Off-Label-Verschreibung von Medikamenten unter dem Vieraugenprinzip

ShortId
18.4302
Id
20184302
Updated
28.07.2023 03:00
Language
de
Title
Off-Label-Verschreibung von Medikamenten unter dem Vieraugenprinzip
AdditionalIndexing
2841
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Grundsätzlich dürfen in der Schweiz nur Arzneimittel abgegeben werden, die von der Zulassungsbehörde Swissmedic auf ihre Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität geprüft und für eine bestimmte Anwendung zugelassen worden sind (Interpharma-Merkblatt).</p><p>Nun gibt es aber auch Fälle, in denen ein Medikament von einem Arzt verschrieben wird, welches für diese Anwendung gar nicht zugelassen ist. Hier spricht man in der Fachwelt von Off-Label-Verschreibung. </p><p>Aus den Antworten vom Bundesrat auf mehrere Vorstösse zum Thema verschreibungspflichtige Medikamente (Motion 16.3152, Motion 17.4124, Interpellation 18.3521) ist ersichtlich, dass der Bundesrat sich bei einer Off-Label-Verschreibung darauf verlässt, dass jeder Arzt oder jede Ärztin die anerkannten Regeln der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaften beachtet und die beruflichen Sorgfaltspflichten einhält.</p><p>Aber dies ist in der Praxis leider nicht immer der Fall. </p><p>Beispiel 1: Zyprexa, ein starkes Antipsychose-Medikament, welches zur Behandlung von Schizophrenie, manisch-depressiven Erkrankungen oder Wahnvorstellungen entwickelt wurde und für diesen Einsatz zugelassen ist, wurde zur Behandlung von ADHS verschrieben. (Re: Auswertung der Daten der Krankenkasse CSS, Okt. 2013)</p><p>Beispiel 2: Zyprexa wurde in einer psychiatrischen Klinik einem 13-jährigen Mädchen zur Behandlung von Magersucht verschrieben.</p><p>Um solch leichtfertigen oder willkürlichen Off-Label-Verschreibungen vorzubeugen, soll eine Off-Label-Anwendung nur dann erlaubt sein, wenn der beabsichtigte Einsatz von einer zweiten unabhängigen Fachperson begutachtet worden ist und beide Ärzte zur selben Ansicht kommen. </p><p>Dieses Verfahren ist auch als Vieraugenprinzip bekannt und wird im medizinischen Bereich z. B. bei Kontrollen in der Medikamentenherstellung bereits angewandt und sollte nun auch für Ärzte für Off-Label-Anwendungen eingeführt werden.</p>
  • <p>Ohne Off-Label-Anwendung würden heute sehr viele Therapiemöglichkeiten für Ärztinnen und Ärzte wegfallen, da z. B. gerade für Kinder oder ältere Menschen oft keine zugelassenen Arzneimittel zur Verfügung stehen. Grund dafür ist, dass die pharmazeutischen Firmen für ihre Medikamente aufgrund der aufwendigen Zulassungsstudien nicht für alle Zielgruppen oder Indikationen klinische Studien durchführen und eine Zulassung beantragen. Die Tatsache der fehlenden Zulassung bedeutet jedoch nicht, dass die Therapie nicht die bestmögliche ist.</p><p>Eine Off-Label-Verschreibung liegt immer in der Verantwortung des behandelnden Facharztes oder der behandelnden Fachärztin. Die Aufsicht über die ärztlichen Tätigkeiten obliegt den kantonalen Aufsichtsbehörden (Art. 40 und 41 des Medizinalberufegesetzes, MedBG; SR 811.11). Die Kantonsapotheker haben Empfehlungen zur Off-Label-Anwendung von Arzneimitteln für Ärztinnen und Ärzte sowie Apothekerinnen und Apotheker publiziert.</p><p>Eine erste Rückfrage bei den kantonalen Vollzugsbehörden hat ergeben, dass diese in der Off-Label-Verschreibung keine Probleme orten. Entsprechend ist davon auszugehen, dass die Ärztinnen und Ärzte die anerkannten Regeln der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaften beachten und die beruflichen Sorgfaltspflichten einhalten.</p><p>Um feststellen zu können, ob es sich bei den von der Motionärin erwähnten Beispielen betreffend die Verschreibung von Zyprexa bei ADHS oder Magersucht um "leichtfertige" oder "willkürliche" Off-Label-Verschreibungen handelt oder nicht, müssten im Einzelfall detaillierte Nachprüfungen durchgeführt werden. Gemäss der Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (SGPP) und der Schweizerischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie (SGKJPP) kann es bei psychiatrischen Begleit- oder Zusatzerkrankungen zu ADHS oder Essstörungen im Einzelfall notwendig sein, Zyprexa zusätzlich einzusetzen.</p><p>Die Umsetzung des von der Motionärin vorgeschlagenen Vieraugenprinzips wäre mit einem deutlichen Mehraufwand, aber auch fraglichem Nutzen verbunden: Nicht immer ist eine zweite Ärztin oder ein zweiter Arzt verfügbar, um die Verschreibung zu validieren. Zusätzlich würde dieses Vorgehen de facto eine komplette zweite Anamnese inklusive klinischer Untersuchung bedeuten.</p><p>Off-label eingesetzte Arzneimittel werden zudem nur im Einzelfall bei einem grossen therapeutischen Nutzen und nach vorgängiger Kostengutsprache und Evaluation mit dem vertrauensärztlichen Dienst der Krankenversicherer vergütet. Dadurch ist in der Regel bereits ein formales Vieraugenprinzip gegeben.</p><p>Entsprechend sieht der Bundesrat keinen Handlungsbedarf für die Einführung eines Vieraugenprinzips bei der Off-Label-Verschreibung von Arzneimitteln.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, das HMG so zu ändern, dass eine Off-Label-Verschreibung von Medikamenten nur noch von zwei unabhängigen Fachleuten unter Anwendung des Vieraugenprinzips durchgeführt werden kann.</p>
  • Off-Label-Verschreibung von Medikamenten unter dem Vieraugenprinzip
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Grundsätzlich dürfen in der Schweiz nur Arzneimittel abgegeben werden, die von der Zulassungsbehörde Swissmedic auf ihre Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität geprüft und für eine bestimmte Anwendung zugelassen worden sind (Interpharma-Merkblatt).</p><p>Nun gibt es aber auch Fälle, in denen ein Medikament von einem Arzt verschrieben wird, welches für diese Anwendung gar nicht zugelassen ist. Hier spricht man in der Fachwelt von Off-Label-Verschreibung. </p><p>Aus den Antworten vom Bundesrat auf mehrere Vorstösse zum Thema verschreibungspflichtige Medikamente (Motion 16.3152, Motion 17.4124, Interpellation 18.3521) ist ersichtlich, dass der Bundesrat sich bei einer Off-Label-Verschreibung darauf verlässt, dass jeder Arzt oder jede Ärztin die anerkannten Regeln der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaften beachtet und die beruflichen Sorgfaltspflichten einhält.</p><p>Aber dies ist in der Praxis leider nicht immer der Fall. </p><p>Beispiel 1: Zyprexa, ein starkes Antipsychose-Medikament, welches zur Behandlung von Schizophrenie, manisch-depressiven Erkrankungen oder Wahnvorstellungen entwickelt wurde und für diesen Einsatz zugelassen ist, wurde zur Behandlung von ADHS verschrieben. (Re: Auswertung der Daten der Krankenkasse CSS, Okt. 2013)</p><p>Beispiel 2: Zyprexa wurde in einer psychiatrischen Klinik einem 13-jährigen Mädchen zur Behandlung von Magersucht verschrieben.</p><p>Um solch leichtfertigen oder willkürlichen Off-Label-Verschreibungen vorzubeugen, soll eine Off-Label-Anwendung nur dann erlaubt sein, wenn der beabsichtigte Einsatz von einer zweiten unabhängigen Fachperson begutachtet worden ist und beide Ärzte zur selben Ansicht kommen. </p><p>Dieses Verfahren ist auch als Vieraugenprinzip bekannt und wird im medizinischen Bereich z. B. bei Kontrollen in der Medikamentenherstellung bereits angewandt und sollte nun auch für Ärzte für Off-Label-Anwendungen eingeführt werden.</p>
    • <p>Ohne Off-Label-Anwendung würden heute sehr viele Therapiemöglichkeiten für Ärztinnen und Ärzte wegfallen, da z. B. gerade für Kinder oder ältere Menschen oft keine zugelassenen Arzneimittel zur Verfügung stehen. Grund dafür ist, dass die pharmazeutischen Firmen für ihre Medikamente aufgrund der aufwendigen Zulassungsstudien nicht für alle Zielgruppen oder Indikationen klinische Studien durchführen und eine Zulassung beantragen. Die Tatsache der fehlenden Zulassung bedeutet jedoch nicht, dass die Therapie nicht die bestmögliche ist.</p><p>Eine Off-Label-Verschreibung liegt immer in der Verantwortung des behandelnden Facharztes oder der behandelnden Fachärztin. Die Aufsicht über die ärztlichen Tätigkeiten obliegt den kantonalen Aufsichtsbehörden (Art. 40 und 41 des Medizinalberufegesetzes, MedBG; SR 811.11). Die Kantonsapotheker haben Empfehlungen zur Off-Label-Anwendung von Arzneimitteln für Ärztinnen und Ärzte sowie Apothekerinnen und Apotheker publiziert.</p><p>Eine erste Rückfrage bei den kantonalen Vollzugsbehörden hat ergeben, dass diese in der Off-Label-Verschreibung keine Probleme orten. Entsprechend ist davon auszugehen, dass die Ärztinnen und Ärzte die anerkannten Regeln der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaften beachten und die beruflichen Sorgfaltspflichten einhalten.</p><p>Um feststellen zu können, ob es sich bei den von der Motionärin erwähnten Beispielen betreffend die Verschreibung von Zyprexa bei ADHS oder Magersucht um "leichtfertige" oder "willkürliche" Off-Label-Verschreibungen handelt oder nicht, müssten im Einzelfall detaillierte Nachprüfungen durchgeführt werden. Gemäss der Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (SGPP) und der Schweizerischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie (SGKJPP) kann es bei psychiatrischen Begleit- oder Zusatzerkrankungen zu ADHS oder Essstörungen im Einzelfall notwendig sein, Zyprexa zusätzlich einzusetzen.</p><p>Die Umsetzung des von der Motionärin vorgeschlagenen Vieraugenprinzips wäre mit einem deutlichen Mehraufwand, aber auch fraglichem Nutzen verbunden: Nicht immer ist eine zweite Ärztin oder ein zweiter Arzt verfügbar, um die Verschreibung zu validieren. Zusätzlich würde dieses Vorgehen de facto eine komplette zweite Anamnese inklusive klinischer Untersuchung bedeuten.</p><p>Off-label eingesetzte Arzneimittel werden zudem nur im Einzelfall bei einem grossen therapeutischen Nutzen und nach vorgängiger Kostengutsprache und Evaluation mit dem vertrauensärztlichen Dienst der Krankenversicherer vergütet. Dadurch ist in der Regel bereits ein formales Vieraugenprinzip gegeben.</p><p>Entsprechend sieht der Bundesrat keinen Handlungsbedarf für die Einführung eines Vieraugenprinzips bei der Off-Label-Verschreibung von Arzneimitteln.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, das HMG so zu ändern, dass eine Off-Label-Verschreibung von Medikamenten nur noch von zwei unabhängigen Fachleuten unter Anwendung des Vieraugenprinzips durchgeführt werden kann.</p>
    • Off-Label-Verschreibung von Medikamenten unter dem Vieraugenprinzip

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