Komplementäre Zugangswege

ShortId
23.3398
Id
20233398
Updated
31.08.2023 16:17
Language
de
Title
Komplementäre Zugangswege
AdditionalIndexing
2811;28
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>1. Mit den dringlichen Änderungen des Asylgesetzes (AsylG) vom 28.09.2012 wurde die Möglichkeit abgeschafft, bei einer Schweizer Vertretung im Ausland ein Asylgesuch einzureichen. Für Personen, die offensichtlich, unmittelbar und ernsthaft an Leib und Leben gefährdet sind, wurde ein legaler Zugangsweg zum Schutzsystem in der Schweiz geschaffen: das humanitäre Visum (Art. 4 Ziff. 2 Verordnung über die Einreise und die Visumerteilung VEV; RS 142.204). Dieses ist kein Ersatz für das abgeschaffte Botschaftsasyl, sondern ein spezifisch auf besonders gefährdete Einzelfälle ausgerichtetes Instrument. Akut bedrohte Menschen können damit eine Einreise in die Schweiz und nachträglich Asyl anstreben, auch wenn sie aus einem Land stammen, aus welchem weder die Schweiz noch andere Aufnahmestaaten Resettlement betreiben. Damit kommt diesem zum Resettlement komplementären Zugangsweg aus Sicht des Bundesrates bereits heute eine bedeutende Funktion zu.</p><p>2. In der Schweiz stellt der Asylbereich grundsätzlich eine Verbundsaufgabe zwischen Bund, Kantonen und Städten/Gemeinden dar. Städte/Gemeinden sind im partnerschaftlichen Zusammenwirken mit Bund und Kantonen wichtige Akteure bei der sozialen Integration von Flüchtlingen. Der Bundesrat begrüsst deshalb ausdrücklich die Bereitschaft von Städten/Gemeinden, sich im Asylbereich stärker zu engagieren. Der Prozess der innerkantonalen Verteilung von Asylsuchenden und vorläufig aufgenommenen Personen oder Flüchtlingen wird durch das kantonale Recht oder durch eine Ad-hoc-Vereinbarung zwischen dem jeweiligen Kanton und den Städten/Gemeinden geregelt. Eine Stadt/Gemeinde kann sich also nach Absprache mit dem Kanton dazu verpflichten, ihre Quote aus dem Aufnahmekontingent des Bundes zu erhöhen, womit andere Städte/Gemeinden im gleichen Kanton entlastet würden. Auch in Bezug auf Initiativen zur Beteiligung von zivilgesellschaftlichen Organisationen bei der Unterbringung von Personen aus dem Asylbereich sind die Kantone die richtigen Ansprechpartner. Hingegen liegt die Auswahl der aufzunehmenden Personen in der Zuständigkeit des Bundes, ebenso die Finanzierung der Unterbringung und Integration während der ersten fünf Jahre (Flüchtlinge) bzw. sieben Jahre (vorläufig Aufgenommene) des Aufenthalts. Für ein eigenständiges stärkeres finanzielles Engagement einer Stadt/Gemeinde für eine zusätzliche Aufnahme von Flüchtlingen (Resettlement) wäre eine Anpassung der einschlägigen rechtlichen und finanziellen Regelungen erforderlich. Die entsprechenden Erläuterungen sind der vom Staatssekretariat für Migration am 11. Oktober 2022 veröffentlichten Studie "Komplementäre Zugangswege in die Schweiz" (www.admin.ch/dokumentation/medienmitteilungen/Analyse der komplementären Zugangswege; vgl. insb. Kapitel 2 und Kapitel 3.5) zu entnehmen.</p> Antwort des Bundesrates.
  • <p>Menschen, die auf der Flucht vor Konflikten, Gewalt, Menschenrechtsverletzungen und Verfolgung sind, haben nur wenige Möglichkeiten, in europäischen Ländern wie der Schweiz Schutz zu suchen, ohne sich dafür auf lebensgefährliche Fluchtrouten begeben zu müssen, denn es fehlt an regulären, sicheren Zugangswegen. Die aktuellen Resettlement-Kontingente entsprechen dem Bedarf bei Weitem nicht. Das SEM hat gestützt auf das Studienprojekt "Komplementäre Zugangswege für Menschen auf der Flucht: ein Ländervergleich" analysiert, welche Instrumente ergänzend zum Resettlement zur Verfügung stehen und ist zum Schluss gekommen, dass die Schweiz viele dieser Möglichkeiten bereits anwende, insbesondere das humanitäre Visum. Länder wie Deutschland, Italien, Frankreich, aber auch Kanada haben in den letzten Jahren zusätzlich zu ihren traditionellen Resettlement-Programmen neue sogenannte komplementäre Zugangswege für Schutzbedürftige geschaffen. Bei vielen dieser Projekte handelt es sich um Community Sponsorship-Programme, die auf der Beteiligung von lokalen und/oder zivilgesellschaftlichen Akteuren basieren. Gemäss der Studie werden solche Programme in europäischen Ländern mit vergleichbaren Systemen im Rahmen der geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen umgesetzt. Die ländervergleichende Untersuchung zeigt, dass es erfolgreiche Wege gibt, Geflüchtete mit Hilfe von Akteuren der Zivilgesellschaft (Städte, Religionsgemeinschaften, Unterstützungsgruppen) aufzunehmen und gut zu integrieren. </p><p>Vor diesem Hintergrund bitte ich den Bundesrat um die Beantwortung folgender Fragen:</p><p>Wie passt der Bundesrat die Praxis an, damit humanitäre Visa dem Anspruch gerecht werden, vulnerable Personen Schutz zu bieten und im Sinne der komplementären Zugangswege eine bedeutende Funktion erlangen?</p><p>Schweizer Städte haben mehrfach den Willen für ein freiwilliges Engagement für zusätzliche Aufnahme von Geflüchteten bekundet. Wie beurteilt der Bundesrat die Möglichkeit für Pilotprojekte in Anlehnung an die in der Studie erwähnten Programme (insbesondere Community Sponsorship Programme), welche dieses Angebot konkretisieren könnten? Sind für solche Pilotprojekte rechtliche Anpassungen notwendig, und falls ja, welche?</p>
  • Komplementäre Zugangswege
State
Stellungnahme zum Vorstoss liegt vor
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>1. Mit den dringlichen Änderungen des Asylgesetzes (AsylG) vom 28.09.2012 wurde die Möglichkeit abgeschafft, bei einer Schweizer Vertretung im Ausland ein Asylgesuch einzureichen. Für Personen, die offensichtlich, unmittelbar und ernsthaft an Leib und Leben gefährdet sind, wurde ein legaler Zugangsweg zum Schutzsystem in der Schweiz geschaffen: das humanitäre Visum (Art. 4 Ziff. 2 Verordnung über die Einreise und die Visumerteilung VEV; RS 142.204). Dieses ist kein Ersatz für das abgeschaffte Botschaftsasyl, sondern ein spezifisch auf besonders gefährdete Einzelfälle ausgerichtetes Instrument. Akut bedrohte Menschen können damit eine Einreise in die Schweiz und nachträglich Asyl anstreben, auch wenn sie aus einem Land stammen, aus welchem weder die Schweiz noch andere Aufnahmestaaten Resettlement betreiben. Damit kommt diesem zum Resettlement komplementären Zugangsweg aus Sicht des Bundesrates bereits heute eine bedeutende Funktion zu.</p><p>2. In der Schweiz stellt der Asylbereich grundsätzlich eine Verbundsaufgabe zwischen Bund, Kantonen und Städten/Gemeinden dar. Städte/Gemeinden sind im partnerschaftlichen Zusammenwirken mit Bund und Kantonen wichtige Akteure bei der sozialen Integration von Flüchtlingen. Der Bundesrat begrüsst deshalb ausdrücklich die Bereitschaft von Städten/Gemeinden, sich im Asylbereich stärker zu engagieren. Der Prozess der innerkantonalen Verteilung von Asylsuchenden und vorläufig aufgenommenen Personen oder Flüchtlingen wird durch das kantonale Recht oder durch eine Ad-hoc-Vereinbarung zwischen dem jeweiligen Kanton und den Städten/Gemeinden geregelt. Eine Stadt/Gemeinde kann sich also nach Absprache mit dem Kanton dazu verpflichten, ihre Quote aus dem Aufnahmekontingent des Bundes zu erhöhen, womit andere Städte/Gemeinden im gleichen Kanton entlastet würden. Auch in Bezug auf Initiativen zur Beteiligung von zivilgesellschaftlichen Organisationen bei der Unterbringung von Personen aus dem Asylbereich sind die Kantone die richtigen Ansprechpartner. Hingegen liegt die Auswahl der aufzunehmenden Personen in der Zuständigkeit des Bundes, ebenso die Finanzierung der Unterbringung und Integration während der ersten fünf Jahre (Flüchtlinge) bzw. sieben Jahre (vorläufig Aufgenommene) des Aufenthalts. Für ein eigenständiges stärkeres finanzielles Engagement einer Stadt/Gemeinde für eine zusätzliche Aufnahme von Flüchtlingen (Resettlement) wäre eine Anpassung der einschlägigen rechtlichen und finanziellen Regelungen erforderlich. Die entsprechenden Erläuterungen sind der vom Staatssekretariat für Migration am 11. Oktober 2022 veröffentlichten Studie "Komplementäre Zugangswege in die Schweiz" (www.admin.ch/dokumentation/medienmitteilungen/Analyse der komplementären Zugangswege; vgl. insb. Kapitel 2 und Kapitel 3.5) zu entnehmen.</p> Antwort des Bundesrates.
    • <p>Menschen, die auf der Flucht vor Konflikten, Gewalt, Menschenrechtsverletzungen und Verfolgung sind, haben nur wenige Möglichkeiten, in europäischen Ländern wie der Schweiz Schutz zu suchen, ohne sich dafür auf lebensgefährliche Fluchtrouten begeben zu müssen, denn es fehlt an regulären, sicheren Zugangswegen. Die aktuellen Resettlement-Kontingente entsprechen dem Bedarf bei Weitem nicht. Das SEM hat gestützt auf das Studienprojekt "Komplementäre Zugangswege für Menschen auf der Flucht: ein Ländervergleich" analysiert, welche Instrumente ergänzend zum Resettlement zur Verfügung stehen und ist zum Schluss gekommen, dass die Schweiz viele dieser Möglichkeiten bereits anwende, insbesondere das humanitäre Visum. Länder wie Deutschland, Italien, Frankreich, aber auch Kanada haben in den letzten Jahren zusätzlich zu ihren traditionellen Resettlement-Programmen neue sogenannte komplementäre Zugangswege für Schutzbedürftige geschaffen. Bei vielen dieser Projekte handelt es sich um Community Sponsorship-Programme, die auf der Beteiligung von lokalen und/oder zivilgesellschaftlichen Akteuren basieren. Gemäss der Studie werden solche Programme in europäischen Ländern mit vergleichbaren Systemen im Rahmen der geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen umgesetzt. Die ländervergleichende Untersuchung zeigt, dass es erfolgreiche Wege gibt, Geflüchtete mit Hilfe von Akteuren der Zivilgesellschaft (Städte, Religionsgemeinschaften, Unterstützungsgruppen) aufzunehmen und gut zu integrieren. </p><p>Vor diesem Hintergrund bitte ich den Bundesrat um die Beantwortung folgender Fragen:</p><p>Wie passt der Bundesrat die Praxis an, damit humanitäre Visa dem Anspruch gerecht werden, vulnerable Personen Schutz zu bieten und im Sinne der komplementären Zugangswege eine bedeutende Funktion erlangen?</p><p>Schweizer Städte haben mehrfach den Willen für ein freiwilliges Engagement für zusätzliche Aufnahme von Geflüchteten bekundet. Wie beurteilt der Bundesrat die Möglichkeit für Pilotprojekte in Anlehnung an die in der Studie erwähnten Programme (insbesondere Community Sponsorship Programme), welche dieses Angebot konkretisieren könnten? Sind für solche Pilotprojekte rechtliche Anpassungen notwendig, und falls ja, welche?</p>
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