Schaffung eines Ethikgremiums des Parlamentes

ShortId
20.4151
Id
20204151
Updated
01.07.2023 10:13
Language
de
Title
Schaffung eines Ethikgremiums des Parlamentes
AdditionalIndexing
0421
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Annähernd 200 Bundesparlamentarierinnen und -parlamentarier üben mindestens eine ausserparlamentarische Funktion aus. Seit letztem Dezember müssen die Ratsmitglieder diejenigen Mandate offenlegen, für die sie eine Entschädigung erhalten. Doch scheitert die Transparenz an starken Widerständen. In den vergangenen Jahren konnten in diesem Bereich nur minime Änderungen erzielt werden. Es ist an der Zeit, die Probleme, die der Lobbyismus und die Interessenbindungen mit sich bringen, ernst zu nehmen. Immer wieder zeigt die Staatengruppe des Europarates gegen die Korruption (GRECO) mit dem Finger auf die Schweiz, weil sie hier beträchtliche Lücken in der Transparenzregelung feststellt.</p><p>In der Bevölkerung wächst das Misstrauen gegenüber den Parlamentarierinnen und Parlamentariern und den politischen Institutionen. Die Bevölkerung erwartet von ihren Vertreterinnen und Vertretern, dass sie integer und glaubwürdig sind. Das beste Mittel, um diesen Erwartungen zu genügen und ein vorbildliches Verhalten an den Tag zu legen, besteht darin, dass man gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern Garantien abgibt, dass man transparent ist, indem man hierzu geeignete Massnahmen umsetzt. Andere Länder und Regionen haben, aus dem Willen heraus, die Tätigkeiten in ihren Institutionen zu modernisieren und deren Transparenz zu gewährleisten, entsprechende Strukturen geschaffen und ihren Volksvertreterinnen und -vertretern zur Verfügung gestellt. Das gilt etwa für Frankreich (Comité de déontologie parlementaire du Sénat) oder für Belgien (Commission Bruxelloise de déontologie), oder auch für Korsika, das seit Anfang 2020 ein solches Ethikgremium kennt. Diese Gremien befassen sich mit Interessenkonflikten, in die die Abgeordneten geraten können: Unabhängigkeit, Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Berechenbarkeit des Handelns etc.</p><p>Mit der Schaffung eines Ethikgremiums für die Parlamentsmitglieder liesse sich mehr Transparenz und Ethik im Parlament erreichen. Dieses Gremium hätte die Aufgabe, Stellungnahmen abzugeben zu Fragen der Standesregeln, der Ethik und zu Interessenkonflikten. Es würde sich auf den "Leitfaden für Ratsmitglieder zur Annahme von Vorteilen, zu Transparenz- und Offenlegungspflichten und zum Umgang mit Informationen" abstützen und diesen Leitfaden stärken. Zudem hätte jedes Ratsmitglied die Möglichkeit, sich bei diesem Gremium Rat zu holen zur eigenen Situation, wenn es der Ansicht ist, dass es in einen Interessenkonflikt geraten könnte, oder zu jeder anderen Frage der Ethik im Zusammenhang mit seinem Mandat. Das Gremium sollte von einer unabhängigen Juristin oder einem unabhängigen Juristen präsidiert werden und paritätisch aus externen Fachleuten in Fragen der Transparenz einerseits und aus Parlamentsmitgliedern entsprechend der Stärke der verschiedenen Fraktionen andererseits zusammengesetzt sein.</p>
  • <p>Das Parlament nahm am 15. Juni 2018 mehrere Änderungen des Parlamentsgesetzes (ParlG) an, mit denen die Transparenz und die Deklaration der Interessenbindungen der Ratsmitglieder verbessert werden sollten. Mit diesen Änderungen wurden zusätzliche Deklarationspflichten eingeführt. Seitdem müssen die Ratsmitglieder ihre beruflichen Tätigkeiten (und nicht nur ihren Beruf) sowie - falls sie angestellt sind - ihre Funktion und ihre Arbeitgeberin oder ihren Arbeitgeber angeben (Art. 11 Abs. 1 Bst. a ParlG). Zudem müssen sie präzisieren, ob die zusätzlich ausgeübten Tätigkeiten ehrenamtlich oder vergütet sind (Art. 11 Abs. 1bis ParlG). Diese Änderungen traten zu Beginn der 50. Legislatur, am 2. Dezember 2019, in Kraft.</p><p>Zusätzlich zu diesen neuen Bestimmungen verabschiedete das Büro des Nationalrates in Erfüllung von Ziffer 1 des von der Grünen Fraktion eingereichten Postulats 16.3276 ("Sicherstellung der Offenlegung der Interessenbindungen", siehe Bericht des Büros des Nationalrates vom 26.8.2020 [<a href="https://www.parlament.ch/centers/kb/_layouts/15/DocIdRedir.aspx?ID=4U7YAJRAVM7Q-1-48019">Link</a>]) mehrere Massnahmen zur Verbesserung der Offenlegung der Interessenbindungen. Ausserdem veröffentlichte es in Zusammenarbeit mit dem Büro des Ständerates einen Leitfaden, der den Ratsmitglieder helfen soll, ihre Verantwortung in Sachen Transparenz im Allgemeinen und Vorteilsannahme im Besonderen wahrzunehmen (Leitfaden für die Ratsmitglieder zur Annahme von Vorteilen, zu Transparenz- und Offenlegungspflichten und zum Umgang mit Informationen, Herbst 2019 [<a href="https://www.parlament.ch/centers/documents/de/leitfaden-ratsmitglieder-d.pdf#search=Leitfaden Ratsmitgliederhttps://www.parlament.ch/centers/documents/_layouts/15/DocIdRedir.aspx?ID=DOCID-53009006-8121">Link</a>]). Dieser Leitfaden enthält Erläuterungen zu den strafrechtlichen Bestimmungen in Sachen Korruption sowie Informationen über die Offenlegungspflichten und über die von den Ratsmitgliedern zu veröffentlichenden Angaben. Die Büros erliessen ausserdem Richtlinien zur Erhöhung der Transparenz der Aktivitäten und der Zusammensetzung der parlamentarischen Gruppen (Richtlinien für die parlamentarischen Gruppen nach Artikel 63 des Parlamentsgesetzes vom 9.12.2019 [<a href="https://www.parlament.ch/centers/documents/de/richtlinien-parlamentarische-gruppen-d.pdf#search=Richtlinien f&amp;Atilde;&amp;frac14;r die parlamentarischen Gruppen nach Artikel 63 des Parlamentsgesetzes vom 9.12.2019">Link</a>]). Seit dieser Legislatur werden sämtliche Informationen zu den parlamentarischen Gruppen auf der Website des Parlaments veröffentlicht. Schliesslich beschloss das Büro des Nationalrates, dass jedes Ratsmitglied mindestens einmal pro Jahr aufgefordert wird, dem Büro schriftlich die Korrektheit und Vollständigkeit der zu seiner Person veröffentlichten Daten zu bestätigen. Dieser Mechanismus soll die Ratsmitglieder regelmässig an ihre Transparenz- und Offenlegungspflichten erinnern, allfällige Versäumnisse aufdecken und die Korrektur fehlerhafter oder unvollständiger Daten ermöglichen. Nach Ansicht des Büros sind diese legislativen und praktischen Massnahmen ausreichend und es sollte nun erst einmal abgewartet werden, wie sich die neuen Vorgaben bewähren, bevor weitere Massnahmen ergriffen werden.</p><p>Das Büro möchte in diesem Zusammenhang noch einmal darauf hinweisen, dass das parlamentarische System der Schweiz auf der Eigenverantwortung der Ratsmitglieder beruht. Diese sind ihren Wählerinnen und Wählern sowie der Öffentlichkeit Rechenschaft schuldig. Die Schaffung eines Ethikgremiums würde sie in keiner Weise von ihren Transparenzpflichten und ihrer ethischen Verantwortung befreien.</p>
  • <p>Das Büro des Nationalrates wird beauftragt, die Schaffung eines Ethikgremiums des Parlaments zu prüfen, das den Ratsmitgliedern zur Verfügung stünde, damit im Parlament ein Mehr an Transparenz und ethischem Handeln erreicht werden kann.</p>
  • Schaffung eines Ethikgremiums des Parlamentes
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Annähernd 200 Bundesparlamentarierinnen und -parlamentarier üben mindestens eine ausserparlamentarische Funktion aus. Seit letztem Dezember müssen die Ratsmitglieder diejenigen Mandate offenlegen, für die sie eine Entschädigung erhalten. Doch scheitert die Transparenz an starken Widerständen. In den vergangenen Jahren konnten in diesem Bereich nur minime Änderungen erzielt werden. Es ist an der Zeit, die Probleme, die der Lobbyismus und die Interessenbindungen mit sich bringen, ernst zu nehmen. Immer wieder zeigt die Staatengruppe des Europarates gegen die Korruption (GRECO) mit dem Finger auf die Schweiz, weil sie hier beträchtliche Lücken in der Transparenzregelung feststellt.</p><p>In der Bevölkerung wächst das Misstrauen gegenüber den Parlamentarierinnen und Parlamentariern und den politischen Institutionen. Die Bevölkerung erwartet von ihren Vertreterinnen und Vertretern, dass sie integer und glaubwürdig sind. Das beste Mittel, um diesen Erwartungen zu genügen und ein vorbildliches Verhalten an den Tag zu legen, besteht darin, dass man gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern Garantien abgibt, dass man transparent ist, indem man hierzu geeignete Massnahmen umsetzt. Andere Länder und Regionen haben, aus dem Willen heraus, die Tätigkeiten in ihren Institutionen zu modernisieren und deren Transparenz zu gewährleisten, entsprechende Strukturen geschaffen und ihren Volksvertreterinnen und -vertretern zur Verfügung gestellt. Das gilt etwa für Frankreich (Comité de déontologie parlementaire du Sénat) oder für Belgien (Commission Bruxelloise de déontologie), oder auch für Korsika, das seit Anfang 2020 ein solches Ethikgremium kennt. Diese Gremien befassen sich mit Interessenkonflikten, in die die Abgeordneten geraten können: Unabhängigkeit, Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Berechenbarkeit des Handelns etc.</p><p>Mit der Schaffung eines Ethikgremiums für die Parlamentsmitglieder liesse sich mehr Transparenz und Ethik im Parlament erreichen. Dieses Gremium hätte die Aufgabe, Stellungnahmen abzugeben zu Fragen der Standesregeln, der Ethik und zu Interessenkonflikten. Es würde sich auf den "Leitfaden für Ratsmitglieder zur Annahme von Vorteilen, zu Transparenz- und Offenlegungspflichten und zum Umgang mit Informationen" abstützen und diesen Leitfaden stärken. Zudem hätte jedes Ratsmitglied die Möglichkeit, sich bei diesem Gremium Rat zu holen zur eigenen Situation, wenn es der Ansicht ist, dass es in einen Interessenkonflikt geraten könnte, oder zu jeder anderen Frage der Ethik im Zusammenhang mit seinem Mandat. Das Gremium sollte von einer unabhängigen Juristin oder einem unabhängigen Juristen präsidiert werden und paritätisch aus externen Fachleuten in Fragen der Transparenz einerseits und aus Parlamentsmitgliedern entsprechend der Stärke der verschiedenen Fraktionen andererseits zusammengesetzt sein.</p>
    • <p>Das Parlament nahm am 15. Juni 2018 mehrere Änderungen des Parlamentsgesetzes (ParlG) an, mit denen die Transparenz und die Deklaration der Interessenbindungen der Ratsmitglieder verbessert werden sollten. Mit diesen Änderungen wurden zusätzliche Deklarationspflichten eingeführt. Seitdem müssen die Ratsmitglieder ihre beruflichen Tätigkeiten (und nicht nur ihren Beruf) sowie - falls sie angestellt sind - ihre Funktion und ihre Arbeitgeberin oder ihren Arbeitgeber angeben (Art. 11 Abs. 1 Bst. a ParlG). Zudem müssen sie präzisieren, ob die zusätzlich ausgeübten Tätigkeiten ehrenamtlich oder vergütet sind (Art. 11 Abs. 1bis ParlG). Diese Änderungen traten zu Beginn der 50. Legislatur, am 2. Dezember 2019, in Kraft.</p><p>Zusätzlich zu diesen neuen Bestimmungen verabschiedete das Büro des Nationalrates in Erfüllung von Ziffer 1 des von der Grünen Fraktion eingereichten Postulats 16.3276 ("Sicherstellung der Offenlegung der Interessenbindungen", siehe Bericht des Büros des Nationalrates vom 26.8.2020 [<a href="https://www.parlament.ch/centers/kb/_layouts/15/DocIdRedir.aspx?ID=4U7YAJRAVM7Q-1-48019">Link</a>]) mehrere Massnahmen zur Verbesserung der Offenlegung der Interessenbindungen. Ausserdem veröffentlichte es in Zusammenarbeit mit dem Büro des Ständerates einen Leitfaden, der den Ratsmitglieder helfen soll, ihre Verantwortung in Sachen Transparenz im Allgemeinen und Vorteilsannahme im Besonderen wahrzunehmen (Leitfaden für die Ratsmitglieder zur Annahme von Vorteilen, zu Transparenz- und Offenlegungspflichten und zum Umgang mit Informationen, Herbst 2019 [<a href="https://www.parlament.ch/centers/documents/de/leitfaden-ratsmitglieder-d.pdf#search=Leitfaden Ratsmitgliederhttps://www.parlament.ch/centers/documents/_layouts/15/DocIdRedir.aspx?ID=DOCID-53009006-8121">Link</a>]). Dieser Leitfaden enthält Erläuterungen zu den strafrechtlichen Bestimmungen in Sachen Korruption sowie Informationen über die Offenlegungspflichten und über die von den Ratsmitgliedern zu veröffentlichenden Angaben. Die Büros erliessen ausserdem Richtlinien zur Erhöhung der Transparenz der Aktivitäten und der Zusammensetzung der parlamentarischen Gruppen (Richtlinien für die parlamentarischen Gruppen nach Artikel 63 des Parlamentsgesetzes vom 9.12.2019 [<a href="https://www.parlament.ch/centers/documents/de/richtlinien-parlamentarische-gruppen-d.pdf#search=Richtlinien f&amp;Atilde;&amp;frac14;r die parlamentarischen Gruppen nach Artikel 63 des Parlamentsgesetzes vom 9.12.2019">Link</a>]). Seit dieser Legislatur werden sämtliche Informationen zu den parlamentarischen Gruppen auf der Website des Parlaments veröffentlicht. Schliesslich beschloss das Büro des Nationalrates, dass jedes Ratsmitglied mindestens einmal pro Jahr aufgefordert wird, dem Büro schriftlich die Korrektheit und Vollständigkeit der zu seiner Person veröffentlichten Daten zu bestätigen. Dieser Mechanismus soll die Ratsmitglieder regelmässig an ihre Transparenz- und Offenlegungspflichten erinnern, allfällige Versäumnisse aufdecken und die Korrektur fehlerhafter oder unvollständiger Daten ermöglichen. Nach Ansicht des Büros sind diese legislativen und praktischen Massnahmen ausreichend und es sollte nun erst einmal abgewartet werden, wie sich die neuen Vorgaben bewähren, bevor weitere Massnahmen ergriffen werden.</p><p>Das Büro möchte in diesem Zusammenhang noch einmal darauf hinweisen, dass das parlamentarische System der Schweiz auf der Eigenverantwortung der Ratsmitglieder beruht. Diese sind ihren Wählerinnen und Wählern sowie der Öffentlichkeit Rechenschaft schuldig. Die Schaffung eines Ethikgremiums würde sie in keiner Weise von ihren Transparenzpflichten und ihrer ethischen Verantwortung befreien.</p>
    • <p>Das Büro des Nationalrates wird beauftragt, die Schaffung eines Ethikgremiums des Parlaments zu prüfen, das den Ratsmitgliedern zur Verfügung stünde, damit im Parlament ein Mehr an Transparenz und ethischem Handeln erreicht werden kann.</p>
    • Schaffung eines Ethikgremiums des Parlamentes

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