Mängel im Chemikalienrecht beseitigen zur Stärkung des Werkplatzes Schweiz

ShortId
19.3734
Id
20193734
Updated
12.06.2024 14:46
Language
de
Title
Mängel im Chemikalienrecht beseitigen zur Stärkung des Werkplatzes Schweiz
AdditionalIndexing
10;2841;15
1
PriorityCouncil1
Ständerat
Texts
  • <p>Chemikalien und deren verantwortungsvolle Anwendungen sind wesentliche Grundlagen des heute hohen Lebensstandards. Sie sind für die Herstellung unzähliger Produkte des täglichen Lebens unabdingbar. Reaktive Chemikalien beinhalten unbestrittenermassen immer auch ein stoffspezifisches Gefahrenpotenzial. Die Industrie investiert schon heute enorme Ressourcen in die Minimierung des Risikos, das von der notwendigen Verwendung solcher Stoffe ausgeht. Dabei wird sie von den Behörden eng begleitet und kontrolliert.</p><p>Für die Verwendung von Chemikalien sind zwei wesentliche Verwendungsbereiche zu unterscheiden. Einerseits werden Chemikalien durch die breite Bevölkerung sowie in weiten Teilen von Gewerbe und Industrie verwendet. Anders sieht die Verwendung in chemischen Reaktionen aus. Die chemische Industrie wandelt Rohstoffe durch chemische Reaktionen in die Produkte um, die in den nachgelagerten Branchen sowie der breiten Bevölkerung Verwendung finden. Solche Herstellungsprozesse finden typischerweise unter streng kontrollierten Bedingungen in geschlossenen Systemen statt.</p><p>Die Ausgestaltung des Schweizer Chemikalienrechts trägt der Tatsache dieser zwei grundsätzlich unterschiedlichen Verwendungen nicht ausreichend Rechnung:</p><p>- Der Anhang 1.17 ChemRRV wurde 2012 im Hinblick auf einen möglichen Beitritt der Schweiz zum europäischen Chemikalienrecht Reach erlassen. Aufgrund der Erfahrungen mit Reach und entsprechenden Interventionen der betroffenen Schweizer Unternehmen hat der Bundesrat 2015 beschlossen, vorderhand auf einen Beitritt zu Reach oder dessen Übernahme ins Schweizer Recht zu verzichten und die Weiterentwicklung des Schweizer Chemikalienrechts eigenständig an die Hand zu nehmen. Dabei soll das Schutzniveau von Mensch und Umwelt im Vergleich mit der EU gleich hoch bleiben, mögliche Handelshemmnisse mit dem wichtigsten Handelspartner verhindert und dem Arbeits- und Produktionsstandort Schweiz angemessen Rechnung getragen werden. Diese Zielvorgaben für die Schweiz wurden und werden durch die Motionäre ausdrücklich begrüsst und unterstützt. Gleichzeitig wird auch begrüsst, dass die federführenden Bundesämter die Strategie Chemikaliensicherheit vom Oktober 2017 veröffentlicht haben.</p><p>- Es ist davon auszugehen, dass im Rahmen der Verwendung von Chemikalien durch die breite Bevölkerung und das Gewerbe eine angemessene Risikoabwägung nur schwer umzusetzen ist. Entsprechend macht für diesen Bereich Substitution Sinn.</p><p>- Die chemisch-pharmazeutische Industrie ist in der Lage, die Risiken einer Verwendung einzuschätzen und Massnahmen zu deren weitestmöglichen Reduktion zu ergreifen. Sie wird dabei durch die staatlichen Vollzugsorgane unterstützt und kontrolliert. Deshalb macht es Sinn, für die Verwendung in dieser "Technosphäre" andere Regeln zu definieren. Deshalb werfen Ziel 3 der Strategie Chemikaliensicherheit und daraus abgeleitet die Massnahmen M8, M9, M10 und M12 in der Absolutheit der Formulierung kritische Fragen auf.</p><p>Die verlangte Anpassung des Anhangs 1.17 trägt diesen unterschiedlichen Bedürfnissen von Biosphäre und Technosphäre Rechnung:</p><p>- Sie wahrt den Substitutionsdruck, also Ersatz gefährlicher Stoffe durch weniger gefährliche, in den Bereichen der wirtschaftlichen Tätigkeit und der breiten Bevölkerung, die ihrem Schutzinteresse nicht selbst nachkommen kann.</p><p>- Sie ermöglicht die weitere Verwendung von gefährlichen Substanzen, dort wo sie in technischen Prozessen nötig sind, ohne teure administrative Massnahmen und stellt gleichzeitig sicher, dass die Schutzinteressen von Mitarbeitern, Umwelt, nachgelagerten Wirtschaftsbranchen und breiter Bevölkerung wahrgenommen werden.</p>
  • <p>Im Rahmen des Aktionsprogramms zur marktwirtschaftlichen Erneuerung hat der Bundesrat am 30. Juni 1993 beschlossen, das schweizerische Chemikalienrecht mit demjenigen der EU zu harmonisieren. Nachdem die EU mit der Inkraftsetzung der Reach-Verordnung im Jahre 2007 ihre Anforderungen an die Chemikaliensicherheit grundlegend revidiert hat, strebte der Bundesrat zunächst ein bilaterales Abkommen mit der EU über eine Partizipation der Schweiz am Reach-System an. Im September 2015 beschloss er jedoch aufgrund der überwiegend kritischen Haltung der Wirtschaft zu Reach, die Aufnahme von Verhandlungen über ein bilaterales Marktzugangsabkommen im Chemikalienbereich mit der EU derzeit nicht aktiv weiterzuverfolgen und das Schweizer Chemikalienrecht harmonisiert mit der EU autonom weiterzuentwickeln. Um ein hohes Schutzniveau zu gewährleisten und Handelshemmnisse mit der EU als wichtigstem Handelspartner zu vermeiden, hat der Bundesrat bereits mit der Änderung der Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung (ChemRRV; SR 814.81) vom 7. November 2012 im Anhang 1.17 eine auf die Reach-Verordnung abgestimmte Regelung über die Substitutionspflicht für bestimmte besonders besorgniserregende Stoffe (dazu zählen insbesondere krebserregende, erbgutverändernde oder reproduktionstoxische Stoffe, Stoffe mit persistenten, bioakkumulierbaren und toxischen Eigenschaften sowie hormonaktive Stoffe) eingeführt. Diese Regelung sieht vor, dass diese Stoffe nach Ablauf einer Übergangsfrist grundsätzlich nicht mehr in Verkehr gebracht und nicht mehr beruflich oder gewerblich verwendet werden dürfen, d. h. substituiert werden müssen. Fehlt jedoch für einen solchen Stoff ein Ersatz, können die Bundesbehörden auf Gesuch hin eine Ausnahmebewilligung für die weitere Verwendung des Stoffes erteilen. Zudem gelten Zulassungen, welche von der Europäischen Kommission für bestimmte Verwendungen in der EU erteilt wurden, auch in der Schweiz als Ausnahmen vom Verbot, sofern der Stoff entsprechend der EU-Zulassung in Verkehr gebracht und verwendet wird.</p><p>Die geltende Regelung des Anhangs 1.17 ChemRRV verhindert also nicht, dass die chemisch-pharmazeutische Industrie gefährliche Stoffe, welche für bestimmte Produktionsverfahren unverzichtbar sind, weiterverwenden kann, sofern die Risiken für die Gesundheit und die Umwelt angemessen beherrscht werden. Ob diese Voraussetzung tatsächlich erfüllt ist, prüfen die Bundesbehörden im Einzelfall aufgrund des Gesuchs der Antragstellerin für eine Ausnahmebewilligung.</p><p>Es ist vertretbar, dass die Substitution von besonders besorgniserregenden Stoffen, welche die EU im Anhang XIV der Reach-Verordnung geregelt hat, auch in der chemisch-pharmazeutischen Industrie der Schweiz sorgfältig geprüft werden muss. Infolgedessen hält der Bundesrat an der geltenden Regelung fest. Seit der Inkraftsetzung des Anhangs 1.17 im Jahre 2012 wurde die Liste der geregelten Stoffe von ursprünglich 14 auf 31 erweitert. Die Bundesbehörden hatten bislang nur drei Gesuche zu behandeln.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, die Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung (ChemRRV) wie folgt zu ändern:</p><p>1. Änderung des Inhaltes bezüglich erlaubter Ausnahmen.</p><p>Im Schweizer Recht ist die Möglichkeit vorzusehen, gefährliche Chemikalien innerhalb der chemisch-pharmazeutischen Industrie weiter verwenden zu können (unter der Voraussetzung, dass die Produktion in geschlossenen Systemen erfolgt und die fraglichen Chemikalien in den vermarkteten Endprodukten nicht mehr in relevanten Konzentrationen vorkommen).</p><p>2. Auf eine direkte Bezugnahme auf das Chemikalienrecht der EU ist zu verzichten, insbesondere im Anhang 1.17.</p>
  • Mängel im Chemikalienrecht beseitigen zur Stärkung des Werkplatzes Schweiz
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Chemikalien und deren verantwortungsvolle Anwendungen sind wesentliche Grundlagen des heute hohen Lebensstandards. Sie sind für die Herstellung unzähliger Produkte des täglichen Lebens unabdingbar. Reaktive Chemikalien beinhalten unbestrittenermassen immer auch ein stoffspezifisches Gefahrenpotenzial. Die Industrie investiert schon heute enorme Ressourcen in die Minimierung des Risikos, das von der notwendigen Verwendung solcher Stoffe ausgeht. Dabei wird sie von den Behörden eng begleitet und kontrolliert.</p><p>Für die Verwendung von Chemikalien sind zwei wesentliche Verwendungsbereiche zu unterscheiden. Einerseits werden Chemikalien durch die breite Bevölkerung sowie in weiten Teilen von Gewerbe und Industrie verwendet. Anders sieht die Verwendung in chemischen Reaktionen aus. Die chemische Industrie wandelt Rohstoffe durch chemische Reaktionen in die Produkte um, die in den nachgelagerten Branchen sowie der breiten Bevölkerung Verwendung finden. Solche Herstellungsprozesse finden typischerweise unter streng kontrollierten Bedingungen in geschlossenen Systemen statt.</p><p>Die Ausgestaltung des Schweizer Chemikalienrechts trägt der Tatsache dieser zwei grundsätzlich unterschiedlichen Verwendungen nicht ausreichend Rechnung:</p><p>- Der Anhang 1.17 ChemRRV wurde 2012 im Hinblick auf einen möglichen Beitritt der Schweiz zum europäischen Chemikalienrecht Reach erlassen. Aufgrund der Erfahrungen mit Reach und entsprechenden Interventionen der betroffenen Schweizer Unternehmen hat der Bundesrat 2015 beschlossen, vorderhand auf einen Beitritt zu Reach oder dessen Übernahme ins Schweizer Recht zu verzichten und die Weiterentwicklung des Schweizer Chemikalienrechts eigenständig an die Hand zu nehmen. Dabei soll das Schutzniveau von Mensch und Umwelt im Vergleich mit der EU gleich hoch bleiben, mögliche Handelshemmnisse mit dem wichtigsten Handelspartner verhindert und dem Arbeits- und Produktionsstandort Schweiz angemessen Rechnung getragen werden. Diese Zielvorgaben für die Schweiz wurden und werden durch die Motionäre ausdrücklich begrüsst und unterstützt. Gleichzeitig wird auch begrüsst, dass die federführenden Bundesämter die Strategie Chemikaliensicherheit vom Oktober 2017 veröffentlicht haben.</p><p>- Es ist davon auszugehen, dass im Rahmen der Verwendung von Chemikalien durch die breite Bevölkerung und das Gewerbe eine angemessene Risikoabwägung nur schwer umzusetzen ist. Entsprechend macht für diesen Bereich Substitution Sinn.</p><p>- Die chemisch-pharmazeutische Industrie ist in der Lage, die Risiken einer Verwendung einzuschätzen und Massnahmen zu deren weitestmöglichen Reduktion zu ergreifen. Sie wird dabei durch die staatlichen Vollzugsorgane unterstützt und kontrolliert. Deshalb macht es Sinn, für die Verwendung in dieser "Technosphäre" andere Regeln zu definieren. Deshalb werfen Ziel 3 der Strategie Chemikaliensicherheit und daraus abgeleitet die Massnahmen M8, M9, M10 und M12 in der Absolutheit der Formulierung kritische Fragen auf.</p><p>Die verlangte Anpassung des Anhangs 1.17 trägt diesen unterschiedlichen Bedürfnissen von Biosphäre und Technosphäre Rechnung:</p><p>- Sie wahrt den Substitutionsdruck, also Ersatz gefährlicher Stoffe durch weniger gefährliche, in den Bereichen der wirtschaftlichen Tätigkeit und der breiten Bevölkerung, die ihrem Schutzinteresse nicht selbst nachkommen kann.</p><p>- Sie ermöglicht die weitere Verwendung von gefährlichen Substanzen, dort wo sie in technischen Prozessen nötig sind, ohne teure administrative Massnahmen und stellt gleichzeitig sicher, dass die Schutzinteressen von Mitarbeitern, Umwelt, nachgelagerten Wirtschaftsbranchen und breiter Bevölkerung wahrgenommen werden.</p>
    • <p>Im Rahmen des Aktionsprogramms zur marktwirtschaftlichen Erneuerung hat der Bundesrat am 30. Juni 1993 beschlossen, das schweizerische Chemikalienrecht mit demjenigen der EU zu harmonisieren. Nachdem die EU mit der Inkraftsetzung der Reach-Verordnung im Jahre 2007 ihre Anforderungen an die Chemikaliensicherheit grundlegend revidiert hat, strebte der Bundesrat zunächst ein bilaterales Abkommen mit der EU über eine Partizipation der Schweiz am Reach-System an. Im September 2015 beschloss er jedoch aufgrund der überwiegend kritischen Haltung der Wirtschaft zu Reach, die Aufnahme von Verhandlungen über ein bilaterales Marktzugangsabkommen im Chemikalienbereich mit der EU derzeit nicht aktiv weiterzuverfolgen und das Schweizer Chemikalienrecht harmonisiert mit der EU autonom weiterzuentwickeln. Um ein hohes Schutzniveau zu gewährleisten und Handelshemmnisse mit der EU als wichtigstem Handelspartner zu vermeiden, hat der Bundesrat bereits mit der Änderung der Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung (ChemRRV; SR 814.81) vom 7. November 2012 im Anhang 1.17 eine auf die Reach-Verordnung abgestimmte Regelung über die Substitutionspflicht für bestimmte besonders besorgniserregende Stoffe (dazu zählen insbesondere krebserregende, erbgutverändernde oder reproduktionstoxische Stoffe, Stoffe mit persistenten, bioakkumulierbaren und toxischen Eigenschaften sowie hormonaktive Stoffe) eingeführt. Diese Regelung sieht vor, dass diese Stoffe nach Ablauf einer Übergangsfrist grundsätzlich nicht mehr in Verkehr gebracht und nicht mehr beruflich oder gewerblich verwendet werden dürfen, d. h. substituiert werden müssen. Fehlt jedoch für einen solchen Stoff ein Ersatz, können die Bundesbehörden auf Gesuch hin eine Ausnahmebewilligung für die weitere Verwendung des Stoffes erteilen. Zudem gelten Zulassungen, welche von der Europäischen Kommission für bestimmte Verwendungen in der EU erteilt wurden, auch in der Schweiz als Ausnahmen vom Verbot, sofern der Stoff entsprechend der EU-Zulassung in Verkehr gebracht und verwendet wird.</p><p>Die geltende Regelung des Anhangs 1.17 ChemRRV verhindert also nicht, dass die chemisch-pharmazeutische Industrie gefährliche Stoffe, welche für bestimmte Produktionsverfahren unverzichtbar sind, weiterverwenden kann, sofern die Risiken für die Gesundheit und die Umwelt angemessen beherrscht werden. Ob diese Voraussetzung tatsächlich erfüllt ist, prüfen die Bundesbehörden im Einzelfall aufgrund des Gesuchs der Antragstellerin für eine Ausnahmebewilligung.</p><p>Es ist vertretbar, dass die Substitution von besonders besorgniserregenden Stoffen, welche die EU im Anhang XIV der Reach-Verordnung geregelt hat, auch in der chemisch-pharmazeutischen Industrie der Schweiz sorgfältig geprüft werden muss. Infolgedessen hält der Bundesrat an der geltenden Regelung fest. Seit der Inkraftsetzung des Anhangs 1.17 im Jahre 2012 wurde die Liste der geregelten Stoffe von ursprünglich 14 auf 31 erweitert. Die Bundesbehörden hatten bislang nur drei Gesuche zu behandeln.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, die Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung (ChemRRV) wie folgt zu ändern:</p><p>1. Änderung des Inhaltes bezüglich erlaubter Ausnahmen.</p><p>Im Schweizer Recht ist die Möglichkeit vorzusehen, gefährliche Chemikalien innerhalb der chemisch-pharmazeutischen Industrie weiter verwenden zu können (unter der Voraussetzung, dass die Produktion in geschlossenen Systemen erfolgt und die fraglichen Chemikalien in den vermarkteten Endprodukten nicht mehr in relevanten Konzentrationen vorkommen).</p><p>2. Auf eine direkte Bezugnahme auf das Chemikalienrecht der EU ist zu verzichten, insbesondere im Anhang 1.17.</p>
    • Mängel im Chemikalienrecht beseitigen zur Stärkung des Werkplatzes Schweiz

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