Wer schützt uns vor den Herdenschutzhunden?

ShortId
20.4118
Id
20204118
Updated
28.07.2023 01:06
Language
de
Title
Wer schützt uns vor den Herdenschutzhunden?
AdditionalIndexing
52
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Die exponentielle Zunahme der Wölfe in der Schweiz in den letzten zehn Jahren hat viele Züchterinnen und Züchter gezwungen, Massnahmen zum Schutz ihrer Herden zu ergreifen. Zurzeit gibt es in der Schweiz mehr als 80 Wölfe, von denen ein grosser Teil auf etwa zehn Rudel aufgeteilt ist. Der Wolfsbestand ist zwischen 2010 und 2020 um 700 Prozent gewachsen! Neben Einzäunungen, wo dies möglich ist - eine 2017 von Agridea durchgeführte Studie hat gezeigt, dass beispielsweise im Kanton Tessin nur 30 Prozent der Herden durch Einzäunungen wirksam geschützt werden können -, werden heute auch erheblich mehr Herdenschutzhunde (in der Regel Maremmen-Abruzzen-Schäferhunde) eingesetzt. </p><p>Die Präsenz dieser Hunde hat jedoch, wie dies vorauszusehen war, zu einem Anstieg der Konflikte mit Naturliebhaberinnen und Naturliebhabern geführt, insbesondere mit Wandererinnen und Wanderen sowie mit Mountainbikerinnen und Mountainbikern, die sich in den Bergen aufhalten. Diese Hunde, die sich gegenüber jeder möglichen Bedrohung aggressiv verhalten, greifen oft auch Passantinnen und Passanten an, die ein Stück Land durchqueren, in dem Herden weiden.</p><p>Die Meldungen über Angriffe, die für die Betroffenen mitunter körperliche Folgen haben, werden immer mehr und der Unmut von Tourismusveranstaltern und Bergfreundinnen und -freunden wächst (im Kanton Uri wurden beispielsweise Stimmen für ein Verbot von Herdenschutzhunden laut). </p><p>Die Situation darf nicht unterschätzt und muss angegangen werden, indem man Kompromisslösungen sucht, die alle vertretenen Interessen berücksichtigen. So könnte man beispielsweise Massnahmen zur Verbesserung der Beschilderung sowie der Schulung der Hunde ergreifen, oder man könnte deren Einsatz bei Tag einschränken.</p>
  • <p>Der Bundesrat hat in Erfüllung der Motion Hassler (10.3242) mit Anpassungen des Bundesrechts die Finanzierung von Herdenschutzmassnahmen umgesetzt. Er hat bezüglich Herdenschutzhunden die Haftungsfrage geregelt sowie ein System zu deren Zucht, Ausbildung, Haltung, Einsatz und Überwachung (Monitoring) eingeführt (Art. 10ter und 10quater JSV; Art. 77 TSchV, "Vollzugshilfe Herdenschutz"). Finanziell gefördert werden dabei nur Herdenschutzhunde, welche die Anforderungen des Bundesprogramms erfüllen.</p><p>1) Der Bundesrat ist sich der Konflikte bewusst. Entsprechend hat das zuständige Bundesamt für Umwelt (BAFU) ein Konzept zur Unfallverhütung mit vom Bund geförderten Herdenschutzhunden erarbeitet. Die Kantone und Landwirtinnen und Landwirte sind verpflichtet dieses umzusetzen.</p><p>2) Der Bund erfasst in seinem Monitoring nur Vorfälle mit Herdenschutzhunden gemäss dem Konzept zur Unfallverhütung. Pro Jahr gibt es durchschnittlich 14 Schnappvorfälle gegenüber Menschen, bei einem Bestand von aktuell rund 350 Herdenschutzhunden aus dem Bundesprogramm. Für andere Herdenschutzhunde gibt es keine Überwachung durch den Bund und deshalb auch keine Statistik zu den Vorfällen.</p><p>3) Die Rechtsgrundlagen und die vorgeschlagenen Massnahmen zur Verminderung von Konflikten mit Herdenschutzhunden beurteilt der Bundesrat als ausreichend. Die Umsetzung dieser Grundlagen obliegt den Kantonen und der Landwirtschaft. Der Bund hat jedoch keinen Einfluss auf den Einsatz von Herdenschutzhunden, die ausserhalb des Bundesprogramms eingesetzt werden.</p><p>4) Da Wölfe keinesfalls nur bei Nacht angreifen, wäre ein zeitweises Wegsperren von Herdenschutzhunden zweckwidrig. Zusätzlich würde ein solches Wegsperren auch die Einsatzfähigkeit der Hunde stark hemmen, weil dadurch deren Bindung an die Nutztiere gestört würde. Stattdessen empfiehlt der Bund den Kantonen dafür zu sorgen, dass die Einsatzgebiete der Herdenschutzhunde gemäss Konzept des Bundes von den Fuss- und Wanderwegen entflochten werden, wo es das Gutachten der Beratungsstelle für Unfallverhütung in der Landwirtschaft (BUL) im konkreten Falle verlangt. Falls dies nicht durch eine entsprechende Weideführung der Nutztiere erreicht werden kann, soll dies durch eine (zeitweise) Sperrung und Umleitung der Fuss- und Wanderwege erfolgen.</p><p>5) Ja, der Bundesrat hält die Ausbildung der Hunde für angemessen. Mängel ortet er eher bei der Umsetzung der Massnahmen zur Konfliktverhütung mit Herdenschutzhunden in den Kantonen und in der Landwirtschaft sowie beim Umgang der Touristinnen und Touristen mit den Hunden.</p> Antwort des Bundesrates.
  • <p>Ich frage den Bundesrat:</p><p>1. Sind ihm die zunehmenden Konflikte bekannt, die Herdenschutzhunde in den Alpenregionen verursachen, da es immer wieder zu Angriffen besonders gegen Wandererinnen und Wanderer sowie Mountainbikerinnen und Mountainbiker kommt, bei denen es teilweise auch Verletzte gibt?</p><p>2. Gibt es eine Statistik über die Angriffe dieser Hunde gegen Personen? Falls ja, welche Daten stehen zur Verfügung?</p><p>3. Teilt der Bundesrat die Meinung, dass man unbedingt eingreifen und Regeln festlegen sowie Vorsichtsmassnahmen ergreifen sollte, um potentielle Konflikte auf ein Minimum zu reduzieren?</p><p>4. Wie bewertet der Bundesrat beispielsweise die Möglichkeit, solche Hunde bei Tag so wenig wie möglich einzusetzen, wenn man bedenkt, dass der Wolf in der Regel in der Nacht unterwegs ist und Herden angreift?</p><p>5. Unabhängig von anderen Einschätzungen, hält der Bundesrat die Ausbildung dieser Hunde für angemessen und was könnte unternommen werden, um diese Ausbildung wenn nötig weiter zu verbessern?</p>
  • Wer schützt uns vor den Herdenschutzhunden?
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Die exponentielle Zunahme der Wölfe in der Schweiz in den letzten zehn Jahren hat viele Züchterinnen und Züchter gezwungen, Massnahmen zum Schutz ihrer Herden zu ergreifen. Zurzeit gibt es in der Schweiz mehr als 80 Wölfe, von denen ein grosser Teil auf etwa zehn Rudel aufgeteilt ist. Der Wolfsbestand ist zwischen 2010 und 2020 um 700 Prozent gewachsen! Neben Einzäunungen, wo dies möglich ist - eine 2017 von Agridea durchgeführte Studie hat gezeigt, dass beispielsweise im Kanton Tessin nur 30 Prozent der Herden durch Einzäunungen wirksam geschützt werden können -, werden heute auch erheblich mehr Herdenschutzhunde (in der Regel Maremmen-Abruzzen-Schäferhunde) eingesetzt. </p><p>Die Präsenz dieser Hunde hat jedoch, wie dies vorauszusehen war, zu einem Anstieg der Konflikte mit Naturliebhaberinnen und Naturliebhabern geführt, insbesondere mit Wandererinnen und Wanderen sowie mit Mountainbikerinnen und Mountainbikern, die sich in den Bergen aufhalten. Diese Hunde, die sich gegenüber jeder möglichen Bedrohung aggressiv verhalten, greifen oft auch Passantinnen und Passanten an, die ein Stück Land durchqueren, in dem Herden weiden.</p><p>Die Meldungen über Angriffe, die für die Betroffenen mitunter körperliche Folgen haben, werden immer mehr und der Unmut von Tourismusveranstaltern und Bergfreundinnen und -freunden wächst (im Kanton Uri wurden beispielsweise Stimmen für ein Verbot von Herdenschutzhunden laut). </p><p>Die Situation darf nicht unterschätzt und muss angegangen werden, indem man Kompromisslösungen sucht, die alle vertretenen Interessen berücksichtigen. So könnte man beispielsweise Massnahmen zur Verbesserung der Beschilderung sowie der Schulung der Hunde ergreifen, oder man könnte deren Einsatz bei Tag einschränken.</p>
    • <p>Der Bundesrat hat in Erfüllung der Motion Hassler (10.3242) mit Anpassungen des Bundesrechts die Finanzierung von Herdenschutzmassnahmen umgesetzt. Er hat bezüglich Herdenschutzhunden die Haftungsfrage geregelt sowie ein System zu deren Zucht, Ausbildung, Haltung, Einsatz und Überwachung (Monitoring) eingeführt (Art. 10ter und 10quater JSV; Art. 77 TSchV, "Vollzugshilfe Herdenschutz"). Finanziell gefördert werden dabei nur Herdenschutzhunde, welche die Anforderungen des Bundesprogramms erfüllen.</p><p>1) Der Bundesrat ist sich der Konflikte bewusst. Entsprechend hat das zuständige Bundesamt für Umwelt (BAFU) ein Konzept zur Unfallverhütung mit vom Bund geförderten Herdenschutzhunden erarbeitet. Die Kantone und Landwirtinnen und Landwirte sind verpflichtet dieses umzusetzen.</p><p>2) Der Bund erfasst in seinem Monitoring nur Vorfälle mit Herdenschutzhunden gemäss dem Konzept zur Unfallverhütung. Pro Jahr gibt es durchschnittlich 14 Schnappvorfälle gegenüber Menschen, bei einem Bestand von aktuell rund 350 Herdenschutzhunden aus dem Bundesprogramm. Für andere Herdenschutzhunde gibt es keine Überwachung durch den Bund und deshalb auch keine Statistik zu den Vorfällen.</p><p>3) Die Rechtsgrundlagen und die vorgeschlagenen Massnahmen zur Verminderung von Konflikten mit Herdenschutzhunden beurteilt der Bundesrat als ausreichend. Die Umsetzung dieser Grundlagen obliegt den Kantonen und der Landwirtschaft. Der Bund hat jedoch keinen Einfluss auf den Einsatz von Herdenschutzhunden, die ausserhalb des Bundesprogramms eingesetzt werden.</p><p>4) Da Wölfe keinesfalls nur bei Nacht angreifen, wäre ein zeitweises Wegsperren von Herdenschutzhunden zweckwidrig. Zusätzlich würde ein solches Wegsperren auch die Einsatzfähigkeit der Hunde stark hemmen, weil dadurch deren Bindung an die Nutztiere gestört würde. Stattdessen empfiehlt der Bund den Kantonen dafür zu sorgen, dass die Einsatzgebiete der Herdenschutzhunde gemäss Konzept des Bundes von den Fuss- und Wanderwegen entflochten werden, wo es das Gutachten der Beratungsstelle für Unfallverhütung in der Landwirtschaft (BUL) im konkreten Falle verlangt. Falls dies nicht durch eine entsprechende Weideführung der Nutztiere erreicht werden kann, soll dies durch eine (zeitweise) Sperrung und Umleitung der Fuss- und Wanderwege erfolgen.</p><p>5) Ja, der Bundesrat hält die Ausbildung der Hunde für angemessen. Mängel ortet er eher bei der Umsetzung der Massnahmen zur Konfliktverhütung mit Herdenschutzhunden in den Kantonen und in der Landwirtschaft sowie beim Umgang der Touristinnen und Touristen mit den Hunden.</p> Antwort des Bundesrates.
    • <p>Ich frage den Bundesrat:</p><p>1. Sind ihm die zunehmenden Konflikte bekannt, die Herdenschutzhunde in den Alpenregionen verursachen, da es immer wieder zu Angriffen besonders gegen Wandererinnen und Wanderer sowie Mountainbikerinnen und Mountainbiker kommt, bei denen es teilweise auch Verletzte gibt?</p><p>2. Gibt es eine Statistik über die Angriffe dieser Hunde gegen Personen? Falls ja, welche Daten stehen zur Verfügung?</p><p>3. Teilt der Bundesrat die Meinung, dass man unbedingt eingreifen und Regeln festlegen sowie Vorsichtsmassnahmen ergreifen sollte, um potentielle Konflikte auf ein Minimum zu reduzieren?</p><p>4. Wie bewertet der Bundesrat beispielsweise die Möglichkeit, solche Hunde bei Tag so wenig wie möglich einzusetzen, wenn man bedenkt, dass der Wolf in der Regel in der Nacht unterwegs ist und Herden angreift?</p><p>5. Unabhängig von anderen Einschätzungen, hält der Bundesrat die Ausbildung dieser Hunde für angemessen und was könnte unternommen werden, um diese Ausbildung wenn nötig weiter zu verbessern?</p>
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