Zertifikatspflicht und Religionsfreiheit

ShortId
21.4243
Id
20214243
Updated
08.05.2024 14:10
Language
de
Title
Zertifikatspflicht und Religionsfreiheit
AdditionalIndexing
2841;2831;04
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>1. Religiöse Veranstaltungen sowie Veranstaltungen zur politischen Meinungsbildung mit bis zu 50 Personen sind weiterhin im grünen Bereich und unterliegen damit nicht der Zertifikatspflicht. Veranstaltungen mit über 50 Teilnehmenden können mithilfe der Zertifikatspflicht sicher zum Schutz der anwesenden Personen durchgeführt werden. Demgegenüber musste in früheren Phasen der Covid-19-Pandemie auf die Durchführung von Gottesdiensten und anderen Veranstaltungen aufgrund mangelnder Test- und Impfmöglichkeiten gänzlich verzichtet werden. Während die Tests ab 11. Oktober 2021 einer Kostenpflicht unterliegen, hat jede Person die Möglichkeit, sich gratis impfen zu lassen und damit kostenlos in den Besitz eines Covid-Zertifikates zu gelangen.</p><p>2. Das SARS-CoV-2 Virus wird hauptsächlich durch engen und anhaltenden Kontakt zwischen Menschen übertragen. Daher sind Massnahmen, die der Reduktion von engen Kontakten dienen, ein probates und bewährtes Mittel zur Reduktion des Übertragungsrisikos. Zu diesen Massnahmen zählen beispielsweise das Abstandhalten und Kapazitätsbeschränkungen im Rahmen von Schutzkonzepten bei Versammlungen im religiösen Bereich.</p><p>3. Veranstaltungen in Innenräumen ohne Zugangsbeschränkungen auf Personen mit einem Zertifikat sind gestützt auf <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2021/379/de">Artikel 14a Absatz 1 der Covid-19-Verordnung besondere Lage</a> (SR 818.101.26) normalerweise für Gruppen von maximal 30 Personen möglich und dies auch nur, wenn es sich um eine sogenannte beständige Gruppe handelt. Bei religiösen Veranstaltungen, einschliesslich Hochzeitsfeiern, Gedenkgottesdiensten sowie Bestattungs- bzw. Trauerfeiern, gilt gestützt auf <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2021/379/de">Artikel 14a Absatz 2</a> demgegenüber die Zertifikatspflicht erst ab einer Gruppe von mehr als 50 Personen und entfällt das Kriterium der Beständigkeit. Diese Ausnahmeregelung stellt vor dem Hintergrund der Notwendigkeit einer Eindämmung der Pandemie bereits eine Privilegierung gegenüber anderen Veranstaltungen dar. Demgegenüber sind flexible Kapazitätsbeschränkungen basierend auf Raumgrössen schwer umsetz- und kontrollierbar. Die Beschränkung auf 50 Personen stellt daher einen pragmatischen Kompromiss zwischen Religionsausübung und Risikobegrenzung dar.</p><p>4. Das beste und am wenigsten einschneidende Mittel zum Schutz der Bevölkerung und des Gesundheitswesens ist eine möglichst hohe Durchimpfungsrate. Da jedoch die Impfrate in der Schweiz derzeit noch ungenügend ist, müssen bis auf Weiteres zusätzliche Massnahmen aufrechterhalten bleiben, die der Reduktion des Übertragungsrisikos dienen.</p><p>5. In der aktuellen Phase der Pandemie steht für den Bundesrat der Schutz des Gesundheitssystems im Vordergrund. Gemäss dem im Mai 2021 verabschiedeten Drei-Phasen-Modell ergreift er dann Massnahmen, wenn die Überlastung der Spitäler droht. Dieser Maxime ist der Bundesrat in seinen Entscheiden zur Ausweitung der Zertifikatspflicht gefolgt. Aktuell ist klar, dass die Spitäler aktuell die Folgen eines erneuten Anstiegs der Fallzahlen kaum bewältigen könnten. Ein solcher kann nicht ausgeschlossen werden: gegenwärtig verlagert sich das gesellschaftliche Leben aufgrund des kälteren Wetters wieder verstärkt in die Innenräume. Die Erfahrung aus dem Herbst 2020 zeigt, dass diese Situation das Infektionsgeschehen rasch beschleunigen kann.</p><p>6. Der Bundesrat erachtet die Covid-Impfung sowie eine hohe Durchimpfungsrate als derzeit einziges geeignetes Mittel zur Überwindung der Pandemie. Bis zur Erreichung einer entsprechenden Herdenimmunität ermöglicht die Zertifikatspflicht eine sichere Durchführung von Veranstaltungen und verhindert weitreichende Lockdowns. Während die Covid-Impfung kostenlos erhältlich ist, unterstehen Tests erst seit dem 11. Oktober 2021 einer Kostenpflicht. Den Kirchen steht es jedoch frei, beispielsweise zwei aufeinanderfolgende Gottesdienste mit Kapazitätsbeschränkungen und ohne Zertifikatspflicht durchzuführen. Im Übrigen ist es dem Organisator einer religiösen Veranstaltung freigestellt, zertifikatspflichtige und nicht zertifikatspflichtige Veranstaltungen zeitgleich innerhalb der gleichen Institution durchzuführen - vorausgesetzt, es bestehen zu diesem Zweck getrennte Räumlichkeiten und Zugangsbereiche und eine Vermischung der beiden Personengruppen in Innenräumen kann ausgeschlossen werden.</p> Antwort des Bundesrates.
  • <p>Im Dokument des BAG "Anwendungsbereich des Covid-Zertifikats" vom 19. Mai 2021 wurden drei Anwendungsbereiche für das Covid-Zertifikat geschaffen. Religiöse Veranstaltungen wurden dort im grünen Bereich aufgeführt.</p><p>Im Text heisst es: "Bei den grünen Bereichen handelt es sich um Bereiche des alltäglichen Lebens. Ein in Gesetz und Verordnung vorgegebener Einsatz des Covid-Zertifikats soll für diese Bereiche explizit ausgeschlossen werden. Dies auch deshalb, weil eine Differenzierung anhand des Impf-, Genesungs- sowie Teststatus (...) beim Gebrauch elementarer Freiheits- und Grundrechte gestützt auf die bestehenden gesetzlichen Grundlagen rechtlich nicht zulässig ist. Hier gelten weiterhin und ohne Ausnahmen die allgemeinen Schutz- und Hygienekonzepte."</p><p>Die Verordnung des 08. September 2021 zur Ausweitung der Verwendung des Covid-Zertifikats änderte diese Praxis und führte die Zertifikatskontrolle für religiöse Veranstaltung mit über 50 Personen ein.</p><p>Religionsfreiheit ist ein Grundrecht, das nur unter strengen Voraussetzungen eingeschränkt werden darf. So ist die Einschränkung der Religionsfreiheit zum Zweck des Gesundheitsschutzes nur dann zulässig, wenn sie auch verhältnismässig ist; dies heisst im Wesentlichen, dass die möglichst am wenigsten einschränkende Massnahme zwingend vorzuziehen ist. </p><p>Kommt die Kostenpflicht der Tests, führt diese zudem zu einer neuen Ungerechtigkeit, dass Menschen ohne grosse finanzielle Mittel von einem physischen Gottesdiensterlebnis ausgeschlossen werden.</p><p>Gerne lade ich Bundesrat ein, folgende Fragen zu beantworten:</p><p>1. Warum sind religiöse Veranstaltungen nicht mehr explizit im grünen Bereich?</p><p>2. Waren aus Sicht des Bundesrates die bisherigen Schutzkonzepte mit der 2/3 Saalbeschränkung bei religiösen Veranstaltungen erfolgreich, um die Ausbreitung der Pandemie zu verhindern?</p><p>3. Warum wird die Teilnehmeranzahl bei 50 Personen für Gottesdienste ohne Zertifikationskontrolle begrenzt und lässt sich nicht relativ zur Raumgrösse fixieren?</p><p>4. Könnte das angestrebte Ziel des Gesundheitsschutzes mit weniger einschneidenden Massnahmen erreicht werden?</p><p>5. Unter welchen Umständen wäre der Bundesrat bereit, die aktuellen Einschränkungen für religiöse Veranstaltungen aufzuheben?</p><p>6. Welche Massnahmen könnte der Bundesrat einführen, damit sich ungeimpfte Personen, die sich die Tests nicht leisten können, ihre Religionsfreiheit trotzdem wahrnehmen können?</p>
  • Zertifikatspflicht und Religionsfreiheit
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>1. Religiöse Veranstaltungen sowie Veranstaltungen zur politischen Meinungsbildung mit bis zu 50 Personen sind weiterhin im grünen Bereich und unterliegen damit nicht der Zertifikatspflicht. Veranstaltungen mit über 50 Teilnehmenden können mithilfe der Zertifikatspflicht sicher zum Schutz der anwesenden Personen durchgeführt werden. Demgegenüber musste in früheren Phasen der Covid-19-Pandemie auf die Durchführung von Gottesdiensten und anderen Veranstaltungen aufgrund mangelnder Test- und Impfmöglichkeiten gänzlich verzichtet werden. Während die Tests ab 11. Oktober 2021 einer Kostenpflicht unterliegen, hat jede Person die Möglichkeit, sich gratis impfen zu lassen und damit kostenlos in den Besitz eines Covid-Zertifikates zu gelangen.</p><p>2. Das SARS-CoV-2 Virus wird hauptsächlich durch engen und anhaltenden Kontakt zwischen Menschen übertragen. Daher sind Massnahmen, die der Reduktion von engen Kontakten dienen, ein probates und bewährtes Mittel zur Reduktion des Übertragungsrisikos. Zu diesen Massnahmen zählen beispielsweise das Abstandhalten und Kapazitätsbeschränkungen im Rahmen von Schutzkonzepten bei Versammlungen im religiösen Bereich.</p><p>3. Veranstaltungen in Innenräumen ohne Zugangsbeschränkungen auf Personen mit einem Zertifikat sind gestützt auf <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2021/379/de">Artikel 14a Absatz 1 der Covid-19-Verordnung besondere Lage</a> (SR 818.101.26) normalerweise für Gruppen von maximal 30 Personen möglich und dies auch nur, wenn es sich um eine sogenannte beständige Gruppe handelt. Bei religiösen Veranstaltungen, einschliesslich Hochzeitsfeiern, Gedenkgottesdiensten sowie Bestattungs- bzw. Trauerfeiern, gilt gestützt auf <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2021/379/de">Artikel 14a Absatz 2</a> demgegenüber die Zertifikatspflicht erst ab einer Gruppe von mehr als 50 Personen und entfällt das Kriterium der Beständigkeit. Diese Ausnahmeregelung stellt vor dem Hintergrund der Notwendigkeit einer Eindämmung der Pandemie bereits eine Privilegierung gegenüber anderen Veranstaltungen dar. Demgegenüber sind flexible Kapazitätsbeschränkungen basierend auf Raumgrössen schwer umsetz- und kontrollierbar. Die Beschränkung auf 50 Personen stellt daher einen pragmatischen Kompromiss zwischen Religionsausübung und Risikobegrenzung dar.</p><p>4. Das beste und am wenigsten einschneidende Mittel zum Schutz der Bevölkerung und des Gesundheitswesens ist eine möglichst hohe Durchimpfungsrate. Da jedoch die Impfrate in der Schweiz derzeit noch ungenügend ist, müssen bis auf Weiteres zusätzliche Massnahmen aufrechterhalten bleiben, die der Reduktion des Übertragungsrisikos dienen.</p><p>5. In der aktuellen Phase der Pandemie steht für den Bundesrat der Schutz des Gesundheitssystems im Vordergrund. Gemäss dem im Mai 2021 verabschiedeten Drei-Phasen-Modell ergreift er dann Massnahmen, wenn die Überlastung der Spitäler droht. Dieser Maxime ist der Bundesrat in seinen Entscheiden zur Ausweitung der Zertifikatspflicht gefolgt. Aktuell ist klar, dass die Spitäler aktuell die Folgen eines erneuten Anstiegs der Fallzahlen kaum bewältigen könnten. Ein solcher kann nicht ausgeschlossen werden: gegenwärtig verlagert sich das gesellschaftliche Leben aufgrund des kälteren Wetters wieder verstärkt in die Innenräume. Die Erfahrung aus dem Herbst 2020 zeigt, dass diese Situation das Infektionsgeschehen rasch beschleunigen kann.</p><p>6. Der Bundesrat erachtet die Covid-Impfung sowie eine hohe Durchimpfungsrate als derzeit einziges geeignetes Mittel zur Überwindung der Pandemie. Bis zur Erreichung einer entsprechenden Herdenimmunität ermöglicht die Zertifikatspflicht eine sichere Durchführung von Veranstaltungen und verhindert weitreichende Lockdowns. Während die Covid-Impfung kostenlos erhältlich ist, unterstehen Tests erst seit dem 11. Oktober 2021 einer Kostenpflicht. Den Kirchen steht es jedoch frei, beispielsweise zwei aufeinanderfolgende Gottesdienste mit Kapazitätsbeschränkungen und ohne Zertifikatspflicht durchzuführen. Im Übrigen ist es dem Organisator einer religiösen Veranstaltung freigestellt, zertifikatspflichtige und nicht zertifikatspflichtige Veranstaltungen zeitgleich innerhalb der gleichen Institution durchzuführen - vorausgesetzt, es bestehen zu diesem Zweck getrennte Räumlichkeiten und Zugangsbereiche und eine Vermischung der beiden Personengruppen in Innenräumen kann ausgeschlossen werden.</p> Antwort des Bundesrates.
    • <p>Im Dokument des BAG "Anwendungsbereich des Covid-Zertifikats" vom 19. Mai 2021 wurden drei Anwendungsbereiche für das Covid-Zertifikat geschaffen. Religiöse Veranstaltungen wurden dort im grünen Bereich aufgeführt.</p><p>Im Text heisst es: "Bei den grünen Bereichen handelt es sich um Bereiche des alltäglichen Lebens. Ein in Gesetz und Verordnung vorgegebener Einsatz des Covid-Zertifikats soll für diese Bereiche explizit ausgeschlossen werden. Dies auch deshalb, weil eine Differenzierung anhand des Impf-, Genesungs- sowie Teststatus (...) beim Gebrauch elementarer Freiheits- und Grundrechte gestützt auf die bestehenden gesetzlichen Grundlagen rechtlich nicht zulässig ist. Hier gelten weiterhin und ohne Ausnahmen die allgemeinen Schutz- und Hygienekonzepte."</p><p>Die Verordnung des 08. September 2021 zur Ausweitung der Verwendung des Covid-Zertifikats änderte diese Praxis und führte die Zertifikatskontrolle für religiöse Veranstaltung mit über 50 Personen ein.</p><p>Religionsfreiheit ist ein Grundrecht, das nur unter strengen Voraussetzungen eingeschränkt werden darf. So ist die Einschränkung der Religionsfreiheit zum Zweck des Gesundheitsschutzes nur dann zulässig, wenn sie auch verhältnismässig ist; dies heisst im Wesentlichen, dass die möglichst am wenigsten einschränkende Massnahme zwingend vorzuziehen ist. </p><p>Kommt die Kostenpflicht der Tests, führt diese zudem zu einer neuen Ungerechtigkeit, dass Menschen ohne grosse finanzielle Mittel von einem physischen Gottesdiensterlebnis ausgeschlossen werden.</p><p>Gerne lade ich Bundesrat ein, folgende Fragen zu beantworten:</p><p>1. Warum sind religiöse Veranstaltungen nicht mehr explizit im grünen Bereich?</p><p>2. Waren aus Sicht des Bundesrates die bisherigen Schutzkonzepte mit der 2/3 Saalbeschränkung bei religiösen Veranstaltungen erfolgreich, um die Ausbreitung der Pandemie zu verhindern?</p><p>3. Warum wird die Teilnehmeranzahl bei 50 Personen für Gottesdienste ohne Zertifikationskontrolle begrenzt und lässt sich nicht relativ zur Raumgrösse fixieren?</p><p>4. Könnte das angestrebte Ziel des Gesundheitsschutzes mit weniger einschneidenden Massnahmen erreicht werden?</p><p>5. Unter welchen Umständen wäre der Bundesrat bereit, die aktuellen Einschränkungen für religiöse Veranstaltungen aufzuheben?</p><p>6. Welche Massnahmen könnte der Bundesrat einführen, damit sich ungeimpfte Personen, die sich die Tests nicht leisten können, ihre Religionsfreiheit trotzdem wahrnehmen können?</p>
    • Zertifikatspflicht und Religionsfreiheit

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