Stärkung der koordinierten Versorgung durch Mehrjahresverträge im KVG

ShortId
23.3504
Id
20233504
Updated
26.03.2024 21:59
Language
de
Title
Stärkung der koordinierten Versorgung durch Mehrjahresverträge im KVG
AdditionalIndexing
2841
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Krankenversicherer bieten erfolgreich alternative Versicherungsmodelle (AVM) an, bei denen die Versicherten ihr Wahlrecht im Einvernehmen mit dem Versicherer auf Leistungserbringer beschränken können, die der Versicherer im Hinblick auf eine kostengünstigere Versorgung auswählt (Artikel 41 Absatz 4 KVG). Die Versicherer können die Prämien für Versicherungen mit eingeschränkter Wahl des Leistungserbringers nach Artikel 41 Absatz 4 vermindern. </p><p>Das Vertrauen in AVM ist gross; das beweisen drei Viertel aller Versicherten, die sich für ein solches Modell entschieden haben. Die AVM können zusätzlich durch eine freiwillige längerfristige Bindung der Versicherten an die eingeschränkte Wahl des Leistungserbringers gefördert werden. Das KVG soll daher dahingehend angepasst werden, dass freiwillige Mehrjahresverträge ermöglicht werden. Damit können prospektiv Kollektive mit mehrjähriger Vertragsdauer gebildet werden. Für die Versicherer und ihre Versicherten soll die Möglichkeit geschaffen werden, sich über eine längere Vertragsdauer zu binden, damit zum Beispiel in Präventionsmassnahmen investiert wird, und die Versicherten möglichst lange gesund bleiben oder bei chronischer Krankheit qualitativ hochstehend und möglichst kostengünstig versorgt werden. Dabei ist zu evaluieren, gestützt auf welche Kriterien eine vorzeitige Kündigung durch die Versicherten möglich sein soll (z.B. bei übermässiger Prämienerhöhung).</p>
  • <p>Die obligatorische Krankenpflegeversicherung beruht weitgehend auf dem Prinzip der Jährlichkeit. Nach dem Grundsatz der Bedarfsdeckung müssen die Prämieneinnahmen eines Jahres alle Ausgaben für die Durchführung der Krankenversicherung desselben Jahres decken. Die Versicherten können den Versicherer jedes Jahr wechseln, bei der ordentlichen Versicherung sogar halbjährlich. Sie können auch jedes Jahr das Versicherungsmodell und die Franchise wechseln. Um die freiwilligen Mehrjahresverträge attraktiv zu halten, müssten die Versicherer bedeutende Ermässigungen gewähren. Diese sind jedoch nur zulässig für Kostenunterschiede, die auf die eingeschränkte Wahl der Leistungserbringer zurückzuführen sind (Art.&nbsp;101 Abs.&nbsp;2 Verordnung über die Krankenversicherung; KVV, SR 832.102).&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>Rund die Hälfte der Versicherten verursacht keine Kosten. Diese Versicherten wären wahrscheinlich am Abschluss eines Mehrjahresvertrags interessiert. Es wäre jedoch nicht möglich, damit Einsparungen zu erzielen. Ein Rabatt für Mehrjahresverträge, der höher wäre als derjenige für Jahresverträge, würde folglich nicht mehr effektiven Einsparungen entsprechen. Der Bundesrat befürchtet daher, dass das vorgeschlagene System nicht zu einer Kostensenkung, sondern lediglich zu einem Rückgang der Prämieneinnahmen führen würde, der von den anderen Versicherten ausgeglichen werden müsste.</p><p>&nbsp;</p><p>Zudem weist der Bundesrat darauf hin, dass die Prämien nur für ein Jahr genehmigt werden und dass der Versicherer die Versicherungsbedingungen einseitig ändern kann. Er erachtet es daher als notwendig, den Versicherten die Möglichkeit zu gewährleisten, den Versicherer unter Beibehaltung des Versicherungsmodells zu wechseln. Angesichts des grossen Spielraums, den die Versicherer bei der Ausgestaltung der einzelnen Versicherungsformen haben, ist es jedoch nicht sicher, dass ein anderer Versicherer ein vergleichbares Versicherungsmodell anbietet.&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>Gemäss dem Wortlaut der Motion müssten die Mehrjahresverträge freiwillig sein. Daneben könnten die Versicherer demnach weiterhin Jahresverträge mit eingeschränkter Wahl der Leistungserbringer anbieten. Die Zahl der Versicherungsformen, die den Versicherten zur Verfügung stehen, würde dadurch zu- und jedes einzelne Kollektiv entsprechend abnehmen. Für die Versicherer ist es jedoch schwierig, verlässliche Prämien für kleine Bestände festzulegen, die somit ein hohes Risiko unerwünschter Prämienschwankungen bergen. Ausserdem kann jede versicherte Person bereits heute aus rund 150 verschiedenen Modellen eine auf ihre Situation und ihre Franchise zugeschnittene Variante auswählen. Noch mehr Versicherungsmodelle würden das System für die Versicherten verkomplizieren und den Verwaltungsaufwand für die Versicherer und die Aufsichtsbehörde erhöhen.</p><p>&nbsp;</p><p>Schliesslich weist der Bundesrat darauf hin, dass das Konzept der Mehrjahresverträge bereits dreimal abgelehnt wurde, einmal in einer Volksabstimmung (Krankenversicherungsgesetz. Teilrevision. Managed&nbsp;Care, BBl 2004 5625) und zweimal vom Parlament (KVG. Massnahmen zur Eindämmung der Kostenentwicklung, BBl 2009 5817; parlamentarische Initiative 15.468 Borer&nbsp;"Stärkung der Selbstverantwortung im KVG"). Im Privatversicherungsbereich hat der Gesetzgeber die entgegengesetzte Richtung eingeschlagen: Bis zum 31. Dezember 2021 konnten die Versicherungsunternehmen in ihren Versicherungsbedingungen die Laufzeit der Verträge und die Kündigungsfrist frei festlegen. Seit dem 1. Januar 2022 kann der Versicherungsnehmer oder die Versicherungsnehmerin den Vertrag auf das Ende des dritten Jahres unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten kündigen (Art.&nbsp;35<i>a</i> Abs.&nbsp;1 Versicherungsvertragsgesetz; VVG, SR 221.229.1).</p>
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, das Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) und die Verordnung über die Krankenversicherung (KVV) dahingehend anzupassen, dass freiwillige Mehrjahresverträge zwischen Krankenversicherern und Versicherten ermöglicht werden.</p>
  • Stärkung der koordinierten Versorgung durch Mehrjahresverträge im KVG
State
In Kommission des Ständerats
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Krankenversicherer bieten erfolgreich alternative Versicherungsmodelle (AVM) an, bei denen die Versicherten ihr Wahlrecht im Einvernehmen mit dem Versicherer auf Leistungserbringer beschränken können, die der Versicherer im Hinblick auf eine kostengünstigere Versorgung auswählt (Artikel 41 Absatz 4 KVG). Die Versicherer können die Prämien für Versicherungen mit eingeschränkter Wahl des Leistungserbringers nach Artikel 41 Absatz 4 vermindern. </p><p>Das Vertrauen in AVM ist gross; das beweisen drei Viertel aller Versicherten, die sich für ein solches Modell entschieden haben. Die AVM können zusätzlich durch eine freiwillige längerfristige Bindung der Versicherten an die eingeschränkte Wahl des Leistungserbringers gefördert werden. Das KVG soll daher dahingehend angepasst werden, dass freiwillige Mehrjahresverträge ermöglicht werden. Damit können prospektiv Kollektive mit mehrjähriger Vertragsdauer gebildet werden. Für die Versicherer und ihre Versicherten soll die Möglichkeit geschaffen werden, sich über eine längere Vertragsdauer zu binden, damit zum Beispiel in Präventionsmassnahmen investiert wird, und die Versicherten möglichst lange gesund bleiben oder bei chronischer Krankheit qualitativ hochstehend und möglichst kostengünstig versorgt werden. Dabei ist zu evaluieren, gestützt auf welche Kriterien eine vorzeitige Kündigung durch die Versicherten möglich sein soll (z.B. bei übermässiger Prämienerhöhung).</p>
    • <p>Die obligatorische Krankenpflegeversicherung beruht weitgehend auf dem Prinzip der Jährlichkeit. Nach dem Grundsatz der Bedarfsdeckung müssen die Prämieneinnahmen eines Jahres alle Ausgaben für die Durchführung der Krankenversicherung desselben Jahres decken. Die Versicherten können den Versicherer jedes Jahr wechseln, bei der ordentlichen Versicherung sogar halbjährlich. Sie können auch jedes Jahr das Versicherungsmodell und die Franchise wechseln. Um die freiwilligen Mehrjahresverträge attraktiv zu halten, müssten die Versicherer bedeutende Ermässigungen gewähren. Diese sind jedoch nur zulässig für Kostenunterschiede, die auf die eingeschränkte Wahl der Leistungserbringer zurückzuführen sind (Art.&nbsp;101 Abs.&nbsp;2 Verordnung über die Krankenversicherung; KVV, SR 832.102).&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>Rund die Hälfte der Versicherten verursacht keine Kosten. Diese Versicherten wären wahrscheinlich am Abschluss eines Mehrjahresvertrags interessiert. Es wäre jedoch nicht möglich, damit Einsparungen zu erzielen. Ein Rabatt für Mehrjahresverträge, der höher wäre als derjenige für Jahresverträge, würde folglich nicht mehr effektiven Einsparungen entsprechen. Der Bundesrat befürchtet daher, dass das vorgeschlagene System nicht zu einer Kostensenkung, sondern lediglich zu einem Rückgang der Prämieneinnahmen führen würde, der von den anderen Versicherten ausgeglichen werden müsste.</p><p>&nbsp;</p><p>Zudem weist der Bundesrat darauf hin, dass die Prämien nur für ein Jahr genehmigt werden und dass der Versicherer die Versicherungsbedingungen einseitig ändern kann. Er erachtet es daher als notwendig, den Versicherten die Möglichkeit zu gewährleisten, den Versicherer unter Beibehaltung des Versicherungsmodells zu wechseln. Angesichts des grossen Spielraums, den die Versicherer bei der Ausgestaltung der einzelnen Versicherungsformen haben, ist es jedoch nicht sicher, dass ein anderer Versicherer ein vergleichbares Versicherungsmodell anbietet.&nbsp;</p><p>&nbsp;</p><p>Gemäss dem Wortlaut der Motion müssten die Mehrjahresverträge freiwillig sein. Daneben könnten die Versicherer demnach weiterhin Jahresverträge mit eingeschränkter Wahl der Leistungserbringer anbieten. Die Zahl der Versicherungsformen, die den Versicherten zur Verfügung stehen, würde dadurch zu- und jedes einzelne Kollektiv entsprechend abnehmen. Für die Versicherer ist es jedoch schwierig, verlässliche Prämien für kleine Bestände festzulegen, die somit ein hohes Risiko unerwünschter Prämienschwankungen bergen. Ausserdem kann jede versicherte Person bereits heute aus rund 150 verschiedenen Modellen eine auf ihre Situation und ihre Franchise zugeschnittene Variante auswählen. Noch mehr Versicherungsmodelle würden das System für die Versicherten verkomplizieren und den Verwaltungsaufwand für die Versicherer und die Aufsichtsbehörde erhöhen.</p><p>&nbsp;</p><p>Schliesslich weist der Bundesrat darauf hin, dass das Konzept der Mehrjahresverträge bereits dreimal abgelehnt wurde, einmal in einer Volksabstimmung (Krankenversicherungsgesetz. Teilrevision. Managed&nbsp;Care, BBl 2004 5625) und zweimal vom Parlament (KVG. Massnahmen zur Eindämmung der Kostenentwicklung, BBl 2009 5817; parlamentarische Initiative 15.468 Borer&nbsp;"Stärkung der Selbstverantwortung im KVG"). Im Privatversicherungsbereich hat der Gesetzgeber die entgegengesetzte Richtung eingeschlagen: Bis zum 31. Dezember 2021 konnten die Versicherungsunternehmen in ihren Versicherungsbedingungen die Laufzeit der Verträge und die Kündigungsfrist frei festlegen. Seit dem 1. Januar 2022 kann der Versicherungsnehmer oder die Versicherungsnehmerin den Vertrag auf das Ende des dritten Jahres unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten kündigen (Art.&nbsp;35<i>a</i> Abs.&nbsp;1 Versicherungsvertragsgesetz; VVG, SR 221.229.1).</p>
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, das Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) und die Verordnung über die Krankenversicherung (KVV) dahingehend anzupassen, dass freiwillige Mehrjahresverträge zwischen Krankenversicherern und Versicherten ermöglicht werden.</p>
    • Stärkung der koordinierten Versorgung durch Mehrjahresverträge im KVG

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