Recht auf Schwangerschaftsabbruch. Eine bevormundende Gesetzgebung ändern

ShortId
20.4140
Id
20204140
Updated
28.07.2023 01:18
Language
de
Title
Recht auf Schwangerschaftsabbruch. Eine bevormundende Gesetzgebung ändern
AdditionalIndexing
1216;2841
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Gemäss Artikel 119 Absätze 1 und 2 StGB in Verbindung mit Artikel 118 StGB macht sich eine Frau, die sich freiwillig für einen Schwangerschaftsabbruch entscheidet, strafbar, ausser wenn "er [der Schwangerschaftsabbruch] nach ärztlichem Urteil notwendig ist, damit von der schwangeren Frau die Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung oder einer schweren seelischen Notlage abgewendet werden kann", oder wenn "er innerhalb von zwölf Wochen seit Beginn der letzten Periode auf schriftliches Verlangen der schwangeren Frau, die geltend macht, sie befinde sich in einer Notlage, durch eine zur Berufsausübung zugelassene Ärztin oder einen zur Berufsausübung zugelassenen Arzt vorgenommen wird."</p><p>Im Wesentlichen muss sich die Frau also in einer tiefen seelischen Notlage befinden und ihre Entscheidung schriftlich begründen, oder die Schwangerschaft muss die Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung darstellen, damit der Schwangerschaftsabbruch nicht eine strafbare Handlung darstellt.</p><p>1998 schrieb der Bundesrat in seiner Botschaft zur letzten Änderung des betreffenden Gesetzes, bei einer Neuregelung des Schwangerschaftsabbruches könne "nicht allein das Selbstbestimmungsrecht der Frau wegleitend sein" (BBl 1998 V 5376, hier 5380).</p><p>Das Recht der Frau, über ihren Körper zu bestimmen, hat sich jedoch seit 1998 in vielen westlichen Ländern als Rechtsgrundsatz durchgesetzt. </p><p>In Kanada beispielsweise vertritt der Oberste Gerichtshof (Cour Suprême) die Meinung, dass es einen groben Übergriff auf den Körper der Frau darstellt, diese unter Androhung einer strafrechtlichen Sanktion dazu zu zwingen, ein Kind auszutragen, es sei denn, sie erfülle gewisse Kriterien, die über ihre eigenen Prioritäten und Wünsche hinausgehen.</p><p>Laut dem französischen Strafgesetzbuch ist der Schwangerschaftsabbruch nur strafbar, wenn er ohne die Einwilligung der betroffenen Person durchgeführt wird (Art. 223-10 des französischen Code pénal). In Belgien wurde kürzlich die Bedingung der Notlage aus dem Gesetz gestrichen und damit der Schwangerschaftsabbruch für straffrei erklärt. </p><p>Das Schweizer Recht sollte daher angepasst werden und die Entscheidung, einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen, darf an keine Bedingungen geknüpft sein. Das grundlegende Recht jeder Frau, über ihren Körper zu bestimmen, muss bedingungslos anerkannt werden. Das Bedürfnis nach psychologischer und medizinischer Unterstützung darf dabei nicht vernachlässigt werden.</p><p>Zusammenfassend geht es darum, eine Rechtslage zu ändern, die bevormundend ist; dies aber, ohne die geltende Fristenregelung und die Regelung über die Unterstützung der betroffenen Frauen zu ändern. </p>
  • <p>Mit Artikel 118 Absatz 1 des Strafgesetzbuchs (StGB, SR 311.0), der den Schwangerschaftsabbruch unter Strafe stellt, der mit Einwilligung der schwangeren Frau vorgenommen wird, soll das werdende menschliche Leben geschützt werden. Mit der Strafbarkeit des Schwangerschaftsabbruchs, der gegen den Willen der schwangeren Frau vorgenommen wird (Art. 118 Abs. 2 StGB), wird auch das Selbstbestimmungsrecht der Frau geschützt. </p><p>Der Schwangerschaftsabbruch ist straflos, wenn er notwendig ist, um von der schwangeren Frau die Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung oder einer schweren seelischen Notlage abzuwenden (Art. 119 Abs. 1 StGB). Er ist zudem straflos, wenn er innerhalb von 12 Wochen seit Beginn der letzten Periode durch eine zur Berufsausübung zugelassene Ärztin oder einen zur Berufsausübung zugelassenen Arzt vorgenommen wird und auf schriftliches Ersuchen der schwangeren Frau erfolgt, die eine Notlage geltend macht (Art. 119 Abs. 2 StGB). Mit dieser so genannten Fristenregelung wird dem Selbstbestimmungsrecht der Frau Rechnung getragen. </p><p>Staaten wie Kanada, in denen für den straflosen Schwangerschaftsabbruch während der ganzen Zeit der Schwangerschaft nur die Zustimmung der Frau vorausgesetzt wird, sind grosse Ausnahmen. Viel häufiger sind Staaten, in denen der Schutz des werdenden Lebens prioritär ist und in denen daher der Schwangerschaftsabbruch nur unter sehr restriktiven medizinischen Voraussetzungen erlaubt ist. Auch wenn in Staaten wie Frankreich oder Belgien der Schwangerschaftsabbruch nur strafbar ist, falls er ohne Einwilligung der schwangeren Frau erfolgt, kennen sie doch auch eine Fristenregelung, die jedoch in einem Spezialgesetz geregelt ist.</p><p>Zahlreiche Staaten sehen eine dem schweizerischen Recht vergleichbare Regelung vor. Namentlich in verschiedenen europäischen Staaten wird bei der Fristenregelung zwar nicht mehr vorausgesetzt, dass die schwangere Frau eine Notlage geltend macht. Aufgrund der in der Schweiz geltenden Praxis ist jedoch davon auszugehen, dass diese Voraussetzung das Selbstbestimmungsrecht der Frau nicht einschränkt. So muss es sich bei der geltend gemachten Notlage nicht um eine objektive, durch ein Gutachten zu beweisende Notlage handeln. Bereits eine unerwünschte Schwangerschaft gilt als Notlage. Es genügt, dass die schwangere Frau eine solche Notlage mündlich oder konkludent gegenüber dem Arzt geltend macht. </p><p>Die Regelungen des StGB über den Schwangerschaftsabbruch beruhen auf einer Abwägung, die sowohl dem Schutzanspruch des werdenden Lebens als auch dem Selbstbestimmungsrecht der Frau Rechnung trägt. Sie sind seit dem 1. Oktober 2002 in Kraft und das Ergebnis einer intensiven und langdauernden politischen Auseinandersetzung. Es besteht zurzeit keine praktische Notwendigkeit, sie zu ändern, und es erscheint dem Bundesrat nicht angezeigt, die Diskussion über die einander gegenüberstehenden Interessen wiederaufzunehmen.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, die Artikel 118 und 119 des Strafgesetzbuchs (StGB) so zu ändern, dass die Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch an keine Bedingungen geknüpft ist, ohne jedoch die Fristenregelung abzuschaffen.</p>
  • Recht auf Schwangerschaftsabbruch. Eine bevormundende Gesetzgebung ändern
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Gemäss Artikel 119 Absätze 1 und 2 StGB in Verbindung mit Artikel 118 StGB macht sich eine Frau, die sich freiwillig für einen Schwangerschaftsabbruch entscheidet, strafbar, ausser wenn "er [der Schwangerschaftsabbruch] nach ärztlichem Urteil notwendig ist, damit von der schwangeren Frau die Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung oder einer schweren seelischen Notlage abgewendet werden kann", oder wenn "er innerhalb von zwölf Wochen seit Beginn der letzten Periode auf schriftliches Verlangen der schwangeren Frau, die geltend macht, sie befinde sich in einer Notlage, durch eine zur Berufsausübung zugelassene Ärztin oder einen zur Berufsausübung zugelassenen Arzt vorgenommen wird."</p><p>Im Wesentlichen muss sich die Frau also in einer tiefen seelischen Notlage befinden und ihre Entscheidung schriftlich begründen, oder die Schwangerschaft muss die Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung darstellen, damit der Schwangerschaftsabbruch nicht eine strafbare Handlung darstellt.</p><p>1998 schrieb der Bundesrat in seiner Botschaft zur letzten Änderung des betreffenden Gesetzes, bei einer Neuregelung des Schwangerschaftsabbruches könne "nicht allein das Selbstbestimmungsrecht der Frau wegleitend sein" (BBl 1998 V 5376, hier 5380).</p><p>Das Recht der Frau, über ihren Körper zu bestimmen, hat sich jedoch seit 1998 in vielen westlichen Ländern als Rechtsgrundsatz durchgesetzt. </p><p>In Kanada beispielsweise vertritt der Oberste Gerichtshof (Cour Suprême) die Meinung, dass es einen groben Übergriff auf den Körper der Frau darstellt, diese unter Androhung einer strafrechtlichen Sanktion dazu zu zwingen, ein Kind auszutragen, es sei denn, sie erfülle gewisse Kriterien, die über ihre eigenen Prioritäten und Wünsche hinausgehen.</p><p>Laut dem französischen Strafgesetzbuch ist der Schwangerschaftsabbruch nur strafbar, wenn er ohne die Einwilligung der betroffenen Person durchgeführt wird (Art. 223-10 des französischen Code pénal). In Belgien wurde kürzlich die Bedingung der Notlage aus dem Gesetz gestrichen und damit der Schwangerschaftsabbruch für straffrei erklärt. </p><p>Das Schweizer Recht sollte daher angepasst werden und die Entscheidung, einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen, darf an keine Bedingungen geknüpft sein. Das grundlegende Recht jeder Frau, über ihren Körper zu bestimmen, muss bedingungslos anerkannt werden. Das Bedürfnis nach psychologischer und medizinischer Unterstützung darf dabei nicht vernachlässigt werden.</p><p>Zusammenfassend geht es darum, eine Rechtslage zu ändern, die bevormundend ist; dies aber, ohne die geltende Fristenregelung und die Regelung über die Unterstützung der betroffenen Frauen zu ändern. </p>
    • <p>Mit Artikel 118 Absatz 1 des Strafgesetzbuchs (StGB, SR 311.0), der den Schwangerschaftsabbruch unter Strafe stellt, der mit Einwilligung der schwangeren Frau vorgenommen wird, soll das werdende menschliche Leben geschützt werden. Mit der Strafbarkeit des Schwangerschaftsabbruchs, der gegen den Willen der schwangeren Frau vorgenommen wird (Art. 118 Abs. 2 StGB), wird auch das Selbstbestimmungsrecht der Frau geschützt. </p><p>Der Schwangerschaftsabbruch ist straflos, wenn er notwendig ist, um von der schwangeren Frau die Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung oder einer schweren seelischen Notlage abzuwenden (Art. 119 Abs. 1 StGB). Er ist zudem straflos, wenn er innerhalb von 12 Wochen seit Beginn der letzten Periode durch eine zur Berufsausübung zugelassene Ärztin oder einen zur Berufsausübung zugelassenen Arzt vorgenommen wird und auf schriftliches Ersuchen der schwangeren Frau erfolgt, die eine Notlage geltend macht (Art. 119 Abs. 2 StGB). Mit dieser so genannten Fristenregelung wird dem Selbstbestimmungsrecht der Frau Rechnung getragen. </p><p>Staaten wie Kanada, in denen für den straflosen Schwangerschaftsabbruch während der ganzen Zeit der Schwangerschaft nur die Zustimmung der Frau vorausgesetzt wird, sind grosse Ausnahmen. Viel häufiger sind Staaten, in denen der Schutz des werdenden Lebens prioritär ist und in denen daher der Schwangerschaftsabbruch nur unter sehr restriktiven medizinischen Voraussetzungen erlaubt ist. Auch wenn in Staaten wie Frankreich oder Belgien der Schwangerschaftsabbruch nur strafbar ist, falls er ohne Einwilligung der schwangeren Frau erfolgt, kennen sie doch auch eine Fristenregelung, die jedoch in einem Spezialgesetz geregelt ist.</p><p>Zahlreiche Staaten sehen eine dem schweizerischen Recht vergleichbare Regelung vor. Namentlich in verschiedenen europäischen Staaten wird bei der Fristenregelung zwar nicht mehr vorausgesetzt, dass die schwangere Frau eine Notlage geltend macht. Aufgrund der in der Schweiz geltenden Praxis ist jedoch davon auszugehen, dass diese Voraussetzung das Selbstbestimmungsrecht der Frau nicht einschränkt. So muss es sich bei der geltend gemachten Notlage nicht um eine objektive, durch ein Gutachten zu beweisende Notlage handeln. Bereits eine unerwünschte Schwangerschaft gilt als Notlage. Es genügt, dass die schwangere Frau eine solche Notlage mündlich oder konkludent gegenüber dem Arzt geltend macht. </p><p>Die Regelungen des StGB über den Schwangerschaftsabbruch beruhen auf einer Abwägung, die sowohl dem Schutzanspruch des werdenden Lebens als auch dem Selbstbestimmungsrecht der Frau Rechnung trägt. Sie sind seit dem 1. Oktober 2002 in Kraft und das Ergebnis einer intensiven und langdauernden politischen Auseinandersetzung. Es besteht zurzeit keine praktische Notwendigkeit, sie zu ändern, und es erscheint dem Bundesrat nicht angezeigt, die Diskussion über die einander gegenüberstehenden Interessen wiederaufzunehmen.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, die Artikel 118 und 119 des Strafgesetzbuchs (StGB) so zu ändern, dass die Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch an keine Bedingungen geknüpft ist, ohne jedoch die Fristenregelung abzuschaffen.</p>
    • Recht auf Schwangerschaftsabbruch. Eine bevormundende Gesetzgebung ändern

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