Entschädigung der amtlichen Verteidigung und des unentgeltlichen Rechtsbeistands in lang dauernden Verfahren

ShortId
19.3356
Id
20193356
Updated
28.07.2023 02:45
Language
de
Title
Entschädigung der amtlichen Verteidigung und des unentgeltlichen Rechtsbeistands in lang dauernden Verfahren
AdditionalIndexing
1216;12
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Eine wirksame Verteidigung von Personen, gegen die ein Verfahren läuft, hängt in gewisser Weise auch davon ab, dass die Verteidigung für ihre Aufwände entschädigt wird. Unter diesem Gesichtspunkt gilt es darauf hinzuweisen, dass von Anwältinnen und Anwälten, die - mit oder ohne Rechtsbeistand - eine amtliche Verteidigung wahrnehmen, nicht verlangt ist, dass sie ihre Klientel kostenlos verteidigen; vielmehr ist es nicht anders als recht, wenn sie für die Ausübung ihres Mandats nach und nach entschädigt werden.</p><p>Dies deshalb, weil es Fälle gibt, die sich über Jahre hinziehen können.</p><p>In bestimmten Kantonen oder gemäss entsprechender Rechtsprechung muss nun aber die amtliche Verteidigung (mit oder ohne Rechtsbeistand) sich bis zum Abschluss des Verfahrens, das heisst während mehrerer Jahre, gedulden, bis sie entschädigt wird. Es ist unverständlich und auch nicht im Interesse der Personen, gegen die ein Verfahren läuft, dass die Frage, ob die amtliche Verteidigung die Möglichkeit haben soll, entsprechend dem Verlauf des Verfahrens Zwischenrechnungen zu stellen, von der kantonalen Praxis abhängt oder von Fall zu Fall entschieden wird, wo doch die gesetzliche Grundlage für die amtliche Verteidigung und den unentgeltlichen Rechtsbeistand im Bundesrecht zu suchen ist. In diesem Recht gibt es offensichtlich eine Lücke, die es zu schliessen gilt, und zwar etwa in dem Sinne, wie das in der früheren Berner Strafprozessordnung geregelt war.</p>
  • <p>Mit der Vereinheitlichung des schweizerischen Strafverfahrens wurde die Rolle des kantonalen Rechts zwar stark eingeschränkt. Die Strafprozessordnung (StPO, SR 312.0) belässt den Kantonen (wie auch dem Bund) jedoch in bestimmten Bereichen Regelungsbefugnisse; dies namentlich im Bereich der Entschädigung der amtlichen Verteidigung. Artikel 135 Absatz 1 StPO bestimmt, dass die amtliche Verteidigung nach dem Anwaltstarif des Bundes oder desjenigen Kantons entschädigt wird, in dem das Strafverfahren geführt wurde. In der Kompetenz der Kantone liegen somit nicht nur die Festsetzung der Höhe der Entschädigung, sondern auch die Modalitäten der Ausrichtung der Entschädigung wie zum Beispiel die Möglichkeit der Leistung von Akontozahlungen. Solche Zahlungen sind aus Billigkeitsgründen und im Hinblick auf die Gewährleistung einer wirksamen Verteidigung angezeigt.</p><p>Beim Bund und auch in zahlreichen Kantonen bestehen daher bereits Regelungen oder zumindest die Praxis, wonach die amtliche Verteidigung unter bestimmten Voraussetzungen Akontozahlungen verlangen kann (so bspw. Art. 21 Abs. 4 des Reglements des Bundesstrafgerichtes über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren, BStKR, SR 173.713.162; Ziff. 5 des Kreisschreibens Nummer 15 des Obergerichtes des Kantons Bern; Kap. E Ziff. 1.3 des Leitfadens für amtliche Mandate der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich; Paragraf 16 Abs. 2 der Verordnung über den Anwaltstarif des Kantons Zug, BGS 163.4; Art. 21 Loi d'introduction du Code de procédure pénale suisse du Canton de Neuchâtel, 322.0; Entscheid des Kantonsgerichtes Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, vom 30. Juni 2015, 470 15 109; Entscheid des Kantonsgerichtes Luzern vom 10. Januar 2014, 2N 13 115).</p><p>Weder in der Arbeitsgruppe (z. B. durch die Vertreter und Vertreterinnen der Strafverteidigung), die vor der Erstellung der Vernehmlassungsvorlage angehört wurde, noch in der Vernehmlassung zur Änderung der Strafprozessordnung (Umsetzung der Motion der Kommission für Rechtsfragen des Ständerates 14.3383, "Anpassung der Strafprozessordnung") wurde geltend gemacht (z. B. durch den Schweizerischen Anwaltsverband), dass diese bestehenden Regelungen praxisuntauglich seien. Vielmehr wurde der Vorschlag des Vorentwurfes, der eine Anpassung im Bereich der Entschädigung der amtlichen Verteidigung im Falle eines Freispruches vorsah, als unzulässiger Eingriff in die kantonale Tarifautonomie gewertet. Auch in der Lehre wird dieses Thema - soweit ersichtlich - nicht kritisiert.</p><p>Der Bundesrat erachtet es aus diesen Gründen nicht als angezeigt, das bestehende System zu ändern.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, eine Gesetzesvorlage auszuarbeiten, in der für amtliche Verteidigerinnen und Verteidiger und für den unentgeltlichen Rechtsbeistand die Möglichkeit geschaffen wird, dass ihnen in lang dauernden Verfahren Zwischenrechnungen beglichen werden.</p>
  • Entschädigung der amtlichen Verteidigung und des unentgeltlichen Rechtsbeistands in lang dauernden Verfahren
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Eine wirksame Verteidigung von Personen, gegen die ein Verfahren läuft, hängt in gewisser Weise auch davon ab, dass die Verteidigung für ihre Aufwände entschädigt wird. Unter diesem Gesichtspunkt gilt es darauf hinzuweisen, dass von Anwältinnen und Anwälten, die - mit oder ohne Rechtsbeistand - eine amtliche Verteidigung wahrnehmen, nicht verlangt ist, dass sie ihre Klientel kostenlos verteidigen; vielmehr ist es nicht anders als recht, wenn sie für die Ausübung ihres Mandats nach und nach entschädigt werden.</p><p>Dies deshalb, weil es Fälle gibt, die sich über Jahre hinziehen können.</p><p>In bestimmten Kantonen oder gemäss entsprechender Rechtsprechung muss nun aber die amtliche Verteidigung (mit oder ohne Rechtsbeistand) sich bis zum Abschluss des Verfahrens, das heisst während mehrerer Jahre, gedulden, bis sie entschädigt wird. Es ist unverständlich und auch nicht im Interesse der Personen, gegen die ein Verfahren läuft, dass die Frage, ob die amtliche Verteidigung die Möglichkeit haben soll, entsprechend dem Verlauf des Verfahrens Zwischenrechnungen zu stellen, von der kantonalen Praxis abhängt oder von Fall zu Fall entschieden wird, wo doch die gesetzliche Grundlage für die amtliche Verteidigung und den unentgeltlichen Rechtsbeistand im Bundesrecht zu suchen ist. In diesem Recht gibt es offensichtlich eine Lücke, die es zu schliessen gilt, und zwar etwa in dem Sinne, wie das in der früheren Berner Strafprozessordnung geregelt war.</p>
    • <p>Mit der Vereinheitlichung des schweizerischen Strafverfahrens wurde die Rolle des kantonalen Rechts zwar stark eingeschränkt. Die Strafprozessordnung (StPO, SR 312.0) belässt den Kantonen (wie auch dem Bund) jedoch in bestimmten Bereichen Regelungsbefugnisse; dies namentlich im Bereich der Entschädigung der amtlichen Verteidigung. Artikel 135 Absatz 1 StPO bestimmt, dass die amtliche Verteidigung nach dem Anwaltstarif des Bundes oder desjenigen Kantons entschädigt wird, in dem das Strafverfahren geführt wurde. In der Kompetenz der Kantone liegen somit nicht nur die Festsetzung der Höhe der Entschädigung, sondern auch die Modalitäten der Ausrichtung der Entschädigung wie zum Beispiel die Möglichkeit der Leistung von Akontozahlungen. Solche Zahlungen sind aus Billigkeitsgründen und im Hinblick auf die Gewährleistung einer wirksamen Verteidigung angezeigt.</p><p>Beim Bund und auch in zahlreichen Kantonen bestehen daher bereits Regelungen oder zumindest die Praxis, wonach die amtliche Verteidigung unter bestimmten Voraussetzungen Akontozahlungen verlangen kann (so bspw. Art. 21 Abs. 4 des Reglements des Bundesstrafgerichtes über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren, BStKR, SR 173.713.162; Ziff. 5 des Kreisschreibens Nummer 15 des Obergerichtes des Kantons Bern; Kap. E Ziff. 1.3 des Leitfadens für amtliche Mandate der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich; Paragraf 16 Abs. 2 der Verordnung über den Anwaltstarif des Kantons Zug, BGS 163.4; Art. 21 Loi d'introduction du Code de procédure pénale suisse du Canton de Neuchâtel, 322.0; Entscheid des Kantonsgerichtes Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, vom 30. Juni 2015, 470 15 109; Entscheid des Kantonsgerichtes Luzern vom 10. Januar 2014, 2N 13 115).</p><p>Weder in der Arbeitsgruppe (z. B. durch die Vertreter und Vertreterinnen der Strafverteidigung), die vor der Erstellung der Vernehmlassungsvorlage angehört wurde, noch in der Vernehmlassung zur Änderung der Strafprozessordnung (Umsetzung der Motion der Kommission für Rechtsfragen des Ständerates 14.3383, "Anpassung der Strafprozessordnung") wurde geltend gemacht (z. B. durch den Schweizerischen Anwaltsverband), dass diese bestehenden Regelungen praxisuntauglich seien. Vielmehr wurde der Vorschlag des Vorentwurfes, der eine Anpassung im Bereich der Entschädigung der amtlichen Verteidigung im Falle eines Freispruches vorsah, als unzulässiger Eingriff in die kantonale Tarifautonomie gewertet. Auch in der Lehre wird dieses Thema - soweit ersichtlich - nicht kritisiert.</p><p>Der Bundesrat erachtet es aus diesen Gründen nicht als angezeigt, das bestehende System zu ändern.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, eine Gesetzesvorlage auszuarbeiten, in der für amtliche Verteidigerinnen und Verteidiger und für den unentgeltlichen Rechtsbeistand die Möglichkeit geschaffen wird, dass ihnen in lang dauernden Verfahren Zwischenrechnungen beglichen werden.</p>
    • Entschädigung der amtlichen Verteidigung und des unentgeltlichen Rechtsbeistands in lang dauernden Verfahren

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