Untersuchungen der Weko. Die Unschuldsvermutung muss Vorrang haben

ShortId
18.4304
Id
20184304
Updated
28.07.2023 02:58
Language
de
Title
Untersuchungen der Weko. Die Unschuldsvermutung muss Vorrang haben
AdditionalIndexing
04;15
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Artikel 28 des Kartellgesetzes (KG) sieht vor, dass das Sekretariat der Weko bei der Eröffnung einer Untersuchung sowohl den Gegenstand als auch die betroffenen Adressatinnen und Adressaten nennt. Wenn ein Unternehmen also von einer Untersuchung betroffen ist, wird die Identität bekanntgegeben und meistens von den Medien öffentlich verbreitet.</p><p>Die Nennung der an der Untersuchung beteiligten Parteien schadet diesen jedoch erheblich. Die Schädigung des Rufs zeigt sofort Wirkung. Dies lässt sich an den Reaktionen auf solche Mitteilungen in den Medien und sozialen Netzwerken leicht feststellen.</p><p>Darüber hinaus widerspricht es von der Definition her dem Grundsatz der Unschuldsvermutung, wenn eine solche Mitteilung der Untersuchung und dem Entscheid vorausgeht.</p><p>In einem von Wettbewerb und Marktwirtschaft geprägten Umfeld ist es offensichtlich, dass ein Unternehmen, von dem bekannt ist, dass es von einer Untersuchung betroffen ist, und das von der Öffentlichkeit an den Pranger gestellt wird, grosse Schwierigkeiten hat, normal weiterzufunktionieren und Geschäfte abzuschliessen.</p><p>Die Folge davon ist, dass ein Unternehmen, das noch nicht verurteilt ist und das in dieser Phase als unschuldig betrachtet werden sollte, möglicherweise beträchtlichen wirtschaftlichen Schaden erleidet. Paradoxerweise führt dies zu Wettbewerbs- und Marktverzerrungen - das Gegenteil dessen, was die Weko mit ihrer Tätigkeit bewirken sollte. </p><p>Tatsächlich wird ein solches Unternehmen im Vergleich zu seiner Konkurrenz bestraft, weil es von vornherein für schuldig befunden wird, unabhängig davon, ob ein späterer Entscheid diese Schuld bestätigt oder widerlegt. Um die rechtmässigen Interessen der Unternehmen zu wahren, ist es wichtig, dass ihre Identität erst veröffentlicht wird, wenn aufgrund der Untersuchung die entsprechenden Schlussfolgerungen vorliegen und der formelle Entscheid gegen sie ergangen ist - und sei es nur in erster Instanz.</p>
  • <p>Artikel 28 des Kartellgesetzes (KG; SR 251) legt die Regeln für die Bekanntgabe der Eröffnung einer Untersuchung durch das Sekretariat der Wettbewerbskommission (Weko) fest. Er sieht vor, dass die Bekanntgabe durch amtliche Publikation erfolgt (Abs. 1) und den Gegenstand und die Adressaten der Untersuchung nennt (Abs. 2). Mit dieser Bestimmung werden im Wesentlichen zwei Ziele verfolgt: Erstens sollen Dritte darüber orientiert und informiert werden, dass eine kartellrechtliche Untersuchung eröffnet wurde. Diese Dritten müssen sich sodann innerhalb von 30 Tagen melden, falls sie sich an der Untersuchung beteiligen (Art. 43 Abs. 1 KG) oder Parteistellung einnehmen möchten (BGE 139 II 328). Die Bekanntgabe muss den betroffenen Personen und Unternehmen somit ausreichende Informationen zur eröffneten Untersuchung liefern, damit diese entscheiden können, ob sie sich daran beteiligen wollen. Ihr Recht auf Beteiligung an der Untersuchung - sei es als Beteiligte oder als Partei - würde somit völlig ausgehöhlt, wenn die Weko die Identität der betroffenen Parteien nicht bekanntgeben würde. Zudem erlaubt eine entsprechende Bekanntgabe zu Beginn der Untersuchung den Unternehmen, denen durch die kartellrechtlichen Verstösse ein Schaden entstanden ist, ihre zivilrechtlichen Ansprüche rechtzeitig geltend zu machen. Zweitens ist es dank der Bekanntgabe überhaupt erst möglich, dass betroffene Dritte sich an der Untersuchung beteiligen, wodurch die Wettbewerbsbehörden zusätzliche Informationen über die Funktionsweise des entsprechenden Marktes, die Wettbewerbssituation und das Verhalten des von der Untersuchung betroffenen Unternehmens erhalten können. Das macht die Verfahren effizienter, schneller und kostengünstiger. Die Informationen können für die Entscheide der Weko wichtig sein und sind daher wichtig für eine wirksame Anwendung des KG, was auch im öffentlichen Interesse liegt.</p><p>In der Praxis prüft das Sekretariat der Weko bei jedem Fall einzeln und abhängig vom Reputationsrisiko für das Unternehmen, gegen das eine Untersuchung eröffnet wird, ob eine vollständige Bekanntgabe der Informationen verhältnismässig ist. Insbesondere achtet es darauf, dass der veröffentlichte Text keine Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens preisgibt und nicht nachteilig formuliert ist. Zudem ist an dieser Stelle festzuhalten, dass die Eröffnung einer Untersuchung keinen präjudiziellen Charakter für den materiellen Entscheid hat.</p><p>Schliesslich ist auch anzufügen, dass die Strafbehörden die Öffentlichkeit in ähnlicher Art und Weise über die Identität von Personen informieren dürfen, gegen die eine Untersuchung läuft. Dies geschieht ebenfalls mit dem Ziel, die Mitwirkung Dritter zu ermöglichen (Art. 74 der Strafprozessordnung, StPO; SR 312.0). Auch diese Vorgehensweise steht mit dem Grundsatz der Unschuldsvermutung im Einklang.</p><p>Da Dritte ein legitimes Interesse daran haben, über die Eröffnung einer Untersuchung informiert zu werden, und es für die Wettbewerbsbehörden nützlich sein kann, dank der Beteiligung Dritter zusätzliche Informationen zu erhalten, sieht der Bundesrat keinen Grund, der für eine Lockerung von Artikel 28 KG spricht.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, eine Änderung des Kartellgesetzes auszuarbeiten, die vorsieht, dass die Pflicht aufgehoben wird, die an einer Untersuchung der Wettbewerbskommission (Weko) beteiligten Adressatinnen und Adressaten bereits in der Phase der Eröffnung, d. h. vor dem formellen Entscheid, zu nennen.</p>
  • Untersuchungen der Weko. Die Unschuldsvermutung muss Vorrang haben
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Artikel 28 des Kartellgesetzes (KG) sieht vor, dass das Sekretariat der Weko bei der Eröffnung einer Untersuchung sowohl den Gegenstand als auch die betroffenen Adressatinnen und Adressaten nennt. Wenn ein Unternehmen also von einer Untersuchung betroffen ist, wird die Identität bekanntgegeben und meistens von den Medien öffentlich verbreitet.</p><p>Die Nennung der an der Untersuchung beteiligten Parteien schadet diesen jedoch erheblich. Die Schädigung des Rufs zeigt sofort Wirkung. Dies lässt sich an den Reaktionen auf solche Mitteilungen in den Medien und sozialen Netzwerken leicht feststellen.</p><p>Darüber hinaus widerspricht es von der Definition her dem Grundsatz der Unschuldsvermutung, wenn eine solche Mitteilung der Untersuchung und dem Entscheid vorausgeht.</p><p>In einem von Wettbewerb und Marktwirtschaft geprägten Umfeld ist es offensichtlich, dass ein Unternehmen, von dem bekannt ist, dass es von einer Untersuchung betroffen ist, und das von der Öffentlichkeit an den Pranger gestellt wird, grosse Schwierigkeiten hat, normal weiterzufunktionieren und Geschäfte abzuschliessen.</p><p>Die Folge davon ist, dass ein Unternehmen, das noch nicht verurteilt ist und das in dieser Phase als unschuldig betrachtet werden sollte, möglicherweise beträchtlichen wirtschaftlichen Schaden erleidet. Paradoxerweise führt dies zu Wettbewerbs- und Marktverzerrungen - das Gegenteil dessen, was die Weko mit ihrer Tätigkeit bewirken sollte. </p><p>Tatsächlich wird ein solches Unternehmen im Vergleich zu seiner Konkurrenz bestraft, weil es von vornherein für schuldig befunden wird, unabhängig davon, ob ein späterer Entscheid diese Schuld bestätigt oder widerlegt. Um die rechtmässigen Interessen der Unternehmen zu wahren, ist es wichtig, dass ihre Identität erst veröffentlicht wird, wenn aufgrund der Untersuchung die entsprechenden Schlussfolgerungen vorliegen und der formelle Entscheid gegen sie ergangen ist - und sei es nur in erster Instanz.</p>
    • <p>Artikel 28 des Kartellgesetzes (KG; SR 251) legt die Regeln für die Bekanntgabe der Eröffnung einer Untersuchung durch das Sekretariat der Wettbewerbskommission (Weko) fest. Er sieht vor, dass die Bekanntgabe durch amtliche Publikation erfolgt (Abs. 1) und den Gegenstand und die Adressaten der Untersuchung nennt (Abs. 2). Mit dieser Bestimmung werden im Wesentlichen zwei Ziele verfolgt: Erstens sollen Dritte darüber orientiert und informiert werden, dass eine kartellrechtliche Untersuchung eröffnet wurde. Diese Dritten müssen sich sodann innerhalb von 30 Tagen melden, falls sie sich an der Untersuchung beteiligen (Art. 43 Abs. 1 KG) oder Parteistellung einnehmen möchten (BGE 139 II 328). Die Bekanntgabe muss den betroffenen Personen und Unternehmen somit ausreichende Informationen zur eröffneten Untersuchung liefern, damit diese entscheiden können, ob sie sich daran beteiligen wollen. Ihr Recht auf Beteiligung an der Untersuchung - sei es als Beteiligte oder als Partei - würde somit völlig ausgehöhlt, wenn die Weko die Identität der betroffenen Parteien nicht bekanntgeben würde. Zudem erlaubt eine entsprechende Bekanntgabe zu Beginn der Untersuchung den Unternehmen, denen durch die kartellrechtlichen Verstösse ein Schaden entstanden ist, ihre zivilrechtlichen Ansprüche rechtzeitig geltend zu machen. Zweitens ist es dank der Bekanntgabe überhaupt erst möglich, dass betroffene Dritte sich an der Untersuchung beteiligen, wodurch die Wettbewerbsbehörden zusätzliche Informationen über die Funktionsweise des entsprechenden Marktes, die Wettbewerbssituation und das Verhalten des von der Untersuchung betroffenen Unternehmens erhalten können. Das macht die Verfahren effizienter, schneller und kostengünstiger. Die Informationen können für die Entscheide der Weko wichtig sein und sind daher wichtig für eine wirksame Anwendung des KG, was auch im öffentlichen Interesse liegt.</p><p>In der Praxis prüft das Sekretariat der Weko bei jedem Fall einzeln und abhängig vom Reputationsrisiko für das Unternehmen, gegen das eine Untersuchung eröffnet wird, ob eine vollständige Bekanntgabe der Informationen verhältnismässig ist. Insbesondere achtet es darauf, dass der veröffentlichte Text keine Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens preisgibt und nicht nachteilig formuliert ist. Zudem ist an dieser Stelle festzuhalten, dass die Eröffnung einer Untersuchung keinen präjudiziellen Charakter für den materiellen Entscheid hat.</p><p>Schliesslich ist auch anzufügen, dass die Strafbehörden die Öffentlichkeit in ähnlicher Art und Weise über die Identität von Personen informieren dürfen, gegen die eine Untersuchung läuft. Dies geschieht ebenfalls mit dem Ziel, die Mitwirkung Dritter zu ermöglichen (Art. 74 der Strafprozessordnung, StPO; SR 312.0). Auch diese Vorgehensweise steht mit dem Grundsatz der Unschuldsvermutung im Einklang.</p><p>Da Dritte ein legitimes Interesse daran haben, über die Eröffnung einer Untersuchung informiert zu werden, und es für die Wettbewerbsbehörden nützlich sein kann, dank der Beteiligung Dritter zusätzliche Informationen zu erhalten, sieht der Bundesrat keinen Grund, der für eine Lockerung von Artikel 28 KG spricht.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, eine Änderung des Kartellgesetzes auszuarbeiten, die vorsieht, dass die Pflicht aufgehoben wird, die an einer Untersuchung der Wettbewerbskommission (Weko) beteiligten Adressatinnen und Adressaten bereits in der Phase der Eröffnung, d. h. vor dem formellen Entscheid, zu nennen.</p>
    • Untersuchungen der Weko. Die Unschuldsvermutung muss Vorrang haben

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