Wie lange könnte die Schweiz ein anhaltendes Grossaufgebot seiner Milizangehörigen verkraften?

ShortId
20.4291
Id
20204291
Updated
28.07.2023 00:54
Language
de
Title
Wie lange könnte die Schweiz ein anhaltendes Grossaufgebot seiner Milizangehörigen verkraften?
AdditionalIndexing
09;2841
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Covid-19 erinnerte uns daran, dass Armee und Zivilschutz die einzige strategische Reserve des Landes sind. In den beiden letzten Jahrhunderten musste die Armee mehrfach in grosser Zahl über längere Zeit Dienst leisten. Die Erfahrungen von damals lassen sich aber aufgrund der tiefgreifenden Veränderungen in Gesellschaft (Rolle der Frauen, Einwanderung), Wirtschaft (tertiärer Sektor umfasst grössere Teile der Arbeitstätigen als die beiden ersten Sektoren, als während den letzten Weltkriegen) und Wehrwesen (nur noch rund zehn Jahrgänge sind in den Mannschaftsgraden dienstpflichtig) nicht mehr in die heutige Zeit übertragen.</p><p>Ein Mobilmachungssystem wurde mit der WEA gerade rechtzeitig wiederaufgebaut. Es braucht aber auch wieder ein Bewusstsein dafür, dass die Armee für die Durchhaltefähigkeit eines grösseren Aufgebots auf Vorbereitungen in Gesellschaft und Wirtschaft angewiesen ist. Der Bundesrat hat gemäss seiner Antwort auf 14.5119 Vertrauen darin, dass genügend AdA einem Aufgebot Folge leisten. Aber könnten unsere Soldatinnen und Soldaten sich darauf verlassen, dass sie im Einsatz für unser Land nicht denjenigen gegenüber benachteiligt wären, die sich dieser Pflicht aus nicht immer lauteren Gründen entziehen können?</p><p>Zu den besonders wahrscheinlichen Bedrohungsszenarien zählen personalintensive und länger andauernde (Eigen-) Schutz-, Überwachungs- und Bewachungsaufträge der Armee (Vgl. Antwort des BR zu 08.3466). Ein nur noch sehr kleiner Teil der Gesamtbevölkerung würde über Monate hinweg von der Familie und der zivilen Arbeit in den Aktivdienst abberufen. Dabei gäbe es eine ähnlich grosse Zahl Männer und Frauen im dienstfähigen Alter, die bereits aus der Armee entlassen wurden, oder in den Zivildienst gewechselt sind. Können die Aktivdienstleistenden auf die Solidarität von Gesellschaft und Wirtschaft zählen?</p>
  • <p>Die gegenwärtige Covid-19-Pandemie zeigt, dass Dienstpflichtige einem Aufgebot in Krisenzeiten Folge leisten und dass Armee und Zivilschutz fähig sind, zivile Behörden auch über eine längere Zeitdauer subsidiär zu unterstützen.</p><p>Die Frage, wie lange Armee und Zivilschutz ihre Aufgaben in unterschiedlichen Szenarien erfüllen können, lässt sich nicht so allgemein beantworten. Gemäss dem aktuellen Leistungsprofil der Armee müssen Einsätze je nach Aufgabe während Wochen oder Monaten möglich sein. Die Bereitschaft ist darauf ausgerichtet und die Armee verfügt dazu über einen Sollbestand von 100 000 Armeeangehörigen. Um diesen bei einer Mobilmachung zu erreichen, müssen effektiv 140 000 Militärdienstpflichtige in der Armee eingeteilt sein. Dies ist aktuell der Fall.</p><p>Wie viele Dienstleistende in einem Assistenzdienst wie lange aufgeboten werden, entscheidet gemäss Art. 70 Abs. 1 Militärgesetz (MG; SR 510.10) der Bundesrat. Die Bundesversammlung muss den Einsatz genehmigen, wenn er länger als drei Wochen dauert oder der Bestand 2000 Armeeangehörige übersteigt (Art. 70 Abs. 2 MG). Angehörige des Zivilschutzes werden von den Kantonen aufgeboten. Um die Kapazitäten der Kantone zu erhöhen, kann der Bundesrat gemäss Art 46 Abs. 1 Bst. a des Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetzes (BZG; SR 520.1) bei Katastrophen und Notlagen, die mehrere Kantone oder die ganze Schweiz betreffen, Schutzdienstpflichtige aufbieten.</p><p>Ein Einsatz dauert jeweils so lange, bis die Bedrohung oder Gefahr soweit eingedämmt ist, dass die zivilen Behörden nicht mehr auf Armee- oder Zivilschutzunterstützung angewiesen sind. Die Durchhaltefähigkeit der Armee lässt sich erhöhen, indem eingesetzte Verbände nach einer gewissen Zeit entlassen und abgelöst werden. Auch kann Armeeangehörigen Urlaub gewährt werden, wenn sie in einem Verband Dienst leisten, der während längerer Zeit im Einsatz steht.</p><p>Militärdienstpflichtige, die ihre Ausbildungsdienstpflicht erfüllt haben, müssen keine Wiederholungskurse mehr absolvieren. Sie bleiben aber eingeteilt, bis sie ihre Militärdienstpflicht erfüllt haben und können für Assistenz- und Aktivdiensteinsätze aufgeboten werden. So wurden auch Armeeangehörige mit erfüllter Ausbildungsdienstpflicht für den Einsatz zur Bewältigung der Covid-19-Pandemie aufgeboten. Bei Angehörigen des Zivilschutzes, deren Ende der Schutzdienstpflicht mit einem Katastropheneinsatz oder einer Notlage zusammenfällt, verlängert sich diese gemäss Art. 31 Abs. 6 BZG bis zum Ende des Einsatzes.</p><p>Das MG und das BZG ermöglichen, die Bestände von Armee und Zivilschutz bei Bedarf relativ kurzfristig zu erhöhen. So kann der Bundesrat die Dienstpflicht von Armeeangehörigen gemäss Art. 13 Abs. 2 Bst. b MG um bis zu fünf Jahre erhöhen. Beim Zivilschutz kann er situationsbezogen gemäss Art. 31 Abs. 7, Art. 31 Abs. 8 oder Art. 32 des BZG die Schutzdienstpflicht erweitern. Mit den zusätzlichen Militär- und Zivilschutzdienstpflichtigen lassen sich unter anderem Ablösungen sicherstellen, um die Durchhaltefähigkeit zu erhöhen.</p><p>Auch Zivildienstpflichtige können bei Katastrophen und Notlagen zum Einsatz verpflichtet werden. Im Falle ausserordentlicher Zivildienstleistungen auch über die Dauer der ordentlichen Zivildienstleistung hinaus (Art. 9 Bst. d und e ZDG).</p><p>Aktuell und in naher Zukunft sind in der Armee genügend Militärdienstpflichtige eingeteilt; bis Ende des Jahrzehnts wird sich die Bestandessituation jedoch voraussichtlich verschlechtern. Beim Zivilschutz ist die Alimentierung bereits heute problematisch. Deshalb hat der Bundesrat das VBS am 28. Juni 2017 beauftragt, die Alimentierungssituation von Armee und Zivilschutz in Zusammenarbeit mit dem WBF zu analysieren. Dieser Bericht soll im Sommer 2021 vorliegen.</p> Antwort des Bundesrates.
  • <p>Der Bundesrat wird gebeten Auskunft zu geben, wie die Schweiz ein anhaltendes Armeegrossaufgebot stemmen könnte. Wie lange vermögen Armee und Zivilschutz ihre Rolle mit ihren unzureichend alimentierten Beständen zu erfüllen? Konkret</p><p>- in der gegenwärtigen anhaltenden Covid-19-Krise;</p><p>- in einem Szenario erhöhter Spannungen, vergleichbar demjenigen der Sicherheitsverbundsübung 19, wenn landesweit kritische Infrastrukturen über Monate hinweg geschützt werden müssen;</p><p>- im Verteidigungsfall, wenn zusätzlich zu den weiter zu erbringenden Schutzleistungen ein Gegner mit konventionellen und hybriden Mitteln abgeschreckt oder abgewehrt werden müsste.</p><p>Mit wie langen Aktivdienstzeiten müssten die einzelnen Armee- und Zivilschutzangehörigen rechnen, wenn wegen der zu tiefen Bestände weniger Ablösungen möglich sind?</p><p>Wäre es nicht gegenüber den Dienstpflichtigen fairer und für Wirtschaft und Gesellschaft tragbarer, wenn die Last eines andauernden Grossaufgebotes wieder auf mehr Schultern verteilt werden könnte?</p>
  • Wie lange könnte die Schweiz ein anhaltendes Grossaufgebot seiner Milizangehörigen verkraften?
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Covid-19 erinnerte uns daran, dass Armee und Zivilschutz die einzige strategische Reserve des Landes sind. In den beiden letzten Jahrhunderten musste die Armee mehrfach in grosser Zahl über längere Zeit Dienst leisten. Die Erfahrungen von damals lassen sich aber aufgrund der tiefgreifenden Veränderungen in Gesellschaft (Rolle der Frauen, Einwanderung), Wirtschaft (tertiärer Sektor umfasst grössere Teile der Arbeitstätigen als die beiden ersten Sektoren, als während den letzten Weltkriegen) und Wehrwesen (nur noch rund zehn Jahrgänge sind in den Mannschaftsgraden dienstpflichtig) nicht mehr in die heutige Zeit übertragen.</p><p>Ein Mobilmachungssystem wurde mit der WEA gerade rechtzeitig wiederaufgebaut. Es braucht aber auch wieder ein Bewusstsein dafür, dass die Armee für die Durchhaltefähigkeit eines grösseren Aufgebots auf Vorbereitungen in Gesellschaft und Wirtschaft angewiesen ist. Der Bundesrat hat gemäss seiner Antwort auf 14.5119 Vertrauen darin, dass genügend AdA einem Aufgebot Folge leisten. Aber könnten unsere Soldatinnen und Soldaten sich darauf verlassen, dass sie im Einsatz für unser Land nicht denjenigen gegenüber benachteiligt wären, die sich dieser Pflicht aus nicht immer lauteren Gründen entziehen können?</p><p>Zu den besonders wahrscheinlichen Bedrohungsszenarien zählen personalintensive und länger andauernde (Eigen-) Schutz-, Überwachungs- und Bewachungsaufträge der Armee (Vgl. Antwort des BR zu 08.3466). Ein nur noch sehr kleiner Teil der Gesamtbevölkerung würde über Monate hinweg von der Familie und der zivilen Arbeit in den Aktivdienst abberufen. Dabei gäbe es eine ähnlich grosse Zahl Männer und Frauen im dienstfähigen Alter, die bereits aus der Armee entlassen wurden, oder in den Zivildienst gewechselt sind. Können die Aktivdienstleistenden auf die Solidarität von Gesellschaft und Wirtschaft zählen?</p>
    • <p>Die gegenwärtige Covid-19-Pandemie zeigt, dass Dienstpflichtige einem Aufgebot in Krisenzeiten Folge leisten und dass Armee und Zivilschutz fähig sind, zivile Behörden auch über eine längere Zeitdauer subsidiär zu unterstützen.</p><p>Die Frage, wie lange Armee und Zivilschutz ihre Aufgaben in unterschiedlichen Szenarien erfüllen können, lässt sich nicht so allgemein beantworten. Gemäss dem aktuellen Leistungsprofil der Armee müssen Einsätze je nach Aufgabe während Wochen oder Monaten möglich sein. Die Bereitschaft ist darauf ausgerichtet und die Armee verfügt dazu über einen Sollbestand von 100 000 Armeeangehörigen. Um diesen bei einer Mobilmachung zu erreichen, müssen effektiv 140 000 Militärdienstpflichtige in der Armee eingeteilt sein. Dies ist aktuell der Fall.</p><p>Wie viele Dienstleistende in einem Assistenzdienst wie lange aufgeboten werden, entscheidet gemäss Art. 70 Abs. 1 Militärgesetz (MG; SR 510.10) der Bundesrat. Die Bundesversammlung muss den Einsatz genehmigen, wenn er länger als drei Wochen dauert oder der Bestand 2000 Armeeangehörige übersteigt (Art. 70 Abs. 2 MG). Angehörige des Zivilschutzes werden von den Kantonen aufgeboten. Um die Kapazitäten der Kantone zu erhöhen, kann der Bundesrat gemäss Art 46 Abs. 1 Bst. a des Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetzes (BZG; SR 520.1) bei Katastrophen und Notlagen, die mehrere Kantone oder die ganze Schweiz betreffen, Schutzdienstpflichtige aufbieten.</p><p>Ein Einsatz dauert jeweils so lange, bis die Bedrohung oder Gefahr soweit eingedämmt ist, dass die zivilen Behörden nicht mehr auf Armee- oder Zivilschutzunterstützung angewiesen sind. Die Durchhaltefähigkeit der Armee lässt sich erhöhen, indem eingesetzte Verbände nach einer gewissen Zeit entlassen und abgelöst werden. Auch kann Armeeangehörigen Urlaub gewährt werden, wenn sie in einem Verband Dienst leisten, der während längerer Zeit im Einsatz steht.</p><p>Militärdienstpflichtige, die ihre Ausbildungsdienstpflicht erfüllt haben, müssen keine Wiederholungskurse mehr absolvieren. Sie bleiben aber eingeteilt, bis sie ihre Militärdienstpflicht erfüllt haben und können für Assistenz- und Aktivdiensteinsätze aufgeboten werden. So wurden auch Armeeangehörige mit erfüllter Ausbildungsdienstpflicht für den Einsatz zur Bewältigung der Covid-19-Pandemie aufgeboten. Bei Angehörigen des Zivilschutzes, deren Ende der Schutzdienstpflicht mit einem Katastropheneinsatz oder einer Notlage zusammenfällt, verlängert sich diese gemäss Art. 31 Abs. 6 BZG bis zum Ende des Einsatzes.</p><p>Das MG und das BZG ermöglichen, die Bestände von Armee und Zivilschutz bei Bedarf relativ kurzfristig zu erhöhen. So kann der Bundesrat die Dienstpflicht von Armeeangehörigen gemäss Art. 13 Abs. 2 Bst. b MG um bis zu fünf Jahre erhöhen. Beim Zivilschutz kann er situationsbezogen gemäss Art. 31 Abs. 7, Art. 31 Abs. 8 oder Art. 32 des BZG die Schutzdienstpflicht erweitern. Mit den zusätzlichen Militär- und Zivilschutzdienstpflichtigen lassen sich unter anderem Ablösungen sicherstellen, um die Durchhaltefähigkeit zu erhöhen.</p><p>Auch Zivildienstpflichtige können bei Katastrophen und Notlagen zum Einsatz verpflichtet werden. Im Falle ausserordentlicher Zivildienstleistungen auch über die Dauer der ordentlichen Zivildienstleistung hinaus (Art. 9 Bst. d und e ZDG).</p><p>Aktuell und in naher Zukunft sind in der Armee genügend Militärdienstpflichtige eingeteilt; bis Ende des Jahrzehnts wird sich die Bestandessituation jedoch voraussichtlich verschlechtern. Beim Zivilschutz ist die Alimentierung bereits heute problematisch. Deshalb hat der Bundesrat das VBS am 28. Juni 2017 beauftragt, die Alimentierungssituation von Armee und Zivilschutz in Zusammenarbeit mit dem WBF zu analysieren. Dieser Bericht soll im Sommer 2021 vorliegen.</p> Antwort des Bundesrates.
    • <p>Der Bundesrat wird gebeten Auskunft zu geben, wie die Schweiz ein anhaltendes Armeegrossaufgebot stemmen könnte. Wie lange vermögen Armee und Zivilschutz ihre Rolle mit ihren unzureichend alimentierten Beständen zu erfüllen? Konkret</p><p>- in der gegenwärtigen anhaltenden Covid-19-Krise;</p><p>- in einem Szenario erhöhter Spannungen, vergleichbar demjenigen der Sicherheitsverbundsübung 19, wenn landesweit kritische Infrastrukturen über Monate hinweg geschützt werden müssen;</p><p>- im Verteidigungsfall, wenn zusätzlich zu den weiter zu erbringenden Schutzleistungen ein Gegner mit konventionellen und hybriden Mitteln abgeschreckt oder abgewehrt werden müsste.</p><p>Mit wie langen Aktivdienstzeiten müssten die einzelnen Armee- und Zivilschutzangehörigen rechnen, wenn wegen der zu tiefen Bestände weniger Ablösungen möglich sind?</p><p>Wäre es nicht gegenüber den Dienstpflichtigen fairer und für Wirtschaft und Gesellschaft tragbarer, wenn die Last eines andauernden Grossaufgebotes wieder auf mehr Schultern verteilt werden könnte?</p>
    • Wie lange könnte die Schweiz ein anhaltendes Grossaufgebot seiner Milizangehörigen verkraften?

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