Neue Rechtsprechung des Bundesgerichtes. Inhaberinnen und Inhaber einer B-Bewilligung sollen tatsächlich wirtschaftlich unabhängig sein müssen

ShortId
21.4194
Id
20214194
Updated
10.04.2024 15:27
Language
de
Title
Neue Rechtsprechung des Bundesgerichtes. Inhaberinnen und Inhaber einer B-Bewilligung sollen tatsächlich wirtschaftlich unabhängig sein müssen
AdditionalIndexing
2831;04;1221
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Kürzlich wurde bekannt, dass das Bundesgericht seine Rechtsprechung betreffend Aufenthaltsbewilligungen (B-Bewilligungen) "angepasst" hat. Das Kriterium des Lebensmittelpunkts in der Schweiz fällt nun weg. Um eine B-Bewilligung zu erhalten und insbesondere, um sie zu erneuern, reicht nun eine "minimale Präsenz" in der Schweiz aus, ein Kriterium, das recht schwierig zu definieren ist. </p><p>Da seit geraumer Zeit auch schon die Grenzgängerinnen und Grenzgänger nicht mehr täglich, sondern nur noch wöchentlich an ihren Wohnort zurückkehren müssen (was offensichtlich niemand kontrolliert), liegt es auf der Hand, dass die "angepasste" Praxis des Bundesgerichts einen weiten Graubereich schafft und es dadurch faktisch unmöglich wird, eine klare Trennlinie zwischen den beiden Ausweisarten (B- und G-Bewilligung) zu ziehen. Diese werden faktisch austauschbar. Mit anderen Worten: Ausländerinnen und Ausländer, die sich in gleichem Umfang in der Schweiz aufhalten, können wählen, welche Ausweisart ihnen am besten passt, je nach persönlichem Gusto.</p><p>Die B-Bewilligung gibt Anspruch auf verschiedene Sozialleistungen, einschliesslich Sozialhilfe. Die neue, grosszügige Praxis des Bundesgerichts ermöglicht es demnach Ausländerinnen und Ausländern, die angeblich in der Schweiz wohnen, sich vom Sozialstaat Schweiz finanzieren zu lassen und gleichzeitig den Lebensmittelpunkt im Herkunftsland zu belassen (und dort allenfalls sogar zu arbeiten). Es ist also offensichtlich, dass das Bundesgericht jeglicher Art von Missbrauch im Bereich der Sozialleistungen Tür und Tor öffnet. </p><p>Die Folgen der neuen Rechtsprechung werden sich auch auf die C-Bewilligung auswirken, die man bekommen kann, wenn man 10 Jahre lang eine B-Bewilligung hatte. Und es ist fast unmöglich, die C-Bewilligung wegen fehlender wirtschaftlicher Unabhängigkeit zu widerrufen. Es wird also Inhaberinnen und Inhaber von C-Bewilligungen geben, die ihren Lebensmittelpunkt im Ausland haben und deren Präsenz in der Schweiz sich auf ein Minimum beschränkt.</p><p>Unter diesen Umständen ist es offensichtlich, dass das Kriterium der wirtschaftlichen Unabhängigkeit für Ausländerinnen und Ausländer in der Schweiz stärker berücksichtigt werden muss.</p><p>Insbesondere dürfen Inhaberinnen und Inhaber von B-Bewilligungen nicht mehr Zugang zu Sozialleistungen haben.</p>
  • <p>Der Bundesrat teilt die Auffassung, dass die jüngere Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Erlöschen der Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung bei einer Verlegung des Wohnsitzes respektive des Lebensmittelpunktes ins Ausland Auswirkungen auf die bisherige Praxis der Kantone hat. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Personen mit einer Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung ihren Wohnsitz ins Ausland verlegen, aber weiterhin in der Schweiz als Grenzgängerinnen oder Grenzgänger arbeiten und täglich oder an den Wochenenden an den Wohnsitz im Ausland zurückkehren. Bei dieser Ausgangslage erlöschen diese Bewilligungen gemäss der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht mehr.</p><p>Der Bundesrat ist allerdings der Auffassung, dass der in der Motion aufgezeigte Weg nicht zielführend ist. Der Ausschluss aller Ausländerinnen und Ausländer mit einer Aufenthaltsbewilligung von Sozialleistungen hätte ungerechtfertigte Auswirkungen auf Personen, die ihren Lebensmittelpunkt tatsächlich und dauerhaft in der Schweiz haben, und somit nicht von der in der Motion erwähnten Problematik betroffen sind. Er ist jedoch bereit, das dargestellte Problem zu lösen und beantragt daher die Annahme der Motion 21.4076 Marchesi "Aufenthaltsbewilligungen für Ausländerinnen und Ausländer. Der Grundsatz des Lebensmittelpunkts soll wieder eindeutig anwendbar sein" vom 23. September 2021, die einen anderen Lösungsansatz vorsieht. Demnach soll die Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung erlöschen, wenn die betroffene Person in der Schweiz eine Erwerbstätigkeit als Grenzgängerin oder als Grenzgänger ausübt. In diesen Fällen soll weiterhin eine Grenzgängerbewilligung erteilt werden, wenn die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind.</p><p>Im Dezember 2021 hat das Bundesgericht ein weiteres Urteil veröffentlicht (2C_5/2021 vom 2. Dezember 2021), das die in der Motion erwähnte Sachlage wohl entschärfen sollte. Die Rechtsprechung des Bundesgerichts ist folglich noch im Fluss. Bei einer Annahme der Motion 21.4076 Marchesi wäre diese Entwicklung bei den weiteren Arbeiten ebenfalls zu berücksichtigen.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, die nötigen Gesetzesänderungen dafür vorzulegen, dass das Konzept der wirtschaftlichen Unabhängigkeit bei in der Schweiz wohnenden Ausländerinnen und Ausländern stärker berücksichtigt wird: Personen mit B-Bewilligung sollen nicht mehr von Sozialleistungen profitieren dürfen. Dies angesichts der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichts, die dazu führt, dass die B-Bewilligungen und die G-Bewilligungen faktisch austauschbar werden, da die Nichtverlängerung ungerechtfertigter Aufenthaltsbewilligungen erschwert und so dem Missbrauch bei den Sozialleistungen Tür und Tor geöffnet wird.</p>
  • Neue Rechtsprechung des Bundesgerichtes. Inhaberinnen und Inhaber einer B-Bewilligung sollen tatsächlich wirtschaftlich unabhängig sein müssen
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Kürzlich wurde bekannt, dass das Bundesgericht seine Rechtsprechung betreffend Aufenthaltsbewilligungen (B-Bewilligungen) "angepasst" hat. Das Kriterium des Lebensmittelpunkts in der Schweiz fällt nun weg. Um eine B-Bewilligung zu erhalten und insbesondere, um sie zu erneuern, reicht nun eine "minimale Präsenz" in der Schweiz aus, ein Kriterium, das recht schwierig zu definieren ist. </p><p>Da seit geraumer Zeit auch schon die Grenzgängerinnen und Grenzgänger nicht mehr täglich, sondern nur noch wöchentlich an ihren Wohnort zurückkehren müssen (was offensichtlich niemand kontrolliert), liegt es auf der Hand, dass die "angepasste" Praxis des Bundesgerichts einen weiten Graubereich schafft und es dadurch faktisch unmöglich wird, eine klare Trennlinie zwischen den beiden Ausweisarten (B- und G-Bewilligung) zu ziehen. Diese werden faktisch austauschbar. Mit anderen Worten: Ausländerinnen und Ausländer, die sich in gleichem Umfang in der Schweiz aufhalten, können wählen, welche Ausweisart ihnen am besten passt, je nach persönlichem Gusto.</p><p>Die B-Bewilligung gibt Anspruch auf verschiedene Sozialleistungen, einschliesslich Sozialhilfe. Die neue, grosszügige Praxis des Bundesgerichts ermöglicht es demnach Ausländerinnen und Ausländern, die angeblich in der Schweiz wohnen, sich vom Sozialstaat Schweiz finanzieren zu lassen und gleichzeitig den Lebensmittelpunkt im Herkunftsland zu belassen (und dort allenfalls sogar zu arbeiten). Es ist also offensichtlich, dass das Bundesgericht jeglicher Art von Missbrauch im Bereich der Sozialleistungen Tür und Tor öffnet. </p><p>Die Folgen der neuen Rechtsprechung werden sich auch auf die C-Bewilligung auswirken, die man bekommen kann, wenn man 10 Jahre lang eine B-Bewilligung hatte. Und es ist fast unmöglich, die C-Bewilligung wegen fehlender wirtschaftlicher Unabhängigkeit zu widerrufen. Es wird also Inhaberinnen und Inhaber von C-Bewilligungen geben, die ihren Lebensmittelpunkt im Ausland haben und deren Präsenz in der Schweiz sich auf ein Minimum beschränkt.</p><p>Unter diesen Umständen ist es offensichtlich, dass das Kriterium der wirtschaftlichen Unabhängigkeit für Ausländerinnen und Ausländer in der Schweiz stärker berücksichtigt werden muss.</p><p>Insbesondere dürfen Inhaberinnen und Inhaber von B-Bewilligungen nicht mehr Zugang zu Sozialleistungen haben.</p>
    • <p>Der Bundesrat teilt die Auffassung, dass die jüngere Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Erlöschen der Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung bei einer Verlegung des Wohnsitzes respektive des Lebensmittelpunktes ins Ausland Auswirkungen auf die bisherige Praxis der Kantone hat. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Personen mit einer Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung ihren Wohnsitz ins Ausland verlegen, aber weiterhin in der Schweiz als Grenzgängerinnen oder Grenzgänger arbeiten und täglich oder an den Wochenenden an den Wohnsitz im Ausland zurückkehren. Bei dieser Ausgangslage erlöschen diese Bewilligungen gemäss der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht mehr.</p><p>Der Bundesrat ist allerdings der Auffassung, dass der in der Motion aufgezeigte Weg nicht zielführend ist. Der Ausschluss aller Ausländerinnen und Ausländer mit einer Aufenthaltsbewilligung von Sozialleistungen hätte ungerechtfertigte Auswirkungen auf Personen, die ihren Lebensmittelpunkt tatsächlich und dauerhaft in der Schweiz haben, und somit nicht von der in der Motion erwähnten Problematik betroffen sind. Er ist jedoch bereit, das dargestellte Problem zu lösen und beantragt daher die Annahme der Motion 21.4076 Marchesi "Aufenthaltsbewilligungen für Ausländerinnen und Ausländer. Der Grundsatz des Lebensmittelpunkts soll wieder eindeutig anwendbar sein" vom 23. September 2021, die einen anderen Lösungsansatz vorsieht. Demnach soll die Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung erlöschen, wenn die betroffene Person in der Schweiz eine Erwerbstätigkeit als Grenzgängerin oder als Grenzgänger ausübt. In diesen Fällen soll weiterhin eine Grenzgängerbewilligung erteilt werden, wenn die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind.</p><p>Im Dezember 2021 hat das Bundesgericht ein weiteres Urteil veröffentlicht (2C_5/2021 vom 2. Dezember 2021), das die in der Motion erwähnte Sachlage wohl entschärfen sollte. Die Rechtsprechung des Bundesgerichts ist folglich noch im Fluss. Bei einer Annahme der Motion 21.4076 Marchesi wäre diese Entwicklung bei den weiteren Arbeiten ebenfalls zu berücksichtigen.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, die nötigen Gesetzesänderungen dafür vorzulegen, dass das Konzept der wirtschaftlichen Unabhängigkeit bei in der Schweiz wohnenden Ausländerinnen und Ausländern stärker berücksichtigt wird: Personen mit B-Bewilligung sollen nicht mehr von Sozialleistungen profitieren dürfen. Dies angesichts der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichts, die dazu führt, dass die B-Bewilligungen und die G-Bewilligungen faktisch austauschbar werden, da die Nichtverlängerung ungerechtfertigter Aufenthaltsbewilligungen erschwert und so dem Missbrauch bei den Sozialleistungen Tür und Tor geöffnet wird.</p>
    • Neue Rechtsprechung des Bundesgerichtes. Inhaberinnen und Inhaber einer B-Bewilligung sollen tatsächlich wirtschaftlich unabhängig sein müssen

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