Darf das elektronische Patientendossier für wissenschaftliche Forschung verwendet werden?

ShortId
19.4136
Id
20194136
Updated
28.07.2023 02:03
Language
de
Title
Darf das elektronische Patientendossier für wissenschaftliche Forschung verwendet werden?
AdditionalIndexing
36;1236;2841;34
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Personalisierte Prävention und personalisierte Medizin wecken die Hoffnung, dass das Gesundheitswesen effizienter wird. Die Menschen sollen weniger oft krank und schneller gesund werden, lautet der Anspruch der Pharmafirmen. Voraussetzung ist, dass individuelle Gesundheitsdaten elektronisch zur Verfügung stehen und für Forschungszwecke genutzt werden können. </p><p>Die heutige Datenerfassung erfolgt oft manuell, und die Daten liegen in unterschiedlichsten Formaten an unterschiedlichen Orten vor. Eine Auswertung fragmentierter Daten ist für wissenschaftliche Zwecke unmöglich. </p><p>In der Botschaft zum Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier vom 29. Mai 2013 steht, dass Regelungen "zur Nutzung der in den elektronischen Patientendossiers enthaltenen medizinischen Daten für den Aufbau von Krankheits- oder Qualitätsregistern sowie zu Statistik- oder Forschungszwecken" nicht Gegenstand der Vorlage seien.</p>
  • <p>1./2. Das Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier (SR 816.1) enthält keine Bestimmungen für die Forschung mit Daten des elektronischen Patientendossiers (EPD). Der Gesetzgeber hat bewusst darauf verzichtet, spezifische Regelungen für die Forschung mit Daten des EPD zu erlassen. Somit sind für die Bearbeitung von Daten des EPD zu Forschungszwecken die Bestimmungen des Humanforschungsgesetzes (HFG; SR 810.30) bezüglich der Weiterverwendung von gesundheitsbezogenen Daten für die Forschung anwendbar.</p><p>Das HFG und das zugehörige Verordnungsrecht legen fest, welche Art von Daten (nicht genetische gesundheitsbezogene Personendaten und genetische Daten) in welcher Form (offen, verschlüsselt oder anonymisiert) für die Forschung weiterverwendet werden darf. Für jede Datenart und -form ist festgelegt, in welcher Weise die Personen, von denen die Daten stammen, für die Weiterverwendung für die Forschung um ihre Zustimmung ersucht werden müssen (Art. 16, 32-34 HFG). Dabei kann es sich um explizite Einwilligung nach entsprechender Aufklärung für ein bestimmtes Forschungsprojekt, um eine "Generaleinwilligung" zu unbestimmten Forschungszwecken oder um das Recht auf Widerspruch (Opt-out-Verfahren) handeln.</p><p>Anonymisierte Daten fallen nicht in den Geltungsbereich des HFG; für die Forschung mit ihnen ist keine Zustimmung erforderlich. Das gilt auch für die Forschung mit anonymisierten nicht genetischen Daten des elektronischen Patientendossiers, wenn sie zu Forschungszwecken zugänglich gemacht werden sollen.</p><p>Die konkreten Prozesse und Vorgehensweisen zur Durchführung von Forschungsprojekten mit Daten des EPD werden zu gegebener Zeit zu beschreiben sein. Zudem wird die Frage zu klären sein, für welche Forschungsfragen sich die - in einer ersten Phase noch nicht strukturierten - Daten des EPD eignen. Als Sekundärsystem enthält es nicht die vollständige Krankengeschichte, sondern nur die für die Weiterbehandlung relevanten Informationen.</p><p>3. Die Vorgaben für die Anonymisierung von gesundheitsbezogenen Daten wurden vom Bundesrat in Artikel 25 der Humanforschungsverordnung (SR 810.301) festgelegt. Demnach müssen alle Angaben, die in ihrer Kombination die Wiederherstellung des Bezugs zu einer Person ohne unverhältnismässigen Aufwand erlauben, irreversibel unkenntlich gemacht oder gelöscht werden. Es ist von Fall zu Fall festzulegen, ob nach einer Anonymisierung die betroffene Person mit den bestehenden restlichen Daten noch ohne unverhältnismässigen Aufwand wieder identifiziert werden kann.</p> Antwort des Bundesrates.
  • <p>Im Zusammenhang mit der bevorstehenden Einführung von elektronischen Patientendossiers stellt sich die Frage, ob und wie die Inhalte für die wissenschaftliche Forschung eingesetzt werden können:</p><p>1. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit Daten aus dem elektronischen Patientendossier für wissenschaftliche Forschung verwendet werden können? Braucht es weiterführende Regelungen, z. B. im Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier?</p><p>2. Sollen die Nutzerinnen und Nutzer von Patientendossiers frei wählen können, ob ihre Daten für wissenschaftliche Forschung genutzt werden sollen? Schlägt der Bundesrat ein Opt-in- oder ein Opt-out-Verfahren vor?</p><p>3. Wie kann sichergestellt werden, dass aufgrund der medizinischen Daten keine Rückschlüsse auf einzelne Personen möglich sind?</p>
  • Darf das elektronische Patientendossier für wissenschaftliche Forschung verwendet werden?
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Personalisierte Prävention und personalisierte Medizin wecken die Hoffnung, dass das Gesundheitswesen effizienter wird. Die Menschen sollen weniger oft krank und schneller gesund werden, lautet der Anspruch der Pharmafirmen. Voraussetzung ist, dass individuelle Gesundheitsdaten elektronisch zur Verfügung stehen und für Forschungszwecke genutzt werden können. </p><p>Die heutige Datenerfassung erfolgt oft manuell, und die Daten liegen in unterschiedlichsten Formaten an unterschiedlichen Orten vor. Eine Auswertung fragmentierter Daten ist für wissenschaftliche Zwecke unmöglich. </p><p>In der Botschaft zum Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier vom 29. Mai 2013 steht, dass Regelungen "zur Nutzung der in den elektronischen Patientendossiers enthaltenen medizinischen Daten für den Aufbau von Krankheits- oder Qualitätsregistern sowie zu Statistik- oder Forschungszwecken" nicht Gegenstand der Vorlage seien.</p>
    • <p>1./2. Das Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier (SR 816.1) enthält keine Bestimmungen für die Forschung mit Daten des elektronischen Patientendossiers (EPD). Der Gesetzgeber hat bewusst darauf verzichtet, spezifische Regelungen für die Forschung mit Daten des EPD zu erlassen. Somit sind für die Bearbeitung von Daten des EPD zu Forschungszwecken die Bestimmungen des Humanforschungsgesetzes (HFG; SR 810.30) bezüglich der Weiterverwendung von gesundheitsbezogenen Daten für die Forschung anwendbar.</p><p>Das HFG und das zugehörige Verordnungsrecht legen fest, welche Art von Daten (nicht genetische gesundheitsbezogene Personendaten und genetische Daten) in welcher Form (offen, verschlüsselt oder anonymisiert) für die Forschung weiterverwendet werden darf. Für jede Datenart und -form ist festgelegt, in welcher Weise die Personen, von denen die Daten stammen, für die Weiterverwendung für die Forschung um ihre Zustimmung ersucht werden müssen (Art. 16, 32-34 HFG). Dabei kann es sich um explizite Einwilligung nach entsprechender Aufklärung für ein bestimmtes Forschungsprojekt, um eine "Generaleinwilligung" zu unbestimmten Forschungszwecken oder um das Recht auf Widerspruch (Opt-out-Verfahren) handeln.</p><p>Anonymisierte Daten fallen nicht in den Geltungsbereich des HFG; für die Forschung mit ihnen ist keine Zustimmung erforderlich. Das gilt auch für die Forschung mit anonymisierten nicht genetischen Daten des elektronischen Patientendossiers, wenn sie zu Forschungszwecken zugänglich gemacht werden sollen.</p><p>Die konkreten Prozesse und Vorgehensweisen zur Durchführung von Forschungsprojekten mit Daten des EPD werden zu gegebener Zeit zu beschreiben sein. Zudem wird die Frage zu klären sein, für welche Forschungsfragen sich die - in einer ersten Phase noch nicht strukturierten - Daten des EPD eignen. Als Sekundärsystem enthält es nicht die vollständige Krankengeschichte, sondern nur die für die Weiterbehandlung relevanten Informationen.</p><p>3. Die Vorgaben für die Anonymisierung von gesundheitsbezogenen Daten wurden vom Bundesrat in Artikel 25 der Humanforschungsverordnung (SR 810.301) festgelegt. Demnach müssen alle Angaben, die in ihrer Kombination die Wiederherstellung des Bezugs zu einer Person ohne unverhältnismässigen Aufwand erlauben, irreversibel unkenntlich gemacht oder gelöscht werden. Es ist von Fall zu Fall festzulegen, ob nach einer Anonymisierung die betroffene Person mit den bestehenden restlichen Daten noch ohne unverhältnismässigen Aufwand wieder identifiziert werden kann.</p> Antwort des Bundesrates.
    • <p>Im Zusammenhang mit der bevorstehenden Einführung von elektronischen Patientendossiers stellt sich die Frage, ob und wie die Inhalte für die wissenschaftliche Forschung eingesetzt werden können:</p><p>1. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit Daten aus dem elektronischen Patientendossier für wissenschaftliche Forschung verwendet werden können? Braucht es weiterführende Regelungen, z. B. im Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier?</p><p>2. Sollen die Nutzerinnen und Nutzer von Patientendossiers frei wählen können, ob ihre Daten für wissenschaftliche Forschung genutzt werden sollen? Schlägt der Bundesrat ein Opt-in- oder ein Opt-out-Verfahren vor?</p><p>3. Wie kann sichergestellt werden, dass aufgrund der medizinischen Daten keine Rückschlüsse auf einzelne Personen möglich sind?</p>
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