Gewährleistung der freien Meinungsbildung der Bürgerinnen und Bürger

ShortId
21.4168
Id
20214168
Updated
01.07.2023 10:13
Language
de
Title
Gewährleistung der freien Meinungsbildung der Bürgerinnen und Bürger
AdditionalIndexing
04;34
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Der Bundesrat hat sich an der Abstimmungskampagne vom Juni beteiligt und dabei die Notwendigkeit einer Annahme des Bundesgesetzes über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) mit Fehlinformationen begründet, namentlich indem er behauptet hat:</p><p>a. die Polizei könne nicht eingreifen, bevor eine Straftat begangen wurde,</p><p>b. das PMT respektiere die Grundrechte.</p><p>Diese Informationen figurierten auf den Seiten 12, 112 und 113 der Brochüre, die zusammen mit den Stimmzetteln abgegeben wurde.</p><p>Sie sind wahrheitswidrig, denn bereits das Strafgesetzbuch (Art. 260bis) und die Strafprozessordnung (Art. 15 und 360) erlauben es der Polizei, zu intervenieren und Zwangsmassnahmen zu ergreifen, wenn tatsächliche und konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein Terroranschlag verübt werden soll.</p><p>Die Information verschweigen zudem, dass die zentrale Rechtsfrage, um die es bei der Abstimmung über das PMT ging, die Beendigung der unmittelbaren Kontrolle der polizeilichen Tätigkeit durch die Strafverfolgungsbehörden und die Strafgerichte war; die einzige Ausnahme ist der Hausarrest.</p><p>Ebensowenig durfte der Bundesrat die Stellungnahme der Berichterstatterinnen und Berichterstatter des Menschenrechtsrats unterschlagen, die zum Schluss kamen, das PMT sei unvereinbar mit den Menschenrechten.</p><p>In der Sendung "La Matinale" auf RSR vom 11. Mai und in der Sendung "Infrarouge" auf RTS vom 26. Mai untermauerte Bundesrätin Karin Keller-Sutter ihre Aussagen, indem sie auf den Fall eines Terroristen hinwies, der im Zusammenhang mit einem Fall von häuslicher Gewalt entdeckt worden war. Laut ihr konnte die Polizei den Fall nicht unter diesem Gesichtspunkt untersuchen, weil dafür die Rechtsgrundlagen fehlten. Es stellte sich jedoch heraus, dass der Terrorist in Frankreich wegen terroristischer Aktivitäten verurteilt worden war und in der Schweiz ein Strafverfahren wegen Unterstützung einer terroristischen Organisation gegen ihn lief.</p><p>Solche Aussagen, vor allem wenn sie vom Bundesrat und der Vorsteherin des Justiz- und Polizeidepartements stammen, können die Meinungsbildung der Bürgerinnen und Bürger entscheidend beeinflussen. Es stellt sich die Frage, ob sich der Bundesrat und seine Vertreterin an ihre Pflicht halten, die Grundsätze der Vollständigkeit, der Transparenz und der Verhältnismässigkeit zu beachten (Art. 10a BPR).</p><p>Das Bundesgericht hat kürzlich daran erinnert, dass solche Rechtsverletzungen durch den Bundesrat nicht von einem Gericht überprüft werden können (insbesondere 1C_331/2021, 1C_351/2021).</p><p>Der vorliegende Antrag bezweckt herauszufinden, wie vom Bundesrat verbreitete Fehlinformationen am besten angefochten werden können.</p>
  • <p>Die Kommunikation des Bundesrates vor Abstimmungen basiert auf den Erläuterungen des Bundesrates. Diese Erläuterungen durchlaufen einen mehrstufigen Redaktionsprozess. Inhalt und Sprache werden von mehreren Stellen der Bundesverwaltung überprüft.</p><p>Der vorgesehene Prozess wurde auch bei der Erarbeitung der Erläuterungen zum Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) eingehalten. Insbesondere wurden auch die vom Postulanten erwähnten Aussagen auf ihre Richtigkeit geprüft. In den Erläuterungen wird ausgeführt, die Polizei könne in der Regel erst einschreiten, wenn eine Person eine Straftat begangen hat. Damit wird nicht unterschlagen, dass die Polizei auch bereits bei strafbaren Vorbereitungshandlungen (Art. 260bis StGB) eingreifen kann. Bei diesen strafbaren Vorbereitungshandlungen handelt es sich ebenfalls um Straftaten. In den Abstimmungserläuterungen wird des Weiteren dargelegt, dass das Referendum wegen Grundrechtsbedenken ergriffen worden ist, das Gesetz aber Bestimmungen enthält, um eine willkürliche und unverhältnismässige Anwendung zu verhindern. Bundesrat und Parlament erachten die neuen Instrumente als vereinbar mit den Grundrechten, der Europäischen Menschenrechtskonvention EMRK und mit den einschlägigen Menschenrechtsabkommen der UNO.</p><p>Aus Sicht des Bundesrates waren die Abstimmungserläuterungen zum PMT-Gesetz korrekt. Deshalb bestand auch kein Anlass, sie richtigzustellen.</p><p>Für die Berichtigung von Fehlern in Abstimmungserläuterungen gibt es bereits einen Korrekturprozess. Geht beim Bund ein Hinweis auf einen allfälligen Fehler ein, nehmen die Bundeskanzlei und das zuständige Departement die erforderlichen Abklärungen vor. Falls es sich tatsächlich um einen Fehler handelt, wird er in den elektronischen Versionen der Abstimmungserläuterungen korrigiert. Neben den elektronischen Versionen wird ein Hinweis auf die Korrektur angebracht und über die Korrektur wird in einer Medienmitteilung informiert.</p><p>Der Korrekturprozess wurde 2019 unter der Leitung der Bundeskanzlei erarbeitet. Dabei wurden auch Vorschläge zur Verbesserung der Verlässlichkeit von quantitativen Angaben und Informationen über die Ausgangslage und Auswirkungen einer Vorlage gemacht. In der Folge wurden weitere Massnahmen ergriffen, die der Qualitätssicherung der Abstimmungserläuterungen dienen, wie die Einführung einer Ämterkonsultation zu diesen Texten, der vermehrte Einbezug von Ämtern mit Querschnittsfunktion, die Erstellung von Checklisten zuhanden der federführenden Departemente und Ämtern sowie redaktionelle Verbesserungen (Textqualität und Verständlichkeit). Die Bundeskanzlei hat darüber der GPK-N Bericht erstattet.</p><p>Der Bundesrat erkennt aus diesen Gründen keinen weiteren Handlungsbedarf.</p>
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, einen Bericht darüber vorzulegen, wie Fehlinformationen, die der Bundesrat im Rahmen von Abstimmungskampagnen verbreitet, am besten angefochten oder korrigiert werden können.</p>
  • Gewährleistung der freien Meinungsbildung der Bürgerinnen und Bürger
State
Überwiesen an den Bundesrat
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Der Bundesrat hat sich an der Abstimmungskampagne vom Juni beteiligt und dabei die Notwendigkeit einer Annahme des Bundesgesetzes über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) mit Fehlinformationen begründet, namentlich indem er behauptet hat:</p><p>a. die Polizei könne nicht eingreifen, bevor eine Straftat begangen wurde,</p><p>b. das PMT respektiere die Grundrechte.</p><p>Diese Informationen figurierten auf den Seiten 12, 112 und 113 der Brochüre, die zusammen mit den Stimmzetteln abgegeben wurde.</p><p>Sie sind wahrheitswidrig, denn bereits das Strafgesetzbuch (Art. 260bis) und die Strafprozessordnung (Art. 15 und 360) erlauben es der Polizei, zu intervenieren und Zwangsmassnahmen zu ergreifen, wenn tatsächliche und konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein Terroranschlag verübt werden soll.</p><p>Die Information verschweigen zudem, dass die zentrale Rechtsfrage, um die es bei der Abstimmung über das PMT ging, die Beendigung der unmittelbaren Kontrolle der polizeilichen Tätigkeit durch die Strafverfolgungsbehörden und die Strafgerichte war; die einzige Ausnahme ist der Hausarrest.</p><p>Ebensowenig durfte der Bundesrat die Stellungnahme der Berichterstatterinnen und Berichterstatter des Menschenrechtsrats unterschlagen, die zum Schluss kamen, das PMT sei unvereinbar mit den Menschenrechten.</p><p>In der Sendung "La Matinale" auf RSR vom 11. Mai und in der Sendung "Infrarouge" auf RTS vom 26. Mai untermauerte Bundesrätin Karin Keller-Sutter ihre Aussagen, indem sie auf den Fall eines Terroristen hinwies, der im Zusammenhang mit einem Fall von häuslicher Gewalt entdeckt worden war. Laut ihr konnte die Polizei den Fall nicht unter diesem Gesichtspunkt untersuchen, weil dafür die Rechtsgrundlagen fehlten. Es stellte sich jedoch heraus, dass der Terrorist in Frankreich wegen terroristischer Aktivitäten verurteilt worden war und in der Schweiz ein Strafverfahren wegen Unterstützung einer terroristischen Organisation gegen ihn lief.</p><p>Solche Aussagen, vor allem wenn sie vom Bundesrat und der Vorsteherin des Justiz- und Polizeidepartements stammen, können die Meinungsbildung der Bürgerinnen und Bürger entscheidend beeinflussen. Es stellt sich die Frage, ob sich der Bundesrat und seine Vertreterin an ihre Pflicht halten, die Grundsätze der Vollständigkeit, der Transparenz und der Verhältnismässigkeit zu beachten (Art. 10a BPR).</p><p>Das Bundesgericht hat kürzlich daran erinnert, dass solche Rechtsverletzungen durch den Bundesrat nicht von einem Gericht überprüft werden können (insbesondere 1C_331/2021, 1C_351/2021).</p><p>Der vorliegende Antrag bezweckt herauszufinden, wie vom Bundesrat verbreitete Fehlinformationen am besten angefochten werden können.</p>
    • <p>Die Kommunikation des Bundesrates vor Abstimmungen basiert auf den Erläuterungen des Bundesrates. Diese Erläuterungen durchlaufen einen mehrstufigen Redaktionsprozess. Inhalt und Sprache werden von mehreren Stellen der Bundesverwaltung überprüft.</p><p>Der vorgesehene Prozess wurde auch bei der Erarbeitung der Erläuterungen zum Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) eingehalten. Insbesondere wurden auch die vom Postulanten erwähnten Aussagen auf ihre Richtigkeit geprüft. In den Erläuterungen wird ausgeführt, die Polizei könne in der Regel erst einschreiten, wenn eine Person eine Straftat begangen hat. Damit wird nicht unterschlagen, dass die Polizei auch bereits bei strafbaren Vorbereitungshandlungen (Art. 260bis StGB) eingreifen kann. Bei diesen strafbaren Vorbereitungshandlungen handelt es sich ebenfalls um Straftaten. In den Abstimmungserläuterungen wird des Weiteren dargelegt, dass das Referendum wegen Grundrechtsbedenken ergriffen worden ist, das Gesetz aber Bestimmungen enthält, um eine willkürliche und unverhältnismässige Anwendung zu verhindern. Bundesrat und Parlament erachten die neuen Instrumente als vereinbar mit den Grundrechten, der Europäischen Menschenrechtskonvention EMRK und mit den einschlägigen Menschenrechtsabkommen der UNO.</p><p>Aus Sicht des Bundesrates waren die Abstimmungserläuterungen zum PMT-Gesetz korrekt. Deshalb bestand auch kein Anlass, sie richtigzustellen.</p><p>Für die Berichtigung von Fehlern in Abstimmungserläuterungen gibt es bereits einen Korrekturprozess. Geht beim Bund ein Hinweis auf einen allfälligen Fehler ein, nehmen die Bundeskanzlei und das zuständige Departement die erforderlichen Abklärungen vor. Falls es sich tatsächlich um einen Fehler handelt, wird er in den elektronischen Versionen der Abstimmungserläuterungen korrigiert. Neben den elektronischen Versionen wird ein Hinweis auf die Korrektur angebracht und über die Korrektur wird in einer Medienmitteilung informiert.</p><p>Der Korrekturprozess wurde 2019 unter der Leitung der Bundeskanzlei erarbeitet. Dabei wurden auch Vorschläge zur Verbesserung der Verlässlichkeit von quantitativen Angaben und Informationen über die Ausgangslage und Auswirkungen einer Vorlage gemacht. In der Folge wurden weitere Massnahmen ergriffen, die der Qualitätssicherung der Abstimmungserläuterungen dienen, wie die Einführung einer Ämterkonsultation zu diesen Texten, der vermehrte Einbezug von Ämtern mit Querschnittsfunktion, die Erstellung von Checklisten zuhanden der federführenden Departemente und Ämtern sowie redaktionelle Verbesserungen (Textqualität und Verständlichkeit). Die Bundeskanzlei hat darüber der GPK-N Bericht erstattet.</p><p>Der Bundesrat erkennt aus diesen Gründen keinen weiteren Handlungsbedarf.</p>
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, einen Bericht darüber vorzulegen, wie Fehlinformationen, die der Bundesrat im Rahmen von Abstimmungskampagnen verbreitet, am besten angefochten oder korrigiert werden können.</p>
    • Gewährleistung der freien Meinungsbildung der Bürgerinnen und Bürger

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