Arbeitskräftemangel. Was sind unsere Hausaufgaben?

ShortId
23.3380
Id
20233380
Updated
26.03.2024 20:51
Language
de
Title
Arbeitskräftemangel. Was sind unsere Hausaufgaben?
AdditionalIndexing
44;15
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Der Arbeitskräftemangel hat in der Schweiz im Jahr 2022 einen neuen Höchststand erreicht. So gab es über 100 000 unbesetzte Stellen und auch der Blick in die Zukunft verheisst eine Verschärfung der Situation. Händeringend versucht die Wirtschaft alles, um neue Mitarbeitende zu finden und auch in der Politik werden verschiedene Vorschläge diskutiert.</p><p>Allerdings scheint eine fundierte Analyse der Problematik zu fehlen. Derzeit gehen die Meinungen der Ökonomen weit auseinander, was die Ursachen und mögliche Massnahmen anbelangt. So heisst es beispielsweise, dass die Geldschwämme, angetrieben durch eine langjährige Negativzinspolitik, die überdurchschnittlich Nachfrage angeheizt habe. Andere betonen hingegen die Demographie resp. die Pensionierung der Baby-Boomer als mögliche Ursache. Auch weisen Ökonomen darauf hin, dass der Arbeitskräftemangel stark sektoren- und branchenabhängig sei, was nicht zuletzt auch auf den Strukturwandel zurückzuführen sei. </p><p>Wendet man sich den Massnahmen zu, scheint die Situation nicht einfacher. Geht man bspw. davon aus, dass die Problematik das Ergebnis einer expansiven Geldpolitik ist, wären politische Massnahmen zur Bekämpfung des Arbeitskräftemangels kontraproduktiv, da diese bei einer Abkühlung der Nachfrage die Problematik zusätzlich verschärfen würden. Gleichzeitig lässt sich die Demographie nicht wegdiskutieren, was auf eine Verschärfung der Problematik hinweist. Schliesslich besteht auch mit Blick auf das Arbeitskräftepotenzial in der Schweiz ein Fragezeichen. Trotz eines Arbeitskräftemangels weisen neuste Studien darauf hin, dass die Teilzeitarbeit weitverbreitet und enorm beliebt ist. Dies mag nicht zuletzt Ausdruck eines gestiegenen Wohlstandes sein und könnte dazu führen, dass politische Massnahmen ins Leere zu laufen drohen. Zu analysieren sind auch Massnahmen, die dazu führen würden, mehr Menschen, die sich bereitsin der Schweiz aufhalten, in den Arbeitsprozess zu integrieren. Zudem stellt sich die Frage, ob das heutige Arbeitsrecht noch zur heutigen, neuen Arbeitswelt passt. </p><p>Diese kurze Auslegeordnung weist auf eine komplexe Gemengelage hin. Doch fehlt es an einer fundierten Analyse, aufgrund welcher die Politik Massnahmen prüfen und abwägen könnte. Vor diesem Hintergrund wird der Bundesrat ersucht, einen Bericht über kurz-, mittel- und langfristige Situation des Arbeitskräftemangels zu erstellen.</p>
  • <p>Der Schweizer Arbeitsmarkt steht angesichts einer wachsenden Fachkräftenachfrage vor wichtigen Herausforderungen. Der Bundesrat teilt daher das Anliegen des Postulanten, Ursachen und Auswirkungen des Fachkräftemangels sowie damit verbundene Massnahmen genauer zu untersuchen.</p><p>Letzterem wird bereits Rechnung getragen im Rahmen einer Gesamtschau zur Umsetzung aller bereits ergriffenen Massnahmen zur Förderung des inländischen Arbeitskräftepotenzials. Die Berichterstattung erfolgt bis zum ersten Quartal 2024 und wird eine Beurteilung beinhalten, inwieweit die verschiedenen Massnahmen in einer Gesamtsicht die Ziele der Förderung des inländischen Arbeitskräftepotenzials erfüllen und ob zusätzliche Massnahmen erforderlich sind.</p><p>Das System der Arbeitsmarktzulassung von Drittstaatsangehörigen hat der Bundesrat vor Kurzem im Rahmen seines Berichts in Beantwortung des Postulats Nantermod 19.3651 "Für eine Zuwanderungsregelung, die den Bedürfnissen der Schweiz entspricht", auch unter dem Aspekt des Fachkräftemangels, ausführlich untersucht. Eine vom EJPD durchgeführte Umfrage bei Kantonen und Sozialpartnern im Jahr 2022 hat gezeigt, dass das heutige System mit Kontingenten den Zweck der Steuerung der Zuwanderung gut erfüllt und gleichzeitig flexibel ist.</p><p>Das EJPD hat dennoch eine Reihe von Massnahmen zum Abbau administrativer Hürden, gerade in Berufen mit erhöhtem Fachkräftemangel, umgesetzt. Weiter soll der Zugang zum Arbeitsmarkt von Ausländerinnen und Ausländern mit einem Schweizer Hochschulabschluss künftig erleichtert werden. Dazu hat der Bundesrat die Botschaft zur Umsetzung der Motion Dobler 17.3067, "Wenn die Schweiz teure Spezialisten ausbildet, sollen sie auch hier arbeiten können", am 19.10.2022 verabschiedet. Die Vorlage befindet sich aktuell in der Beratung im Parlament.</p><p>Auch die Regulierung von Arbeitsverhältnissen stand in den letzten Jahren verstärkt im politischen Fokus. Der Bericht des Bundesrates vom 09.12.2022 "Auswirkungen der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt - Monitoring 2022" zeigt auf, dass sich die bestehende Gesetzgebung auch in einem digitalisierten Umfeld bewährt und auch für die Telearbeit im Spezifischen kein unmittelbarer Handlungsbedarf besteht. Das Parlament beschäftigt, beziehungsweise hat sich im Rahmen der parlamentarischen Initiativen Burkart 16.484 und Graber 16.414 mit der Flexibilisierung der Arbeitszeitvorschriften beschäftigt.</p><p>Der Bundesrat ist aber bereit, in einem weiteren Bericht den Fokus auf die ersten beiden Fragen des Postulanten - Ursachen des Fachkräftemangels sowie Auswirkungen auf den Unternehmensstandort und Wohlstand in der Schweiz - zu legen und genauer zu untersuchen.</p> Der Bundesrat beantragt die Annahme der Punkte 1 und 2 sowie die Ablehnung der Punkte 3-6 des Postulates.
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, in einem Bericht darzulegen, welche Massnahmen nötig sind, damit der Arbeitskräftemangel gelindert werden kann und welche Massnahmen erforderlich sind, um die Zuwanderung in einem erträglichen Mass zu halten. Dabei hat er insbesondere folgende Aspekte zu prüfen: </p><p>1. Welches sind die gewichtigsten Ursachen des Arbeitskräftemangels (Geldpolitik, Demographie, Strukturwandel, Wirtschaftswachstum, Anzahl Jahresarbeitsstunden pro Person, usw.)?</p><p>2. Welche Auswirkungen hat der Arbeitskräftemangel sowohl für den Unternehmensstandort Schweiz und dessen Produktivität als auch für den Wohlstand in der Schweiz?</p><p>3. Welche politischen Massnahmen (Bund und Kantone) wären angesichts dieser Ausgangslage zu prüfen und vor welchen sollte man sich eher distanzieren?</p><p>4. Welche Massnahmen wären nötig, um die sich im Land befindenden Personen besser in den Arbeitsmarkt integrieren zu können, damit daneben nicht zusätzlich eine hohe Einwanderung von Arbeitskräften erforderlich ist?</p><p>5. Ist die Strategie der Drittstaatenkontingente zu überdenken und wenn ja, in welche Richtung?</p><p>6. Passt das heutige Arbeitsrecht noch zur heutigen neuen Arbeitswelt oder sind Anpassungen vorzunehmen und wenn ja, welche?</p><p>Für die Erarbeitung dieses Berichts soll der Bundesrat die Vertreter der Kantone, der einzelnen Wirtschaftsbranchen und deren Sozialpartner sowie auch Vertreter der Wissenschaft (Ökonomen) miteinbeziehen. Damit soll eine ganzheitliche Analyse ermöglicht und verschiedene Sichtweisen miteinbezogen werden.</p>
  • Arbeitskräftemangel. Was sind unsere Hausaufgaben?
State
Überwiesen an den Bundesrat
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Der Arbeitskräftemangel hat in der Schweiz im Jahr 2022 einen neuen Höchststand erreicht. So gab es über 100 000 unbesetzte Stellen und auch der Blick in die Zukunft verheisst eine Verschärfung der Situation. Händeringend versucht die Wirtschaft alles, um neue Mitarbeitende zu finden und auch in der Politik werden verschiedene Vorschläge diskutiert.</p><p>Allerdings scheint eine fundierte Analyse der Problematik zu fehlen. Derzeit gehen die Meinungen der Ökonomen weit auseinander, was die Ursachen und mögliche Massnahmen anbelangt. So heisst es beispielsweise, dass die Geldschwämme, angetrieben durch eine langjährige Negativzinspolitik, die überdurchschnittlich Nachfrage angeheizt habe. Andere betonen hingegen die Demographie resp. die Pensionierung der Baby-Boomer als mögliche Ursache. Auch weisen Ökonomen darauf hin, dass der Arbeitskräftemangel stark sektoren- und branchenabhängig sei, was nicht zuletzt auch auf den Strukturwandel zurückzuführen sei. </p><p>Wendet man sich den Massnahmen zu, scheint die Situation nicht einfacher. Geht man bspw. davon aus, dass die Problematik das Ergebnis einer expansiven Geldpolitik ist, wären politische Massnahmen zur Bekämpfung des Arbeitskräftemangels kontraproduktiv, da diese bei einer Abkühlung der Nachfrage die Problematik zusätzlich verschärfen würden. Gleichzeitig lässt sich die Demographie nicht wegdiskutieren, was auf eine Verschärfung der Problematik hinweist. Schliesslich besteht auch mit Blick auf das Arbeitskräftepotenzial in der Schweiz ein Fragezeichen. Trotz eines Arbeitskräftemangels weisen neuste Studien darauf hin, dass die Teilzeitarbeit weitverbreitet und enorm beliebt ist. Dies mag nicht zuletzt Ausdruck eines gestiegenen Wohlstandes sein und könnte dazu führen, dass politische Massnahmen ins Leere zu laufen drohen. Zu analysieren sind auch Massnahmen, die dazu führen würden, mehr Menschen, die sich bereitsin der Schweiz aufhalten, in den Arbeitsprozess zu integrieren. Zudem stellt sich die Frage, ob das heutige Arbeitsrecht noch zur heutigen, neuen Arbeitswelt passt. </p><p>Diese kurze Auslegeordnung weist auf eine komplexe Gemengelage hin. Doch fehlt es an einer fundierten Analyse, aufgrund welcher die Politik Massnahmen prüfen und abwägen könnte. Vor diesem Hintergrund wird der Bundesrat ersucht, einen Bericht über kurz-, mittel- und langfristige Situation des Arbeitskräftemangels zu erstellen.</p>
    • <p>Der Schweizer Arbeitsmarkt steht angesichts einer wachsenden Fachkräftenachfrage vor wichtigen Herausforderungen. Der Bundesrat teilt daher das Anliegen des Postulanten, Ursachen und Auswirkungen des Fachkräftemangels sowie damit verbundene Massnahmen genauer zu untersuchen.</p><p>Letzterem wird bereits Rechnung getragen im Rahmen einer Gesamtschau zur Umsetzung aller bereits ergriffenen Massnahmen zur Förderung des inländischen Arbeitskräftepotenzials. Die Berichterstattung erfolgt bis zum ersten Quartal 2024 und wird eine Beurteilung beinhalten, inwieweit die verschiedenen Massnahmen in einer Gesamtsicht die Ziele der Förderung des inländischen Arbeitskräftepotenzials erfüllen und ob zusätzliche Massnahmen erforderlich sind.</p><p>Das System der Arbeitsmarktzulassung von Drittstaatsangehörigen hat der Bundesrat vor Kurzem im Rahmen seines Berichts in Beantwortung des Postulats Nantermod 19.3651 "Für eine Zuwanderungsregelung, die den Bedürfnissen der Schweiz entspricht", auch unter dem Aspekt des Fachkräftemangels, ausführlich untersucht. Eine vom EJPD durchgeführte Umfrage bei Kantonen und Sozialpartnern im Jahr 2022 hat gezeigt, dass das heutige System mit Kontingenten den Zweck der Steuerung der Zuwanderung gut erfüllt und gleichzeitig flexibel ist.</p><p>Das EJPD hat dennoch eine Reihe von Massnahmen zum Abbau administrativer Hürden, gerade in Berufen mit erhöhtem Fachkräftemangel, umgesetzt. Weiter soll der Zugang zum Arbeitsmarkt von Ausländerinnen und Ausländern mit einem Schweizer Hochschulabschluss künftig erleichtert werden. Dazu hat der Bundesrat die Botschaft zur Umsetzung der Motion Dobler 17.3067, "Wenn die Schweiz teure Spezialisten ausbildet, sollen sie auch hier arbeiten können", am 19.10.2022 verabschiedet. Die Vorlage befindet sich aktuell in der Beratung im Parlament.</p><p>Auch die Regulierung von Arbeitsverhältnissen stand in den letzten Jahren verstärkt im politischen Fokus. Der Bericht des Bundesrates vom 09.12.2022 "Auswirkungen der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt - Monitoring 2022" zeigt auf, dass sich die bestehende Gesetzgebung auch in einem digitalisierten Umfeld bewährt und auch für die Telearbeit im Spezifischen kein unmittelbarer Handlungsbedarf besteht. Das Parlament beschäftigt, beziehungsweise hat sich im Rahmen der parlamentarischen Initiativen Burkart 16.484 und Graber 16.414 mit der Flexibilisierung der Arbeitszeitvorschriften beschäftigt.</p><p>Der Bundesrat ist aber bereit, in einem weiteren Bericht den Fokus auf die ersten beiden Fragen des Postulanten - Ursachen des Fachkräftemangels sowie Auswirkungen auf den Unternehmensstandort und Wohlstand in der Schweiz - zu legen und genauer zu untersuchen.</p> Der Bundesrat beantragt die Annahme der Punkte 1 und 2 sowie die Ablehnung der Punkte 3-6 des Postulates.
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, in einem Bericht darzulegen, welche Massnahmen nötig sind, damit der Arbeitskräftemangel gelindert werden kann und welche Massnahmen erforderlich sind, um die Zuwanderung in einem erträglichen Mass zu halten. Dabei hat er insbesondere folgende Aspekte zu prüfen: </p><p>1. Welches sind die gewichtigsten Ursachen des Arbeitskräftemangels (Geldpolitik, Demographie, Strukturwandel, Wirtschaftswachstum, Anzahl Jahresarbeitsstunden pro Person, usw.)?</p><p>2. Welche Auswirkungen hat der Arbeitskräftemangel sowohl für den Unternehmensstandort Schweiz und dessen Produktivität als auch für den Wohlstand in der Schweiz?</p><p>3. Welche politischen Massnahmen (Bund und Kantone) wären angesichts dieser Ausgangslage zu prüfen und vor welchen sollte man sich eher distanzieren?</p><p>4. Welche Massnahmen wären nötig, um die sich im Land befindenden Personen besser in den Arbeitsmarkt integrieren zu können, damit daneben nicht zusätzlich eine hohe Einwanderung von Arbeitskräften erforderlich ist?</p><p>5. Ist die Strategie der Drittstaatenkontingente zu überdenken und wenn ja, in welche Richtung?</p><p>6. Passt das heutige Arbeitsrecht noch zur heutigen neuen Arbeitswelt oder sind Anpassungen vorzunehmen und wenn ja, welche?</p><p>Für die Erarbeitung dieses Berichts soll der Bundesrat die Vertreter der Kantone, der einzelnen Wirtschaftsbranchen und deren Sozialpartner sowie auch Vertreter der Wissenschaft (Ökonomen) miteinbeziehen. Damit soll eine ganzheitliche Analyse ermöglicht und verschiedene Sichtweisen miteinbezogen werden.</p>
    • Arbeitskräftemangel. Was sind unsere Hausaufgaben?

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