Wirtschaftsfreiheit und Eigentumsrechte versus gute landwirtschaftliche Praxis

ShortId
19.4287
Id
20194287
Updated
28.07.2023 02:14
Language
de
Title
Wirtschaftsfreiheit und Eigentumsrechte versus gute landwirtschaftliche Praxis
AdditionalIndexing
55;52
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>1. Das in der Interpellation erwähnte technische Dokument informiert über die Möglichkeiten zur Reduktion der Breite der Sicherheitsabstände, die im Rahmen der Bewilligung von Pflanzenschutzmitteln vorgegeben sind. Eine mögliche Massnahme ist unter anderem die Verwendung spezieller Spritzgeräte, insbesondere in Bezug auf die Düsen. Diese Ausstattung ermöglicht eine präzise Ausbringung im Zielbereich und reduziert die Driftrisiken. Dabei handelt es sich um spezifische Massnahmen, die die Landwirte anwenden müssen, wenn sie bestehende Sicherheitsabstände reduzieren wollen, z. B. entlang von Fliessgewässern.</p><p>2. Das vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) und vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) gemeinsam erarbeitete Dokument "Vollzugshilfe - Pflanzenschutzmittel in der Landwirtschaft" (2013) enthält eine Definition von guter Pflanzenschutzpraxis. Gemäss dieser Definition müssen Pflanzenschutzmittel in Übereinstimmung mit dem durch die Bewilligung abgedeckten Verwendungszweck und insbesondere unter Berücksichtigung der lokalen Bedingungen angewendet werden. In bestimmten Risikosituationen, insbesondere, wenn sich die Parzellen entlang von Fliessgewässern befinden, müssen die Landwirte bereits heute die Massnahmen des in Frage 1 genannten technischen Dokuments einhalten. Ausserdem erfordert die gute Pflanzenschutzpraxis, dass bei der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln auch die meteorologischen Bedingungen und insbesondere der Wind, der ein entscheidender Faktor zur Vermeidung von Abdrift auf benachbarte Gebiete ist, berücksichtigt werden.</p><p>Seit 2014 unterstützt der Bund die Anschaffung von Spritzen zur gezielten Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln in Dauerkulturen. Es handelt sich um Beiträge für driftreduzierte Spritzgeräte im Sinn von Artikel 82 der Direktzahlungsverordnung, die im Rahmen der Ressourceneffizienzbeiträge ausgerichtet werden.</p><p>3. Die Ausscheidung von Schutzstreifen zwischen Parzellen wird in der Landwirtschaftsgesetzgebung nicht vorgeschrieben. Es erfolgt damit keine Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit oder von Eigentumsrechten. Der Bundesrat hat zudem im Rahmen der Vernehmlassung zur Agrarpolitik ab 2022 (AP 22 plus) vorgeschlagen, den Einsatz von Technologien und Massnahmen zur Reduktion der Abdrift und der Abschwemmung von Pflanzenschutzmitteln im ökologischen Leistungsnachweis (ÖLN) - auf allen Parzellen - für verbindlich zu erklären. Betriebe, die Direktzahlungen erhalten, sollen somit zur Umsetzung von entsprechenden emissionsmindernden Massnahmen verpflichtet werden (siehe Antworten zu den Fragen 4 und 5).</p><p>4./5. Im Rahmen der Vernehmlassung zur AP 22 plus schlägt der Bundesrat vor, die obligatorische Umsetzung von Massnahmen zur Reduktion der Emissionen von Pflanzenschutzmitteln ausserhalb des Zielbereichs in den ÖLN aufzunehmen. Diese Anforderung soll in Zukunft für alle Parzellen gelten, auf denen Pflanzenschutzmittel ausgebracht werden, und nicht nur für Parzellen, auf denen die Ausbringung ein Risiko darstellt, wie es bisher gehandhabt wurde. Die vorgeschlagenen Massnahmen zielen darauf ab, die Emissionen durch Drift um 75 Prozent zu reduzieren. Darüber hinaus wird erwartet, dass dank neuer ÖLN-Bestimmungen eine 95-prozentige Reduktion der Schadstoffemissionen, die durch das Befüllen, das Spülen und die Reinigung der Spritzgeräte verursacht werden, erreicht werden kann. Zu diesem Zweck muss Wasser, das Rückstände von Pflanzenschutzmitteln enthält, gesammelt und aufbereitet werden.</p><p>Zudem sieht die AP 22 plus vor, die Produktionssystembeiträge (PSB) zu stärken. Im Bereich Pflanzenbau ermutigen die PSB die Landwirte, auf Pflanzenschutzmittel zu verzichten und so weit wie möglich andere Methoden anzuwenden.</p><p>Die in der AP 22 plus vorgeschlagenen Massnahmen zielen darauf ab, die Mengen der verwendeten Pflanzenschutzmittel sowie das Driftrisiko auch zwischen aneinander angrenzenden Parzellen zu verringern.</p> Antwort des Bundesrates.
  • <p>Messungen zeigen, dass Pflanzenschutzmittel und ihre Abbauprodukte verbreitet auch auf nicht behandelten Parzellen anzutreffen sind. Die Verfrachtung erfolgt über Abdrift, Verdunstung oder Verwehung von Bodenpartikeln. Bioprodukte enthalten trotz aller Vorkehrungen immer wieder Spuren von Pestiziden. In der Antwort auf meine Interpellation 16.3300 legt der Bundesrat dar, dass Anwender von Pflanzenschutzmitteln (PSM) Sicherheitsabstände zu Oberflächengewässern, entlang von Biotopen und "nötigenfalls" auch gegenüber Wohngebieten einhalten müssen. Keine Vorschriften gibt es gegenüber anderen Kulturen. Sofern die Einwirkungen auf sein Grundstück nicht im Sinne von Artikel 684 ZGB übermässig sind, hat der Nachbar gemäss der Antwort des Bundesrates Abdrift zu dulden.</p><p>Biobetriebe sind durch die geltende Rechtspraxis gezwungen, Schutzstreifen auf ihrem eigenen Land auszuscheiden, um Kontaminationen zu vermeiden. Das Gleiche gilt für konventionelle Landwirte, die Abdrifte von nicht geeigneten Pestiziden auf ihre Kulturen vermeiden müssen. Dies schränkt die Wirtschaftsfreiheit und das Eigentumsrecht der Produzenten erheblich ein.</p><p>Heute liegen ausgereifte Technologien und Anbaumethoden vor, die den Verzicht oder gezielteren Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden erlauben würden. So soll gemäss Merkblatt des BLW vom Mai 2018 (Reduktion der Drift und Abschwemmung von Pflanzenschutzmitteln im Acker- und Gemüsebau) eine Driftreduktion von 50 bis 95 Prozent erreicht werden, schon alleine, wenn mit geringerem Druck und Injektordüsen gespritzt wird.</p><p>1. Gehören die genannten Massnahmen zur Driftreduktion sowie die weiteren Massnahmen im Merkblatt des BLW zum Stand der Technik?</p><p>2. Muss die gute landwirtschaftliche Praxis unter dem Gesichtspunkt des heutigen Standes der Technik neu definiert werden?</p><p>3. Lassen sich die genannten Einschränkungen der Wirtschaftsfreiheit und der Eigentumsrechte weiterhin rechtfertigen, wenn Massnahmen und Anbaumethoden nach dem Stand der Technik zur Verfügung stehen, die diese Rechte besser wahren?</p><p>4. Wie können diese effizienten technischen Massnahmen zur Driftreduktion verbindlich vorgeschrieben werden, etwa mit einer Regelung in der Luftreinhalte-Verordnung wie bei den Partikelfiltern für Baumaschinen?</p><p>5. Muss die Agrarpolitik 22 plus zusätzlich Massnahmen und Anbaumethoden nach dem Stand der Technik fördern bzw. als Voraussetzung für den ÖLN definieren?</p>
  • Wirtschaftsfreiheit und Eigentumsrechte versus gute landwirtschaftliche Praxis
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>1. Das in der Interpellation erwähnte technische Dokument informiert über die Möglichkeiten zur Reduktion der Breite der Sicherheitsabstände, die im Rahmen der Bewilligung von Pflanzenschutzmitteln vorgegeben sind. Eine mögliche Massnahme ist unter anderem die Verwendung spezieller Spritzgeräte, insbesondere in Bezug auf die Düsen. Diese Ausstattung ermöglicht eine präzise Ausbringung im Zielbereich und reduziert die Driftrisiken. Dabei handelt es sich um spezifische Massnahmen, die die Landwirte anwenden müssen, wenn sie bestehende Sicherheitsabstände reduzieren wollen, z. B. entlang von Fliessgewässern.</p><p>2. Das vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) und vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) gemeinsam erarbeitete Dokument "Vollzugshilfe - Pflanzenschutzmittel in der Landwirtschaft" (2013) enthält eine Definition von guter Pflanzenschutzpraxis. Gemäss dieser Definition müssen Pflanzenschutzmittel in Übereinstimmung mit dem durch die Bewilligung abgedeckten Verwendungszweck und insbesondere unter Berücksichtigung der lokalen Bedingungen angewendet werden. In bestimmten Risikosituationen, insbesondere, wenn sich die Parzellen entlang von Fliessgewässern befinden, müssen die Landwirte bereits heute die Massnahmen des in Frage 1 genannten technischen Dokuments einhalten. Ausserdem erfordert die gute Pflanzenschutzpraxis, dass bei der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln auch die meteorologischen Bedingungen und insbesondere der Wind, der ein entscheidender Faktor zur Vermeidung von Abdrift auf benachbarte Gebiete ist, berücksichtigt werden.</p><p>Seit 2014 unterstützt der Bund die Anschaffung von Spritzen zur gezielten Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln in Dauerkulturen. Es handelt sich um Beiträge für driftreduzierte Spritzgeräte im Sinn von Artikel 82 der Direktzahlungsverordnung, die im Rahmen der Ressourceneffizienzbeiträge ausgerichtet werden.</p><p>3. Die Ausscheidung von Schutzstreifen zwischen Parzellen wird in der Landwirtschaftsgesetzgebung nicht vorgeschrieben. Es erfolgt damit keine Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit oder von Eigentumsrechten. Der Bundesrat hat zudem im Rahmen der Vernehmlassung zur Agrarpolitik ab 2022 (AP 22 plus) vorgeschlagen, den Einsatz von Technologien und Massnahmen zur Reduktion der Abdrift und der Abschwemmung von Pflanzenschutzmitteln im ökologischen Leistungsnachweis (ÖLN) - auf allen Parzellen - für verbindlich zu erklären. Betriebe, die Direktzahlungen erhalten, sollen somit zur Umsetzung von entsprechenden emissionsmindernden Massnahmen verpflichtet werden (siehe Antworten zu den Fragen 4 und 5).</p><p>4./5. Im Rahmen der Vernehmlassung zur AP 22 plus schlägt der Bundesrat vor, die obligatorische Umsetzung von Massnahmen zur Reduktion der Emissionen von Pflanzenschutzmitteln ausserhalb des Zielbereichs in den ÖLN aufzunehmen. Diese Anforderung soll in Zukunft für alle Parzellen gelten, auf denen Pflanzenschutzmittel ausgebracht werden, und nicht nur für Parzellen, auf denen die Ausbringung ein Risiko darstellt, wie es bisher gehandhabt wurde. Die vorgeschlagenen Massnahmen zielen darauf ab, die Emissionen durch Drift um 75 Prozent zu reduzieren. Darüber hinaus wird erwartet, dass dank neuer ÖLN-Bestimmungen eine 95-prozentige Reduktion der Schadstoffemissionen, die durch das Befüllen, das Spülen und die Reinigung der Spritzgeräte verursacht werden, erreicht werden kann. Zu diesem Zweck muss Wasser, das Rückstände von Pflanzenschutzmitteln enthält, gesammelt und aufbereitet werden.</p><p>Zudem sieht die AP 22 plus vor, die Produktionssystembeiträge (PSB) zu stärken. Im Bereich Pflanzenbau ermutigen die PSB die Landwirte, auf Pflanzenschutzmittel zu verzichten und so weit wie möglich andere Methoden anzuwenden.</p><p>Die in der AP 22 plus vorgeschlagenen Massnahmen zielen darauf ab, die Mengen der verwendeten Pflanzenschutzmittel sowie das Driftrisiko auch zwischen aneinander angrenzenden Parzellen zu verringern.</p> Antwort des Bundesrates.
    • <p>Messungen zeigen, dass Pflanzenschutzmittel und ihre Abbauprodukte verbreitet auch auf nicht behandelten Parzellen anzutreffen sind. Die Verfrachtung erfolgt über Abdrift, Verdunstung oder Verwehung von Bodenpartikeln. Bioprodukte enthalten trotz aller Vorkehrungen immer wieder Spuren von Pestiziden. In der Antwort auf meine Interpellation 16.3300 legt der Bundesrat dar, dass Anwender von Pflanzenschutzmitteln (PSM) Sicherheitsabstände zu Oberflächengewässern, entlang von Biotopen und "nötigenfalls" auch gegenüber Wohngebieten einhalten müssen. Keine Vorschriften gibt es gegenüber anderen Kulturen. Sofern die Einwirkungen auf sein Grundstück nicht im Sinne von Artikel 684 ZGB übermässig sind, hat der Nachbar gemäss der Antwort des Bundesrates Abdrift zu dulden.</p><p>Biobetriebe sind durch die geltende Rechtspraxis gezwungen, Schutzstreifen auf ihrem eigenen Land auszuscheiden, um Kontaminationen zu vermeiden. Das Gleiche gilt für konventionelle Landwirte, die Abdrifte von nicht geeigneten Pestiziden auf ihre Kulturen vermeiden müssen. Dies schränkt die Wirtschaftsfreiheit und das Eigentumsrecht der Produzenten erheblich ein.</p><p>Heute liegen ausgereifte Technologien und Anbaumethoden vor, die den Verzicht oder gezielteren Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden erlauben würden. So soll gemäss Merkblatt des BLW vom Mai 2018 (Reduktion der Drift und Abschwemmung von Pflanzenschutzmitteln im Acker- und Gemüsebau) eine Driftreduktion von 50 bis 95 Prozent erreicht werden, schon alleine, wenn mit geringerem Druck und Injektordüsen gespritzt wird.</p><p>1. Gehören die genannten Massnahmen zur Driftreduktion sowie die weiteren Massnahmen im Merkblatt des BLW zum Stand der Technik?</p><p>2. Muss die gute landwirtschaftliche Praxis unter dem Gesichtspunkt des heutigen Standes der Technik neu definiert werden?</p><p>3. Lassen sich die genannten Einschränkungen der Wirtschaftsfreiheit und der Eigentumsrechte weiterhin rechtfertigen, wenn Massnahmen und Anbaumethoden nach dem Stand der Technik zur Verfügung stehen, die diese Rechte besser wahren?</p><p>4. Wie können diese effizienten technischen Massnahmen zur Driftreduktion verbindlich vorgeschrieben werden, etwa mit einer Regelung in der Luftreinhalte-Verordnung wie bei den Partikelfiltern für Baumaschinen?</p><p>5. Muss die Agrarpolitik 22 plus zusätzlich Massnahmen und Anbaumethoden nach dem Stand der Technik fördern bzw. als Voraussetzung für den ÖLN definieren?</p>
    • Wirtschaftsfreiheit und Eigentumsrechte versus gute landwirtschaftliche Praxis

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