Bedarf geschlechtsspezifisch berechnen

ShortId
23.3429
Id
20233429
Updated
10.04.2024 15:07
Language
de
Title
Bedarf geschlechtsspezifisch berechnen
AdditionalIndexing
15;28;1236;2836
1
PriorityCouncil1
Ständerat
Texts
  • <p>Als "Pink Tax" bezeichnet man das Phänomen, dass Produkte, die speziell für Frauen vermarktet werden, teurer sind als die entsprechenden Produkte für Männer.</p><p>In verschiedenen Studien wurden in den letzten 10 Jahren grosse Preisunterschiede nachgewiesen. Diese liegen zwischen 7 und 37 Prozent je nach Produktkategorie und untersuchtem Land. Praktisch alle Bereiche, in denen es nach Geschlecht differenzierte Produkte gibt, sind von diesem Phänomen betroffen: Kinderspielzeug, Kosmetika, Hygieneprodukte, Kleidung, Accessoires und Dienstleistungen wie Coiffeur- oder Textilreinigungsdienstleistungen.</p><p>Die Theorien dazu, warum es eine solche geschlechtsspezifische Diskriminierung gibt, sind zwar unterschiedlich, doch in allen durchgeführten Studien wurde die Existenz dieses Phänomens nachgewiesen. Als Folge davon geben Frauen im Lauf ihres Lebens Tausende von Franken mehr für ihren Grundbedarf aus - nur weil sie Frauen sind. So kommt eine weitere geschlechtsabhängige Diskriminierung zu anderen hinzu, etwa zur Lohn- und Rentenungleichheit.</p><p>In einer liberalen Wirtschaft ist ein direktes Eingreifen des Staates zur Beseitigung dieser Diskriminierung schwierig. Es ist hingegen offensichtlich, dass man ihr in vielen verschiedenen Bereichen Rechnung tragen müsste. Da die Produkte des Grundbedarfs für die Frauen teurer sind, scheint es beispielsweise offensichtlich, dass das Existenzminimum je nach Geschlecht unterschiedlich berechnet werden müsste. Dasselbe gilt für die Berechnung des Grundbedarfs für die Festlegung der Alimente bei einer Trennung oder Scheidung oder auch für die Ergänzungsleistungen zur AHV und IV: Der Grundbedarf der Frauen ist höher - nicht weil sie dies so wollen, sondern weil dies der (Un-)Logik des Marktes entspricht. </p><p>Daher wird der Bundesrat beauftragt, die "Pink Tax" zu quantifizieren, alle Bereiche zu ermitteln, in denen der Staat diese angemessen berücksichtigen muss, sowie die erforderlichen Anpassungen von Gesetzen und anderen Vorschriften und Praxisänderungen aufzulisten.</p>
  • <p>Der Wortlaut des vorliegenden Postulates ist identisch mit dem <a href="https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20223082">Po. Gysin 22.3082</a> "Bedarf geschlechtsspezifisch berechnen". Die Haltung, die der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 25. Mai 2022 vertrat, hat sich nicht geändert.</p><p>Dem Bundesrat ist bekannt, dass geschlechtsspezifisch gestaltete und vermarktete Produkte und Dienstleistungen unterschiedliche Preise aufweisen können (siehe seine Stellungnahme zum <a href="https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20163190">Po 16.3190 Schwaab</a>). Die Gründe für solche Unterschiede können vielfältig und von Sektor zu Sektor verschieden sein (z.B. Produktgestaltung, Infrastruktur, Werbekosten, Beratungsaufwand, Kundenexpertise, aber auch unterschiedliche Präferenzen und Zahlungsbereitschaft).</p><p>Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass Frauen systematisch oder aggregiert mehr bezahlen als Männer. Die Preise hängen stark vom Differenzierungsgrad der Produkte ab, wobei in vielen Fällen auch Standard-Produkte zu tieferen Preisen erhältlich wären. Hier zeigt sich auch die Problematik, dass viele geschlechtsspezifisch gestaltete Produkte und Dienstleistungen nicht 1:1 vergleichbar sind. Zu diesem Schluss kommt auch ein auf einer repräsentativen Umfrage basierender Bericht der französischen Regierung von 2015 zuhanden des Parlamentes (vgl. <a href="https://www.economie.gouv.fr/files/files/PDF/rapport_parlement_woman-tax.pdf">https://www.economie.gouv.fr/files/files/PDF/rapport_parlement_woman-tax.pdf</a>). Der Bericht hält fest, dass systematische Mehrkosten für Frauen nicht erwiesen seien. Preisdifferenzen zwischen den Geschlechtern je nach Produkt könnten sowohl zum Nachteil der Männer als auch zum Nachteil der Frauen ausfallen. Unter dem Strich sei eine abschliessende Beurteilung aufgrund der Komplexität des Themas nicht möglich. Zudem ist festzuhalten, dass geschlechtsspezifisch gestaltete Produkte und Dienstleistungen nicht prägend sind für die gesamten Konsumausgaben und somit für die Bestreitung des Lebensunterhalts. Eine Studie aus Deutschland im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes von 2017 zeigt, dass der überwiegende Teil der Produkt- und Dienstleistungsvarianten in Deutschland für beide Geschlechter preisgleich angeboten wird (vgl. <a href="https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/Expertisen/expertise_preisdifferenzierung_nach_geschlecht.pdf">https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/Expertisen/expertise_preisdifferenzierung_nach_geschlecht.pdf</a>). Deshalb ist auch nicht davon auszugehen, dass die Deckung der Grundbedürfnisse für ein Geschlecht mit massgeblich höheren Kosten verbunden ist als für das andere Geschlecht.</p><p>Der geforderte Bericht könnte dem Anliegen der Postulantin kaum nachkommen. Es wird kaum möglich sein, Preisunterschiede für verschiedene Produkte und Dienstleistungen geschlechtsspezifisch zu aggregieren und zweckmässig zu verrechnen. Somit sind auch keine klaren Aussagen zu Unterschieden im Lebensbedarf von Frauen und Männern zu erwarten. In der EU zielt die für alle Mitgliedstaaten verbindliche Richtlinie 2004/113/EG zwar darauf ab, Männer und Frauen beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen gleichzustellen, bei der Thematik "pink tax" wird jedoch auf die Sensibilisierung der Konsumentinnen und Konsumenten gesetzt.</p><p>Aufgrund dieser Erwägungen sieht der Bundesrat keinen Bedarf, die Fragestellung weiter zu vertiefen. Das übergeordnete Ziel der Gleichstellung der Geschlechter wird durch die breit abgestützte Gleichstellungsstrategie 2030 gefördert. Diese konzentriert sich auf effektivere Hebel zur Förderung der Gleichstellung.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung des Postulates.
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, einen Bericht vorzulegen über die geschlechtsspezifische Preisdifferenzierung in der Schweiz. </p><p>Dieser Bericht soll insbesondere: </p><p>1. das Ausmass der geschlechtsspezifischen Preisdifferenzierung quantifizieren; </p><p>2. die Bereiche ermitteln, in denen Massnahmen getroffen werden müssen, damit in den Gesetzen und anderen Vorschriften sowie in der Praxis solche Preisunterschiede angemessen berücksichtigt werden.</p>
  • Bedarf geschlechtsspezifisch berechnen
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Als "Pink Tax" bezeichnet man das Phänomen, dass Produkte, die speziell für Frauen vermarktet werden, teurer sind als die entsprechenden Produkte für Männer.</p><p>In verschiedenen Studien wurden in den letzten 10 Jahren grosse Preisunterschiede nachgewiesen. Diese liegen zwischen 7 und 37 Prozent je nach Produktkategorie und untersuchtem Land. Praktisch alle Bereiche, in denen es nach Geschlecht differenzierte Produkte gibt, sind von diesem Phänomen betroffen: Kinderspielzeug, Kosmetika, Hygieneprodukte, Kleidung, Accessoires und Dienstleistungen wie Coiffeur- oder Textilreinigungsdienstleistungen.</p><p>Die Theorien dazu, warum es eine solche geschlechtsspezifische Diskriminierung gibt, sind zwar unterschiedlich, doch in allen durchgeführten Studien wurde die Existenz dieses Phänomens nachgewiesen. Als Folge davon geben Frauen im Lauf ihres Lebens Tausende von Franken mehr für ihren Grundbedarf aus - nur weil sie Frauen sind. So kommt eine weitere geschlechtsabhängige Diskriminierung zu anderen hinzu, etwa zur Lohn- und Rentenungleichheit.</p><p>In einer liberalen Wirtschaft ist ein direktes Eingreifen des Staates zur Beseitigung dieser Diskriminierung schwierig. Es ist hingegen offensichtlich, dass man ihr in vielen verschiedenen Bereichen Rechnung tragen müsste. Da die Produkte des Grundbedarfs für die Frauen teurer sind, scheint es beispielsweise offensichtlich, dass das Existenzminimum je nach Geschlecht unterschiedlich berechnet werden müsste. Dasselbe gilt für die Berechnung des Grundbedarfs für die Festlegung der Alimente bei einer Trennung oder Scheidung oder auch für die Ergänzungsleistungen zur AHV und IV: Der Grundbedarf der Frauen ist höher - nicht weil sie dies so wollen, sondern weil dies der (Un-)Logik des Marktes entspricht. </p><p>Daher wird der Bundesrat beauftragt, die "Pink Tax" zu quantifizieren, alle Bereiche zu ermitteln, in denen der Staat diese angemessen berücksichtigen muss, sowie die erforderlichen Anpassungen von Gesetzen und anderen Vorschriften und Praxisänderungen aufzulisten.</p>
    • <p>Der Wortlaut des vorliegenden Postulates ist identisch mit dem <a href="https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20223082">Po. Gysin 22.3082</a> "Bedarf geschlechtsspezifisch berechnen". Die Haltung, die der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 25. Mai 2022 vertrat, hat sich nicht geändert.</p><p>Dem Bundesrat ist bekannt, dass geschlechtsspezifisch gestaltete und vermarktete Produkte und Dienstleistungen unterschiedliche Preise aufweisen können (siehe seine Stellungnahme zum <a href="https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20163190">Po 16.3190 Schwaab</a>). Die Gründe für solche Unterschiede können vielfältig und von Sektor zu Sektor verschieden sein (z.B. Produktgestaltung, Infrastruktur, Werbekosten, Beratungsaufwand, Kundenexpertise, aber auch unterschiedliche Präferenzen und Zahlungsbereitschaft).</p><p>Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass Frauen systematisch oder aggregiert mehr bezahlen als Männer. Die Preise hängen stark vom Differenzierungsgrad der Produkte ab, wobei in vielen Fällen auch Standard-Produkte zu tieferen Preisen erhältlich wären. Hier zeigt sich auch die Problematik, dass viele geschlechtsspezifisch gestaltete Produkte und Dienstleistungen nicht 1:1 vergleichbar sind. Zu diesem Schluss kommt auch ein auf einer repräsentativen Umfrage basierender Bericht der französischen Regierung von 2015 zuhanden des Parlamentes (vgl. <a href="https://www.economie.gouv.fr/files/files/PDF/rapport_parlement_woman-tax.pdf">https://www.economie.gouv.fr/files/files/PDF/rapport_parlement_woman-tax.pdf</a>). Der Bericht hält fest, dass systematische Mehrkosten für Frauen nicht erwiesen seien. Preisdifferenzen zwischen den Geschlechtern je nach Produkt könnten sowohl zum Nachteil der Männer als auch zum Nachteil der Frauen ausfallen. Unter dem Strich sei eine abschliessende Beurteilung aufgrund der Komplexität des Themas nicht möglich. Zudem ist festzuhalten, dass geschlechtsspezifisch gestaltete Produkte und Dienstleistungen nicht prägend sind für die gesamten Konsumausgaben und somit für die Bestreitung des Lebensunterhalts. Eine Studie aus Deutschland im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes von 2017 zeigt, dass der überwiegende Teil der Produkt- und Dienstleistungsvarianten in Deutschland für beide Geschlechter preisgleich angeboten wird (vgl. <a href="https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/Expertisen/expertise_preisdifferenzierung_nach_geschlecht.pdf">https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/Expertisen/expertise_preisdifferenzierung_nach_geschlecht.pdf</a>). Deshalb ist auch nicht davon auszugehen, dass die Deckung der Grundbedürfnisse für ein Geschlecht mit massgeblich höheren Kosten verbunden ist als für das andere Geschlecht.</p><p>Der geforderte Bericht könnte dem Anliegen der Postulantin kaum nachkommen. Es wird kaum möglich sein, Preisunterschiede für verschiedene Produkte und Dienstleistungen geschlechtsspezifisch zu aggregieren und zweckmässig zu verrechnen. Somit sind auch keine klaren Aussagen zu Unterschieden im Lebensbedarf von Frauen und Männern zu erwarten. In der EU zielt die für alle Mitgliedstaaten verbindliche Richtlinie 2004/113/EG zwar darauf ab, Männer und Frauen beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen gleichzustellen, bei der Thematik "pink tax" wird jedoch auf die Sensibilisierung der Konsumentinnen und Konsumenten gesetzt.</p><p>Aufgrund dieser Erwägungen sieht der Bundesrat keinen Bedarf, die Fragestellung weiter zu vertiefen. Das übergeordnete Ziel der Gleichstellung der Geschlechter wird durch die breit abgestützte Gleichstellungsstrategie 2030 gefördert. Diese konzentriert sich auf effektivere Hebel zur Förderung der Gleichstellung.</p> Der Bundesrat beantragt die Ablehnung des Postulates.
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, einen Bericht vorzulegen über die geschlechtsspezifische Preisdifferenzierung in der Schweiz. </p><p>Dieser Bericht soll insbesondere: </p><p>1. das Ausmass der geschlechtsspezifischen Preisdifferenzierung quantifizieren; </p><p>2. die Bereiche ermitteln, in denen Massnahmen getroffen werden müssen, damit in den Gesetzen und anderen Vorschriften sowie in der Praxis solche Preisunterschiede angemessen berücksichtigt werden.</p>
    • Bedarf geschlechtsspezifisch berechnen

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