Mehr Anerkennung für berufsbedingte Krebserkrankungen

ShortId
23.3375
Id
20233375
Updated
31.08.2023 16:24
Language
de
Title
Mehr Anerkennung für berufsbedingte Krebserkrankungen
AdditionalIndexing
2841;44;2836
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>In der Schweiz werden offenbar zwischen 350 und 1850 Fälle berufsbedingter Krebserkrankungen von der Unfallversicherung nicht als Berufskrankheit anerkannt (Krief et al. 2022). Den Autorinnen und Autoren der Studie zufolge liegt das Problem nicht so sehr in der Anerkennung von Krebs als Berufskrankheit durch den Unfallversicherer, sondern vielmehr in der Identifizierung potenzieller Fälle durch das Pflegepersonal und der Auslösung des Meldeprozesses. Berufsbedingte Krebserkrankungen weisen eine lange Latenzzeit auf und sind auf verschiedene Faktoren zurückzuführen. Deshalb ist es für Ärztinnen und Ärzte schwierig, einen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit herzustellen.</p><p>Diese Untererfassung wirkt sich negativ auf die Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Wirtschaft des Landes aus. So kommen ihnen die Leistungen nicht zu (Pflege, Kostenerstattung, Rente), die ihre medizinische Versorgung und ihren Verbleib am Arbeitsplatz verbessern (Entschädigungen für die Umschulung) würden. Auf kollektiver Ebene wird den Institutionen und Unternehmen mit den epidemiologischen Daten ein unabdingbares Instrument vorenthalten für die Verstärkung der Prävention am Arbeitsplatz und die Vermeidung von Kosten, die durch berufsbedingte Krebserkrankungen und ihre Auswirkungen entstehen. Diese Auswirkungen betreffen sowohl den Verlust der Arbeitsfähigkeit als auch die Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die für das Funktionieren der Wirtschaft unerlässlich sind.</p><p>Auch Europa leidet unter dieser Untererfassung, deren gesundheitliche und wirtschaftliche Kosten sich auf über 500 Milliarden Euro belaufen. Initiativen, um hier Abhilfe zu schaffen, haben Hochkonjunktur. Frankreich klärt die Anerkennungskriterien durch spezifische Tabellen, die den Ärztinnen und Ärzten helfen, den Zusammenhang mit einer beruflichen Ursache herzustellen (Tabellen, die den Zusammenhang anhand von drei klaren Kriterien herstellen: Erkrankungen, Zeitpunkt des Auftretens und berufliche Tätigkeit). In Deutschland erhalten Ärztinnen und Ärzte für jede Meldung eine Entschädigung. In mehreren Ländern suchen die Einrichtungen für Gesundheit am Arbeitsplatz proaktiv nach potenziellen Opfern, indem sie Daten aus den nationalen Krebsregistern abgleichen, das Pflegepersonal und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer regelmässig informieren oder beim Arztbesuch Software einsetzen, die bei jedem Krebsverdacht auf eine berufliche Ursache hinweist.</p>
  • <p>1. Gemäss Tabelle 5.1 der aktuellen Jahresstatistik der Unfallversicherung (UVG) betragen die laufenden Kosten von Berufskrebs (Neoplasien) rund 100 Millionen Franken pro Jahr (durchschnittliche Kosten der Jahre 2016-2020; über 95 Prozent der Fälle sind Asbest-Fälle). Die betroffenen Personen sind zum grössten Teil bereits pensioniert und verursachen daher keinen Arbeitsausfall mehr. Über allfällige weitere volkswirtschaftliche Kosten können keine Angaben gemacht werden.</p><p>2. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) priorisiert Berufskrankheiten, die sehr häufig auftreten und/oder bei denen ein Verdacht auf Untererfassung besteht. Dies gilt insbesondere für Nicht-Melanom-Hautkrebs (Plattenepithelkarzinome und Basalzellkarzinome), der durch UV-Strahlung (Arbeit im Freien) verursacht wird: Die SUVA führt derzeit ein neues Screeningprogramm für Nicht-Melanom-Hautkrebs im Zusammenhang mit UV-Strahlung ein, da hier die Untererfassung besonders signifikant ist. Es gibt für diese Krebsarten auch keine Meldepflicht im Krebsregister.</p><p>3. Die Anerkennung von Krebs als Berufskrankheit ist in Artikel 9 Absatz 1 des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung (UVG; SR 832.20) geregelt: Als Berufskrankheiten gelten Krankheiten, die bei der beruflichen Tätigkeit ausschliesslich oder vorwiegend durch schädigende Stoffe oder bestimmte Arbeiten gemäss Liste in Anhang 1 der Verordnung über die Unfallversicherung (UVV; SR 832.202) verursacht worden sind. Die SUVA ist für die Verhütung von Berufskrankheiten, einschliesslich Berufskrebs, in allen Betrieben in der Schweiz zuständig: Im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags überwacht sie die Anwendung der Vorschriften zur Verhütung von Berufskrankheiten in allen Betrieben und lässt Arbeitnehmende mit erhöhter Gefährdung vorsorglich untersuchen. Beim Screening entdeckte Fälle von Berufskrankheiten werden dem zuständigen Unfallversicherer gemeldet, der die als Berufskrankheit anerkannten Fälle wiederum der Sammelstelle für die Statistik der Unfallversicherung (SSUV) meldet.</p><p>4. Mit dem Inkrafttreten des Krebsregistrierungsgesetz (KRG; SR 818.33) am 1. Januar 2020 sind Ärztinnen und Ärzte, Spitäler, Labore und andere private oder öffentliche Institutionen des Gesundheitswesens verpflichtet, Krebserkrankungen an das zuständige Krebsregister zu melden. Zu den meldepflichtigen Daten gehören u.a. Angaben zur Diagnose und Behandlung der Krebserkrankungen. Die berufliche Vorgeschichte der Patientinnen und Patienten lässt sich unter dem KRG hingegen nicht erfassen, da aussagekräftige Daten in diesem Bereich von Seiten Ärzteschaft nur mit einem nicht zu vernachlässigenden Zusatzaufwand im Rahmen der Diagnose zu erheben wären. Fragen zu den Zusammenhängen der beruflichen Vorgeschichte von Patienten und einer aufgetretenen Krebserkrankung lassen sich aber im Rahmen von Forschungsprojekten klären, in welchen die Daten aus der Krebsregistrierung mit Daten aus zusätzlichen Befragungen von Patientinnen und Patienten verlinkt werden. An solchen Forschungsvorhaben beteiligen sich die nationale Krebsregistrierungsstelle (NKRS), die kantonalen Krebsregister sowie das BFS oder stellen die Daten aus der Krebsregistrierung in geeigneter Form zur Verfügung.</p><p>5. Die Arbeitsmedizin der SUVA führt Präventions-, Biomonitoring- und Screeningprogramme durch, um berufsbedingte Krebserkrankungen, wie beispielsweise das Mesotheliom bei Asbestexposition oder den Blasenkrebs nach Exposition mit aromatischen Aminen, zu verhindern oder frühzeitig zu erkennen. Diese obligatorischen Vorsorgeuntersuchungen gehören zu den Aufgaben der SUVA als Vollzugsorgan und priorisieren Unternehmen mit erhöhtem Risiko (z. B. Stilllegung des Kernkraftwerks Mühleberg). Die SUVA hat auch mehrere Präventionsschwerpunkte festgelegt, die unter anderem den Schutz vor CMR-Stoffen (cancerogen, mutagen, reprotoxic bzw. krebserregend, erbgutverändernd, fortpflanzungsgefährdend) sowie vor Hautkrebs auslösenden UV-Strahlen umfassen. Aus diesen Arbeiten können neue primäre Präventionsmassnahmen (z. B. Präventionskampagnen) oder neue Screeningprogramme hervorgehen.</p> Antwort des Bundesrates.
  • <p>Ich bitte den Bundesrat um Antwort auf folgende Fragen:</p><p>- Wie hoch sind die Kosten, die der Wirtschaft in der Schweiz durch berufsbedingte Krebserkrankungen entstehen?</p><p>- Welche Massnahmen plant der Bundesrat zur Bekämpfung der mangelhaften Anerkennung berufsbedingter Krebserkrankungen?</p><p>- Welche Massnahmen plant der Bundesrat, um die Kriterien für die Anerkennung berufsbedingter Krebserkrankungen zu klären?</p><p>- Welche Massnahmen sieht der Bundesrat vor, um die Pflegekräfte zu motivieren, sich besser an der Meldung berufsbedingter Krebserkrankungen zu beteiligen?</p><p>- Welche Mittel will die Suva einsetzen, um bei Schweizer Patientinnen und Patienten, die berufsbedingt an Krebs erkrankt sind, nach einer beruflichen Komponente zu suchen?</p>
  • Mehr Anerkennung für berufsbedingte Krebserkrankungen
State
Stellungnahme zum Vorstoss liegt vor
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>In der Schweiz werden offenbar zwischen 350 und 1850 Fälle berufsbedingter Krebserkrankungen von der Unfallversicherung nicht als Berufskrankheit anerkannt (Krief et al. 2022). Den Autorinnen und Autoren der Studie zufolge liegt das Problem nicht so sehr in der Anerkennung von Krebs als Berufskrankheit durch den Unfallversicherer, sondern vielmehr in der Identifizierung potenzieller Fälle durch das Pflegepersonal und der Auslösung des Meldeprozesses. Berufsbedingte Krebserkrankungen weisen eine lange Latenzzeit auf und sind auf verschiedene Faktoren zurückzuführen. Deshalb ist es für Ärztinnen und Ärzte schwierig, einen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit herzustellen.</p><p>Diese Untererfassung wirkt sich negativ auf die Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Wirtschaft des Landes aus. So kommen ihnen die Leistungen nicht zu (Pflege, Kostenerstattung, Rente), die ihre medizinische Versorgung und ihren Verbleib am Arbeitsplatz verbessern (Entschädigungen für die Umschulung) würden. Auf kollektiver Ebene wird den Institutionen und Unternehmen mit den epidemiologischen Daten ein unabdingbares Instrument vorenthalten für die Verstärkung der Prävention am Arbeitsplatz und die Vermeidung von Kosten, die durch berufsbedingte Krebserkrankungen und ihre Auswirkungen entstehen. Diese Auswirkungen betreffen sowohl den Verlust der Arbeitsfähigkeit als auch die Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die für das Funktionieren der Wirtschaft unerlässlich sind.</p><p>Auch Europa leidet unter dieser Untererfassung, deren gesundheitliche und wirtschaftliche Kosten sich auf über 500 Milliarden Euro belaufen. Initiativen, um hier Abhilfe zu schaffen, haben Hochkonjunktur. Frankreich klärt die Anerkennungskriterien durch spezifische Tabellen, die den Ärztinnen und Ärzten helfen, den Zusammenhang mit einer beruflichen Ursache herzustellen (Tabellen, die den Zusammenhang anhand von drei klaren Kriterien herstellen: Erkrankungen, Zeitpunkt des Auftretens und berufliche Tätigkeit). In Deutschland erhalten Ärztinnen und Ärzte für jede Meldung eine Entschädigung. In mehreren Ländern suchen die Einrichtungen für Gesundheit am Arbeitsplatz proaktiv nach potenziellen Opfern, indem sie Daten aus den nationalen Krebsregistern abgleichen, das Pflegepersonal und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer regelmässig informieren oder beim Arztbesuch Software einsetzen, die bei jedem Krebsverdacht auf eine berufliche Ursache hinweist.</p>
    • <p>1. Gemäss Tabelle 5.1 der aktuellen Jahresstatistik der Unfallversicherung (UVG) betragen die laufenden Kosten von Berufskrebs (Neoplasien) rund 100 Millionen Franken pro Jahr (durchschnittliche Kosten der Jahre 2016-2020; über 95 Prozent der Fälle sind Asbest-Fälle). Die betroffenen Personen sind zum grössten Teil bereits pensioniert und verursachen daher keinen Arbeitsausfall mehr. Über allfällige weitere volkswirtschaftliche Kosten können keine Angaben gemacht werden.</p><p>2. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) priorisiert Berufskrankheiten, die sehr häufig auftreten und/oder bei denen ein Verdacht auf Untererfassung besteht. Dies gilt insbesondere für Nicht-Melanom-Hautkrebs (Plattenepithelkarzinome und Basalzellkarzinome), der durch UV-Strahlung (Arbeit im Freien) verursacht wird: Die SUVA führt derzeit ein neues Screeningprogramm für Nicht-Melanom-Hautkrebs im Zusammenhang mit UV-Strahlung ein, da hier die Untererfassung besonders signifikant ist. Es gibt für diese Krebsarten auch keine Meldepflicht im Krebsregister.</p><p>3. Die Anerkennung von Krebs als Berufskrankheit ist in Artikel 9 Absatz 1 des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung (UVG; SR 832.20) geregelt: Als Berufskrankheiten gelten Krankheiten, die bei der beruflichen Tätigkeit ausschliesslich oder vorwiegend durch schädigende Stoffe oder bestimmte Arbeiten gemäss Liste in Anhang 1 der Verordnung über die Unfallversicherung (UVV; SR 832.202) verursacht worden sind. Die SUVA ist für die Verhütung von Berufskrankheiten, einschliesslich Berufskrebs, in allen Betrieben in der Schweiz zuständig: Im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags überwacht sie die Anwendung der Vorschriften zur Verhütung von Berufskrankheiten in allen Betrieben und lässt Arbeitnehmende mit erhöhter Gefährdung vorsorglich untersuchen. Beim Screening entdeckte Fälle von Berufskrankheiten werden dem zuständigen Unfallversicherer gemeldet, der die als Berufskrankheit anerkannten Fälle wiederum der Sammelstelle für die Statistik der Unfallversicherung (SSUV) meldet.</p><p>4. Mit dem Inkrafttreten des Krebsregistrierungsgesetz (KRG; SR 818.33) am 1. Januar 2020 sind Ärztinnen und Ärzte, Spitäler, Labore und andere private oder öffentliche Institutionen des Gesundheitswesens verpflichtet, Krebserkrankungen an das zuständige Krebsregister zu melden. Zu den meldepflichtigen Daten gehören u.a. Angaben zur Diagnose und Behandlung der Krebserkrankungen. Die berufliche Vorgeschichte der Patientinnen und Patienten lässt sich unter dem KRG hingegen nicht erfassen, da aussagekräftige Daten in diesem Bereich von Seiten Ärzteschaft nur mit einem nicht zu vernachlässigenden Zusatzaufwand im Rahmen der Diagnose zu erheben wären. Fragen zu den Zusammenhängen der beruflichen Vorgeschichte von Patienten und einer aufgetretenen Krebserkrankung lassen sich aber im Rahmen von Forschungsprojekten klären, in welchen die Daten aus der Krebsregistrierung mit Daten aus zusätzlichen Befragungen von Patientinnen und Patienten verlinkt werden. An solchen Forschungsvorhaben beteiligen sich die nationale Krebsregistrierungsstelle (NKRS), die kantonalen Krebsregister sowie das BFS oder stellen die Daten aus der Krebsregistrierung in geeigneter Form zur Verfügung.</p><p>5. Die Arbeitsmedizin der SUVA führt Präventions-, Biomonitoring- und Screeningprogramme durch, um berufsbedingte Krebserkrankungen, wie beispielsweise das Mesotheliom bei Asbestexposition oder den Blasenkrebs nach Exposition mit aromatischen Aminen, zu verhindern oder frühzeitig zu erkennen. Diese obligatorischen Vorsorgeuntersuchungen gehören zu den Aufgaben der SUVA als Vollzugsorgan und priorisieren Unternehmen mit erhöhtem Risiko (z. B. Stilllegung des Kernkraftwerks Mühleberg). Die SUVA hat auch mehrere Präventionsschwerpunkte festgelegt, die unter anderem den Schutz vor CMR-Stoffen (cancerogen, mutagen, reprotoxic bzw. krebserregend, erbgutverändernd, fortpflanzungsgefährdend) sowie vor Hautkrebs auslösenden UV-Strahlen umfassen. Aus diesen Arbeiten können neue primäre Präventionsmassnahmen (z. B. Präventionskampagnen) oder neue Screeningprogramme hervorgehen.</p> Antwort des Bundesrates.
    • <p>Ich bitte den Bundesrat um Antwort auf folgende Fragen:</p><p>- Wie hoch sind die Kosten, die der Wirtschaft in der Schweiz durch berufsbedingte Krebserkrankungen entstehen?</p><p>- Welche Massnahmen plant der Bundesrat zur Bekämpfung der mangelhaften Anerkennung berufsbedingter Krebserkrankungen?</p><p>- Welche Massnahmen plant der Bundesrat, um die Kriterien für die Anerkennung berufsbedingter Krebserkrankungen zu klären?</p><p>- Welche Massnahmen sieht der Bundesrat vor, um die Pflegekräfte zu motivieren, sich besser an der Meldung berufsbedingter Krebserkrankungen zu beteiligen?</p><p>- Welche Mittel will die Suva einsetzen, um bei Schweizer Patientinnen und Patienten, die berufsbedingt an Krebs erkrankt sind, nach einer beruflichen Komponente zu suchen?</p>
    • Mehr Anerkennung für berufsbedingte Krebserkrankungen

Back to List