Individualbesteuerung endlich auch in der Schweiz einführen

ShortId
19.3630
Id
20193630
Updated
13.06.2024 10:36
Language
de
Title
Individualbesteuerung endlich auch in der Schweiz einführen
AdditionalIndexing
2446;28
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Die Motion der FDP-Fraktion 04.3276, "Übergang zur Individualbesteuerung", wurde vor 14 Jahren in beiden Räten angenommen. Einen Schritt weitergekommen in Richtung Individualbesteuerung sind wir seither immer noch nicht. In der Botschaft zum Bundesgesetz über die Beseitigung der Heiratsstrafe vom 21. März 2018 bezieht der Bundesrat zwar Elemente der Individualbesteuerung mit ein, ein eigentlicher Systemwechsel ist aber wieder nicht vorgesehen. Verschiedene Berichte zeigen die klar positiven Effekte der Individualbesteuerung auf (u. a. Bericht des Bundesrates infolge des Postulates 14.3005, Studie von Ecoplan im Auftrag der Müller-Möhl Foundation): Mit der Einführung der Individualbesteuerung (modifiziert für Haushalte mit Kindern) lassen sich bessere Effekte auf Beschäftigung, Arbeitsmarkt, Sozialversicherungen und Verfügbarkeit von Fachkräften verwirklichen als mit der Vorlage des Bundesrates. Die zivilstandsunabhängige Besteuerung beseitigt zudem per definitionem die "Heiratsstrafe". Da die Individualbesteuerung Zweitverdienste tiefer belastet, behindert sie diese Arbeitsangebotsentscheidungen weniger als die anderen Besteuerungsmodelle. Dies wirkt sich namentlich bei besonders elastisch reagierenden verheirateten Frauen aus. </p><p>Die Individualbesteuerung orientiert sich zudem an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Paares - unabhängig davon, ob verheiratet, in Konkubinat oder eingetragener Partnerschaft lebend. Eine Wiederholung der Abstimmung der CVP-Initiative "für Ehe und Familie - gegen die Heiratsstrafe" würde einen wichtigen Stolperstein nicht beseitigen, wonach gemäss Initiativtext die Ehe als auf Dauer angelegte und gesetzlich geregelte Lebensgemeinschaft von Mann und Frau verfassungsmässig definiert werden soll. Dies passiert im gleichen Zeitraum, in dem die parlamentarische Initiative der GLP-Fraktion 13.486, "Ehe für alle", umgesetzt werden soll, was diametral zum CVP-Initiativtext steht. Die Individualbesteuerung könnte allen Formen des Zusammenlebens gerecht werden. </p><p>Dank der Digitalisierung liesse sich die Individualbesteuerung im Übrigen auch einfacher praktisch umsetzen.</p>
  • <p>Die steuerliche Behandlung von Paaren und Familien war in den letzten Jahren Gegenstand zahlreicher politischer Projekte. Das Parlament hat in der Vergangenheit mehrere Vorstösse überwiesen. Darunter befinden sich sowohl die Individualbesteuerung wie auch Modelle der gemeinsamen Veranlagung von Ehepaaren (vgl. dazu 04.3276, 05.3299, 10.4127, 11.3545, 14.3005, 16.3044).</p><p>Der Bundesrat hat in den letzten Jahren darauf fokussiert, die vom Bundesgericht festgestellte verfassungswidrige Mehrbelastung von Ehepaaren zu beseitigen. Dabei hat er zahlreiche mögliche Modelle umfassend geprüft, wie die Individualbesteuerung, die alternative Steuerberechnung, verschiedene Splittingsysteme sowie das Veranlagungswahlrecht.</p><p>Nach Überprüfung der zur Diskussion stehenden Modelle ist der Bundesrat zum Schluss gekommen, dass sich das Modell der alternativen Steuerberechnung am ehesten eignet, um die verfassungswidrige Mehrbelastung von Ehepaaren bei der direkten Bundessteuer gezielt und rasch zu beseitigen. Er hat dazu am 21. März 2018 die Botschaft zur ausgewogenen Paar- und Familienbesteuerung (18.034) verabschiedet.</p><p>Jedes infrage kommende Besteuerungsmodell hat seine Vor- und Nachteile. Die Individualbesteuerung schnitt aus der Sicht des Bundesrates aber aus den folgenden Gründen weniger gut ab als die vorgeschlagene alternative Steuerberechnung: </p><p>- Sofern bei der Umsetzung der Individualbesteuerung der Grundtarif übernommen wird, führt dies bei Einverdiener-Ehepaaren zu einer deutlichen Mehrbelastung gegenüber heute. Wird hingegen der Verheiratetentarif übernommen, so führt dies zu Steuermindereinnahmen, die deutlich höher sind als bei der alternativen Steuerberechnung. Realistischerweise könnte eine Individualbesteuerung daher nicht ohne eine Tarifrevision eingeführt werden. </p><p>- Die Individualbesteuerung zieht Änderungen bei Transferleistungen von Bund, Kantonen und Gemeinden nach sich, die einkommensabhängig sind (z. B. Krankenkassenprämienverbilligungen). </p><p>- Im Vergleich zur alternativen Steuerberechnung verursacht die Individualbesteuerung einen erhöhten administrativen Aufwand für die Steuerpflichtigen und die Verwaltung, insbesondere in der Einführungsphase. Grund dafür ist, dass sie sowohl für die Bundes- wie auch für die Kantonssteuer eingeführt werden muss. Zudem müssen die getrennt zu veranlagenden Faktoren der Ehegatten von der kantonalen Steuerverwaltung koordiniert werden, z. B. bezüglich der Kinderabzüge. </p><p>- Der Wechsel zur Individualbesteuerung muss für sämtliche Steuerhoheiten (Bund, Kanton, Gemeinde) auf den gleichen Zeitpunkt hin umgesetzt werden. Eine unterschiedliche Regelung in Bund und Kantonen wäre veranlagungstechnisch nicht zu bewältigen. Die Umsetzungsphase würde daher lange dauern. </p><p>Die Vorlage zur ausgewogenen Paar- und Familienbesteuerung ist zurzeit im Parlament hängig. Die eidgenössischen Räte können im Rahmen dieser Beratung über die Modellwahl bei der Ehepaarbesteuerung befinden. Sofern kein Rückzug erfolgt, wird zudem erneut über die Volksinitiative "für Ehe und Familie - gegen die Heiratsstrafe" abgestimmt, die eine gemeinsame Veranlagung von Ehepaaren festschreiben will. Bei Annahme der Initiative wäre eine Einführung der Individualbesteuerung ohne Verfassungsänderung nicht mehr möglich.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, dem Parlament rasch und unter Einbezug der Kantone einen Gesetzentwurf vorzulegen, welcher einen Systemwechsel von der Ehepaar- und Familienbesteuerung zur zivilstandsunabhängigen Individualbesteuerung vorsieht. Für Paare mit Kindern kann die Individualbesteuerung modifiziert werden.</p>
  • Individualbesteuerung endlich auch in der Schweiz einführen
State
Zugewiesen an die behandelnde Kommission
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Die Motion der FDP-Fraktion 04.3276, "Übergang zur Individualbesteuerung", wurde vor 14 Jahren in beiden Räten angenommen. Einen Schritt weitergekommen in Richtung Individualbesteuerung sind wir seither immer noch nicht. In der Botschaft zum Bundesgesetz über die Beseitigung der Heiratsstrafe vom 21. März 2018 bezieht der Bundesrat zwar Elemente der Individualbesteuerung mit ein, ein eigentlicher Systemwechsel ist aber wieder nicht vorgesehen. Verschiedene Berichte zeigen die klar positiven Effekte der Individualbesteuerung auf (u. a. Bericht des Bundesrates infolge des Postulates 14.3005, Studie von Ecoplan im Auftrag der Müller-Möhl Foundation): Mit der Einführung der Individualbesteuerung (modifiziert für Haushalte mit Kindern) lassen sich bessere Effekte auf Beschäftigung, Arbeitsmarkt, Sozialversicherungen und Verfügbarkeit von Fachkräften verwirklichen als mit der Vorlage des Bundesrates. Die zivilstandsunabhängige Besteuerung beseitigt zudem per definitionem die "Heiratsstrafe". Da die Individualbesteuerung Zweitverdienste tiefer belastet, behindert sie diese Arbeitsangebotsentscheidungen weniger als die anderen Besteuerungsmodelle. Dies wirkt sich namentlich bei besonders elastisch reagierenden verheirateten Frauen aus. </p><p>Die Individualbesteuerung orientiert sich zudem an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Paares - unabhängig davon, ob verheiratet, in Konkubinat oder eingetragener Partnerschaft lebend. Eine Wiederholung der Abstimmung der CVP-Initiative "für Ehe und Familie - gegen die Heiratsstrafe" würde einen wichtigen Stolperstein nicht beseitigen, wonach gemäss Initiativtext die Ehe als auf Dauer angelegte und gesetzlich geregelte Lebensgemeinschaft von Mann und Frau verfassungsmässig definiert werden soll. Dies passiert im gleichen Zeitraum, in dem die parlamentarische Initiative der GLP-Fraktion 13.486, "Ehe für alle", umgesetzt werden soll, was diametral zum CVP-Initiativtext steht. Die Individualbesteuerung könnte allen Formen des Zusammenlebens gerecht werden. </p><p>Dank der Digitalisierung liesse sich die Individualbesteuerung im Übrigen auch einfacher praktisch umsetzen.</p>
    • <p>Die steuerliche Behandlung von Paaren und Familien war in den letzten Jahren Gegenstand zahlreicher politischer Projekte. Das Parlament hat in der Vergangenheit mehrere Vorstösse überwiesen. Darunter befinden sich sowohl die Individualbesteuerung wie auch Modelle der gemeinsamen Veranlagung von Ehepaaren (vgl. dazu 04.3276, 05.3299, 10.4127, 11.3545, 14.3005, 16.3044).</p><p>Der Bundesrat hat in den letzten Jahren darauf fokussiert, die vom Bundesgericht festgestellte verfassungswidrige Mehrbelastung von Ehepaaren zu beseitigen. Dabei hat er zahlreiche mögliche Modelle umfassend geprüft, wie die Individualbesteuerung, die alternative Steuerberechnung, verschiedene Splittingsysteme sowie das Veranlagungswahlrecht.</p><p>Nach Überprüfung der zur Diskussion stehenden Modelle ist der Bundesrat zum Schluss gekommen, dass sich das Modell der alternativen Steuerberechnung am ehesten eignet, um die verfassungswidrige Mehrbelastung von Ehepaaren bei der direkten Bundessteuer gezielt und rasch zu beseitigen. Er hat dazu am 21. März 2018 die Botschaft zur ausgewogenen Paar- und Familienbesteuerung (18.034) verabschiedet.</p><p>Jedes infrage kommende Besteuerungsmodell hat seine Vor- und Nachteile. Die Individualbesteuerung schnitt aus der Sicht des Bundesrates aber aus den folgenden Gründen weniger gut ab als die vorgeschlagene alternative Steuerberechnung: </p><p>- Sofern bei der Umsetzung der Individualbesteuerung der Grundtarif übernommen wird, führt dies bei Einverdiener-Ehepaaren zu einer deutlichen Mehrbelastung gegenüber heute. Wird hingegen der Verheiratetentarif übernommen, so führt dies zu Steuermindereinnahmen, die deutlich höher sind als bei der alternativen Steuerberechnung. Realistischerweise könnte eine Individualbesteuerung daher nicht ohne eine Tarifrevision eingeführt werden. </p><p>- Die Individualbesteuerung zieht Änderungen bei Transferleistungen von Bund, Kantonen und Gemeinden nach sich, die einkommensabhängig sind (z. B. Krankenkassenprämienverbilligungen). </p><p>- Im Vergleich zur alternativen Steuerberechnung verursacht die Individualbesteuerung einen erhöhten administrativen Aufwand für die Steuerpflichtigen und die Verwaltung, insbesondere in der Einführungsphase. Grund dafür ist, dass sie sowohl für die Bundes- wie auch für die Kantonssteuer eingeführt werden muss. Zudem müssen die getrennt zu veranlagenden Faktoren der Ehegatten von der kantonalen Steuerverwaltung koordiniert werden, z. B. bezüglich der Kinderabzüge. </p><p>- Der Wechsel zur Individualbesteuerung muss für sämtliche Steuerhoheiten (Bund, Kanton, Gemeinde) auf den gleichen Zeitpunkt hin umgesetzt werden. Eine unterschiedliche Regelung in Bund und Kantonen wäre veranlagungstechnisch nicht zu bewältigen. Die Umsetzungsphase würde daher lange dauern. </p><p>Die Vorlage zur ausgewogenen Paar- und Familienbesteuerung ist zurzeit im Parlament hängig. Die eidgenössischen Räte können im Rahmen dieser Beratung über die Modellwahl bei der Ehepaarbesteuerung befinden. Sofern kein Rückzug erfolgt, wird zudem erneut über die Volksinitiative "für Ehe und Familie - gegen die Heiratsstrafe" abgestimmt, die eine gemeinsame Veranlagung von Ehepaaren festschreiben will. Bei Annahme der Initiative wäre eine Einführung der Individualbesteuerung ohne Verfassungsänderung nicht mehr möglich.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, dem Parlament rasch und unter Einbezug der Kantone einen Gesetzentwurf vorzulegen, welcher einen Systemwechsel von der Ehepaar- und Familienbesteuerung zur zivilstandsunabhängigen Individualbesteuerung vorsieht. Für Paare mit Kindern kann die Individualbesteuerung modifiziert werden.</p>
    • Individualbesteuerung endlich auch in der Schweiz einführen

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