Gratiszeitungen in Briefkästen. Annahmeverweigerungsrecht garantieren

ShortId
20.4697
Id
20204697
Updated
28.07.2023 00:55
Language
de
Title
Gratiszeitungen in Briefkästen. Annahmeverweigerungsrecht garantieren
AdditionalIndexing
34;15
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Die Motion 20.3113 von Nationalrätin Katja Christ fordert eine Gesetzesänderung, um für unadressierte Briefkastenwerbung zu einem Opt-in-System zu wechseln. Der Bundesrat erinnert in seiner Antwort auf die Motion daran, dass die Bürgerinnen und Bürger bereits heute ihr Annahmeverweigerungsrecht ausüben können, indem sie einen "Stopp Werbung"-Kleber an ihrem Briefkasten anbringen. Nach Ansicht des Bundesrates ist das heutige System damit zielführend.</p><p>Diese Antwort ist aber unzureichend, wenn man die Bürgerinnen und Bürger wirksam schützen will. Denn da immer mehr Briefkästen einen "Stopp Werbung"-Kleber tragen, hat die Werbebranche neue Wege gesucht und gefunden, um die renitenten Haushalte trotzdem zu erreichen.</p><p>Eine Möglichkeit ist der Rückgriff auf die Gratiszeitungen, die in alle Briefkästen verteilt werden und in die teils reine Werbeprospekte eingeschoben werden. Da das Wirtschaftsmodell der Gratiszeitungen zu einem sehr grossen Teil auf Werbeeinnahmen beruht, ist den betreffenden Zeitungen diese Art der Zusammenarbeit natürlich sehr willkommen.</p><p>Für die Werbetreibenden geht diese Strategie perfekt auf. Sie wissen, dass ein grosser Teil der Bevölkerung heute keine Möglichkeit hat, die Gratiszeitungen in den Briefkästen abzulehnen. Denn es gibt zwar die Option, zusätzliche (oft zeitungsspezifische) Kleber anzubringen, aber diese Option wird heute von den Hausverwaltungen noch allzu oft verboten.</p><p>Dies ist nicht nur problematisch mit Blick auf die Freiheit und das Recht jeder Bürgerin und jedes Bürgers, keine Werbung in den eigenen Briefkasten zu erhalten. Die Zustellung von unerwünschten Gratiszeitungen führt, wie die Zustellung von unadressierten Werbesendungen, auch zu hohen Kosten für die Gesellschaft. Die unerwünschten Gratiszeitungen werden oft ungelesen oder sogar ungeöffnet weggeworfen. Dadurch entstehen Umweltkosten, die abhängig sind von der Menge des verwendeten Papiers, dem Druck und dem Transport dieser Zeitungen. Aber es entstehen auch finanzielle Kosten für die Städte und Gemeinden, die für die Altpapiersammlung zuständig sind, dies in einer Zeit, in der der Preis für eine Tonne gesammeltes Altpapier auf dem Markt im freien Fall ist.</p>
  • <p>Gratiszeitungen sind unadressierte Sendungen und gehören damit nicht zu den Postdiensten, die durch die Postgesetzgebung reguliert werden. Der Versand von Gratiszeitungen kann unter Umständen in den Anwendungsbereich des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG; SR 241) fallen. Bei Erhalt von unerwünschten Gratiszeitungen können deren Empfängerinnen und Empfänger eine Beschwerde wegen Verletzung von Art. 2 UWG bei der Schweizerischen Lauterkeitskommission einreichen. Diese prüft, ob durch die Missachtung eines Aufklebers eine unlautere und aggressive Werbemethode im Sinne von Art. 2 UWG vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn trotz ausdrücklicher Bekundung des Annahmeverweigerungsrechts mittels Aufkleber am Briefkasten unadressierte Werbung zugestellt wird.</p><p>Bei der Beurteilung, ob eine Sendung als Zeitung oder als Werbeprodukt gilt, stützt sich die Lauterkeitskommission auf die Kategorisierung der Werbemedienforschung WEMF sowie die Richtlinien der Post ab. Um als Zeitung zu gelten, muss die Sendung einen redaktionellen Inhalt von mindestens 15 Prozent aufweisen und darf nicht überwiegend kommerziellen Zwecken oder der Bewerbung von Produkten oder Dienstleistungen dienen. Die Lauterkeitskommission hat in der Vergangenheit Beschwerden gutgeheissen, bei denen die Kriterien für eine Zeitung nicht erfüllt waren.</p><p>Handelt es sich bei der Gratiszeitung gemäss Beurteilung der Lauterkeitskommission nicht um Werbung und wurde am Briefkasten eine Annahmeverweigerung nicht nur für Werbung, sondern auch für diese Zeitungen bekundet, kann ebenfalls ein unlauteres Geschäftsgebaren im Sinne von Art. 2 UWG vorliegen.</p><p>Der Bundesrat erachtet die Tatbestände im UWG sowie die bestehenden Instrumente bei entsprechenden Verstössen als ausreichend, um sich gegen die unlautere Zustellung von Werbung zu wehren. Nebst einer Beschwerde an die Lauterkeitskommission steht (bei unlauterer Werbung) den Empfängerinnen und Empfängern ferner der Weg über die ordentlichen kantonalen Gerichte offen.</p><p>Briefkastenkleber wie "Stopp Werbung", "Bitte keine Gratiszeitungen" oder ähnliche Aufkleber werden heute von der Mehrheit der Schweizer Bevölkerung am Briefkasten angebracht. Allfällige Probleme wegen örtlichen Bauvorschriften können nicht auf dem Wege einer Anpassung von Bundesrecht gelöst werden.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, alle nötigen Massnahmen zu treffen, damit Gratiszeitungen nur in die Briefkästen derjenigen Einwohnerinnen und Einwohner verteilt werden, die dies wünschen. Zu diesem Zweck soll er die Option prüfen, dass Gratiszeitungen als unadressierte Werbesendungen betrachtet werden, die nur in Briefkästen ohne "Stopp Werbung"-Kleber verteilt werden dürfen. Ebenfalls prüfen soll er die Option, dass allen Einwohnerinnen und Einwohner das Recht garantiert wird, mit einer Aufschrift an ihrem Briefkasten zu signalisieren, dass sie keine Gratiszeitungen erhalten wollen.</p>
  • Gratiszeitungen in Briefkästen. Annahmeverweigerungsrecht garantieren
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Die Motion 20.3113 von Nationalrätin Katja Christ fordert eine Gesetzesänderung, um für unadressierte Briefkastenwerbung zu einem Opt-in-System zu wechseln. Der Bundesrat erinnert in seiner Antwort auf die Motion daran, dass die Bürgerinnen und Bürger bereits heute ihr Annahmeverweigerungsrecht ausüben können, indem sie einen "Stopp Werbung"-Kleber an ihrem Briefkasten anbringen. Nach Ansicht des Bundesrates ist das heutige System damit zielführend.</p><p>Diese Antwort ist aber unzureichend, wenn man die Bürgerinnen und Bürger wirksam schützen will. Denn da immer mehr Briefkästen einen "Stopp Werbung"-Kleber tragen, hat die Werbebranche neue Wege gesucht und gefunden, um die renitenten Haushalte trotzdem zu erreichen.</p><p>Eine Möglichkeit ist der Rückgriff auf die Gratiszeitungen, die in alle Briefkästen verteilt werden und in die teils reine Werbeprospekte eingeschoben werden. Da das Wirtschaftsmodell der Gratiszeitungen zu einem sehr grossen Teil auf Werbeeinnahmen beruht, ist den betreffenden Zeitungen diese Art der Zusammenarbeit natürlich sehr willkommen.</p><p>Für die Werbetreibenden geht diese Strategie perfekt auf. Sie wissen, dass ein grosser Teil der Bevölkerung heute keine Möglichkeit hat, die Gratiszeitungen in den Briefkästen abzulehnen. Denn es gibt zwar die Option, zusätzliche (oft zeitungsspezifische) Kleber anzubringen, aber diese Option wird heute von den Hausverwaltungen noch allzu oft verboten.</p><p>Dies ist nicht nur problematisch mit Blick auf die Freiheit und das Recht jeder Bürgerin und jedes Bürgers, keine Werbung in den eigenen Briefkasten zu erhalten. Die Zustellung von unerwünschten Gratiszeitungen führt, wie die Zustellung von unadressierten Werbesendungen, auch zu hohen Kosten für die Gesellschaft. Die unerwünschten Gratiszeitungen werden oft ungelesen oder sogar ungeöffnet weggeworfen. Dadurch entstehen Umweltkosten, die abhängig sind von der Menge des verwendeten Papiers, dem Druck und dem Transport dieser Zeitungen. Aber es entstehen auch finanzielle Kosten für die Städte und Gemeinden, die für die Altpapiersammlung zuständig sind, dies in einer Zeit, in der der Preis für eine Tonne gesammeltes Altpapier auf dem Markt im freien Fall ist.</p>
    • <p>Gratiszeitungen sind unadressierte Sendungen und gehören damit nicht zu den Postdiensten, die durch die Postgesetzgebung reguliert werden. Der Versand von Gratiszeitungen kann unter Umständen in den Anwendungsbereich des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG; SR 241) fallen. Bei Erhalt von unerwünschten Gratiszeitungen können deren Empfängerinnen und Empfänger eine Beschwerde wegen Verletzung von Art. 2 UWG bei der Schweizerischen Lauterkeitskommission einreichen. Diese prüft, ob durch die Missachtung eines Aufklebers eine unlautere und aggressive Werbemethode im Sinne von Art. 2 UWG vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn trotz ausdrücklicher Bekundung des Annahmeverweigerungsrechts mittels Aufkleber am Briefkasten unadressierte Werbung zugestellt wird.</p><p>Bei der Beurteilung, ob eine Sendung als Zeitung oder als Werbeprodukt gilt, stützt sich die Lauterkeitskommission auf die Kategorisierung der Werbemedienforschung WEMF sowie die Richtlinien der Post ab. Um als Zeitung zu gelten, muss die Sendung einen redaktionellen Inhalt von mindestens 15 Prozent aufweisen und darf nicht überwiegend kommerziellen Zwecken oder der Bewerbung von Produkten oder Dienstleistungen dienen. Die Lauterkeitskommission hat in der Vergangenheit Beschwerden gutgeheissen, bei denen die Kriterien für eine Zeitung nicht erfüllt waren.</p><p>Handelt es sich bei der Gratiszeitung gemäss Beurteilung der Lauterkeitskommission nicht um Werbung und wurde am Briefkasten eine Annahmeverweigerung nicht nur für Werbung, sondern auch für diese Zeitungen bekundet, kann ebenfalls ein unlauteres Geschäftsgebaren im Sinne von Art. 2 UWG vorliegen.</p><p>Der Bundesrat erachtet die Tatbestände im UWG sowie die bestehenden Instrumente bei entsprechenden Verstössen als ausreichend, um sich gegen die unlautere Zustellung von Werbung zu wehren. Nebst einer Beschwerde an die Lauterkeitskommission steht (bei unlauterer Werbung) den Empfängerinnen und Empfängern ferner der Weg über die ordentlichen kantonalen Gerichte offen.</p><p>Briefkastenkleber wie "Stopp Werbung", "Bitte keine Gratiszeitungen" oder ähnliche Aufkleber werden heute von der Mehrheit der Schweizer Bevölkerung am Briefkasten angebracht. Allfällige Probleme wegen örtlichen Bauvorschriften können nicht auf dem Wege einer Anpassung von Bundesrecht gelöst werden.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, alle nötigen Massnahmen zu treffen, damit Gratiszeitungen nur in die Briefkästen derjenigen Einwohnerinnen und Einwohner verteilt werden, die dies wünschen. Zu diesem Zweck soll er die Option prüfen, dass Gratiszeitungen als unadressierte Werbesendungen betrachtet werden, die nur in Briefkästen ohne "Stopp Werbung"-Kleber verteilt werden dürfen. Ebenfalls prüfen soll er die Option, dass allen Einwohnerinnen und Einwohner das Recht garantiert wird, mit einer Aufschrift an ihrem Briefkasten zu signalisieren, dass sie keine Gratiszeitungen erhalten wollen.</p>
    • Gratiszeitungen in Briefkästen. Annahmeverweigerungsrecht garantieren

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