Rechtliche Grundlagen für digitale ÖV-Tickets auf der Grundlage eines personalisierten Tarifsystems

ShortId
23.3535
Id
20233535
Updated
26.03.2024 21:45
Language
de
Title
Rechtliche Grundlagen für digitale ÖV-Tickets auf der Grundlage eines personalisierten Tarifsystems
AdditionalIndexing
48;15;34
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>1. Im Rahmen des Berichts des Bundesrates zum Postulat Reynard (19.4199 - Für einen erschwinglichen und gut eingespielten öffentlichen Verkehr) sowie des Berichts der EFK vom 28.02.2023 (PA 22747) betreffend Prüfung des Projektes GITA hat der Bundesrat Kenntnis vom Projekt "myRide" erhalten. Das Bundesamt für Verkehr (BAV) ist in die Projektorganisation eingebunden. Mit dem Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) steht die Alliance SwissPass in Kontakt bezüglich Einführung von automatisiertem und anonymisierten Ticketing.</p><p>2. / 6. Die Einführung des E-Tarifes verbunden mit einem ausschliesslich digitalen Zahlungsmittel ist langfristig angedacht (2035). Wie sich in den letzten Jahren insbesondere auch mit den Erfahrungen während der Corona-Pandemie zeigte, nimmt der Ticketkauf mittels digitalen Zahlungsmitteln gegenüber Barzahlungen laufend zu. Dies gilt grundsätzlich für alle Bevölkerungsschichten. So äusserte beispielsweise Pro Senectute Schweiz Ende 2022 keine Bedenken zur Einführung von digitalen Zahlungsmitteln. Bereits heute fänden sich die meisten älteren Leute gut in der digitalen Welt zurecht. Der grösste Teil der Rentnerinnen und Rentner in der Schweiz seien heute mit Handy oder Smartphone unterwegs. Bis in zwölf Jahren würde sich der Anteil weiter erhöhen. Im Rahmen von myRide werden jedoch auch Lösungen für Personen gesucht, welche keinen Zugang zu einem digitalen Ticketingsystem haben. Artikel 12 PBG wird daher nicht verletzt.</p><p>3. Die Preisbildung und somit die Preisberechnung sind in der Kompetenz der Transportunternehmen: Sie haben für ihre Leistungen Tarife aufzustellen. Der Tarif nennt die Voraussetzungen, unter welchen ein bestimmter Preis für die Beförderung und für die damit zusammenhängenden Leistungen zur Anwendung kommt. Dabei haben sich die Tarife nach dem Umfang und der Qualität der Leistung und nach den Kosten des Angebots auszurichten (Art. 15 PBG). Weitere Präzisierungen werden vom Gesetz nicht vorgegeben. Die gesetzlichen Grundlagen schliessen weder die Preisberechnungen auf der Grundlage des individuellen Konsums der Vergangenheit aus, noch fordern sie eine solche ein. Die Transportunternehmen sind daher bei der Ausgestaltung der Tarife relativ frei. Sie müssen jedoch für Kundinnen und Kunden in vergleichbarer Lage vergleichbare Bedingungen vorsehen (Art. 15 Abs. 3 PBG). Sollte sich bei den Vertiefungsarbeiten von myRide zeigen, dass die heutige Gesetzesgrundlage nicht genügt, um den von der Branche angedachten E-Tarif einzuführen, wird der Bundesrat im Rahmen der Umsetzung des Berichtes zum Postulat Reynard die Sachlage prüfen und entscheiden, ob er eine entsprechende Vernehmlassungsvorlage erarbeiten lassen will.</p><p>4a. Die Ausgestaltung des E-Tarifes ist erst in Erarbeitung. Erste Erkenntnisse werden nach der Auswertung aus dem seit April 2023 in der Region Zürich laufenden Piloten vorliegen und in Arbeitsgruppen von MyRide diskutiert werden. Da das BAV auf verschiedenen Stufen der Projektorganisation einbezogen ist, kann der Bund bereits bei der Entstehungsphase des E-Tarif so Einfluss nehmen, dass die Umsetzung des E-Tarifes Art. 15 Abs. 3 PBG einhalten wird.</p><p>4b. Der E-Tarif bildet die Tarifbeschlüsse ab, so bezüglich Sortimenten, Alterskategorien, Velo-Tarifen etc. Diese Tarifbestimmungen werden wie heute öffentlich zugänglich publiziert werden.</p><p>5. Die Preisbekanntgabeverordnung (PBV; SR 942.211) findet nicht Anwendung auf die Ticketpreise für die Personenbeförderung mit dem öffentlichen Verkehr. Art. 15 PBG ist als Spezialgesetz massgebend. Da auch die E-Tarife veröffentlicht werden müssen (Art. 15 Abs. 3 PBG), wird gewährleistet, dass die Preise für jedes angedachte Verkehrsverhalten im Voraus berechnet und verglichen werden können.</p><p>7. Die Alliance SwissPass wird diese Fragen in Zusammenarbeit mit dem EDÖB klären.</p> Antwort des Bundesrates.
  • <p>Alliance SwissPass führt im Moment im Rahmen des Projekts "myRIDE" Tests an einem neuen Tarifsystem durch und prüft so einen digitalen Tarif, der sich an einer "schwankenden Nutzungsintensität" der Reisenden anpassen soll und nachträglich berechnet wird. Dies bedeutet, dass die Kosten der Tickets vom jeweiligen individuellen Konsum der Vergangenheit abhängen. Damit dies geschehen kann, müssen die Fahrten von einem Smartphone aufgezeichnet und digital gespeichert und verarbeitet werden. Ebenso sind analoge Zahlungsoptionen nicht mehr möglich.</p><p>Der neue digitale Tarif lässt Fragen bezüglich Transport- und Tarifpflicht, Preisbekanntgabe, freie Wahl der Zahlungsmittel und Datenschutz aufkommen. </p><p>Fragen an den Bundesrat:</p><p>1. Hat der Bundesrat Kenntnis über das Projekt "myRide" der Alliance SwissPass? Falls ja, welche Bundesstellen wurden bisher kontaktiert?</p><p>2. Viele Menschen haben weder die technischen noch die finanziellen Mittel (Kreditkarte, Sozialhilfebezüger), die ein E-Tarif voraussetzt, oder aber, sie haben spezifische Bedürfnisse: Wird für den Bundesrat durch den E-Tarif der Zugang zu Öffentlichen Verkehr erschwert und dadurch der Transportpflicht nach Artikel 12 PBG nicht nachgekommen? </p><p>3. Besteht eine gesetzliche Grundlage für Preisberechnungen auf der Grundlage des individuellen Konsums der Vergangenheit? Falls nicht: Plant der Bund eine Anpassung der gesetzlichen Grundlagen?</p><p>4. Falls die Ticketpreise auf Grundlage individuellen Verhaltens berechnet werden (E-Tarif),</p><p>a. wie möchte der Bundesrat sicherstellen, dass "Kundinnen und Kunden in vergleichbarer Lage vergleichbare Bedingungen" vorfinden und "die Wahl zwischen verschiedenen Angeboten nicht unverhältnismässig beeinträchtigt" wird (Art. 15, Abs. 3 BPG)? </p><p>b. wie kann der Bundesrat sicherstellen, dass die Tarife "gegenüber allen gleich angewendet" bzw. auch "veröffentlicht" werden (Art. 15. Abs. 5 PBG)?</p><p>5. Inwiefern wird der Zweck der Preisbekanntgabe-Verordnung (Vergleichbare Preise) für den Bundesrat nicht eingehalten, sofern die Ticketpreise auf Grundlage eines individuellen Tarifes erst im Nachhinein abgerechnet werden (Post-Pricing)? </p><p>6. Schränkt für den Bundesrat ein E-Tarif die freie Wahl der Zahlungsmittel ein?</p><p>7. Im neuen E-Tarif werden alle Reisedaten digital aufgezeichnet ("Tracking"). Sieht der Bundesrat beim vorliegenden Projekt Probleme in der Einhaltung des Datenschutzes? </p>
  • Rechtliche Grundlagen für digitale ÖV-Tickets auf der Grundlage eines personalisierten Tarifsystems
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>1. Im Rahmen des Berichts des Bundesrates zum Postulat Reynard (19.4199 - Für einen erschwinglichen und gut eingespielten öffentlichen Verkehr) sowie des Berichts der EFK vom 28.02.2023 (PA 22747) betreffend Prüfung des Projektes GITA hat der Bundesrat Kenntnis vom Projekt "myRide" erhalten. Das Bundesamt für Verkehr (BAV) ist in die Projektorganisation eingebunden. Mit dem Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) steht die Alliance SwissPass in Kontakt bezüglich Einführung von automatisiertem und anonymisierten Ticketing.</p><p>2. / 6. Die Einführung des E-Tarifes verbunden mit einem ausschliesslich digitalen Zahlungsmittel ist langfristig angedacht (2035). Wie sich in den letzten Jahren insbesondere auch mit den Erfahrungen während der Corona-Pandemie zeigte, nimmt der Ticketkauf mittels digitalen Zahlungsmitteln gegenüber Barzahlungen laufend zu. Dies gilt grundsätzlich für alle Bevölkerungsschichten. So äusserte beispielsweise Pro Senectute Schweiz Ende 2022 keine Bedenken zur Einführung von digitalen Zahlungsmitteln. Bereits heute fänden sich die meisten älteren Leute gut in der digitalen Welt zurecht. Der grösste Teil der Rentnerinnen und Rentner in der Schweiz seien heute mit Handy oder Smartphone unterwegs. Bis in zwölf Jahren würde sich der Anteil weiter erhöhen. Im Rahmen von myRide werden jedoch auch Lösungen für Personen gesucht, welche keinen Zugang zu einem digitalen Ticketingsystem haben. Artikel 12 PBG wird daher nicht verletzt.</p><p>3. Die Preisbildung und somit die Preisberechnung sind in der Kompetenz der Transportunternehmen: Sie haben für ihre Leistungen Tarife aufzustellen. Der Tarif nennt die Voraussetzungen, unter welchen ein bestimmter Preis für die Beförderung und für die damit zusammenhängenden Leistungen zur Anwendung kommt. Dabei haben sich die Tarife nach dem Umfang und der Qualität der Leistung und nach den Kosten des Angebots auszurichten (Art. 15 PBG). Weitere Präzisierungen werden vom Gesetz nicht vorgegeben. Die gesetzlichen Grundlagen schliessen weder die Preisberechnungen auf der Grundlage des individuellen Konsums der Vergangenheit aus, noch fordern sie eine solche ein. Die Transportunternehmen sind daher bei der Ausgestaltung der Tarife relativ frei. Sie müssen jedoch für Kundinnen und Kunden in vergleichbarer Lage vergleichbare Bedingungen vorsehen (Art. 15 Abs. 3 PBG). Sollte sich bei den Vertiefungsarbeiten von myRide zeigen, dass die heutige Gesetzesgrundlage nicht genügt, um den von der Branche angedachten E-Tarif einzuführen, wird der Bundesrat im Rahmen der Umsetzung des Berichtes zum Postulat Reynard die Sachlage prüfen und entscheiden, ob er eine entsprechende Vernehmlassungsvorlage erarbeiten lassen will.</p><p>4a. Die Ausgestaltung des E-Tarifes ist erst in Erarbeitung. Erste Erkenntnisse werden nach der Auswertung aus dem seit April 2023 in der Region Zürich laufenden Piloten vorliegen und in Arbeitsgruppen von MyRide diskutiert werden. Da das BAV auf verschiedenen Stufen der Projektorganisation einbezogen ist, kann der Bund bereits bei der Entstehungsphase des E-Tarif so Einfluss nehmen, dass die Umsetzung des E-Tarifes Art. 15 Abs. 3 PBG einhalten wird.</p><p>4b. Der E-Tarif bildet die Tarifbeschlüsse ab, so bezüglich Sortimenten, Alterskategorien, Velo-Tarifen etc. Diese Tarifbestimmungen werden wie heute öffentlich zugänglich publiziert werden.</p><p>5. Die Preisbekanntgabeverordnung (PBV; SR 942.211) findet nicht Anwendung auf die Ticketpreise für die Personenbeförderung mit dem öffentlichen Verkehr. Art. 15 PBG ist als Spezialgesetz massgebend. Da auch die E-Tarife veröffentlicht werden müssen (Art. 15 Abs. 3 PBG), wird gewährleistet, dass die Preise für jedes angedachte Verkehrsverhalten im Voraus berechnet und verglichen werden können.</p><p>7. Die Alliance SwissPass wird diese Fragen in Zusammenarbeit mit dem EDÖB klären.</p> Antwort des Bundesrates.
    • <p>Alliance SwissPass führt im Moment im Rahmen des Projekts "myRIDE" Tests an einem neuen Tarifsystem durch und prüft so einen digitalen Tarif, der sich an einer "schwankenden Nutzungsintensität" der Reisenden anpassen soll und nachträglich berechnet wird. Dies bedeutet, dass die Kosten der Tickets vom jeweiligen individuellen Konsum der Vergangenheit abhängen. Damit dies geschehen kann, müssen die Fahrten von einem Smartphone aufgezeichnet und digital gespeichert und verarbeitet werden. Ebenso sind analoge Zahlungsoptionen nicht mehr möglich.</p><p>Der neue digitale Tarif lässt Fragen bezüglich Transport- und Tarifpflicht, Preisbekanntgabe, freie Wahl der Zahlungsmittel und Datenschutz aufkommen. </p><p>Fragen an den Bundesrat:</p><p>1. Hat der Bundesrat Kenntnis über das Projekt "myRide" der Alliance SwissPass? Falls ja, welche Bundesstellen wurden bisher kontaktiert?</p><p>2. Viele Menschen haben weder die technischen noch die finanziellen Mittel (Kreditkarte, Sozialhilfebezüger), die ein E-Tarif voraussetzt, oder aber, sie haben spezifische Bedürfnisse: Wird für den Bundesrat durch den E-Tarif der Zugang zu Öffentlichen Verkehr erschwert und dadurch der Transportpflicht nach Artikel 12 PBG nicht nachgekommen? </p><p>3. Besteht eine gesetzliche Grundlage für Preisberechnungen auf der Grundlage des individuellen Konsums der Vergangenheit? Falls nicht: Plant der Bund eine Anpassung der gesetzlichen Grundlagen?</p><p>4. Falls die Ticketpreise auf Grundlage individuellen Verhaltens berechnet werden (E-Tarif),</p><p>a. wie möchte der Bundesrat sicherstellen, dass "Kundinnen und Kunden in vergleichbarer Lage vergleichbare Bedingungen" vorfinden und "die Wahl zwischen verschiedenen Angeboten nicht unverhältnismässig beeinträchtigt" wird (Art. 15, Abs. 3 BPG)? </p><p>b. wie kann der Bundesrat sicherstellen, dass die Tarife "gegenüber allen gleich angewendet" bzw. auch "veröffentlicht" werden (Art. 15. Abs. 5 PBG)?</p><p>5. Inwiefern wird der Zweck der Preisbekanntgabe-Verordnung (Vergleichbare Preise) für den Bundesrat nicht eingehalten, sofern die Ticketpreise auf Grundlage eines individuellen Tarifes erst im Nachhinein abgerechnet werden (Post-Pricing)? </p><p>6. Schränkt für den Bundesrat ein E-Tarif die freie Wahl der Zahlungsmittel ein?</p><p>7. Im neuen E-Tarif werden alle Reisedaten digital aufgezeichnet ("Tracking"). Sieht der Bundesrat beim vorliegenden Projekt Probleme in der Einhaltung des Datenschutzes? </p>
    • Rechtliche Grundlagen für digitale ÖV-Tickets auf der Grundlage eines personalisierten Tarifsystems

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