Zugang zu Orphan Drugs

ShortId
23.3503
Id
20233503
Updated
24.04.2024 10:44
Language
de
Title
Zugang zu Orphan Drugs
AdditionalIndexing
2841;1236
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Orphan Drugs sind "wichtige Arzneimittel zur Erkennung, Verhütung oder Behandlung einer lebensbedrohenden oder chronisch invalidisierenden Erkrankung", von der höchstens 5 von 10 000 Personen betroffen sind.</p><p>Einerseits ermöglicht die Vergütung im Einzelfall den Zugang zu lebenswichtigen Arzneimitteln zur Behandlung seltener Erkrankungen zum Teil sogar vor der Marktzulassung durch Swissmedic (Art. 71c KVV), was im Sinne eines erleichterten Zugangs Patientinnen und Patienten zugutekommen kann. Anderseits dauert es nach der Swissmedic-Zulassung insbesondere bei Orphan Drugs teils Jahre, bis es - wenn überhaupt - zur Aufnahme in die Spezialitätenliste (SL) kommt, zum Teil aufgrund widersprüchlicher Begutachtungen. </p><p>Der Anteil zugelassener Orphan Drugs auf der SL ist deshalb relativ niedrig. Die Zulassungs- und SL-Prozesse sind also nicht effizient aufeinander abgestimmt. Die Ausnahmeregelung der Einzelfallvergütung (Art. 71a-d KVV) hat entsprechend stark zugenommen, was den gleichberechtigten Patientenzugang gefährdet.</p><p>Schweizweit sind circa 580 000 Personen von einer seltenen Krankheit betroffen. Nur für etwa 5 Prozent solcher Erkrankungen gibt es eine zugelassene Therapie. Wenn eine neue Behandlungsmöglichkeit zugelassen wird, sollen Betroffene nicht noch Jahre warten müssen, bis eine Vergütungslösung über die SL gefunden wird. Gleichzeitig muss dies nachhaltig finanzierbar sein. Gesundheitskosten bleiben eine der Hauptsorgen der Bevölkerung. Damit die Vergütung an das Therapieergebnis gekoppelt werden kann (Ergebnisqualität), braucht es (Daten-)Transparenz, d.h. eine bessere Dateninfrastruktur inklusive "Real-World-Data" (RWD).</p>
  • <p>Der Bundesrat begrüsst das Anliegen der Motion grundsätzlich und teilt die Ansicht, dass lebenswichtige Arzneimittel zur Behandlung seltener Erkrankungen möglichst gleichzeitig mit der Zulassung von Swissmedic in die Spezialitätenliste aufgenommen und vergütet werden sollten. Die institutionalisierte Koordination zwischen Swissmedic und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG), die geplante automatische Durchführung eines „Early Dialogues“, die bessere Berücksichtigung von Real-World-Daten und die Berücksichtigung von Wissen und Erfahrung von Experten und Expertinnen, Ärztinnen und Ärzten, Patienten und Patientinnen und Industrie können unterstützen, dieses Ziel zu erreichen.&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>Der Bundesrat lehnt es allerdings ab, dass das BAG die von Swissmedic für die Marktzulassung festgestellte Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität von Orphan Drugs ohne eigene Beurteilung der Wirksamkeit für die Vergütung übernehmen soll. Im Gegensatz zu Swissmedic beurteilt das BAG die Wirksamkeit aus krankenversicherungsrechtlicher Sicht im Vergleich zu bestehenden Therapiemöglichkeiten (therapeutischer Quervergleich) und nimmt dabei eine Gesamtbetrachtung der vorgegebenen Kriterien der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit (WZW-Kriterien) vor. Das BAG kann für die Vergütungsfrage aufgrund der von der Swissmedic-Zulassung abweichenden Beurteilungskriterien zu anderen Entscheiden kommen. Der Orphan Drug-Status und die Zulassung durch Swissmedic erlauben keine Rückschlüsse zur Höhe des Nutzens resp. zum Kosten-Nutzen-Verhältnis oder zur Zweckmässigkeit eines Arzneimittels. Orphan Drugs jeglichen Nutzens – ob gut oder nur sehr gering oder gar mit einem schlechteren Kosten-Nutzen-Verhältnis im Vergleich zu Therapiealternativen – müssten neu ohne Beurteilung des BAG in die Spezialitätenliste aufgenommen werden. Auch wenn es eher selten vorkommt, dass die Wirksamkeit von Orphan Drugs vom BAG abgelehnt wird, ist es aus Sicht des Bundesrates nicht sachgerecht, dass das BAG Arzneimittel ohne eigene Beurteilung der Wirksamkeit als vergütungsrelevant erachten muss. Es gilt zu bedenken, dass unter Berücksichtigung der heutigen Definition für seltene Erkrankungen (5 von 10’000 Personen) bei 9 Mio. Einwohnerinnen und Einwohnern in der Schweiz alle Arzneimittel, die zur Behandlung von bis zu 4500 betroffenen Personen in der Schweiz eingesetzt werden, vom BAG nicht mehr auf die gesetzlich vorgegebenen WZW-Kriterien überprüft werden könnten. Dazu gehören viele Krebsmedikamente, die einen Achtel resp. mehr als CHF 1&nbsp;Milliarde der Arzneimittelkosten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) verursachen. Unter Berücksichtigung der genannten finanziellen Auswirkungen ist eine Beurteilung der Orphan Drugs unter Berücksichtigung der gesetzlich vorgegebenen Kriterien unbedingt erforderlich. Die fehlende Überprüfung durch das BAG würde zu einer Privilegierung von seltenen Krankheiten gegenüber anderen Krankheiten führen, was im Hinblick auf die Rechtsgleichheit problematisch erscheint. Deshalb lehnt der Bundesrat die geforderte Ausnahme der nach dem Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10) vorgesehenen Prüfung der Wirksamkeit durch das BAG ab.</p><p>&nbsp;</p><p>Zu beachten ist auch, dass die in der Motion beantragte gleichzeitige Zulassung und Vergütungslösung bereits im Rahmen der laufenden Revision der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV; SR 832.102) und der Verordnung des EDI über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (KLV; SR 832.112.31) durch geplante Massnahmen, wie der Einführung eines „Early Dialogues“, der Parallelisierung der Prozesse und Datentransparenz zwischen Swissmedic und BAG und Experteneinbezug prozessual erreicht werden könnte.&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>Zusammenfassend kann der Bundesrat die prozessualen Forderungen zur Steigerung der Koordination und Effizienz der Motion nachvollziehen und beabsichtigt, diese Forderungen umzusetzen. Eine Vergütung der teuersten und für die OKP kostenintensivsten Arzneimittel ohne Wirksamkeitsprüfung für die Vergütung ist jedoch nicht akzeptabel, weshalb der Bundestat die Motion ablehnt.</p>
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, bei Orphan Drugs die institutionalisierte Koordination zwischen Swissmedic und dem Bundesamt für Gesundheit effizienter abzustimmen, sodass die Begutachtung der Wirksamkeit übereinstimmt, und dafür zu sorgen, dass gleichzeitig mit einer neuen Zulassung von Swissmedic auch eine Vergütungslösung über die Spezialitätenliste vorliegt. Dabei soll der "Orphan Drug"-Status gemäss Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe adecies des Heilmittelgesetzes automatisch für einen "Early Dialogue" qualifizieren.</p><p>Der Bundesrat soll ebenfalls Massnahmen ergreifen, damit Real-World-Daten besser gewürdigt werden können, um eine qualitätsbasierte Vergütung implementieren und die bei der Zulassung noch fehlenden Langzeitdaten handhaben zu können. </p><p>Dabei greift er auf das Wissen und die Erfahrung von Vertretungen der Wissenschaft, Ärzteschaft, Patientenorganisationen, Versicherern und Industrie zurück.</p><p></p><p>Eine Minderheit der Kommission (Schläpfer, Aeschi Thomas, Amaudruz, Bircher, Glarner, Rüegger) beantragt, die Motion abzulehnen.</p>
  • Zugang zu Orphan Drugs
State
Beratung in Kommission des Ständerates abgeschlossen
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Orphan Drugs sind "wichtige Arzneimittel zur Erkennung, Verhütung oder Behandlung einer lebensbedrohenden oder chronisch invalidisierenden Erkrankung", von der höchstens 5 von 10 000 Personen betroffen sind.</p><p>Einerseits ermöglicht die Vergütung im Einzelfall den Zugang zu lebenswichtigen Arzneimitteln zur Behandlung seltener Erkrankungen zum Teil sogar vor der Marktzulassung durch Swissmedic (Art. 71c KVV), was im Sinne eines erleichterten Zugangs Patientinnen und Patienten zugutekommen kann. Anderseits dauert es nach der Swissmedic-Zulassung insbesondere bei Orphan Drugs teils Jahre, bis es - wenn überhaupt - zur Aufnahme in die Spezialitätenliste (SL) kommt, zum Teil aufgrund widersprüchlicher Begutachtungen. </p><p>Der Anteil zugelassener Orphan Drugs auf der SL ist deshalb relativ niedrig. Die Zulassungs- und SL-Prozesse sind also nicht effizient aufeinander abgestimmt. Die Ausnahmeregelung der Einzelfallvergütung (Art. 71a-d KVV) hat entsprechend stark zugenommen, was den gleichberechtigten Patientenzugang gefährdet.</p><p>Schweizweit sind circa 580 000 Personen von einer seltenen Krankheit betroffen. Nur für etwa 5 Prozent solcher Erkrankungen gibt es eine zugelassene Therapie. Wenn eine neue Behandlungsmöglichkeit zugelassen wird, sollen Betroffene nicht noch Jahre warten müssen, bis eine Vergütungslösung über die SL gefunden wird. Gleichzeitig muss dies nachhaltig finanzierbar sein. Gesundheitskosten bleiben eine der Hauptsorgen der Bevölkerung. Damit die Vergütung an das Therapieergebnis gekoppelt werden kann (Ergebnisqualität), braucht es (Daten-)Transparenz, d.h. eine bessere Dateninfrastruktur inklusive "Real-World-Data" (RWD).</p>
    • <p>Der Bundesrat begrüsst das Anliegen der Motion grundsätzlich und teilt die Ansicht, dass lebenswichtige Arzneimittel zur Behandlung seltener Erkrankungen möglichst gleichzeitig mit der Zulassung von Swissmedic in die Spezialitätenliste aufgenommen und vergütet werden sollten. Die institutionalisierte Koordination zwischen Swissmedic und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG), die geplante automatische Durchführung eines „Early Dialogues“, die bessere Berücksichtigung von Real-World-Daten und die Berücksichtigung von Wissen und Erfahrung von Experten und Expertinnen, Ärztinnen und Ärzten, Patienten und Patientinnen und Industrie können unterstützen, dieses Ziel zu erreichen.&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>Der Bundesrat lehnt es allerdings ab, dass das BAG die von Swissmedic für die Marktzulassung festgestellte Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität von Orphan Drugs ohne eigene Beurteilung der Wirksamkeit für die Vergütung übernehmen soll. Im Gegensatz zu Swissmedic beurteilt das BAG die Wirksamkeit aus krankenversicherungsrechtlicher Sicht im Vergleich zu bestehenden Therapiemöglichkeiten (therapeutischer Quervergleich) und nimmt dabei eine Gesamtbetrachtung der vorgegebenen Kriterien der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit (WZW-Kriterien) vor. Das BAG kann für die Vergütungsfrage aufgrund der von der Swissmedic-Zulassung abweichenden Beurteilungskriterien zu anderen Entscheiden kommen. Der Orphan Drug-Status und die Zulassung durch Swissmedic erlauben keine Rückschlüsse zur Höhe des Nutzens resp. zum Kosten-Nutzen-Verhältnis oder zur Zweckmässigkeit eines Arzneimittels. Orphan Drugs jeglichen Nutzens – ob gut oder nur sehr gering oder gar mit einem schlechteren Kosten-Nutzen-Verhältnis im Vergleich zu Therapiealternativen – müssten neu ohne Beurteilung des BAG in die Spezialitätenliste aufgenommen werden. Auch wenn es eher selten vorkommt, dass die Wirksamkeit von Orphan Drugs vom BAG abgelehnt wird, ist es aus Sicht des Bundesrates nicht sachgerecht, dass das BAG Arzneimittel ohne eigene Beurteilung der Wirksamkeit als vergütungsrelevant erachten muss. Es gilt zu bedenken, dass unter Berücksichtigung der heutigen Definition für seltene Erkrankungen (5 von 10’000 Personen) bei 9 Mio. Einwohnerinnen und Einwohnern in der Schweiz alle Arzneimittel, die zur Behandlung von bis zu 4500 betroffenen Personen in der Schweiz eingesetzt werden, vom BAG nicht mehr auf die gesetzlich vorgegebenen WZW-Kriterien überprüft werden könnten. Dazu gehören viele Krebsmedikamente, die einen Achtel resp. mehr als CHF 1&nbsp;Milliarde der Arzneimittelkosten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) verursachen. Unter Berücksichtigung der genannten finanziellen Auswirkungen ist eine Beurteilung der Orphan Drugs unter Berücksichtigung der gesetzlich vorgegebenen Kriterien unbedingt erforderlich. Die fehlende Überprüfung durch das BAG würde zu einer Privilegierung von seltenen Krankheiten gegenüber anderen Krankheiten führen, was im Hinblick auf die Rechtsgleichheit problematisch erscheint. Deshalb lehnt der Bundesrat die geforderte Ausnahme der nach dem Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10) vorgesehenen Prüfung der Wirksamkeit durch das BAG ab.</p><p>&nbsp;</p><p>Zu beachten ist auch, dass die in der Motion beantragte gleichzeitige Zulassung und Vergütungslösung bereits im Rahmen der laufenden Revision der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV; SR 832.102) und der Verordnung des EDI über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (KLV; SR 832.112.31) durch geplante Massnahmen, wie der Einführung eines „Early Dialogues“, der Parallelisierung der Prozesse und Datentransparenz zwischen Swissmedic und BAG und Experteneinbezug prozessual erreicht werden könnte.&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>Zusammenfassend kann der Bundesrat die prozessualen Forderungen zur Steigerung der Koordination und Effizienz der Motion nachvollziehen und beabsichtigt, diese Forderungen umzusetzen. Eine Vergütung der teuersten und für die OKP kostenintensivsten Arzneimittel ohne Wirksamkeitsprüfung für die Vergütung ist jedoch nicht akzeptabel, weshalb der Bundestat die Motion ablehnt.</p>
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, bei Orphan Drugs die institutionalisierte Koordination zwischen Swissmedic und dem Bundesamt für Gesundheit effizienter abzustimmen, sodass die Begutachtung der Wirksamkeit übereinstimmt, und dafür zu sorgen, dass gleichzeitig mit einer neuen Zulassung von Swissmedic auch eine Vergütungslösung über die Spezialitätenliste vorliegt. Dabei soll der "Orphan Drug"-Status gemäss Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe adecies des Heilmittelgesetzes automatisch für einen "Early Dialogue" qualifizieren.</p><p>Der Bundesrat soll ebenfalls Massnahmen ergreifen, damit Real-World-Daten besser gewürdigt werden können, um eine qualitätsbasierte Vergütung implementieren und die bei der Zulassung noch fehlenden Langzeitdaten handhaben zu können. </p><p>Dabei greift er auf das Wissen und die Erfahrung von Vertretungen der Wissenschaft, Ärzteschaft, Patientenorganisationen, Versicherern und Industrie zurück.</p><p></p><p>Eine Minderheit der Kommission (Schläpfer, Aeschi Thomas, Amaudruz, Bircher, Glarner, Rüegger) beantragt, die Motion abzulehnen.</p>
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