Staatsunternehmen. Warum weigern sich Bund und Kantone, die OECD Leitsätze umzusetzen?

ShortId
20.4127
Id
20204127
Updated
28.07.2023 01:03
Language
de
Title
Staatsunternehmen. Warum weigern sich Bund und Kantone, die OECD Leitsätze umzusetzen?
AdditionalIndexing
04;15
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Die OECD-Leitsätze zu Corporate Governance in staatseigenen Unternehmen (kurz: OECD-Leitsätze) sind rechtlich nicht verbindliche Empfehlungen an die öffentliche Hand. Sie sind als Hilfestellung gedacht und sollen dazu beitragen, dass die Staaten ihre Funktion als Aktionäre besser wahrnehmen können. Sie stellen die staatliche Eigentümerschaft nicht grundsätzlich infrage. Kapitel 3 der OECD-Leitsätze ist den wirtschaftlichen Tätigkeiten staatseigener Unternehmen gewidmet. Es zeigt auf, welche rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen notwendig sind, um faire Spielregeln für alle Unternehmen zu gewährleisten, unabhängig davon, ob sie in staatlichem oder privatem Besitz sind. Die Schweiz ist in der für dieses Thema zuständigen Arbeitsgruppe der OECD vertreten und beteiligt sich aktiv an den Arbeiten.</p><p>1.-2. Der Bundesrat ist sich der von der Interpellantin dargelegten Problematik bewusst und hat diese in den Corporate-Governance-Berichten 2006 (BBl 2006 8233) und 2009 (BBl 2009 2659) thematisiert. Dabei stützte sich der Bundesrat speziell auf die OECD-Leitsätze, um Grundsätze für die Unternehmensführung auszuarbeiten und zu entwickeln (z. B. BBl 2006 8233, 8267). </p><p>Ausserdem hat der Bundesrat das von der OECD entwickelte Konzept der Wettbewerbsneutralität in seinem Bericht vom 8. Dezember 2017 "Staat und Wettbewerb: Auswirkungen staatlich beherrschter Unternehmen auf die Wettbewerbsmärkte" behandelt. In diesem Bericht hielt er fest, dass die Unternehmensführung staatsnaher Unternehmen auf Bundesebene mehrheitlich mit den Empfehlungen der OECD-Leitsätze übereinstimmt. Seiner Ansicht nach ist das Konzept der Wettbewerbsneutralität ein sinnvoller Ansatz zum Umgang mit Wettbewerbsverzerrungen aufgrund staatlicher Unternehmenstätigkeit. Durch die konsequente Anwendung der Corporate-Governance-Leitsätze konnten Interessenkonflikte und für den Wettbewerb potenziell problematische Situationen in der Praxis weitgehend vermieden werden. Der Bundesrat erkennt auf Bundesebene keine gravierenden Defizite hinsichtlich der Gewährleistung der Wettbewerbsneutralität zwischen privaten Unternehmen und solchen in Bundesbesitz. Vor dem Hintergrund der sich wandelnden Verhältnisse (insb. Markt, Technologie, Grundversorgung, Sicherheit) prüft er allerdings laufend, ob sich neue Handlungsspielräume zur Sicherung und Förderung der Wettbewerbsneutralität zwischen staatlichen und privaten Unternehmen ohne Gefährdung des öffentlichen Interesses an den staatlichen Unternehmen ergeben.</p><p>3. Die Kantone sind für die Corporate Governance der in ihrem Besitz befindlichen Unternehmen zuständig. Allein die Kantone halten rund 800 Beteiligungen an über 500 Unternehmen (vgl. Studie von Polynomics, 2017, "Staat und Wettbewerb: Institutionelle und wettbewerbliche Aspekte bei kantonalen und kommunalen Unternehmen"). Es ist nicht Aufgabe des Bundesrates, den Kantonen die Umsetzung internationaler Empfehlungen aufzuzwingen. Die Frage einer allfälligen Anpassung des Bundesgesetzes über den Binnenmarkt (BGBM; SR 943.02), die insbesondere die Kompetenz der Kantone betreffen würde, wird zurzeit im Parlament diskutiert (siehe namentlich pa. iv. 17.518 Schilliger, Mo. 20.3531 Caroni und Mo. 20.3532 Rieder).</p> Antwort des Bundesrates.
  • <p>Staatsunternehmen mischen sich zunehmend in privatwirtschaftlich-organisierte Märkte ein. Dabei setzten sie auf wettbewerbsverzerrende Merkmale, um einen Vorteil gegenüber den Privaten zu erlagen. Diese Merkmale sind ihre explizite Staatsgarantie, die Verwendung ihrer Erträge in regulierten und monopolistischen Bereichen im privatwirtschaftlichen Markt, günstigere Kapitalstruktur und Nähe an Regulatoren und Politik. Die Ergebnisse sind Marktverzerrungen und unfairer Wettbewerb. Diese Gefahr ist bestens bekannt. Und weil sie so gross ist, hat die OECD "Leitsätze zu Corporate Governance in staatseigenen Unternehmen" entwickelt. Im dritten Kapitel dieser Leitsätze wird ausdrücklich das Verhalten dieser Unternehmen im Markt adressiert. Vor diesem Hintergrund werden dem Bundesrat folgende Fragen gestellt:</p><p>1. Wann gedenkt der Bundesrat ein Programm aufzustellen, um die Leitsätze in der Schweiz umzusetzen?</p><p>2. Warum werden diese Leitsätze in den gesetzlich vorgesehenen Berichterstattungen der Unternehmen mit Beteiligung des Bundes nicht ausdrücklich thematisiert?</p><p>3. Wie gedenkt der Bundesrat, diese Leitsätze auch auf der kantonalen Ebene zu verankern?</p>
  • Staatsunternehmen. Warum weigern sich Bund und Kantone, die OECD Leitsätze umzusetzen?
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Die OECD-Leitsätze zu Corporate Governance in staatseigenen Unternehmen (kurz: OECD-Leitsätze) sind rechtlich nicht verbindliche Empfehlungen an die öffentliche Hand. Sie sind als Hilfestellung gedacht und sollen dazu beitragen, dass die Staaten ihre Funktion als Aktionäre besser wahrnehmen können. Sie stellen die staatliche Eigentümerschaft nicht grundsätzlich infrage. Kapitel 3 der OECD-Leitsätze ist den wirtschaftlichen Tätigkeiten staatseigener Unternehmen gewidmet. Es zeigt auf, welche rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen notwendig sind, um faire Spielregeln für alle Unternehmen zu gewährleisten, unabhängig davon, ob sie in staatlichem oder privatem Besitz sind. Die Schweiz ist in der für dieses Thema zuständigen Arbeitsgruppe der OECD vertreten und beteiligt sich aktiv an den Arbeiten.</p><p>1.-2. Der Bundesrat ist sich der von der Interpellantin dargelegten Problematik bewusst und hat diese in den Corporate-Governance-Berichten 2006 (BBl 2006 8233) und 2009 (BBl 2009 2659) thematisiert. Dabei stützte sich der Bundesrat speziell auf die OECD-Leitsätze, um Grundsätze für die Unternehmensführung auszuarbeiten und zu entwickeln (z. B. BBl 2006 8233, 8267). </p><p>Ausserdem hat der Bundesrat das von der OECD entwickelte Konzept der Wettbewerbsneutralität in seinem Bericht vom 8. Dezember 2017 "Staat und Wettbewerb: Auswirkungen staatlich beherrschter Unternehmen auf die Wettbewerbsmärkte" behandelt. In diesem Bericht hielt er fest, dass die Unternehmensführung staatsnaher Unternehmen auf Bundesebene mehrheitlich mit den Empfehlungen der OECD-Leitsätze übereinstimmt. Seiner Ansicht nach ist das Konzept der Wettbewerbsneutralität ein sinnvoller Ansatz zum Umgang mit Wettbewerbsverzerrungen aufgrund staatlicher Unternehmenstätigkeit. Durch die konsequente Anwendung der Corporate-Governance-Leitsätze konnten Interessenkonflikte und für den Wettbewerb potenziell problematische Situationen in der Praxis weitgehend vermieden werden. Der Bundesrat erkennt auf Bundesebene keine gravierenden Defizite hinsichtlich der Gewährleistung der Wettbewerbsneutralität zwischen privaten Unternehmen und solchen in Bundesbesitz. Vor dem Hintergrund der sich wandelnden Verhältnisse (insb. Markt, Technologie, Grundversorgung, Sicherheit) prüft er allerdings laufend, ob sich neue Handlungsspielräume zur Sicherung und Förderung der Wettbewerbsneutralität zwischen staatlichen und privaten Unternehmen ohne Gefährdung des öffentlichen Interesses an den staatlichen Unternehmen ergeben.</p><p>3. Die Kantone sind für die Corporate Governance der in ihrem Besitz befindlichen Unternehmen zuständig. Allein die Kantone halten rund 800 Beteiligungen an über 500 Unternehmen (vgl. Studie von Polynomics, 2017, "Staat und Wettbewerb: Institutionelle und wettbewerbliche Aspekte bei kantonalen und kommunalen Unternehmen"). Es ist nicht Aufgabe des Bundesrates, den Kantonen die Umsetzung internationaler Empfehlungen aufzuzwingen. Die Frage einer allfälligen Anpassung des Bundesgesetzes über den Binnenmarkt (BGBM; SR 943.02), die insbesondere die Kompetenz der Kantone betreffen würde, wird zurzeit im Parlament diskutiert (siehe namentlich pa. iv. 17.518 Schilliger, Mo. 20.3531 Caroni und Mo. 20.3532 Rieder).</p> Antwort des Bundesrates.
    • <p>Staatsunternehmen mischen sich zunehmend in privatwirtschaftlich-organisierte Märkte ein. Dabei setzten sie auf wettbewerbsverzerrende Merkmale, um einen Vorteil gegenüber den Privaten zu erlagen. Diese Merkmale sind ihre explizite Staatsgarantie, die Verwendung ihrer Erträge in regulierten und monopolistischen Bereichen im privatwirtschaftlichen Markt, günstigere Kapitalstruktur und Nähe an Regulatoren und Politik. Die Ergebnisse sind Marktverzerrungen und unfairer Wettbewerb. Diese Gefahr ist bestens bekannt. Und weil sie so gross ist, hat die OECD "Leitsätze zu Corporate Governance in staatseigenen Unternehmen" entwickelt. Im dritten Kapitel dieser Leitsätze wird ausdrücklich das Verhalten dieser Unternehmen im Markt adressiert. Vor diesem Hintergrund werden dem Bundesrat folgende Fragen gestellt:</p><p>1. Wann gedenkt der Bundesrat ein Programm aufzustellen, um die Leitsätze in der Schweiz umzusetzen?</p><p>2. Warum werden diese Leitsätze in den gesetzlich vorgesehenen Berichterstattungen der Unternehmen mit Beteiligung des Bundes nicht ausdrücklich thematisiert?</p><p>3. Wie gedenkt der Bundesrat, diese Leitsätze auch auf der kantonalen Ebene zu verankern?</p>
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