderte Unterbringung erhalten, womit insbesondere ein angemessenes Mass an Privatsphäre gewährleistet und eine räumliche Trennung von Straftäterinnen und Straftätern sichergestellt wird.</p><p>Bezüglich der Harmonisierung der ausländerrechtlichen Zwangsmassnahmen hat der Bundesrat in der Vergangenheit betont, dass eine uneinheitliche Anwendungspraxis der Kantone zu stossenden Ergebnissen führen kann. Folglich unterstützt er eine Harmonisierung im Bereich der Zwangsmassnahmen. Der Bundesrat weist insbesondere auf die kantonalen Koordinationsgremien wie die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) sowie die Vereinigung der kantonalen Migrationsbehörden (VKM) hin. Diese stellen in Verbindung mit dem vom EJPD und von der KKJPD eingesetzten paritätischen Fachausschuss Rückkehr und Wegweisungsvollzug eine behördliche Zusammenarbeit sicher, welche die Harmonisierung und rechtsgleiche Anwendung der Zwangsmassnahmen durch geeignete Massnahmen wie die Durchführung von Fachtagungen oder Fachschulungen fördert.</p><p>Der Bund und die Kantone haben zwecks Harmonisierung der ausländerrechtlichen Zwangsmassnahmen einen Katalog mit den Umsetzungsvorschlägen erarbeitet, welche der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Bericht der GPK-N in Aussicht gestellt hat, und eine Arbeitsgruppe mit der Umsetzung dieser Empfehlungen der GPK-N beauftragt.</p><p>Abschliessend weist der Bundesrat darauf hin, dass im Rahmen des Berichtes der GPK-N vom 26. Juni 2018 durch die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) bereits eine Evaluation der Administrativhaft im Asylbereich durchgeführt worden ist. Die Evaluation war Grundlage für die Empfehlungen des Berichtes. Der Bundesrat erachtet die im Postulat geforderte Situationsanalyse deshalb nicht als notwendig.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung des Postulates.
    • <p>Damit die physisch und psychisch gesunde Entwicklung von Kindern, die von einer Zwangsmassnahme im Ausländerrecht betroffen sind, gewährleistet werden kann, wird der Bundesrat beauftragt, in einer gesamtschweizerischen Situationsanalyse den Umgang mit diesen Kindern und Familien zu ermitteln und Best Practices zur Umsetzung der Kinderrechtskonvention zu erarbeiten.</p><p>Bei der Erstellung der Bestandesaufnahme gilt es folgende Kategorien zu unterscheiden:</p><p>1. MNA (bis 18 Jahre);</p><p>2. Familien mit Minderjährigen (bis 15 Jahre);</p><p>3. Familien mit Minderjährigen (15 bis 18 Jahre);</p><p>4. begleitete Minderjährige (bis 18 Jahre; Begleitperson: Familienmitglieder zweiten Grades oder Bekannte/Verwandte).</p>
    • Die gesunde Entwicklung von Kindern auch bei Zwangsmassnahmen gewährleisten

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