Schweizer Staatsbürger in Saudi-Arabien zu Unrecht festgehalten. Was gedenkt der Bundesrat zu unternehmen?

ShortId
19.3408
Id
20193408
Updated
28.07.2023 02:56
Language
de
Title
Schweizer Staatsbürger in Saudi-Arabien zu Unrecht festgehalten. Was gedenkt der Bundesrat zu unternehmen?
AdditionalIndexing
08;04;15
1
PriorityCouncil1
Ständerat
Texts
  • <p>Ein Schweizer Staatsbürger und Absolvent der ETHL (der auch den libanesischen Pass besitzt) wird seit mehr als zweieinhalb Jahren in Saudi-Arabien festgehalten, und zwar gegen alle Regeln eines fairen Verfahrens.</p><p>Der initiative und produktive Hersteller von Waren für den Heimbereich wie Keramikprodukten (Sanitärartikel und Geschirr) hat den Bau und den Betrieb von Fabriken in mehreren Ländern beaufsichtigt, darunter auch im Kleinstaat Ras Al-Khaimah (Teil der Vereinigten Arabischen Emirate) und in Saudi-Arabien, wo er 200 Arbeitsplätze geschaffen hat.</p><p>Der Unternehmer war lange Zeit auch enger Berater des jetzigen Emirs von Ras Al-Khaimah. Dieser entzog ihm aber plötzlich das Vertrauen, weil er Angst hatte, dass die Folgen der Finanzkrise 2008 seine Position an der Spitze des Landes schwächen würden, wenn er nicht einen Buhmann fände, der die ganze Verantwortung für die (vorübergehende) finanzielle Erfolglosigkeit mehrerer Investitionen tragen würde, denen der Emir jedoch zugestimmt hatte.</p><p>Zu diesem Zweck strengte der Emir gegen den Unternehmer mehrere skandalöse Prozesse an - skandalös aufgrund der Beweggründe wie auch des Mangels an minimalen Verfahrensgarantien. Örtliche Gerichte verurteilten den Unternehmer zu mehreren sehr schweren Haftstrafen (fast 70 Jahre).</p><p>Die betroffene Person konnte sich zwar vorerst der Haft entziehen. Gestützt auf ein Abkommen zwischen den Golfstaaten erreichte der Emir von Ras Al-Khaimah aber im September 2016 die Verhaftung des Schweizers zu Auslieferungszwecken, als dieser sich auf einer Geschäftsreise in Saudi-Arabien befand. Nach fast einem Monat wurde er freigelassen. Es ist ihm jedoch verboten, Saudi-Arabien zu verlassen, und sein Pass wurde eingezogen. Dem Auslieferungsersuchen wurde - zumindest vorerst - nicht entsprochen. Die saudischen Anwälte des Unternehmers haben es noch immer nicht geschafft, zu bewirken, dass die Einziehung des Reisepasses und das Reiseverbot aufgehoben werden.</p><p>Der Unternehmer hat sich in Saudi-Arabien und in der Schweiz bisher mehrfach vergeblich darum bemüht, dass ihm ein korrektes gerichtliches Verfahren gewährt wird. Insbesondere kann er sich nicht einmal vor der Genfer Staatsanwaltschaft ordentlich verteidigen. Denn der Emir von Ras Al-Khaimah hielt es für passend, diese einzuschalten, um gegen den Unternehmer vorzugehen. Die Ermittlungen sind aber an einem toten Punkt angelangt. </p><p>Diese Situation ist humanitär nicht haltbar. Ausserdem entsteht der betreffenden Person schwerer wirtschaftlicher Schaden, weil sie daran gehindert wird, ihre internationale Geschäftstätigkeit auszuüben. Trotz der fortwährenden Bemühungen der Anwälte des Unternehmers haben die Schweizer Behörden äusserst zurückhaltend reagiert. So reisten in den letzten Jahren, als das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) schon von dem Fall wusste, zwei Bundesräte nach Saudi-Arabien, um die Wirtschaftsbeziehungen zu diesem Land zu intensivieren. Über die Sorge der Schweiz um einen ihrer Staatsangehörigen wurde aber kein Wort verloren.</p>
  • <p>1. Die Hilfeleistungen des Bundes für Schweizer Bürgerinnen und Bürger, die sich im Ausland in einer Notlage befinden, sind im Auslandschweizergesetz (ASG) und in der Auslandschweizerverordnung (V-ASG) geregelt. Bei Freiheitsentzug umfassen sie insbesondere die folgenden Massnahmen: </p><p>- Information der inhaftierten Person über ihre Verteidigungsrechte, die Möglichkeit der Überstellung in die Schweiz, Fragen der Sozialversicherung und gesundheitliche Risiken;</p><p>- Sicherstellen, dass das Recht auf menschenwürdige Haftbedingungen, die Verfahrensgarantien und das Verteidigungsrecht respektiert werden;</p><p>- Besuch des Inhaftierten durch die Vertretung.</p><p>Gestützt auf diese Grundlagen gewährt das EDA dem betroffenen Schweizer Bürger ununterbrochen konsularischen Schutz, seit es von seiner Verhaftung am 20. September 2016 in Saudi-Arabien Kenntnis erhalten hat. In diesem Rahmen hat es mehrfach bei den saudi-arabischen Behörden interveniert, um den genauen Stand in den laufenden rechtlichen Verfahren zu erfahren und eine Rückgabe des eingezogenen Passes zu erreichen, damit der inzwischen nicht mehr inhaftierte Schweizer Bürger Saudi-Arabien wieder verlassen darf. Das EDA steht auch weiterhin in engem Kontakt mit dem Betroffenen und seinen Vertretern und setzt seine Bemühungen im Rahmen des konsularischen Schutzes unvermittelt fort. </p><p>2. Die Gewährung von diplomatischem Schutz unterliegt strengen Bedingungen, die im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind. Hier handelt es sich faktisch noch immer um einen Freiheitsentzug gemäss ASG, da die Ausreise aus Saudi-Arabien nicht möglich ist. Die Unterstützung hat daher im Rahmen des konsularischen Schutzes zu erfolgen.</p><p>3. Im Auslieferungsverfahren mit Saudi-Arabien, eingeleitet durch die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), ist die Schweiz nicht Partei. Das EDA kann deshalb in diesem Verfahren nicht selber intervenieren. Es hat den Betroffenen aber dahingehend beraten, seine Rechte mit anwaltlicher Unterstützung vor Ort in den VAE zu wahren. Anders ist die Lage in Saudi-Arabien; dort unterstützt das EDA den betroffenen Schweizer Bürger gestützt auf die gesetzliche Grundlage. Bei jeder sich bietenden angemessenen Gelegenheit erörtert das EDA dieses Dossier mit den saudischen Behörden und weist dabei auch auf die humanitäre Dimension des Falles hin, zuletzt am 20. März 2019.</p><p>4. Der Bundesrat teilt diese Ansicht nicht. Gestützt auf diesen besonders gelagerten Einzelfall drängen sich keine generellen Empfehlungen des Bundes auf.</p> Antwort des Bundesrates.
  • <p>Der Bundesrat wird aufgefordert, die folgenden Fragen zu beantworten:</p><p>1. Was hat er bisher unternommen, um die Freilassung des in Saudi-Arabien zu Unrecht festgehaltenen Schweizers zu erwirken, und was gedenkt er noch zu tun?</p><p>2. Wird er der Person diplomatischen Schutz gewähren?</p><p>3. Ist er bereit, gegenüber den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien auf höchster Ebene zu intervenieren?</p><p>4. Ist er auch der Auffassung, dass Schweizer Geschäftsleute, die in die Vereinigten Arabischen Emirate oder nach Saudi-Arabien reisen oder eine solche Reise planen, ernsthaft gewarnt werden sollten?</p>
  • Schweizer Staatsbürger in Saudi-Arabien zu Unrecht festgehalten. Was gedenkt der Bundesrat zu unternehmen?
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Ein Schweizer Staatsbürger und Absolvent der ETHL (der auch den libanesischen Pass besitzt) wird seit mehr als zweieinhalb Jahren in Saudi-Arabien festgehalten, und zwar gegen alle Regeln eines fairen Verfahrens.</p><p>Der initiative und produktive Hersteller von Waren für den Heimbereich wie Keramikprodukten (Sanitärartikel und Geschirr) hat den Bau und den Betrieb von Fabriken in mehreren Ländern beaufsichtigt, darunter auch im Kleinstaat Ras Al-Khaimah (Teil der Vereinigten Arabischen Emirate) und in Saudi-Arabien, wo er 200 Arbeitsplätze geschaffen hat.</p><p>Der Unternehmer war lange Zeit auch enger Berater des jetzigen Emirs von Ras Al-Khaimah. Dieser entzog ihm aber plötzlich das Vertrauen, weil er Angst hatte, dass die Folgen der Finanzkrise 2008 seine Position an der Spitze des Landes schwächen würden, wenn er nicht einen Buhmann fände, der die ganze Verantwortung für die (vorübergehende) finanzielle Erfolglosigkeit mehrerer Investitionen tragen würde, denen der Emir jedoch zugestimmt hatte.</p><p>Zu diesem Zweck strengte der Emir gegen den Unternehmer mehrere skandalöse Prozesse an - skandalös aufgrund der Beweggründe wie auch des Mangels an minimalen Verfahrensgarantien. Örtliche Gerichte verurteilten den Unternehmer zu mehreren sehr schweren Haftstrafen (fast 70 Jahre).</p><p>Die betroffene Person konnte sich zwar vorerst der Haft entziehen. Gestützt auf ein Abkommen zwischen den Golfstaaten erreichte der Emir von Ras Al-Khaimah aber im September 2016 die Verhaftung des Schweizers zu Auslieferungszwecken, als dieser sich auf einer Geschäftsreise in Saudi-Arabien befand. Nach fast einem Monat wurde er freigelassen. Es ist ihm jedoch verboten, Saudi-Arabien zu verlassen, und sein Pass wurde eingezogen. Dem Auslieferungsersuchen wurde - zumindest vorerst - nicht entsprochen. Die saudischen Anwälte des Unternehmers haben es noch immer nicht geschafft, zu bewirken, dass die Einziehung des Reisepasses und das Reiseverbot aufgehoben werden.</p><p>Der Unternehmer hat sich in Saudi-Arabien und in der Schweiz bisher mehrfach vergeblich darum bemüht, dass ihm ein korrektes gerichtliches Verfahren gewährt wird. Insbesondere kann er sich nicht einmal vor der Genfer Staatsanwaltschaft ordentlich verteidigen. Denn der Emir von Ras Al-Khaimah hielt es für passend, diese einzuschalten, um gegen den Unternehmer vorzugehen. Die Ermittlungen sind aber an einem toten Punkt angelangt. </p><p>Diese Situation ist humanitär nicht haltbar. Ausserdem entsteht der betreffenden Person schwerer wirtschaftlicher Schaden, weil sie daran gehindert wird, ihre internationale Geschäftstätigkeit auszuüben. Trotz der fortwährenden Bemühungen der Anwälte des Unternehmers haben die Schweizer Behörden äusserst zurückhaltend reagiert. So reisten in den letzten Jahren, als das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) schon von dem Fall wusste, zwei Bundesräte nach Saudi-Arabien, um die Wirtschaftsbeziehungen zu diesem Land zu intensivieren. Über die Sorge der Schweiz um einen ihrer Staatsangehörigen wurde aber kein Wort verloren.</p>
    • <p>1. Die Hilfeleistungen des Bundes für Schweizer Bürgerinnen und Bürger, die sich im Ausland in einer Notlage befinden, sind im Auslandschweizergesetz (ASG) und in der Auslandschweizerverordnung (V-ASG) geregelt. Bei Freiheitsentzug umfassen sie insbesondere die folgenden Massnahmen: </p><p>- Information der inhaftierten Person über ihre Verteidigungsrechte, die Möglichkeit der Überstellung in die Schweiz, Fragen der Sozialversicherung und gesundheitliche Risiken;</p><p>- Sicherstellen, dass das Recht auf menschenwürdige Haftbedingungen, die Verfahrensgarantien und das Verteidigungsrecht respektiert werden;</p><p>- Besuch des Inhaftierten durch die Vertretung.</p><p>Gestützt auf diese Grundlagen gewährt das EDA dem betroffenen Schweizer Bürger ununterbrochen konsularischen Schutz, seit es von seiner Verhaftung am 20. September 2016 in Saudi-Arabien Kenntnis erhalten hat. In diesem Rahmen hat es mehrfach bei den saudi-arabischen Behörden interveniert, um den genauen Stand in den laufenden rechtlichen Verfahren zu erfahren und eine Rückgabe des eingezogenen Passes zu erreichen, damit der inzwischen nicht mehr inhaftierte Schweizer Bürger Saudi-Arabien wieder verlassen darf. Das EDA steht auch weiterhin in engem Kontakt mit dem Betroffenen und seinen Vertretern und setzt seine Bemühungen im Rahmen des konsularischen Schutzes unvermittelt fort. </p><p>2. Die Gewährung von diplomatischem Schutz unterliegt strengen Bedingungen, die im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind. Hier handelt es sich faktisch noch immer um einen Freiheitsentzug gemäss ASG, da die Ausreise aus Saudi-Arabien nicht möglich ist. Die Unterstützung hat daher im Rahmen des konsularischen Schutzes zu erfolgen.</p><p>3. Im Auslieferungsverfahren mit Saudi-Arabien, eingeleitet durch die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), ist die Schweiz nicht Partei. Das EDA kann deshalb in diesem Verfahren nicht selber intervenieren. Es hat den Betroffenen aber dahingehend beraten, seine Rechte mit anwaltlicher Unterstützung vor Ort in den VAE zu wahren. Anders ist die Lage in Saudi-Arabien; dort unterstützt das EDA den betroffenen Schweizer Bürger gestützt auf die gesetzliche Grundlage. Bei jeder sich bietenden angemessenen Gelegenheit erörtert das EDA dieses Dossier mit den saudischen Behörden und weist dabei auch auf die humanitäre Dimension des Falles hin, zuletzt am 20. März 2019.</p><p>4. Der Bundesrat teilt diese Ansicht nicht. Gestützt auf diesen besonders gelagerten Einzelfall drängen sich keine generellen Empfehlungen des Bundes auf.</p> Antwort des Bundesrates.
    • <p>Der Bundesrat wird aufgefordert, die folgenden Fragen zu beantworten:</p><p>1. Was hat er bisher unternommen, um die Freilassung des in Saudi-Arabien zu Unrecht festgehaltenen Schweizers zu erwirken, und was gedenkt er noch zu tun?</p><p>2. Wird er der Person diplomatischen Schutz gewähren?</p><p>3. Ist er bereit, gegenüber den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien auf höchster Ebene zu intervenieren?</p><p>4. Ist er auch der Auffassung, dass Schweizer Geschäftsleute, die in die Vereinigten Arabischen Emirate oder nach Saudi-Arabien reisen oder eine solche Reise planen, ernsthaft gewarnt werden sollten?</p>
    • Schweizer Staatsbürger in Saudi-Arabien zu Unrecht festgehalten. Was gedenkt der Bundesrat zu unternehmen?

Back to List