Wie kommt der Bund der Erbringung von spezifischen Leistungen für Opfer von Menschenhandel nach?

ShortId
20.4620
Id
20204620
Updated
28.07.2023 01:02
Language
de
Title
Wie kommt der Bund der Erbringung von spezifischen Leistungen für Opfer von Menschenhandel nach?
AdditionalIndexing
15;44;1236;10;08;2811
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Die Unterstützung von potenziellen Opfern von Menschenhandel sowie anderer vulnerabler Personengruppen ist dem Bundesrat ein besonders wichtiges Anliegen, insbesondere im Asylverfahren. Da das Asylgesetz (SR 142.31) und die dazugehörigen Verordnungen bereits gewisse Massnahmen für Asylsuchende vorsehen, sind die Unterstützungsmassnahmen für Opfer von Menschenhandel gemäss dem Übereinkommen zur Bekämpfung des Menschenhandels (nachstehend: ÜBM; SR 0.311.543) darin grundsätzlich abgedeckt, und dies unabhängig vom Land der Ausbeutung. Die direkte Anwendbarkeit von Artikel 12 ÜBM im Asylverfahren ist jedoch noch nicht von einem Schweizer Gericht geprüft worden. Die Unterbringung in den Bundesasylzentren erfolgt geschlechtergetrennt und anonym. Potenzielle Opfer von Menschenhandel werden in separaten Bereichen vor allfälliger Einschüchterung, Drohung oder Übergriffen durch andere Asylsuchende geschützt. Betroffene, die aufgrund der geografischen Nähe zu Täterinnen oder Tätern der Gefahr des Re-Trafficking ausgesetzt sein könnten, werden in eine andere Asylregion verlegt. Reichen die getroffenen Massnahmen nicht aus, um betroffene Personen zu schützen, erfolgt bereits heute eine alternative Unterbringung. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) hat zudem Richtlinien zur Unterbringung und Betreuung von besonders vulnerablen Personengruppen in den Bundesasylzentren (BAZ) erlassen und erarbeitet derzeit einen Leitfaden für Personen mit besonderen Bedürfnissen, der auch spezifische Bestimmungen für potenzielle Opfer von Menschenhandel enthält. In Erfüllung des Postulats Feri 16.3407 vom 9. Juni 2016 werden im Jahr 2021 zusätzlich verbindliche Schulungen zum Umgang mit Opfern von sexueller Gewalt und Menschenhandel für alle Mitarbeitenden im Asylverfahren eingeführt. Das SEM stellt überdies allen Asylsuchenden professionelle interkulturelle Dolmetschdienste und die medizinische Beratung und Behandlung zur Verfügung. Der Bundesrat ist deshalb der Auffassung, dass in den BAZ eine menschenrechtskonforme und bedürfnisgerechte Unterbringung gewährleistet ist. Die unentgeltlichen Rechtsberatungen und Rechtsvertretungen sind gemäss ihrem Auftrag ausschliesslich für die Wahrung der Interessen der Asylsuchenden im Asylverfahren in den BAZ zuständig. Sie unterstützen jedoch auch potenzielle Opfer von Menschenhandel, indem sie sie insbesondere auf die Anhörungen vorbereiten, sie dabei begleiten und ihnen bei Bedarf die Kontaktdaten der spezialisierten Nichtregierungsorganisationen bekanntgeben. Zudem befragt das SEM potenzielle Opfer von Menschenhandel nach ihrem Schutzbedarf, informiert sie über ihre Rechte und gibt ihnen - wenn die Ausbeutung in der Schweiz erfolgt ist - die Kontaktdaten der kantonalen Opferberatungsstellen. Gleichzeitig werden sie darüber informiert, dass das Asylverfahren unabhängig ist vom Strafverfahren und dass sie die Möglichkeit haben, Anzeige zu erstatten und mit der Polizei zusammenzuarbeiten. Schliesslich konnten die in der Stellungnahme des Bundesrates auf die Interpellation Seiler-Graf 20.4146 erwähnten Empfehlungen der Arbeitsgruppe Asyl und Menschenhandel unter der Leitung des SEM in der Zwischenzeit konsolidiert werden. Der Bericht der Arbeitsgruppe wird in der ersten Jahreshälfte 2021 auf der Internetseite des SEM veröffentlicht werden. Seit 2018 hat das SEM seine Prozesse in Bezug auf potenzielle Opfer von Menschenhandel im Asylverfahren kontinuierlich den Empfehlungen der Arbeitsgruppe Asyl und Menschenhandel angepasst, insbesondere in den Bereichen, in denen die Expertengruppe des Europarates gegen Menschenhandel GRETA dringlichen Optimierungsbedarf ausgemacht hatte. Das SEM wird die Umsetzung der Empfehlungen nach der Veröffentlichung des Berichts der Arbeitsgruppe weiterführen. Eine allfällige Anpassung der Massnahmen zur Unterstützung von potentiellen Opfern von Menschenhandel wird in diesem Rahmen geprüft werden.</p> Antwort des Bundesrates.
  • <p>Aus der Antwort des Bundesrates zu Interpellation 20.4146 bleiben folgende Fragen offen:</p><p>Beratung: Keine der in der Antwort des Bundesrates erwähnten Leistungen entspricht den unter Artikel 12 vorgesehenen spezifischen Leistungen für Opfer von Menschenhandel (OMH): Die genannte "unentgeltliche Beratung und Rechtsvertretung" bezieht sich lediglich auf die unentgeltliche Rechtsberatung und Rechtsvertretung (RV) für das Asylverfahren. Die damit beauftragten RVs haben jedoch weder den Auftrag, noch die Spezialisierung oder Qualifikation, um die Leistung unter Art. 12, Abs. d) und e) der Europaratskonvention gegen Menschenhandel (EKM) zu erbringen. </p><p>Unterbringung: Die Expertengruppe zur Bekämpfung des Menschenhandels GRETA hat im Juni 2020 eine Guidance Note für Opfer von Menschenhandel im Asylsystem veröffentlicht, in der festgehalten wird, dass Asylzentren keine geeignete Unterbringung für OMH darstellen (Ziff. 143). Die Schweizer Bundesasylzentren - in der Antwort als "angemessene Unterkunft" bezeichnet - genügen den Minimalanforderungen der EKM demnach nicht; sie entsprechen weder den im Explanatory Report zur EKM aufgeführten Minimalleistungen (Ziff. 154), noch denen in der Guidance Note unter Ziff. 143. </p><p>Im Explanatory Report steht weiter: "149. Under para. 5 the assistance can be provided in cooperation with nongovernmental organisations, other relevant organisations or other elements of civil society engaged in victim assistance. It is nevertheless the Parties that remain responsible for meeting the obligations in the Convention. Consequently, it is they who have to take the steps necessary to ensure that victims receive the assistance they are entitled to, in particular by making sure that reception, protection and assistance services are funded adequately and in time."</p><p>Die Schweiz wurde im Rahmen der 2. Evaluationsrunde des Europarates im Oktober 2019 erneut in einer "Immediate Action" aufgefordert, sicherzustellen, dass alle OMH in der Schweiz, auch Asylsuchende und Opfer mit Tatort Ausland, Zugang zu den Leistungen von Artikel 12 erhalten.</p><p>Wie also kommt der Bund den spezifischen Leistungen unter Art. 12 EKM, insbesondere Abs. a), c), d) und e) nach, die über die allgemeinen Leistungen für alle Asylsuchenden hinausgehen und auf die OMH zusätzlich und unabhängig vom Tatort ein Anrecht haben?</p>
  • Wie kommt der Bund der Erbringung von spezifischen Leistungen für Opfer von Menschenhandel nach?
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Die Unterstützung von potenziellen Opfern von Menschenhandel sowie anderer vulnerabler Personengruppen ist dem Bundesrat ein besonders wichtiges Anliegen, insbesondere im Asylverfahren. Da das Asylgesetz (SR 142.31) und die dazugehörigen Verordnungen bereits gewisse Massnahmen für Asylsuchende vorsehen, sind die Unterstützungsmassnahmen für Opfer von Menschenhandel gemäss dem Übereinkommen zur Bekämpfung des Menschenhandels (nachstehend: ÜBM; SR 0.311.543) darin grundsätzlich abgedeckt, und dies unabhängig vom Land der Ausbeutung. Die direkte Anwendbarkeit von Artikel 12 ÜBM im Asylverfahren ist jedoch noch nicht von einem Schweizer Gericht geprüft worden. Die Unterbringung in den Bundesasylzentren erfolgt geschlechtergetrennt und anonym. Potenzielle Opfer von Menschenhandel werden in separaten Bereichen vor allfälliger Einschüchterung, Drohung oder Übergriffen durch andere Asylsuchende geschützt. Betroffene, die aufgrund der geografischen Nähe zu Täterinnen oder Tätern der Gefahr des Re-Trafficking ausgesetzt sein könnten, werden in eine andere Asylregion verlegt. Reichen die getroffenen Massnahmen nicht aus, um betroffene Personen zu schützen, erfolgt bereits heute eine alternative Unterbringung. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) hat zudem Richtlinien zur Unterbringung und Betreuung von besonders vulnerablen Personengruppen in den Bundesasylzentren (BAZ) erlassen und erarbeitet derzeit einen Leitfaden für Personen mit besonderen Bedürfnissen, der auch spezifische Bestimmungen für potenzielle Opfer von Menschenhandel enthält. In Erfüllung des Postulats Feri 16.3407 vom 9. Juni 2016 werden im Jahr 2021 zusätzlich verbindliche Schulungen zum Umgang mit Opfern von sexueller Gewalt und Menschenhandel für alle Mitarbeitenden im Asylverfahren eingeführt. Das SEM stellt überdies allen Asylsuchenden professionelle interkulturelle Dolmetschdienste und die medizinische Beratung und Behandlung zur Verfügung. Der Bundesrat ist deshalb der Auffassung, dass in den BAZ eine menschenrechtskonforme und bedürfnisgerechte Unterbringung gewährleistet ist. Die unentgeltlichen Rechtsberatungen und Rechtsvertretungen sind gemäss ihrem Auftrag ausschliesslich für die Wahrung der Interessen der Asylsuchenden im Asylverfahren in den BAZ zuständig. Sie unterstützen jedoch auch potenzielle Opfer von Menschenhandel, indem sie sie insbesondere auf die Anhörungen vorbereiten, sie dabei begleiten und ihnen bei Bedarf die Kontaktdaten der spezialisierten Nichtregierungsorganisationen bekanntgeben. Zudem befragt das SEM potenzielle Opfer von Menschenhandel nach ihrem Schutzbedarf, informiert sie über ihre Rechte und gibt ihnen - wenn die Ausbeutung in der Schweiz erfolgt ist - die Kontaktdaten der kantonalen Opferberatungsstellen. Gleichzeitig werden sie darüber informiert, dass das Asylverfahren unabhängig ist vom Strafverfahren und dass sie die Möglichkeit haben, Anzeige zu erstatten und mit der Polizei zusammenzuarbeiten. Schliesslich konnten die in der Stellungnahme des Bundesrates auf die Interpellation Seiler-Graf 20.4146 erwähnten Empfehlungen der Arbeitsgruppe Asyl und Menschenhandel unter der Leitung des SEM in der Zwischenzeit konsolidiert werden. Der Bericht der Arbeitsgruppe wird in der ersten Jahreshälfte 2021 auf der Internetseite des SEM veröffentlicht werden. Seit 2018 hat das SEM seine Prozesse in Bezug auf potenzielle Opfer von Menschenhandel im Asylverfahren kontinuierlich den Empfehlungen der Arbeitsgruppe Asyl und Menschenhandel angepasst, insbesondere in den Bereichen, in denen die Expertengruppe des Europarates gegen Menschenhandel GRETA dringlichen Optimierungsbedarf ausgemacht hatte. Das SEM wird die Umsetzung der Empfehlungen nach der Veröffentlichung des Berichts der Arbeitsgruppe weiterführen. Eine allfällige Anpassung der Massnahmen zur Unterstützung von potentiellen Opfern von Menschenhandel wird in diesem Rahmen geprüft werden.</p> Antwort des Bundesrates.
    • <p>Aus der Antwort des Bundesrates zu Interpellation 20.4146 bleiben folgende Fragen offen:</p><p>Beratung: Keine der in der Antwort des Bundesrates erwähnten Leistungen entspricht den unter Artikel 12 vorgesehenen spezifischen Leistungen für Opfer von Menschenhandel (OMH): Die genannte "unentgeltliche Beratung und Rechtsvertretung" bezieht sich lediglich auf die unentgeltliche Rechtsberatung und Rechtsvertretung (RV) für das Asylverfahren. Die damit beauftragten RVs haben jedoch weder den Auftrag, noch die Spezialisierung oder Qualifikation, um die Leistung unter Art. 12, Abs. d) und e) der Europaratskonvention gegen Menschenhandel (EKM) zu erbringen. </p><p>Unterbringung: Die Expertengruppe zur Bekämpfung des Menschenhandels GRETA hat im Juni 2020 eine Guidance Note für Opfer von Menschenhandel im Asylsystem veröffentlicht, in der festgehalten wird, dass Asylzentren keine geeignete Unterbringung für OMH darstellen (Ziff. 143). Die Schweizer Bundesasylzentren - in der Antwort als "angemessene Unterkunft" bezeichnet - genügen den Minimalanforderungen der EKM demnach nicht; sie entsprechen weder den im Explanatory Report zur EKM aufgeführten Minimalleistungen (Ziff. 154), noch denen in der Guidance Note unter Ziff. 143. </p><p>Im Explanatory Report steht weiter: "149. Under para. 5 the assistance can be provided in cooperation with nongovernmental organisations, other relevant organisations or other elements of civil society engaged in victim assistance. It is nevertheless the Parties that remain responsible for meeting the obligations in the Convention. Consequently, it is they who have to take the steps necessary to ensure that victims receive the assistance they are entitled to, in particular by making sure that reception, protection and assistance services are funded adequately and in time."</p><p>Die Schweiz wurde im Rahmen der 2. Evaluationsrunde des Europarates im Oktober 2019 erneut in einer "Immediate Action" aufgefordert, sicherzustellen, dass alle OMH in der Schweiz, auch Asylsuchende und Opfer mit Tatort Ausland, Zugang zu den Leistungen von Artikel 12 erhalten.</p><p>Wie also kommt der Bund den spezifischen Leistungen unter Art. 12 EKM, insbesondere Abs. a), c), d) und e) nach, die über die allgemeinen Leistungen für alle Asylsuchenden hinausgehen und auf die OMH zusätzlich und unabhängig vom Tatort ein Anrecht haben?</p>
    • Wie kommt der Bund der Erbringung von spezifischen Leistungen für Opfer von Menschenhandel nach?

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