Umgang der IV mit Betroffenen. Ungleichheiten zwischen den Kantonen

ShortId
21.4135
Id
20214135
Updated
28.07.2023 00:07
Language
de
Title
Umgang der IV mit Betroffenen. Ungleichheiten zwischen den Kantonen
AdditionalIndexing
28;2836;04
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>1. Der Bundesrat ist sich bewusst, dass ein Verfahren der Invalidenversicherung (IV) für Eltern von Kindern mit Behinderungen eine zusätzliche Belastung zu einer bereits herausfordernden gesundheitlichen Situation darstellt. Betreuen Eltern ihre Kinder mit Behinderungen zu einem grossen Teil zu Hause selber, kann die Zusammenarbeit mit den verschiedenen leistungspflichtigen Sozialversicherungen rasch sehr komplex werden: Auf der einen Seite ist die Lebensrealität der Eltern auf eine möglichst gute und ganzheitliche Betreuung und Pflege ihrer Kinder ausgerichtet. Auf der anderen Seite ist die IV verpflichtet, den Anspruch auf alle in Frage kommenden Leistungen (Medizinische Massnahmen einschliesslich ambulanter medizinischer Pflegeleistungen zur Behandlung von Geburtsgebrechen, Hilflosenentschädigung, Intensivpflegezuschlag, Assistenzbeitrag, Hilfsmittel, Umbauten) zu prüfen und bei erfülltem Anspruch zuzusprechen. Je nach Leistung sind die Abklärungen aufwändig und langwierig, und es sind meist sehr viele Akteure involviert wie beispielsweise der behandelnde Arzt, die Fachärztin, Kinderspitex als Erbringerin von ambulanten medizinischen Pflegeleistungen, Entlastungsdienste, Krankenkasse und weitere. Die fragmentierte Sichtweise der Sozialen Sicherheit bzw. das Abklären nach Leistungen entspricht nicht immer der Sichtweise der Eltern und kann deren Bedürfnissen nicht immer unmittelbar gerecht werden. Mit der Weiterentwicklung der IV (17.022) wurde die medizinische Fallführung jedoch explizit verstärkt, damit Eltern von Kindern mit Behinderungen in diesen komplexen Situationen besser unterstützt werden können.</p><p>2/3: Dem Bundesrat ist bewusst, dass es (kantonale) Unterschiede in der Länge der Verfahrensdauer gibt. Ein ungleich langes Verfahren führt jedoch nicht zu ungleichen Leistungen. Die Bearbeitungsfristen richten sich nach den Umständen des Einzelfalls. Wie lange ein konkretes Verfahren dauert, ist abhängig von den in Frage kommenden Leistungen, den von der IV-Stelle vor ihrem Entscheid von Amtes wegen zu beschaffenden Informationen und nicht zuletzt von der Organisation der IV-Stelle. Diese sind gemäss Artikel 59 des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20) in der Wahl der Organisationsform frei. Im Rahmen der Aufsichtstätigkeit des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) wird mittels Zielvereinbarungen mit den IV-Stellen auf die Bearbeitungsdauer fokussiert. Erste provisorische Auswertungen für das Jahr 2021 zeigen, dass ein Grossteil der IV-Stellen bei der Bearbeitungsdauer der Anträge für vorliegend im Fokus stehende Leistungen innerhalb der Vorgaben (prozentualer Anteil der Anträge, die in einem bestimmten Zeitraum bearbeitet sein sollen) liegen.</p><p>4. Das BSV verfügt über verschiedene Aufsichtsinstrumente über die IV-Stellen: Die IV-Stellen werden jährlich auditiert und in der Folge wird eine individuelle Zielvereinbarung zwischen dem BSV und den IV-Stellen angeschlossen. In diesem Rahmen werden Auffälligkeiten, die im Rahmen der Aufsicht und wirkungsorientierten Steuerung des BSV sichtbar werden (beispielsweise auch im Zusammenhang mit der Bearbeitungsdauer von Dossiers), mit der betroffenen IV-Stelle angegangen. Angezeigte Korrekturmassnahmen werden in Form von IV-stellenspezifischen Zielen vereinbart. Die Zielerreichung wird jeweils im folgenden Audit überprüft und im Zielvereinbarungsgespräch besprochen. Bei Bedarf kann das BSV auch eine Weisung im Einzelfall an eine IV-Stelle erteilen, um eine Praxisänderung zu bewirken (Art. 64a IVG).</p> Antwort des Bundesrates.
  • <p>SRF hat mit "Reporter" Schicksale von Familien mit Kindern mit Behinderungen aufgezeigt, deren grösstes Problem im Alltag offenbar nicht der Umgang mit der Behinderung ihrer Kinder, sondern die stetige Auseinandersetzung mit der IV ist. Dies ist nicht überall in der Schweiz gleich. Bei allen Unterschieden zwischen den verschiedenen Fällen ist augenfällig, dass alle gezeigten Schicksale aus Kantonen kommen, deren IV-Stellen bei Beratungsstellen und BetroffenenanwältInnen für überdurchschnittlich grosse Schwierigkeiten, rechtlich geschuldete Leistungen auch wirklich zu erhalten, bekannt sind. Teilweise wird bei grossen lokalen Problemen auch dazu geraten, den Kanton zu wechseln. Auch eine Denkfabrik von Menschen mit Behinderungen hat jüngst auf die eklatanten Unterschiede im Vollzug der IV zwischen den Kantonen hingewiesen. </p><p>Vor diesem Hintergrund wird der Bundesrat gebeten, folgende Fragen zu beantworten:</p><p>1. Wie stellt sich der Bundesrat zur Aussage von betroffenen Familien, dass ihre grösste Herausforderung nicht das Leben mit der Behinderung, sondern die zermürbende Auseinandersetzung mit der IV ist?</p><p>2. Teilt der Bundesrat die Ansicht, dass es je nach Kanton unterschiedlich lange dauert, um IV-Leistungen zu erhalten, und Ansprüche unterschiedlich und somit rechtsungleich beurteilt werden?</p><p>3. Hält der Bundesrat bei einer nationalen Versicherung diese Unterschiede für gerechtfertigt?</p><p>4. Welche Möglichkeiten sieht der Bundesrat im Rahmen der Aufsichtsfunktion des BSV, um stossende Ungleichheiten zu verhindern? Was hält der Bundesrat beispielsweise neben den bereits existierenden allgemeinen Weisungen und Kreissschreiben von konkreten Vorgaben für IV-Stellen mit problematischer Praxis?</p>
  • Umgang der IV mit Betroffenen. Ungleichheiten zwischen den Kantonen
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>1. Der Bundesrat ist sich bewusst, dass ein Verfahren der Invalidenversicherung (IV) für Eltern von Kindern mit Behinderungen eine zusätzliche Belastung zu einer bereits herausfordernden gesundheitlichen Situation darstellt. Betreuen Eltern ihre Kinder mit Behinderungen zu einem grossen Teil zu Hause selber, kann die Zusammenarbeit mit den verschiedenen leistungspflichtigen Sozialversicherungen rasch sehr komplex werden: Auf der einen Seite ist die Lebensrealität der Eltern auf eine möglichst gute und ganzheitliche Betreuung und Pflege ihrer Kinder ausgerichtet. Auf der anderen Seite ist die IV verpflichtet, den Anspruch auf alle in Frage kommenden Leistungen (Medizinische Massnahmen einschliesslich ambulanter medizinischer Pflegeleistungen zur Behandlung von Geburtsgebrechen, Hilflosenentschädigung, Intensivpflegezuschlag, Assistenzbeitrag, Hilfsmittel, Umbauten) zu prüfen und bei erfülltem Anspruch zuzusprechen. Je nach Leistung sind die Abklärungen aufwändig und langwierig, und es sind meist sehr viele Akteure involviert wie beispielsweise der behandelnde Arzt, die Fachärztin, Kinderspitex als Erbringerin von ambulanten medizinischen Pflegeleistungen, Entlastungsdienste, Krankenkasse und weitere. Die fragmentierte Sichtweise der Sozialen Sicherheit bzw. das Abklären nach Leistungen entspricht nicht immer der Sichtweise der Eltern und kann deren Bedürfnissen nicht immer unmittelbar gerecht werden. Mit der Weiterentwicklung der IV (17.022) wurde die medizinische Fallführung jedoch explizit verstärkt, damit Eltern von Kindern mit Behinderungen in diesen komplexen Situationen besser unterstützt werden können.</p><p>2/3: Dem Bundesrat ist bewusst, dass es (kantonale) Unterschiede in der Länge der Verfahrensdauer gibt. Ein ungleich langes Verfahren führt jedoch nicht zu ungleichen Leistungen. Die Bearbeitungsfristen richten sich nach den Umständen des Einzelfalls. Wie lange ein konkretes Verfahren dauert, ist abhängig von den in Frage kommenden Leistungen, den von der IV-Stelle vor ihrem Entscheid von Amtes wegen zu beschaffenden Informationen und nicht zuletzt von der Organisation der IV-Stelle. Diese sind gemäss Artikel 59 des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20) in der Wahl der Organisationsform frei. Im Rahmen der Aufsichtstätigkeit des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) wird mittels Zielvereinbarungen mit den IV-Stellen auf die Bearbeitungsdauer fokussiert. Erste provisorische Auswertungen für das Jahr 2021 zeigen, dass ein Grossteil der IV-Stellen bei der Bearbeitungsdauer der Anträge für vorliegend im Fokus stehende Leistungen innerhalb der Vorgaben (prozentualer Anteil der Anträge, die in einem bestimmten Zeitraum bearbeitet sein sollen) liegen.</p><p>4. Das BSV verfügt über verschiedene Aufsichtsinstrumente über die IV-Stellen: Die IV-Stellen werden jährlich auditiert und in der Folge wird eine individuelle Zielvereinbarung zwischen dem BSV und den IV-Stellen angeschlossen. In diesem Rahmen werden Auffälligkeiten, die im Rahmen der Aufsicht und wirkungsorientierten Steuerung des BSV sichtbar werden (beispielsweise auch im Zusammenhang mit der Bearbeitungsdauer von Dossiers), mit der betroffenen IV-Stelle angegangen. Angezeigte Korrekturmassnahmen werden in Form von IV-stellenspezifischen Zielen vereinbart. Die Zielerreichung wird jeweils im folgenden Audit überprüft und im Zielvereinbarungsgespräch besprochen. Bei Bedarf kann das BSV auch eine Weisung im Einzelfall an eine IV-Stelle erteilen, um eine Praxisänderung zu bewirken (Art. 64a IVG).</p> Antwort des Bundesrates.
    • <p>SRF hat mit "Reporter" Schicksale von Familien mit Kindern mit Behinderungen aufgezeigt, deren grösstes Problem im Alltag offenbar nicht der Umgang mit der Behinderung ihrer Kinder, sondern die stetige Auseinandersetzung mit der IV ist. Dies ist nicht überall in der Schweiz gleich. Bei allen Unterschieden zwischen den verschiedenen Fällen ist augenfällig, dass alle gezeigten Schicksale aus Kantonen kommen, deren IV-Stellen bei Beratungsstellen und BetroffenenanwältInnen für überdurchschnittlich grosse Schwierigkeiten, rechtlich geschuldete Leistungen auch wirklich zu erhalten, bekannt sind. Teilweise wird bei grossen lokalen Problemen auch dazu geraten, den Kanton zu wechseln. Auch eine Denkfabrik von Menschen mit Behinderungen hat jüngst auf die eklatanten Unterschiede im Vollzug der IV zwischen den Kantonen hingewiesen. </p><p>Vor diesem Hintergrund wird der Bundesrat gebeten, folgende Fragen zu beantworten:</p><p>1. Wie stellt sich der Bundesrat zur Aussage von betroffenen Familien, dass ihre grösste Herausforderung nicht das Leben mit der Behinderung, sondern die zermürbende Auseinandersetzung mit der IV ist?</p><p>2. Teilt der Bundesrat die Ansicht, dass es je nach Kanton unterschiedlich lange dauert, um IV-Leistungen zu erhalten, und Ansprüche unterschiedlich und somit rechtsungleich beurteilt werden?</p><p>3. Hält der Bundesrat bei einer nationalen Versicherung diese Unterschiede für gerechtfertigt?</p><p>4. Welche Möglichkeiten sieht der Bundesrat im Rahmen der Aufsichtsfunktion des BSV, um stossende Ungleichheiten zu verhindern? Was hält der Bundesrat beispielsweise neben den bereits existierenden allgemeinen Weisungen und Kreissschreiben von konkreten Vorgaben für IV-Stellen mit problematischer Praxis?</p>
    • Umgang der IV mit Betroffenen. Ungleichheiten zwischen den Kantonen

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