Invalidenversicherung. Die berufliche Eingliederung muss den Vorrang haben

ShortId
18.4330
Id
20184330
Updated
28.07.2023 03:11
Language
de
Title
Invalidenversicherung. Die berufliche Eingliederung muss den Vorrang haben
AdditionalIndexing
2836;28;44
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Die Schweiz hat das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Behindertenrechtskonvention, BRK) im Jahr 2014 ratifiziert. Artikel 27 BRK legt den Grundsatz des Rechts auf Arbeit für Menschen mit Behinderungen fest. Insbesondere hat sich die Schweiz verpflichtet, "für Menschen mit Behinderungen Beschäftigungsmöglichkeiten und beruflichen Aufstieg auf dem Arbeitsmarkt (...) zu fördern" (Art. 27 Abs. 1 Bst. e BRK) und "die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen im privaten Sektor durch geeignete Strategien und Massnahmen zu fördern" (Art. 27 Abs. 1 Bst. h BRK).</p><p>Die Schweiz unternimmt grosse Anstrengungen für die berufliche Eingliederung von Menschen mit Behinderungen. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) hält auf seiner Website in Bezug auf die Invalidenversicherung fest: "Der Grundsatz der Eingliederung geht somit einer Rentenzahlung klar vor." Nicht nur aufgrund dieser Formulierung kann der Eindruck entstehen, dass die Eingliederungsbemühungen in allererster Linie zur Verhinderung der Auszahlung einer IV-Rente unternommen werden. Viele Menschen - vor allem Menschen mit schweren Behinderungen - sind mit dieser Praxis konfrontiert. Für die IV ist die Versuchung gross, sich auf die berufliche Eingliederung von Menschen mit hohem Produktivitätspotenzial zu konzentrieren. Diejenigen, die trotz Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt von einer Rente abhängig sind, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, sind für die IV nicht attraktiv.</p><p>Arbeit ist jedoch mehr als nur ein Gehalt, und Eingliederung bedeutet mehr als das Einsparen von Renten. Eine Stelle auf dem ersten Arbeitsmarkt, die für die meisten Menschen ohne Behinderungen selbstverständlich ist, ist auch für die meisten Menschen mit Behinderungen sehr wertvoll. Sie wollen Teil der Gesellschaft sein und ihren Beitrag leisten, unabhängig davon, ob ihre Arbeit ihnen einen existenzsichernden Lohn einbringt oder nicht. Und schliesslich sind diese Menschen und die grössere Vielfalt, die ihre Beschäftigung mit sich bringt, eine Bereicherung für jedes Unternehmen. Wenn unterschiedliche Menschen zusammenarbeiten, ist dies ein Gewinn für die Gesellschaft als Ganze.</p>
  • <p>Der Bundesrat teilt die Auffassung der Motionärin, dass Arbeit sinnstiftend ist und ein wichtiges Element der gesellschaftlichen Teilhabe darstellt. Aufgabe der Invalidenversicherung ist es, Menschen mit Behinderung so weit als möglich auf dem Arbeitsmarkt vermittelbar zu machen. Gemäss Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20) sind die Renten nur vorzusehen, wenn eine berufliche Eingliederung nicht möglich sei oder zu wenig Erfolg bringe. Der Grundsatz "Eingliederung vor Rente" gilt für alle versicherten Personen, unabhängig von Gesundheitsschaden, Invaliditätsursache und Invaliditätsgrad. Somit stehen nicht nur Personen mit hohem Produktivitätspotenzial im Fokus, sondern es geht darum, die Wiedereingliederung aller Menschen mit einer Behinderung zu fördern, um eine Verschlechterung ihrer geistigen und körperlichen Gesundheit zu vermeiden und ihnen eine selbstbestimmte und eigenverantwortliche Lebensführung zu ermöglichen.</p><p>Die Vorlage zur Weiterentwicklung der IV (BBl 2017 2535), die sich in der parlamentarischen Beratung befindet, umfasst verschiedene Verbesserungen, die noch vermehrt auf die Integration von Menschen mit einer Behinderung in den Arbeitsmarkt abzielen. Dabei handelt es sich nicht um eine weitere Sparübung. Ziel ist eine Systemoptimierung durch verstärkte Wiedereingliederung, durch Vermeidung von Invalidität und durch eine bessere Koordination zwischen den beteiligten Akteuren. Die vorgesehenen Massnahmen erhöhen demnach die Eingliederungschancen.</p><p>Ausserdem hat das Eidgenössische Departement des Innern 2017 eine breitabgestützte nationale Konferenz zur Arbeitsmarktintegration von Menschen mit Behinderung durchgeführt (Arbeitgeberverbände, Arbeitnehmerdachverbände und Gewerkschaften, Konferenzen kantonaler Direktoren, Behindertenorganisationen, Nationaler Branchenverband der Institutionen für Menschen mit Behinderung, Versicherer, Ärzteschaft, Compasso, Bundesämter). Ziel der Konferenz war unter anderem die Schaffung eines gemeinsamen Verständnisses über die Herausforderungen und Chancen der beruflichen Eingliederung von Menschen mit Beeinträchtigungen und die Bekanntmachung bestehender Good-Practice-Beispiele zur Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen den Eingliederungsakteuren. Mit der Unterzeichnung der gemeinsamen Erklärung haben sich die relevanten Eingliederungsakteure für Massnahmen ausgesprochen, die auf die Verbesserung der Integration von Menschen mit Behinderungen in den ersten Arbeitsmarkt zielen.</p><p>Das Thema "Gleichstellung und Arbeit" ist ausserdem auch einer der Schwerpunkte der Behindertenpolitik, die der Bundesrat im Mai 2018 verabschiedet hat. Koordiniert vom Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung (EBGB) entwickeln Bund, Kantone, Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften, Universitäten und Behindertenorganisationen Grundlagen, Hilfsmittel und Anreize für Arbeitgebende zur Schaffung von inklusiven Arbeitsumfeldern.</p><p>Der Bundesrat ist also der Ansicht, dass mit den Leistungen des IVG und der Weiterentwicklung der IV sowie mit den an der Konferenz erzielten Resultaten das Anliegen der Motionärin erfüllt ist.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, im Bereich der Invalidenversicherung Gesetzesänderungen auszuarbeiten, die vorsehen, dass das Recht auf Massnahmen zur beruflichen Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt ausdrücklich unabhängig ist von den erwarteten Renteneinsparungen.</p>
  • Invalidenversicherung. Die berufliche Eingliederung muss den Vorrang haben
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Die Schweiz hat das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Behindertenrechtskonvention, BRK) im Jahr 2014 ratifiziert. Artikel 27 BRK legt den Grundsatz des Rechts auf Arbeit für Menschen mit Behinderungen fest. Insbesondere hat sich die Schweiz verpflichtet, "für Menschen mit Behinderungen Beschäftigungsmöglichkeiten und beruflichen Aufstieg auf dem Arbeitsmarkt (...) zu fördern" (Art. 27 Abs. 1 Bst. e BRK) und "die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen im privaten Sektor durch geeignete Strategien und Massnahmen zu fördern" (Art. 27 Abs. 1 Bst. h BRK).</p><p>Die Schweiz unternimmt grosse Anstrengungen für die berufliche Eingliederung von Menschen mit Behinderungen. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) hält auf seiner Website in Bezug auf die Invalidenversicherung fest: "Der Grundsatz der Eingliederung geht somit einer Rentenzahlung klar vor." Nicht nur aufgrund dieser Formulierung kann der Eindruck entstehen, dass die Eingliederungsbemühungen in allererster Linie zur Verhinderung der Auszahlung einer IV-Rente unternommen werden. Viele Menschen - vor allem Menschen mit schweren Behinderungen - sind mit dieser Praxis konfrontiert. Für die IV ist die Versuchung gross, sich auf die berufliche Eingliederung von Menschen mit hohem Produktivitätspotenzial zu konzentrieren. Diejenigen, die trotz Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt von einer Rente abhängig sind, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, sind für die IV nicht attraktiv.</p><p>Arbeit ist jedoch mehr als nur ein Gehalt, und Eingliederung bedeutet mehr als das Einsparen von Renten. Eine Stelle auf dem ersten Arbeitsmarkt, die für die meisten Menschen ohne Behinderungen selbstverständlich ist, ist auch für die meisten Menschen mit Behinderungen sehr wertvoll. Sie wollen Teil der Gesellschaft sein und ihren Beitrag leisten, unabhängig davon, ob ihre Arbeit ihnen einen existenzsichernden Lohn einbringt oder nicht. Und schliesslich sind diese Menschen und die grössere Vielfalt, die ihre Beschäftigung mit sich bringt, eine Bereicherung für jedes Unternehmen. Wenn unterschiedliche Menschen zusammenarbeiten, ist dies ein Gewinn für die Gesellschaft als Ganze.</p>
    • <p>Der Bundesrat teilt die Auffassung der Motionärin, dass Arbeit sinnstiftend ist und ein wichtiges Element der gesellschaftlichen Teilhabe darstellt. Aufgabe der Invalidenversicherung ist es, Menschen mit Behinderung so weit als möglich auf dem Arbeitsmarkt vermittelbar zu machen. Gemäss Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20) sind die Renten nur vorzusehen, wenn eine berufliche Eingliederung nicht möglich sei oder zu wenig Erfolg bringe. Der Grundsatz "Eingliederung vor Rente" gilt für alle versicherten Personen, unabhängig von Gesundheitsschaden, Invaliditätsursache und Invaliditätsgrad. Somit stehen nicht nur Personen mit hohem Produktivitätspotenzial im Fokus, sondern es geht darum, die Wiedereingliederung aller Menschen mit einer Behinderung zu fördern, um eine Verschlechterung ihrer geistigen und körperlichen Gesundheit zu vermeiden und ihnen eine selbstbestimmte und eigenverantwortliche Lebensführung zu ermöglichen.</p><p>Die Vorlage zur Weiterentwicklung der IV (BBl 2017 2535), die sich in der parlamentarischen Beratung befindet, umfasst verschiedene Verbesserungen, die noch vermehrt auf die Integration von Menschen mit einer Behinderung in den Arbeitsmarkt abzielen. Dabei handelt es sich nicht um eine weitere Sparübung. Ziel ist eine Systemoptimierung durch verstärkte Wiedereingliederung, durch Vermeidung von Invalidität und durch eine bessere Koordination zwischen den beteiligten Akteuren. Die vorgesehenen Massnahmen erhöhen demnach die Eingliederungschancen.</p><p>Ausserdem hat das Eidgenössische Departement des Innern 2017 eine breitabgestützte nationale Konferenz zur Arbeitsmarktintegration von Menschen mit Behinderung durchgeführt (Arbeitgeberverbände, Arbeitnehmerdachverbände und Gewerkschaften, Konferenzen kantonaler Direktoren, Behindertenorganisationen, Nationaler Branchenverband der Institutionen für Menschen mit Behinderung, Versicherer, Ärzteschaft, Compasso, Bundesämter). Ziel der Konferenz war unter anderem die Schaffung eines gemeinsamen Verständnisses über die Herausforderungen und Chancen der beruflichen Eingliederung von Menschen mit Beeinträchtigungen und die Bekanntmachung bestehender Good-Practice-Beispiele zur Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen den Eingliederungsakteuren. Mit der Unterzeichnung der gemeinsamen Erklärung haben sich die relevanten Eingliederungsakteure für Massnahmen ausgesprochen, die auf die Verbesserung der Integration von Menschen mit Behinderungen in den ersten Arbeitsmarkt zielen.</p><p>Das Thema "Gleichstellung und Arbeit" ist ausserdem auch einer der Schwerpunkte der Behindertenpolitik, die der Bundesrat im Mai 2018 verabschiedet hat. Koordiniert vom Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung (EBGB) entwickeln Bund, Kantone, Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften, Universitäten und Behindertenorganisationen Grundlagen, Hilfsmittel und Anreize für Arbeitgebende zur Schaffung von inklusiven Arbeitsumfeldern.</p><p>Der Bundesrat ist also der Ansicht, dass mit den Leistungen des IVG und der Weiterentwicklung der IV sowie mit den an der Konferenz erzielten Resultaten das Anliegen der Motionärin erfüllt ist.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, im Bereich der Invalidenversicherung Gesetzesänderungen auszuarbeiten, die vorsehen, dass das Recht auf Massnahmen zur beruflichen Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt ausdrücklich unabhängig ist von den erwarteten Renteneinsparungen.</p>
    • Invalidenversicherung. Die berufliche Eingliederung muss den Vorrang haben

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