Internationale Deklaration zum Schutz von Zivilpersonen vor Explosivwaffen in Kriegsgebieten. Was ist der Beitrag der Schweiz?

ShortId
19.3928
Id
20193928
Updated
28.07.2023 02:33
Language
de
Title
Internationale Deklaration zum Schutz von Zivilpersonen vor Explosivwaffen in Kriegsgebieten. Was ist der Beitrag der Schweiz?
AdditionalIndexing
08;09;1236
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>1. Wie bereits in der Antwort auf die Interpellation Seiler Graf 18.3957 erwähnt, misst der Bundesrat den Verpflichtungen der Schweiz als Hoher Vertragspartei der Genfer Abkommen und ihrer Zusatzprotokolle eine hohe Bedeutung zu. Es ist wichtig, dass das humanitäre Völkerrecht (HVR) vollumfänglich respektiert und umgesetzt wird. Damit werden Kollateralschäden für die Zivilbevölkerung begrenzt. Die Schweiz setzt sich bereits heute in vielfältiger Weise sowohl auf politischer wie auf operationeller Ebene für die Einhaltung des HVR ein. Dies geht von diplomatischen Demarchen im Falle von Verletzungen des HVR über die Unterstützung des IKRK und anderer relevanter Organisationen bis zur Berücksichtigung des HVR in unserer eigenen Gesetzgebung, Doktrin und Praxis. </p><p>In diesem Zusammenhang engagiert sich die Schweiz seit zehn Jahren in den internationalen Diskussionen rund um den Einsatz von explosiver Munition. Während der letztjährigen Tagung des Ausschusses für Abrüstung und internationale Sicherheit der Uno-Generalversammlung schloss sich die Schweiz einer gemeinsamen Stellungnahme von 50 Staaten an. Darin wird u. a. die Verhandlung einer politischen Erklärung in Erwägung gezogen, die eine umfassende Behandlung des Themas mit einer HVR-Perspektive möglich machen soll. Die Schweiz setzt sich auch dafür ein, dass der Einsatz von explosiver Munition einen festen Platz auf der Tagesordnung des Übereinkommens über bestimmte konventionelle Waffen (CCW; SR 0.515.091) erhält. Zudem leitet die Schweiz in New York eine Freundesgruppe zum "Schutz der Zivilbevölkerung", welche explosive Munition und generelle Fragen der HVR-konformen Kriegführung regelmässig thematisiert. </p><p>2. Die Schweiz engagiert sich bereits heute in der vom Interpellanten erwähnten Gruppe von 12 Staaten. Dabei geht es ihr insbesondere um die Einhaltung des bestehenden HVR durch alle Kriegsparteien. Sie setzt sich ausserdem dafür ein, dass die gesamte internationale Gemeinschaft die grosse Herausforderung anerkennt, welche bewaffnete Konflikte in städtischen Gebieten darstellen. Für den Bundesrat ist es zudem wichtig, dass ein Prozess, der zu einer politischen Erklärung führen könnte, möglichst inklusiv und transparent ist. Die Glaubwürdigkeit und die Resultate eines solchen Prozesses im Feld hängen unter anderem von der Anzahl unterstützender Staaten ab, insbesondere von operationell aktiven Staaten, die explosive Munition einsetzen. An der von Österreich organisierten Konferenz vom 1. und 2. Oktober 2019 wird die Schweiz teilnehmen. </p><p>3. Die Schweiz misst der Prävention einen hohen Stellenwert zu und unterstützt diese Priorität des Uno-Generalsekretärs. So hat sie zum Beispiel eine Vorreiterrolle inne bei der Umsetzung des Verbots von Personenminen und von Streumunition, inklusive durch Entminungsprogramme und die Unterstützung von Opfern in Postkonfliktsituationen. Ein wichtiger Akteur ist auch das Genfer Zentrum für humanitäre Minenräumung, welches massgeblich von der Schweiz finanziert wird. Die Strategie der Schweiz zur humanitären Minenräumung ist dabei eine wichtige Grundlage.</p> Antwort des Bundesrates.
  • <p>Gemäss der von Norwegen finanzierten Studie "Explosive Violence Monitor 2018" sind 90 Prozent der 20 384 im Jahre 2018 getöteten oder verletzten Opfer von Explosivwaffen in Wohngebieten Zivilpersonen. Der Genfer Konvention zum Trotz ist diese Entwicklung besorgniserregend: Während vor hundert Jahren noch 15 Prozent der Opfer bewaffneter Konflikte Zivilpersonen waren, sind es heute 85 bis 90 Prozent, also die Hauptopfer.</p><p>Explosivwaffen verursachen nachhaltige Schäden auch an Schulen, Krankenhäusern, Wohngebäuden sowie der Wasser- und Stromversorgung. Dies treibt Menschen dazu, im Ausland Schutz zu suchen. Blindgänger verhindern oder behindern humanitäre Hilfe und die Rücksiedlung von Vertriebenen.</p><p>In seinem Bericht zum 20. Jahrestag der Aufnahme des Schutzes von Zivilpersonen in die Agenda des Sicherheitsrates hat UN-Generalsekretär Guterres am 23. Mai 2019 die Staatengemeinschaft aufgefordert, sich konstruktiv an der Entwicklung einer internationalen politischen Deklaration zum Schutz von Zivilpersonen vor Explosivwaffen in Wohngebieten zu beteiligen. Vor vier Jahren lancierten 12 Kernländer dieses Deklarations-Vorhaben; mit dabei ist die Schweiz und sind auch UN-Organisationen, internationale Organisationen wie das IKRK und das Internationale Netzwerk zu Explosivwaffen (INEVV), eine Koalition von 40 NGO.</p><p>Am 1./2. Oktober 2019 findet in Wien zu diesen Themen eine von Österreich organisierte hochrangige Konferenz statt, an der u. a. der rechtliche Kontext und Beispiele für militärische Praktiken diskutiert werden wie auch die Entwicklung einer politischen Erklärung.</p><p>Ich bitte den Bundesrat, folgende Fragen zu beantworten:</p><p>1. Die Schweiz mit ihrer humanitären Tradition, auch gerade mit ihrer Funktion als Depositarstaat der Genfer Konventionen, hat bisher keine erkennbare Führungsarbeit zu diesem schwerwiegenden humanitären Problem geleistet. Ist der Bundesrat bereit, neu eine aktive Rolle einzunehmen? Mit welchen konkreten Aktionen?</p><p>2. Ist der Bundesrat bereit, zur Entwicklung dieser politischen Deklaration innerhalb dieser Kerngruppe von 12 Staaten aktiv beizutragen? Mit welchen konkreten Massnahmen?</p><p>3. Welchen Beitrag plant die Schweiz zusätzlich zu leisten, um auf internationaler Ebene die Prävention zu stärken und die Not der Opfer von Explosivwaffen in Konflikt- und Postkonfliktländern adäquat zu lindern?</p>
  • Internationale Deklaration zum Schutz von Zivilpersonen vor Explosivwaffen in Kriegsgebieten. Was ist der Beitrag der Schweiz?
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>1. Wie bereits in der Antwort auf die Interpellation Seiler Graf 18.3957 erwähnt, misst der Bundesrat den Verpflichtungen der Schweiz als Hoher Vertragspartei der Genfer Abkommen und ihrer Zusatzprotokolle eine hohe Bedeutung zu. Es ist wichtig, dass das humanitäre Völkerrecht (HVR) vollumfänglich respektiert und umgesetzt wird. Damit werden Kollateralschäden für die Zivilbevölkerung begrenzt. Die Schweiz setzt sich bereits heute in vielfältiger Weise sowohl auf politischer wie auf operationeller Ebene für die Einhaltung des HVR ein. Dies geht von diplomatischen Demarchen im Falle von Verletzungen des HVR über die Unterstützung des IKRK und anderer relevanter Organisationen bis zur Berücksichtigung des HVR in unserer eigenen Gesetzgebung, Doktrin und Praxis. </p><p>In diesem Zusammenhang engagiert sich die Schweiz seit zehn Jahren in den internationalen Diskussionen rund um den Einsatz von explosiver Munition. Während der letztjährigen Tagung des Ausschusses für Abrüstung und internationale Sicherheit der Uno-Generalversammlung schloss sich die Schweiz einer gemeinsamen Stellungnahme von 50 Staaten an. Darin wird u. a. die Verhandlung einer politischen Erklärung in Erwägung gezogen, die eine umfassende Behandlung des Themas mit einer HVR-Perspektive möglich machen soll. Die Schweiz setzt sich auch dafür ein, dass der Einsatz von explosiver Munition einen festen Platz auf der Tagesordnung des Übereinkommens über bestimmte konventionelle Waffen (CCW; SR 0.515.091) erhält. Zudem leitet die Schweiz in New York eine Freundesgruppe zum "Schutz der Zivilbevölkerung", welche explosive Munition und generelle Fragen der HVR-konformen Kriegführung regelmässig thematisiert. </p><p>2. Die Schweiz engagiert sich bereits heute in der vom Interpellanten erwähnten Gruppe von 12 Staaten. Dabei geht es ihr insbesondere um die Einhaltung des bestehenden HVR durch alle Kriegsparteien. Sie setzt sich ausserdem dafür ein, dass die gesamte internationale Gemeinschaft die grosse Herausforderung anerkennt, welche bewaffnete Konflikte in städtischen Gebieten darstellen. Für den Bundesrat ist es zudem wichtig, dass ein Prozess, der zu einer politischen Erklärung führen könnte, möglichst inklusiv und transparent ist. Die Glaubwürdigkeit und die Resultate eines solchen Prozesses im Feld hängen unter anderem von der Anzahl unterstützender Staaten ab, insbesondere von operationell aktiven Staaten, die explosive Munition einsetzen. An der von Österreich organisierten Konferenz vom 1. und 2. Oktober 2019 wird die Schweiz teilnehmen. </p><p>3. Die Schweiz misst der Prävention einen hohen Stellenwert zu und unterstützt diese Priorität des Uno-Generalsekretärs. So hat sie zum Beispiel eine Vorreiterrolle inne bei der Umsetzung des Verbots von Personenminen und von Streumunition, inklusive durch Entminungsprogramme und die Unterstützung von Opfern in Postkonfliktsituationen. Ein wichtiger Akteur ist auch das Genfer Zentrum für humanitäre Minenräumung, welches massgeblich von der Schweiz finanziert wird. Die Strategie der Schweiz zur humanitären Minenräumung ist dabei eine wichtige Grundlage.</p> Antwort des Bundesrates.
    • <p>Gemäss der von Norwegen finanzierten Studie "Explosive Violence Monitor 2018" sind 90 Prozent der 20 384 im Jahre 2018 getöteten oder verletzten Opfer von Explosivwaffen in Wohngebieten Zivilpersonen. Der Genfer Konvention zum Trotz ist diese Entwicklung besorgniserregend: Während vor hundert Jahren noch 15 Prozent der Opfer bewaffneter Konflikte Zivilpersonen waren, sind es heute 85 bis 90 Prozent, also die Hauptopfer.</p><p>Explosivwaffen verursachen nachhaltige Schäden auch an Schulen, Krankenhäusern, Wohngebäuden sowie der Wasser- und Stromversorgung. Dies treibt Menschen dazu, im Ausland Schutz zu suchen. Blindgänger verhindern oder behindern humanitäre Hilfe und die Rücksiedlung von Vertriebenen.</p><p>In seinem Bericht zum 20. Jahrestag der Aufnahme des Schutzes von Zivilpersonen in die Agenda des Sicherheitsrates hat UN-Generalsekretär Guterres am 23. Mai 2019 die Staatengemeinschaft aufgefordert, sich konstruktiv an der Entwicklung einer internationalen politischen Deklaration zum Schutz von Zivilpersonen vor Explosivwaffen in Wohngebieten zu beteiligen. Vor vier Jahren lancierten 12 Kernländer dieses Deklarations-Vorhaben; mit dabei ist die Schweiz und sind auch UN-Organisationen, internationale Organisationen wie das IKRK und das Internationale Netzwerk zu Explosivwaffen (INEVV), eine Koalition von 40 NGO.</p><p>Am 1./2. Oktober 2019 findet in Wien zu diesen Themen eine von Österreich organisierte hochrangige Konferenz statt, an der u. a. der rechtliche Kontext und Beispiele für militärische Praktiken diskutiert werden wie auch die Entwicklung einer politischen Erklärung.</p><p>Ich bitte den Bundesrat, folgende Fragen zu beantworten:</p><p>1. Die Schweiz mit ihrer humanitären Tradition, auch gerade mit ihrer Funktion als Depositarstaat der Genfer Konventionen, hat bisher keine erkennbare Führungsarbeit zu diesem schwerwiegenden humanitären Problem geleistet. Ist der Bundesrat bereit, neu eine aktive Rolle einzunehmen? Mit welchen konkreten Aktionen?</p><p>2. Ist der Bundesrat bereit, zur Entwicklung dieser politischen Deklaration innerhalb dieser Kerngruppe von 12 Staaten aktiv beizutragen? Mit welchen konkreten Massnahmen?</p><p>3. Welchen Beitrag plant die Schweiz zusätzlich zu leisten, um auf internationaler Ebene die Prävention zu stärken und die Not der Opfer von Explosivwaffen in Konflikt- und Postkonfliktländern adäquat zu lindern?</p>
    • Internationale Deklaration zum Schutz von Zivilpersonen vor Explosivwaffen in Kriegsgebieten. Was ist der Beitrag der Schweiz?

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