Kinderehen müssen konsequent bekämpft werden

ShortId
19.4261
Id
20194261
Updated
28.07.2023 02:03
Language
de
Title
Kinderehen müssen konsequent bekämpft werden
AdditionalIndexing
1211;28;2811;1216
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Zürich hat in drei Jahren gegen 300 Ehen mit Minderjährigen registriert. Die Fachstelle Zwangsheirat hatte 2017 Kenntnis von 210 Minderjährigen-Trauungen. Diese Vermählungen waren ungültig, weil erstens die Bräute zu jung für eine Heirat waren und zweitens der Primat der Ziviltrauung verletzt worden war. Wie der Regierungsrat in einer Antwort festhielt, sind Ehen, die im Ausland rechtmässig geschlossen worden sind, auch in der Schweiz gültig. Zur Bekämpfung der Kinderehen muss, wenn die betroffene Person zum Zeitpunkt der Eheschliessung oder der Eintragung der Partnerschaft unter 18 Jahre alt war, bis zum Beweis des Gegenteils Nötigung vermutet werden. In vielen Fällen wird auch das sexuelle Schutzalter unterschritten, welches in der Schweiz bei 16 Jahren liegt. Derartige Fälle beschäftigen die Schweizer Behörden immer wieder. Die Rechtsfolge einer Kinderehe ist heute lediglich, dass die Ehe in der Regel für ungültig erklärt wird. Strafbar ist die Ehe nur dann, wenn sie als Zwangsheirat qualifiziert wird. Minderjährige sind jedoch leichter beeinflussbar, können die Folgen ihrer Entscheidungen nur schwer abschätzen und stehen in der Regel in einem Abhängigkeitsverhältnis, entweder gegenüber ihrem Ehepartner oder gegenüber ihren gesetzlichen Vertretern, welche die Kinderehe mitarrangieren. Aus diesen Gründen soll bei Eheschliessungen, bei denen der Ehepartner weniger als 16 Jahre alt ist, von Gesetzes wegen vermutet werden, dass der Straftatbestand der Zwangsheirat erfüllt ist. Die Grenze für die Strafbarkeit soll bewusst nicht bei 18, sondern bei 16 Jahren zu liegen kommen, da dies einerseits mit dem sexuellen Schutzalter zusammenfällt und es selbst in unserem Kulturkreis Gebiete gibt, in denen die Heirat ab 16 Jahren erlaubt ist, z. B. Schottland.</p>
  • <p>Die Motion verlangt die Einführung einer neuen Gesetzesbestimmung, wonach bei Eheschliessungen mit einem Ehepartner unter 16 Jahren zu vermuten ist, dass jemand den Straftatbestand der Zwangsheirat (Art. 181a Abs. 1 des Strafgesetzbuches, StGB; SR 311.0) erfüllt hat.</p><p>Eine solche Vermutung hätte zur Folge, dass die Strafbehörden in der Schweiz in jedem Fall ein Verfahren einleiten müssten, wenn sie von einer Ehe mit einem Ehepartner unter 16 Jahren Kenntnis erhalten, auch wenn die Ehe im Ausland geschlossen wurde (vgl. Art. 181a Abs. 2 StGB) und insbesondere ungeachtet dessen, ob die betroffene Person zwischenzeitlich volljährig geworden ist. Die Motion lässt offen, ob die Vermutung widerlegbar sein, also der beschuldigten Person (in der Regel wohl den Eltern des unter 16-jährigen Ehepartners) der Nachweis möglich sein soll, dass keine Zwangsheirat vorliegt. Selbst wenn die Vermutung als widerlegbare zu verstehen wäre, dürfte es für die beschuldigte Person nahezu unmöglich sein zu beweisen, dass die Eheschliessung nicht unter Zwang erfolgt war: Negative Tatsachen, hier das Nichtvorliegen einer Zwangssituation, lassen sich kaum beweisen (und sind nach allgemeinen Beweisregeln auch nicht zu beweisen).</p><p>Deshalb widerspräche eine solche Vermutung offensichtlich der Unschuldsvermutung, wie sie in Artikel 32 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV; SR 101) und in Artikel 10 Absatz 1 der Strafprozessordnung (StPO; SR 311.0) verankert ist. Nach diesem Grundsatz obliegt es dem Staat, den Nachweis dafür zu erbringen, dass jemand eine Straftat begangen hat, und nicht der beschuldigten Person, dass sie kein Delikt begangen hat.</p><p>Der Schutz und die Unterstützung von Opfern von Zwangsheiraten ist dem Bundesrat ein wichtiges Anliegen, dem aber nicht allein mithilfe des Strafrechts Rechnung zu tragen ist. Wichtig sind vielmehr auch die Sensibilisierung, die Information und die Prävention. Im Herbst 2012 wurde ein Bundesprogramm zur Bekämpfung von Zwangsheiraten für die Jahre 2013-2017 lanciert. Der Bundesrat misst der Bekämpfung von Zwangsheiraten weiterhin eine grosse Bedeutung zu. Aufgrund der positiven Ergebnisse der Evaluation des erwähnten Bundesprogramms soll die Bekämpfung von Zwangsheiraten im Rahmen eines Projektes in den Jahren 2018 bis 2021 fortgeführt werden.</p><p>In Erfüllung des Postulates Arslan 16.3897, "Evaluation der Revision des Zivilgesetzbuches vom 15. Juni 2012 (Zwangsheiraten)", werden derzeit die zivilrechtlichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über Massnahmen gegen Zwangsheiraten evaluiert und wird möglicher Handlungs- und Anpassungsbedarf namentlich bei Heiraten von Minderjährigen geprüft. Der entsprechende Bericht soll bis Anfang 2020 vorliegen. Auch angesichts dieser Anstrengungen und laufenden Arbeiten ausserhalb des Strafrechts lehnt der Bundesrat die Motion ab.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
  • <p>Die Rechtsgrundlagen sind so zu ergänzen, dass bei Eheschliessungen, bei denen der Ehepartner weniger als 16 Jahre alt ist, von Gesetzes wegen vermutet werden muss, dass der Straftatbestand der Zwangsheirat erfüllt ist.</p>
  • Kinderehen müssen konsequent bekämpft werden
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Zürich hat in drei Jahren gegen 300 Ehen mit Minderjährigen registriert. Die Fachstelle Zwangsheirat hatte 2017 Kenntnis von 210 Minderjährigen-Trauungen. Diese Vermählungen waren ungültig, weil erstens die Bräute zu jung für eine Heirat waren und zweitens der Primat der Ziviltrauung verletzt worden war. Wie der Regierungsrat in einer Antwort festhielt, sind Ehen, die im Ausland rechtmässig geschlossen worden sind, auch in der Schweiz gültig. Zur Bekämpfung der Kinderehen muss, wenn die betroffene Person zum Zeitpunkt der Eheschliessung oder der Eintragung der Partnerschaft unter 18 Jahre alt war, bis zum Beweis des Gegenteils Nötigung vermutet werden. In vielen Fällen wird auch das sexuelle Schutzalter unterschritten, welches in der Schweiz bei 16 Jahren liegt. Derartige Fälle beschäftigen die Schweizer Behörden immer wieder. Die Rechtsfolge einer Kinderehe ist heute lediglich, dass die Ehe in der Regel für ungültig erklärt wird. Strafbar ist die Ehe nur dann, wenn sie als Zwangsheirat qualifiziert wird. Minderjährige sind jedoch leichter beeinflussbar, können die Folgen ihrer Entscheidungen nur schwer abschätzen und stehen in der Regel in einem Abhängigkeitsverhältnis, entweder gegenüber ihrem Ehepartner oder gegenüber ihren gesetzlichen Vertretern, welche die Kinderehe mitarrangieren. Aus diesen Gründen soll bei Eheschliessungen, bei denen der Ehepartner weniger als 16 Jahre alt ist, von Gesetzes wegen vermutet werden, dass der Straftatbestand der Zwangsheirat erfüllt ist. Die Grenze für die Strafbarkeit soll bewusst nicht bei 18, sondern bei 16 Jahren zu liegen kommen, da dies einerseits mit dem sexuellen Schutzalter zusammenfällt und es selbst in unserem Kulturkreis Gebiete gibt, in denen die Heirat ab 16 Jahren erlaubt ist, z. B. Schottland.</p>
    • <p>Die Motion verlangt die Einführung einer neuen Gesetzesbestimmung, wonach bei Eheschliessungen mit einem Ehepartner unter 16 Jahren zu vermuten ist, dass jemand den Straftatbestand der Zwangsheirat (Art. 181a Abs. 1 des Strafgesetzbuches, StGB; SR 311.0) erfüllt hat.</p><p>Eine solche Vermutung hätte zur Folge, dass die Strafbehörden in der Schweiz in jedem Fall ein Verfahren einleiten müssten, wenn sie von einer Ehe mit einem Ehepartner unter 16 Jahren Kenntnis erhalten, auch wenn die Ehe im Ausland geschlossen wurde (vgl. Art. 181a Abs. 2 StGB) und insbesondere ungeachtet dessen, ob die betroffene Person zwischenzeitlich volljährig geworden ist. Die Motion lässt offen, ob die Vermutung widerlegbar sein, also der beschuldigten Person (in der Regel wohl den Eltern des unter 16-jährigen Ehepartners) der Nachweis möglich sein soll, dass keine Zwangsheirat vorliegt. Selbst wenn die Vermutung als widerlegbare zu verstehen wäre, dürfte es für die beschuldigte Person nahezu unmöglich sein zu beweisen, dass die Eheschliessung nicht unter Zwang erfolgt war: Negative Tatsachen, hier das Nichtvorliegen einer Zwangssituation, lassen sich kaum beweisen (und sind nach allgemeinen Beweisregeln auch nicht zu beweisen).</p><p>Deshalb widerspräche eine solche Vermutung offensichtlich der Unschuldsvermutung, wie sie in Artikel 32 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV; SR 101) und in Artikel 10 Absatz 1 der Strafprozessordnung (StPO; SR 311.0) verankert ist. Nach diesem Grundsatz obliegt es dem Staat, den Nachweis dafür zu erbringen, dass jemand eine Straftat begangen hat, und nicht der beschuldigten Person, dass sie kein Delikt begangen hat.</p><p>Der Schutz und die Unterstützung von Opfern von Zwangsheiraten ist dem Bundesrat ein wichtiges Anliegen, dem aber nicht allein mithilfe des Strafrechts Rechnung zu tragen ist. Wichtig sind vielmehr auch die Sensibilisierung, die Information und die Prävention. Im Herbst 2012 wurde ein Bundesprogramm zur Bekämpfung von Zwangsheiraten für die Jahre 2013-2017 lanciert. Der Bundesrat misst der Bekämpfung von Zwangsheiraten weiterhin eine grosse Bedeutung zu. Aufgrund der positiven Ergebnisse der Evaluation des erwähnten Bundesprogramms soll die Bekämpfung von Zwangsheiraten im Rahmen eines Projektes in den Jahren 2018 bis 2021 fortgeführt werden.</p><p>In Erfüllung des Postulates Arslan 16.3897, "Evaluation der Revision des Zivilgesetzbuches vom 15. Juni 2012 (Zwangsheiraten)", werden derzeit die zivilrechtlichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über Massnahmen gegen Zwangsheiraten evaluiert und wird möglicher Handlungs- und Anpassungsbedarf namentlich bei Heiraten von Minderjährigen geprüft. Der entsprechende Bericht soll bis Anfang 2020 vorliegen. Auch angesichts dieser Anstrengungen und laufenden Arbeiten ausserhalb des Strafrechts lehnt der Bundesrat die Motion ab.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
    • <p>Die Rechtsgrundlagen sind so zu ergänzen, dass bei Eheschliessungen, bei denen der Ehepartner weniger als 16 Jahre alt ist, von Gesetzes wegen vermutet werden muss, dass der Straftatbestand der Zwangsheirat erfüllt ist.</p>
    • Kinderehen müssen konsequent bekämpft werden

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