Die Schweiz soll Schengen verlassen, wenn die EU das Dubliner Übereinkommen aufgibt

ShortId
20.4124
Id
20204124
Updated
28.07.2023 01:06
Language
de
Title
Die Schweiz soll Schengen verlassen, wenn die EU das Dubliner Übereinkommen aufgibt
AdditionalIndexing
10;2811
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Die EU-Kommission hat kürzlich angekündigt, sie beabsichtige das Dublin-System aufzugeben. Dieses System sieht bekanntlich vor, dass derjenige Dublin-Staat, in dem Asylsuchende ihr erstes Asylgesuch eingereicht haben, für diese zuständig ist. Entsprechend sind Dublin-Rückführungen in den betreffenden Staat möglich.</p><p>Aufgrund der geografischen Lage der Schweiz ist dieses System für unser Land logischerweise vorteilhaft, denn so können wir Dublin-Rückführungen durchführen, viele davon nach Italien.</p><p>Diese Dublin-Rückführungen müssen unbedingt beibehalten werden können - dies nachdem die "neue", nicht gewählte italienische Regierung beschlossen hat, die italienischen Häfen wieder für die illegale Einwanderung zu öffnen, was zu einer sprunghaften Zunahme ankommender Migrantinnen und Migranten geführt hat. Neu kommt ausserdem noch das Risiko hinzu, dass diese Wirtschaftsflüchtlinge das Coronavirus verbreiten. Im Juni 2005 hat das Schweizer Volk das Paket "Schengen/Dublin" in einer Volksabstimmung angenommen. Ausschlaggebend für die Annahme war genau der Mechanismus der Dublin-Rückführungen. Ohne diese Komponente wäre die Teilnahme der Schweiz am Schengen-Raum nie und nimmer vom Volk angenommen worden. Der angekündigte Wegfall des Dubliner Übereinkommens ändert die Situation grundlegend, und eine weitere Anwendung des Schengener Übereinkommens in der Schweiz ist nicht mehr vertretbar.</p>
  • <p>Der Bundesrat ist der Ansicht, dass die Vorteile der Schengen- und Dublin-Assoziierungsabkommen deren Nachteile deutlich überwiegen. Beide bieten der Schweiz wertvolle Instrumente für die Zusammenarbeit in den Bereichen der inneren Sicherheit, des Asylwesens und der Migration. Der Bundesrat erachtet daher weder eine Kündigung noch eine Aussetzung dieser Abkommen als sinnvoll. Auch das Schweizer Stimmvolk hat mehrfach bekundet, dass es hinter der Schengen-Assoziierung der Schweiz steht. Und dank dem Dublin-Assoziierungsabkommen konnte die Belastung des schweizerischen Asylsystems bisher deutlich verringert werden.</p><p>Ohne Dublin-Assoziierung müsste die Schweiz alle in unserem Land eingereichten Asylgesuche inhaltlich prüfen. Dies würde gemäss einem Bericht des Bundesrates vom Februar 2018 jährliche Kosten in Höhe von mehreren hundert Millionen Franken verursachen. Zudem wäre die Überstellung von abgewiesenen Asylsuchenden nur gestützt auf ein Rückübernahmeabkommen möglich. Durch die geringere Wahrscheinlichkeit, in ein sicheres Drittland überstellt zu werden, würde die Schweiz für Asylsuchende attraktiver werden.</p><p>Ohne Schengen könnte die Schweiz ihr Grenzkontrollregime zwar nach eigenem Gutdünken organisieren. Es müssten aber deutlich mehr Ressourcen aufgewendet werden als heute. Zudem sollte die Wirksamkeit der Grenzkontrollen im Vergleich zu anderen Instrumenten der inneren Sicherheit nicht überschätzt werden. Es ist nicht zu vergessen, dass bereits vor der Einführung von Schengen keine systematischen Grenzkontrollen durchgeführt wurden. Nur rund 3 Prozent der Einreisenden wurden beim Grenzübertritt vertieft kontrolliert.</p><p>Auf europäischer Ebene ist geplant, Dublin an die Herausforderungen anzupassen, mit denen Europa im Migrationsbereich seit einigen Jahren konfrontiert ist. Die Europäische Kommission (KOM) hat am 23. September 2020 das neue Migrations- und Asylpaket veröffentlicht, das insbesondere folgende Ziele verfolgt: die Mitgliedstaaten an den Aussengrenzen entlasten gemäss dem Grundsatz der gemeinsamen Verantwortung, rasche Asyl- und Rückkehrverfahren an den Aussengrenzen einführen, die Dublin-Verfahren effizienter gestalten und einen wirksamen Aussengrenzschutz sicherstellen. Dies entspricht auch dem Anliegen der Motion 20.3143 der SPK-N "Aufnahme von Flüchtlingen aus Griechenland sowie Reform des Dublin-Abkommens" vom 22. April 2020. Sie fordert den Bundesrat auf, sich dezidiert für ein krisenresistentes Dublin-System einzusetzen, das auf einer solidarischen und fairen Teilung der Verantwortung beruht. </p><p>Das Migrations- und Asylpaket sieht unter anderem vor, dass die Dublin-Verordnung durch eine neue Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement ersetzt wird. Die bisherigen Kriterien zur Bestimmung der Zuständigkeit gelten weiterhin, einschliesslich des Kriteriums der Ersteinreise. Diese Bestimmungen stellen eine Weiterentwicklung des Dublin-Besitzstands dar. Die Schweiz dürfte diese übernehmen, sobald sie von den europäischen Institutionen verabschiedet worden sind. </p><p>Das Migrations- und Asylpaket muss nun in den EU-Institutionen diskutiert und dann allenfalls verabschiedet werden. Der Bundesrat verfolgt diese Diskussionen aufmerksam.</p> Das Bundesgericht beantragt die Ablehnung der Motion.
  • <p>Mit dieser Motion wird der Bundesrat beauftragt:</p><p>- sich dafür einzusetzen, dass das Dubliner Übereinkommen beibehalten wird, natürlich ohne Zusatzkosten für die Schweiz;</p><p>- die Anwendung von Schengen auszusetzen und wieder systematische Grenzkontrollen einzuführen;</p><p>- die Teilnahme der Schweiz am Schengener Übereinkommen aufzukündigen, falls die EU das Dublin-System tatsächlich aufgibt.</p>
  • Die Schweiz soll Schengen verlassen, wenn die EU das Dubliner Übereinkommen aufgibt
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Die EU-Kommission hat kürzlich angekündigt, sie beabsichtige das Dublin-System aufzugeben. Dieses System sieht bekanntlich vor, dass derjenige Dublin-Staat, in dem Asylsuchende ihr erstes Asylgesuch eingereicht haben, für diese zuständig ist. Entsprechend sind Dublin-Rückführungen in den betreffenden Staat möglich.</p><p>Aufgrund der geografischen Lage der Schweiz ist dieses System für unser Land logischerweise vorteilhaft, denn so können wir Dublin-Rückführungen durchführen, viele davon nach Italien.</p><p>Diese Dublin-Rückführungen müssen unbedingt beibehalten werden können - dies nachdem die "neue", nicht gewählte italienische Regierung beschlossen hat, die italienischen Häfen wieder für die illegale Einwanderung zu öffnen, was zu einer sprunghaften Zunahme ankommender Migrantinnen und Migranten geführt hat. Neu kommt ausserdem noch das Risiko hinzu, dass diese Wirtschaftsflüchtlinge das Coronavirus verbreiten. Im Juni 2005 hat das Schweizer Volk das Paket "Schengen/Dublin" in einer Volksabstimmung angenommen. Ausschlaggebend für die Annahme war genau der Mechanismus der Dublin-Rückführungen. Ohne diese Komponente wäre die Teilnahme der Schweiz am Schengen-Raum nie und nimmer vom Volk angenommen worden. Der angekündigte Wegfall des Dubliner Übereinkommens ändert die Situation grundlegend, und eine weitere Anwendung des Schengener Übereinkommens in der Schweiz ist nicht mehr vertretbar.</p>
    • <p>Der Bundesrat ist der Ansicht, dass die Vorteile der Schengen- und Dublin-Assoziierungsabkommen deren Nachteile deutlich überwiegen. Beide bieten der Schweiz wertvolle Instrumente für die Zusammenarbeit in den Bereichen der inneren Sicherheit, des Asylwesens und der Migration. Der Bundesrat erachtet daher weder eine Kündigung noch eine Aussetzung dieser Abkommen als sinnvoll. Auch das Schweizer Stimmvolk hat mehrfach bekundet, dass es hinter der Schengen-Assoziierung der Schweiz steht. Und dank dem Dublin-Assoziierungsabkommen konnte die Belastung des schweizerischen Asylsystems bisher deutlich verringert werden.</p><p>Ohne Dublin-Assoziierung müsste die Schweiz alle in unserem Land eingereichten Asylgesuche inhaltlich prüfen. Dies würde gemäss einem Bericht des Bundesrates vom Februar 2018 jährliche Kosten in Höhe von mehreren hundert Millionen Franken verursachen. Zudem wäre die Überstellung von abgewiesenen Asylsuchenden nur gestützt auf ein Rückübernahmeabkommen möglich. Durch die geringere Wahrscheinlichkeit, in ein sicheres Drittland überstellt zu werden, würde die Schweiz für Asylsuchende attraktiver werden.</p><p>Ohne Schengen könnte die Schweiz ihr Grenzkontrollregime zwar nach eigenem Gutdünken organisieren. Es müssten aber deutlich mehr Ressourcen aufgewendet werden als heute. Zudem sollte die Wirksamkeit der Grenzkontrollen im Vergleich zu anderen Instrumenten der inneren Sicherheit nicht überschätzt werden. Es ist nicht zu vergessen, dass bereits vor der Einführung von Schengen keine systematischen Grenzkontrollen durchgeführt wurden. Nur rund 3 Prozent der Einreisenden wurden beim Grenzübertritt vertieft kontrolliert.</p><p>Auf europäischer Ebene ist geplant, Dublin an die Herausforderungen anzupassen, mit denen Europa im Migrationsbereich seit einigen Jahren konfrontiert ist. Die Europäische Kommission (KOM) hat am 23. September 2020 das neue Migrations- und Asylpaket veröffentlicht, das insbesondere folgende Ziele verfolgt: die Mitgliedstaaten an den Aussengrenzen entlasten gemäss dem Grundsatz der gemeinsamen Verantwortung, rasche Asyl- und Rückkehrverfahren an den Aussengrenzen einführen, die Dublin-Verfahren effizienter gestalten und einen wirksamen Aussengrenzschutz sicherstellen. Dies entspricht auch dem Anliegen der Motion 20.3143 der SPK-N "Aufnahme von Flüchtlingen aus Griechenland sowie Reform des Dublin-Abkommens" vom 22. April 2020. Sie fordert den Bundesrat auf, sich dezidiert für ein krisenresistentes Dublin-System einzusetzen, das auf einer solidarischen und fairen Teilung der Verantwortung beruht. </p><p>Das Migrations- und Asylpaket sieht unter anderem vor, dass die Dublin-Verordnung durch eine neue Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement ersetzt wird. Die bisherigen Kriterien zur Bestimmung der Zuständigkeit gelten weiterhin, einschliesslich des Kriteriums der Ersteinreise. Diese Bestimmungen stellen eine Weiterentwicklung des Dublin-Besitzstands dar. Die Schweiz dürfte diese übernehmen, sobald sie von den europäischen Institutionen verabschiedet worden sind. </p><p>Das Migrations- und Asylpaket muss nun in den EU-Institutionen diskutiert und dann allenfalls verabschiedet werden. Der Bundesrat verfolgt diese Diskussionen aufmerksam.</p> Das Bundesgericht beantragt die Ablehnung der Motion.
    • <p>Mit dieser Motion wird der Bundesrat beauftragt:</p><p>- sich dafür einzusetzen, dass das Dubliner Übereinkommen beibehalten wird, natürlich ohne Zusatzkosten für die Schweiz;</p><p>- die Anwendung von Schengen auszusetzen und wieder systematische Grenzkontrollen einzuführen;</p><p>- die Teilnahme der Schweiz am Schengener Übereinkommen aufzukündigen, falls die EU das Dublin-System tatsächlich aufgibt.</p>
    • Die Schweiz soll Schengen verlassen, wenn die EU das Dubliner Übereinkommen aufgibt

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