Arbeitsgesetz. Artikel 5 ist weder sachgerecht noch zeitgemäss

ShortId
19.3943
Id
20193943
Updated
28.07.2023 02:31
Language
de
Title
Arbeitsgesetz. Artikel 5 ist weder sachgerecht noch zeitgemäss
AdditionalIndexing
44;28;15
1
PriorityCouncil1
Ständerat
Texts
  • <p>Artikel 5 ArG ist über 60 Jahre alt und stammt aus einer Zeit, in welcher die Unterschiede zwischen industriellen und gewerblichen Betrieben noch gegeben und wesentlich waren. Damals, aus der Optik der frühen 70er-Jahre, machte es arbeitsrechtlich Sinn, auf der Basis von technischen Kriterien eigentliche "Fabriken" strengeren Bestimmungen und Sondervorschriften zu unterwerfen als gewerbliche Betriebe. Heute gibt es für diese Unterscheidung keine materielle Legitimation mehr.</p><p>Der Urzweck von Artikel 5 ArG - der zusätzliche, gesundheitsrechtlich motivierte Schutz industriell tätiger Arbeitnehmender - ist überholt, da die mit der Unterstellung verbundenen Konsequenzen heute keinen zusätzlichen Schutz mehr gewährleisten (heute sind Unfallversicherungen zwingend, und das Produktesicherheitsgesetz besteht seit 2009). Die Schutzbereiche Unfallverhütung und Gesundheit sind heute also legislativ und punkto Umsetzung anderweitig, für alle Betriebe gleich, hinlänglich sichergestellt. Trotz hoher technischer Anforderungen ist auch in gewerblichen Betrieben der Versicherungsschutz ohne Deckungslücken gewährleistet.</p><p>Zudem sind die Kriterien, welche für die Unterscheidung von industriellen und gewerblichen Betrieben gemäss ArG massgebend sind, nicht mehr zeitgemäss. Der Begriff der industriellen Betriebe - insbesondere gemäss Artikel 5 Absatz 2 Buchstaben a und b ArG - hält inhaltlich nicht mehr stand und ist überholt. Insbesondere der Einsatz von technischen Hilfsmitteln, wie Maschinen, ist heute auch bei gewerblichen Betrieben aus dem Arbeitsalltag nicht mehr wegzudenken. Gewerbliche Betriebe werden zunehmend als industriell tätig qualifiziert. Es ist nicht Absicht des Gesetzgebers, die Ausnahme zur Regel zu machen.</p><p>Dies führt dazu, dass die Unterstellung der Betriebe unter Artikel 5 ArG per se zur behördlichen Ermessensfrage ja zur Willkür wird, was zu einer Ungleichbehandlung der Arbeitgebenden führt. Dies widerspricht dem Legalitätsprinzip. Zudem besteht aufgrund der heute geltenden arbeitsrechtlichen Realität keinerlei Gefahr, dass mit der Streichung von Artikel 5 ArG die Pflichten zum Schutz der Arbeitnehmenden, welche heute mit der Qualifikation als industrieller Betrieb einhergehen, gefährdet würden.</p>
  • <p>In den letzten Jahren wurde die Frage einer umfänglichen Revision des Arbeitsgesetzes (ArG, SR 822.11) und dessen Verordnungen im Rahmen einer durch das Seco moderierten Arbeitsgruppe der Eidgenössischen Arbeitskommission (EAK) eingehend geprüft. Dabei wurde die Frage der Abschaffung der Unterscheidung zwischen industriellen und nichtindustriellen Betrieben untersucht. Die Arbeitsgruppe kam zum Schluss, dass die Streichung von Artikel 5 ArG bzw. von Absatz 2 Buchstaben a und b weitgreifende Konsequenzen nach sich ziehen würde. Unter Berücksichtigung aller Erkenntnisse beschloss die EAK, auf eine Empfehlung zur ArG-Revision zu verzichten. </p><p>Tatsächlich sind mehrere arbeitsgesetzliche Bestimmungen direkt an diese Unterscheidung gekoppelt, wie z. B. die Plangenehmigungspflicht (Art. 7 ArG), die maximale wöchentliche Arbeitszeit (Art. 9 ArG) oder die Bestimmungen zur Betriebsordnung (Art. 37ff. ArG), welche bei einer Streichung von Artikel 5 ArG ebenfalls neu definiert werden müssten. Gleichzeitig wären auch die Verordnungen zum Arbeitsgesetz, insbesondere die Verordnungen 1 bis 4, zu überarbeiten.</p><p>Zudem sind industrielle Betriebe gemäss Artikel 5 ArG verpflichtet bei der Suva versichert zu sein (Art. 66 Abs. 1 Bst. a des Unfallversicherungsgesetzes; UVG; SR 832.21). Bei einer allfälligen Aufhebung von Artikel 5 ArG müsste damit auch das UVG gleichzeitig revidiert werden.</p><p>Aus allen diesen Gründen ist die Aufhebung von Artikel 5 ArG nicht ohne sozialpartnerschaftlichen Konsens durchführbar, welcher zum heutigen Zeitpunkt fehlt. Es wird deshalb empfohlen, nicht auf die Motion einzutreten. Der Bundesrat behält sich jedoch einen Abänderungsantrag im Zweitrat auf Umwandlung der Motion in einen Prüfauftrag vor, falls die Motion im Erstrat angenommen werden sollte.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, Artikel 5 des Arbeitsgesetzes (ArG) ersatzlos zu streichen oder zumindest eine Eingrenzung durch die Streichung von Absatz 2 Buchstaben a und b vorzunehmen.</p>
  • Arbeitsgesetz. Artikel 5 ist weder sachgerecht noch zeitgemäss
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Artikel 5 ArG ist über 60 Jahre alt und stammt aus einer Zeit, in welcher die Unterschiede zwischen industriellen und gewerblichen Betrieben noch gegeben und wesentlich waren. Damals, aus der Optik der frühen 70er-Jahre, machte es arbeitsrechtlich Sinn, auf der Basis von technischen Kriterien eigentliche "Fabriken" strengeren Bestimmungen und Sondervorschriften zu unterwerfen als gewerbliche Betriebe. Heute gibt es für diese Unterscheidung keine materielle Legitimation mehr.</p><p>Der Urzweck von Artikel 5 ArG - der zusätzliche, gesundheitsrechtlich motivierte Schutz industriell tätiger Arbeitnehmender - ist überholt, da die mit der Unterstellung verbundenen Konsequenzen heute keinen zusätzlichen Schutz mehr gewährleisten (heute sind Unfallversicherungen zwingend, und das Produktesicherheitsgesetz besteht seit 2009). Die Schutzbereiche Unfallverhütung und Gesundheit sind heute also legislativ und punkto Umsetzung anderweitig, für alle Betriebe gleich, hinlänglich sichergestellt. Trotz hoher technischer Anforderungen ist auch in gewerblichen Betrieben der Versicherungsschutz ohne Deckungslücken gewährleistet.</p><p>Zudem sind die Kriterien, welche für die Unterscheidung von industriellen und gewerblichen Betrieben gemäss ArG massgebend sind, nicht mehr zeitgemäss. Der Begriff der industriellen Betriebe - insbesondere gemäss Artikel 5 Absatz 2 Buchstaben a und b ArG - hält inhaltlich nicht mehr stand und ist überholt. Insbesondere der Einsatz von technischen Hilfsmitteln, wie Maschinen, ist heute auch bei gewerblichen Betrieben aus dem Arbeitsalltag nicht mehr wegzudenken. Gewerbliche Betriebe werden zunehmend als industriell tätig qualifiziert. Es ist nicht Absicht des Gesetzgebers, die Ausnahme zur Regel zu machen.</p><p>Dies führt dazu, dass die Unterstellung der Betriebe unter Artikel 5 ArG per se zur behördlichen Ermessensfrage ja zur Willkür wird, was zu einer Ungleichbehandlung der Arbeitgebenden führt. Dies widerspricht dem Legalitätsprinzip. Zudem besteht aufgrund der heute geltenden arbeitsrechtlichen Realität keinerlei Gefahr, dass mit der Streichung von Artikel 5 ArG die Pflichten zum Schutz der Arbeitnehmenden, welche heute mit der Qualifikation als industrieller Betrieb einhergehen, gefährdet würden.</p>
    • <p>In den letzten Jahren wurde die Frage einer umfänglichen Revision des Arbeitsgesetzes (ArG, SR 822.11) und dessen Verordnungen im Rahmen einer durch das Seco moderierten Arbeitsgruppe der Eidgenössischen Arbeitskommission (EAK) eingehend geprüft. Dabei wurde die Frage der Abschaffung der Unterscheidung zwischen industriellen und nichtindustriellen Betrieben untersucht. Die Arbeitsgruppe kam zum Schluss, dass die Streichung von Artikel 5 ArG bzw. von Absatz 2 Buchstaben a und b weitgreifende Konsequenzen nach sich ziehen würde. Unter Berücksichtigung aller Erkenntnisse beschloss die EAK, auf eine Empfehlung zur ArG-Revision zu verzichten. </p><p>Tatsächlich sind mehrere arbeitsgesetzliche Bestimmungen direkt an diese Unterscheidung gekoppelt, wie z. B. die Plangenehmigungspflicht (Art. 7 ArG), die maximale wöchentliche Arbeitszeit (Art. 9 ArG) oder die Bestimmungen zur Betriebsordnung (Art. 37ff. ArG), welche bei einer Streichung von Artikel 5 ArG ebenfalls neu definiert werden müssten. Gleichzeitig wären auch die Verordnungen zum Arbeitsgesetz, insbesondere die Verordnungen 1 bis 4, zu überarbeiten.</p><p>Zudem sind industrielle Betriebe gemäss Artikel 5 ArG verpflichtet bei der Suva versichert zu sein (Art. 66 Abs. 1 Bst. a des Unfallversicherungsgesetzes; UVG; SR 832.21). Bei einer allfälligen Aufhebung von Artikel 5 ArG müsste damit auch das UVG gleichzeitig revidiert werden.</p><p>Aus allen diesen Gründen ist die Aufhebung von Artikel 5 ArG nicht ohne sozialpartnerschaftlichen Konsens durchführbar, welcher zum heutigen Zeitpunkt fehlt. Es wird deshalb empfohlen, nicht auf die Motion einzutreten. Der Bundesrat behält sich jedoch einen Abänderungsantrag im Zweitrat auf Umwandlung der Motion in einen Prüfauftrag vor, falls die Motion im Erstrat angenommen werden sollte.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, Artikel 5 des Arbeitsgesetzes (ArG) ersatzlos zu streichen oder zumindest eine Eingrenzung durch die Streichung von Absatz 2 Buchstaben a und b vorzunehmen.</p>
    • Arbeitsgesetz. Artikel 5 ist weder sachgerecht noch zeitgemäss

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