Die Abgabe von Antidepressiva in der Schweiz muss massiv gesenkt werden

ShortId
19.4305
Id
20194305
Updated
21.05.2024 08:44
Language
de
Title
Die Abgabe von Antidepressiva in der Schweiz muss massiv gesenkt werden
AdditionalIndexing
36;2841
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>In der "NZZ" vom Freitag, 19. Juli 2019 machte Lena Stallmach auf den nur geringen Nutzen von Antidepressiva aufmerksam. Eine grosse Metaanalyse stellt darin die Medikamente gegen Depressionen in ein schlechtes Licht. </p><p>Der Unterschied in der Wirksamkeit zwischen Medikamenten und Placebos ist so klein, dass ein Arzt ihn nicht einmal bemerken kann. Warum werden trotzdem 9 Prozent der Schweizer Bevölkerung mit solchen Medikamenten behandelt, obwohl diese erschreckende Nebenwirkungen auslösen können?</p><p>Bei der Beantwortung meiner Interpellation aus dem Jahre 2013 (13.4113, "Statistiken im Zusammenhang mit Einnahme von Psychopharmaka") gibt der Bundesrat zu: "Psychopharmaka haben ein relevantes Nebenwirkungspotenzial. In der Nebenwirkungsdatenbank von Swissmedic sind Psychopharmaka bei etwa 22 Prozent aller registrierten Meldungen vermuteter unerwünschter Arzneimittelwirkungen mitbeteiligt."</p><p>In der Schweiz wird laut dem Artikel der "NZZ" die Hälfte der Rezepte für Antidepressiva von Hausärzten ausgestellt. Sinnvoll wäre, dass nur ein erfahrener Arzt mit dem entsprechenden Fachwissen zusammen mit dem Patienten die geeignete Lösung findet. Denkbar wäre auch ein Einsatz der Komplementärmedizin ... </p><p>Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Kreislaufprobleme, innere Unruhe, Schlafstörungen oder sexuelle Funktionsstörungen können auch zu suizidalen Impulsen eskalieren. Letztere Tatsache ist bekannt, und deshalb wird in den Kliniken ein besonderes Augenmerk auf den Anfang der Therapie mit Antidepressiva gelenkt.</p><p>Viele Fachleute machten auf die oft leichtfertige Abgabe von Medikamenten aufmerksam. Ich nahm mich 2013 auch dieser Sorge an und fragte diesbezüglich den Bundesrat. Jetzt liegen neue Forschungsergebnisse und Erfahrungen in der Praxis vor, und deshalb bin ich überzeugt, dass der Bundesrat in dieser Sache handeln muss.</p><p>Wenn Antidepressiva nur gering wirksamer sind als Placebos (ein Medikament ohne Wirkstoff), aber massive Nebenwirkungen bis zum Suizid aufweisen, muss ihre Abgabe stark eingeschränkt werden.</p>
  • <p>Der Bundesrat teilt das Anliegen der Motionärin, dass dem zweckmässigen Einsatz von Antidepressiva in der Gesundheitsversorgung Beachtung zu schenken ist. Wie er bereits in seiner Antwort auf die Interpellation von Siebenthal 18.3521 festgehalten hat, erfordern Antidepressiva (die zu den Psychopharmaka gehören) einen sorgfältigen Einsatz, welcher nur auf Verschreibung durch einen Facharzt bzw. eine Fachärztin und unter deren Überwachung erfolgen darf. Die ärztliche Sorgfaltspflicht verlangt, dass die Abgabe von Arzneimitteln entsprechend dem aktuellen Fachwissen erfolgt.</p><p>Es liegt in der Zuständigkeit der Fachgesellschaften (wie z. B. der Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, SGPP), mittels Richtlinien und Leitfäden der Ärzteschaft den fachgerechten Einsatz von Psychopharmaka aufzuzeigen und Empfehlungen abzugeben. Gemäss dem Bericht "Leistungssteigernde Arzneimittel" des Bundesrates vom 6. November 2014 (in Erfüllung der Postulate Fehr Jacqueline 09.3665, Ingold 13.3157 sowie 13.3012 der SGK-N) halten sich die behandelnden Ärztinnen und Ärzte in der Regel an diese Behandlungsempfehlungen.</p><p>Diese Zuständigkeit der Fachgesellschaften ist zweckmässig, da sie nah an der Praxis sind. Die Fachgesellschaften sind auch in der Lage, die Relevanz neuer wissenschaftlicher Evidenz zu evaluieren und - falls angezeigt - in ihre Empfehlungen einfliessen zu lassen.</p><p>Der Bundesrat sieht daher keine Notwendigkeit, die Zuständigkeit der Fachgesellschaften für das Festlegen der fachlichen Vorgaben für die Verschreibung von Arzneimitteln infrage zu stellen und eine gesetzliche Einschränkung der Abgabe von Antidepressiva vorzunehmen. Eine wie in der Motion geforderte Einschränkung würde einen massiven Eingriff in die Behandlungsmöglichkeiten von Patientinnen und Patienten zur Folge haben.</p><p>Zur Verbesserung der Versorgung von psychisch kranken Personen hat der Bundesrat am 26. Juni 2019 den Entwurf der Änderung der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV; SR 832.102) und der Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV; SR 832.112.31) in die Vernehmlassung gegeben. Mit der Einführung eines Anordnungsmodells zur Durchführung von Psychotherapien durch psychologische Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten kann nach Ansicht des Bundesrates auch eine verminderte Abgabe von Psychopharmaka erwartet werden.</p><p>Zudem engagieren sich Bund und Kantone gemeinsam mit der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz für die Prävention psychischer Erkrankungen und unterstützen Projekte zur Förderung der psychischen Gesundheit.</p><p>Der Bundesrat erachtet angesichts der eingebrachten Argumente Anpassungen auf Gesetzesstufe als nicht angezeigt.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
  • <p>Der Bundesrat wird aufgrund neuester Erfahrungen und Forschungsergebnisse beauftragt, gesetzgeberisch tätig zu sein, um die Abgabe von Antidepressiva in der Schweiz massiv einzudämmen.</p>
  • Die Abgabe von Antidepressiva in der Schweiz muss massiv gesenkt werden
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>In der "NZZ" vom Freitag, 19. Juli 2019 machte Lena Stallmach auf den nur geringen Nutzen von Antidepressiva aufmerksam. Eine grosse Metaanalyse stellt darin die Medikamente gegen Depressionen in ein schlechtes Licht. </p><p>Der Unterschied in der Wirksamkeit zwischen Medikamenten und Placebos ist so klein, dass ein Arzt ihn nicht einmal bemerken kann. Warum werden trotzdem 9 Prozent der Schweizer Bevölkerung mit solchen Medikamenten behandelt, obwohl diese erschreckende Nebenwirkungen auslösen können?</p><p>Bei der Beantwortung meiner Interpellation aus dem Jahre 2013 (13.4113, "Statistiken im Zusammenhang mit Einnahme von Psychopharmaka") gibt der Bundesrat zu: "Psychopharmaka haben ein relevantes Nebenwirkungspotenzial. In der Nebenwirkungsdatenbank von Swissmedic sind Psychopharmaka bei etwa 22 Prozent aller registrierten Meldungen vermuteter unerwünschter Arzneimittelwirkungen mitbeteiligt."</p><p>In der Schweiz wird laut dem Artikel der "NZZ" die Hälfte der Rezepte für Antidepressiva von Hausärzten ausgestellt. Sinnvoll wäre, dass nur ein erfahrener Arzt mit dem entsprechenden Fachwissen zusammen mit dem Patienten die geeignete Lösung findet. Denkbar wäre auch ein Einsatz der Komplementärmedizin ... </p><p>Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Kreislaufprobleme, innere Unruhe, Schlafstörungen oder sexuelle Funktionsstörungen können auch zu suizidalen Impulsen eskalieren. Letztere Tatsache ist bekannt, und deshalb wird in den Kliniken ein besonderes Augenmerk auf den Anfang der Therapie mit Antidepressiva gelenkt.</p><p>Viele Fachleute machten auf die oft leichtfertige Abgabe von Medikamenten aufmerksam. Ich nahm mich 2013 auch dieser Sorge an und fragte diesbezüglich den Bundesrat. Jetzt liegen neue Forschungsergebnisse und Erfahrungen in der Praxis vor, und deshalb bin ich überzeugt, dass der Bundesrat in dieser Sache handeln muss.</p><p>Wenn Antidepressiva nur gering wirksamer sind als Placebos (ein Medikament ohne Wirkstoff), aber massive Nebenwirkungen bis zum Suizid aufweisen, muss ihre Abgabe stark eingeschränkt werden.</p>
    • <p>Der Bundesrat teilt das Anliegen der Motionärin, dass dem zweckmässigen Einsatz von Antidepressiva in der Gesundheitsversorgung Beachtung zu schenken ist. Wie er bereits in seiner Antwort auf die Interpellation von Siebenthal 18.3521 festgehalten hat, erfordern Antidepressiva (die zu den Psychopharmaka gehören) einen sorgfältigen Einsatz, welcher nur auf Verschreibung durch einen Facharzt bzw. eine Fachärztin und unter deren Überwachung erfolgen darf. Die ärztliche Sorgfaltspflicht verlangt, dass die Abgabe von Arzneimitteln entsprechend dem aktuellen Fachwissen erfolgt.</p><p>Es liegt in der Zuständigkeit der Fachgesellschaften (wie z. B. der Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, SGPP), mittels Richtlinien und Leitfäden der Ärzteschaft den fachgerechten Einsatz von Psychopharmaka aufzuzeigen und Empfehlungen abzugeben. Gemäss dem Bericht "Leistungssteigernde Arzneimittel" des Bundesrates vom 6. November 2014 (in Erfüllung der Postulate Fehr Jacqueline 09.3665, Ingold 13.3157 sowie 13.3012 der SGK-N) halten sich die behandelnden Ärztinnen und Ärzte in der Regel an diese Behandlungsempfehlungen.</p><p>Diese Zuständigkeit der Fachgesellschaften ist zweckmässig, da sie nah an der Praxis sind. Die Fachgesellschaften sind auch in der Lage, die Relevanz neuer wissenschaftlicher Evidenz zu evaluieren und - falls angezeigt - in ihre Empfehlungen einfliessen zu lassen.</p><p>Der Bundesrat sieht daher keine Notwendigkeit, die Zuständigkeit der Fachgesellschaften für das Festlegen der fachlichen Vorgaben für die Verschreibung von Arzneimitteln infrage zu stellen und eine gesetzliche Einschränkung der Abgabe von Antidepressiva vorzunehmen. Eine wie in der Motion geforderte Einschränkung würde einen massiven Eingriff in die Behandlungsmöglichkeiten von Patientinnen und Patienten zur Folge haben.</p><p>Zur Verbesserung der Versorgung von psychisch kranken Personen hat der Bundesrat am 26. Juni 2019 den Entwurf der Änderung der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV; SR 832.102) und der Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV; SR 832.112.31) in die Vernehmlassung gegeben. Mit der Einführung eines Anordnungsmodells zur Durchführung von Psychotherapien durch psychologische Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten kann nach Ansicht des Bundesrates auch eine verminderte Abgabe von Psychopharmaka erwartet werden.</p><p>Zudem engagieren sich Bund und Kantone gemeinsam mit der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz für die Prävention psychischer Erkrankungen und unterstützen Projekte zur Förderung der psychischen Gesundheit.</p><p>Der Bundesrat erachtet angesichts der eingebrachten Argumente Anpassungen auf Gesetzesstufe als nicht angezeigt.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
    • <p>Der Bundesrat wird aufgrund neuester Erfahrungen und Forschungsergebnisse beauftragt, gesetzgeberisch tätig zu sein, um die Abgabe von Antidepressiva in der Schweiz massiv einzudämmen.</p>
    • Die Abgabe von Antidepressiva in der Schweiz muss massiv gesenkt werden

Back to List