Aufsicht über die Verwaltung der SNB. Einhaltung der Bundesverfassung

ShortId
23.3561
Id
20233561
Updated
26.03.2024 21:05
Language
de
Title
Aufsicht über die Verwaltung der SNB. Einhaltung der Bundesverfassung
AdditionalIndexing
24;04
1
PriorityCouncil1
Nationalrat
Texts
  • <p>Gemäss Artikel 99 Absatz 2 der Bundesverfassung "wird die Schweizerische Nationalbank unter Mitwirkung und Aufsicht des Bundes verwaltet". Diese Bestimmung betrifft nicht die Aufsicht über die Geld- und Währungspolitik, sondern die Aufsicht über die Verwaltung der SNB. </p><p>Diese Aufsicht des Bundes könnte von der FINMA, vom Bundesrat in Zusammenarbeit mit der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) ausgeübt werden. Die Oberaufsicht könnte vom Parlament und seinen Kommissionen in Verbindung mit der EFK ausgeübt werden. Aber keine dieser Aufsichtsgremien setzt heute die Aufsichtspflicht des Bundes gemäss Verfassung um. </p><p>Die Schweizerische Nationalbank betreibt oder lässt Infrastrukturen betreiben, die für den Schweizer Finanzplatz äusserst kritisch sind, insbesondere das Swiss Interbank Clearing (SIC). Diese Infrastrukturen entziehen sich vollständig der Aufsicht des Bundes und der FINMA. Artikel 4 Absatz 3 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes sieht nämlich vor, dass "Finanzmarktinfrastrukturen, die durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) oder in ihrem Auftrag betrieben werden, im Umfang dieser Tätigkeit von der Bewilligung und der Aufsicht durch die FINMA ausgenommen sind". Diese Bestimmung hindert den Bund daran, zu überprüfen, ob die SNB diese Risiken unter Kontrolle hat.</p><p>Der Bundesrat, der sehr darauf bedacht ist, die Unabhängigkeit der Geldpolitik zu respektieren, reduziert seinerseits die Ausübung seiner Aufsicht auf die gesetzlichen Aufgaben: Ernennung von sechs der elf Mitglieder des Bankrats, vorherige Genehmigung der Jahresrechnung und Diskussion des Jahresberichts mit der SNB.</p><p>Bei der Oberaufsicht durch das Parlament sieht es noch schlimmer aus. Sie wird durch die Kombination von zwei gesetzlichen Bestimmungen blockiert. Artikel 26 des Parlamentsgesetzes legt fest, dass der Umfang der Oberaufsicht über den Finanzhaushalt gemäss dem Finanzkontrollgesetz festgelegt wird. Artikel 19 des Finanzkontrollgesetzes schliesst die SNB jedoch ausdrücklich von dem Aufsichtsbereich aus. </p><p>Die "Aufsicht" über die Verwaltung der Nationalbank beschränkt sich daher heute auf die Ernennung eines Teils des Bankrates und die Vorlage und eine Diskussion des Jahresberichts. Der Bund kommt seinem verfassungsmässigen Auftrag, die Verwaltung der SNB zu beaufsichtigen, leider nicht nach.</p>
  • <p>Die Schweizerische Nationalbank (SNB) erfüllt eine öffentliche Aufgabe, deshalb wird sie gemäss Verfassung unter Mitwirkung und Aufsicht des Bundes verwaltet (Art. 99 Abs. 2 der Bundesverfassung, BV; SR 101). Die SNB treffen gegenüber dem Bundesrat und der Bundesversammlung mehrere Rechenschafts- und Informationspflichten (Art. 7 NBG). Der Bundesrat übt die Mitwirkung und Aufsicht bei der Verwaltung in Form verschiedener Ernennungs- und Genehmigungsbefugnisse aus. Die Aufsicht und Kontrolle über die Geschäftsführung der SNB obliegt dem Bankrat (Art. 42 des Nationalbankgesetzes; NBG, SR&nbsp;951.11); die nähere Ausgestaltung dieser Aufgaben wird im Organisationsreglement der SNB festgehalten (Art. 10 Organisationsreglement der SNB; SR 951.153), welches dem Bundesrat zur Genehmigung zu unterbreiten ist (Art. 42 Abs. 2 Bst. a NBG). In seinem Bericht zur Geldpolitik vom 21. Dezember 2016 hat der Bundesrat diese Aufgabenteilung bestätigt (vgl. dazu auch Gutachten von Prof. Dr. jur. Paul Richli vom 15. Februar 2012).</p><p>Die Bundesverfassung sieht vor, dass die SNB eine Geld- und Währungspolitik führt, die dem Gesamtinteresse des Landes dient, und sichert ihr dabei ausdrücklich Unabhängigkeit zu (Art. 99 Abs. 2 BV). Die SNB hat unter anderem den gesetzlichen Auftrag, das Funktionieren bargeldloser Zahlungssysteme zu erleichtern und zu sichern (Art. 5 Abs. 2 Bst. c NBG). Diesen Auftrag nimmt die SNB wahr, indem sie als Auftraggeberin und Systemmanagerin des SIC-Systems fungiert. Das SIC-System ist gemäss Art. 4 Abs. 3 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes (FinfraG; SR 958.1) von der Bewilligung und der Aufsicht durch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) ausgenommen und unterliegt damit den Anforderungen gemäss Art. 22–34 der Nationalbankverordnung (NBV; SR 951.131). Wie in der Botschaft vom 3. September 2014 zum FinfraG (BBl 2014 7483) dargelegt, handelt es sich beim SIC-System um eine Finanzmarktinfrastruktur, die die SNB zur Erfüllung ihrer geld- und währungspolitischen Aufgaben nach Art. 5 Abs. 1 und 2 NBG betreibt oder betreiben lässt. Bei der Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgabe entscheidet die SNB autonom und weisungsfrei (Art. 6 NBG). Die Aufsicht durch die FINMA oder eine andere Stelle würde der Weisungsfreiheit der SNB zuwiderlaufen.&nbsp;</p><p>Die SNB hat bezüglich des SIC-Systems eine duale Rolle. Zum einen gibt sie den Betrieb des SIC-Systems bei der SIX Interbank Clearing AG in Auftrag und übernimmt die Funktion der Systemmanagerin. Zum anderen überwacht sie das SIC-System. Dieses duale Mandat widerspiegelt sich in der Organisation der SNB und in der Aufgabenteilung zwischen dem II. und III. Departement. Während die Rolle der Auftraggeberin und Systemmanagerin vom III. Departement wahrgenommen wird, liegt diejenige der Überwacherin beim II. Departement.&nbsp;</p><p>Der Bundesrat erachtet die Ausübung der Aufsicht des Bundes über die SNB als verfassungskonform und die Übertragung gewisser Aufsichts- und Kontrollfunktionen an den Bankrat als angemessen.&nbsp;</p>
  • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, eine Vorlage oder andere geeignete Massnahmen auszuarbeiten und dem Parlament zu unterbreiten, die es ermöglichen, die Verwaltung der Schweizerischen Nationalbank wirksam und im Einklang mit Artikel 99 Absatz 2 der Bundesverfassung zu beaufsichtigen.</p>
  • Aufsicht über die Verwaltung der SNB. Einhaltung der Bundesverfassung
State
Erledigt
Related Affairs
Drafts
  • Index
    0
    Texts
    • <p>Gemäss Artikel 99 Absatz 2 der Bundesverfassung "wird die Schweizerische Nationalbank unter Mitwirkung und Aufsicht des Bundes verwaltet". Diese Bestimmung betrifft nicht die Aufsicht über die Geld- und Währungspolitik, sondern die Aufsicht über die Verwaltung der SNB. </p><p>Diese Aufsicht des Bundes könnte von der FINMA, vom Bundesrat in Zusammenarbeit mit der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) ausgeübt werden. Die Oberaufsicht könnte vom Parlament und seinen Kommissionen in Verbindung mit der EFK ausgeübt werden. Aber keine dieser Aufsichtsgremien setzt heute die Aufsichtspflicht des Bundes gemäss Verfassung um. </p><p>Die Schweizerische Nationalbank betreibt oder lässt Infrastrukturen betreiben, die für den Schweizer Finanzplatz äusserst kritisch sind, insbesondere das Swiss Interbank Clearing (SIC). Diese Infrastrukturen entziehen sich vollständig der Aufsicht des Bundes und der FINMA. Artikel 4 Absatz 3 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes sieht nämlich vor, dass "Finanzmarktinfrastrukturen, die durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) oder in ihrem Auftrag betrieben werden, im Umfang dieser Tätigkeit von der Bewilligung und der Aufsicht durch die FINMA ausgenommen sind". Diese Bestimmung hindert den Bund daran, zu überprüfen, ob die SNB diese Risiken unter Kontrolle hat.</p><p>Der Bundesrat, der sehr darauf bedacht ist, die Unabhängigkeit der Geldpolitik zu respektieren, reduziert seinerseits die Ausübung seiner Aufsicht auf die gesetzlichen Aufgaben: Ernennung von sechs der elf Mitglieder des Bankrats, vorherige Genehmigung der Jahresrechnung und Diskussion des Jahresberichts mit der SNB.</p><p>Bei der Oberaufsicht durch das Parlament sieht es noch schlimmer aus. Sie wird durch die Kombination von zwei gesetzlichen Bestimmungen blockiert. Artikel 26 des Parlamentsgesetzes legt fest, dass der Umfang der Oberaufsicht über den Finanzhaushalt gemäss dem Finanzkontrollgesetz festgelegt wird. Artikel 19 des Finanzkontrollgesetzes schliesst die SNB jedoch ausdrücklich von dem Aufsichtsbereich aus. </p><p>Die "Aufsicht" über die Verwaltung der Nationalbank beschränkt sich daher heute auf die Ernennung eines Teils des Bankrates und die Vorlage und eine Diskussion des Jahresberichts. Der Bund kommt seinem verfassungsmässigen Auftrag, die Verwaltung der SNB zu beaufsichtigen, leider nicht nach.</p>
    • <p>Die Schweizerische Nationalbank (SNB) erfüllt eine öffentliche Aufgabe, deshalb wird sie gemäss Verfassung unter Mitwirkung und Aufsicht des Bundes verwaltet (Art. 99 Abs. 2 der Bundesverfassung, BV; SR 101). Die SNB treffen gegenüber dem Bundesrat und der Bundesversammlung mehrere Rechenschafts- und Informationspflichten (Art. 7 NBG). Der Bundesrat übt die Mitwirkung und Aufsicht bei der Verwaltung in Form verschiedener Ernennungs- und Genehmigungsbefugnisse aus. Die Aufsicht und Kontrolle über die Geschäftsführung der SNB obliegt dem Bankrat (Art. 42 des Nationalbankgesetzes; NBG, SR&nbsp;951.11); die nähere Ausgestaltung dieser Aufgaben wird im Organisationsreglement der SNB festgehalten (Art. 10 Organisationsreglement der SNB; SR 951.153), welches dem Bundesrat zur Genehmigung zu unterbreiten ist (Art. 42 Abs. 2 Bst. a NBG). In seinem Bericht zur Geldpolitik vom 21. Dezember 2016 hat der Bundesrat diese Aufgabenteilung bestätigt (vgl. dazu auch Gutachten von Prof. Dr. jur. Paul Richli vom 15. Februar 2012).</p><p>Die Bundesverfassung sieht vor, dass die SNB eine Geld- und Währungspolitik führt, die dem Gesamtinteresse des Landes dient, und sichert ihr dabei ausdrücklich Unabhängigkeit zu (Art. 99 Abs. 2 BV). Die SNB hat unter anderem den gesetzlichen Auftrag, das Funktionieren bargeldloser Zahlungssysteme zu erleichtern und zu sichern (Art. 5 Abs. 2 Bst. c NBG). Diesen Auftrag nimmt die SNB wahr, indem sie als Auftraggeberin und Systemmanagerin des SIC-Systems fungiert. Das SIC-System ist gemäss Art. 4 Abs. 3 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes (FinfraG; SR 958.1) von der Bewilligung und der Aufsicht durch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) ausgenommen und unterliegt damit den Anforderungen gemäss Art. 22–34 der Nationalbankverordnung (NBV; SR 951.131). Wie in der Botschaft vom 3. September 2014 zum FinfraG (BBl 2014 7483) dargelegt, handelt es sich beim SIC-System um eine Finanzmarktinfrastruktur, die die SNB zur Erfüllung ihrer geld- und währungspolitischen Aufgaben nach Art. 5 Abs. 1 und 2 NBG betreibt oder betreiben lässt. Bei der Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgabe entscheidet die SNB autonom und weisungsfrei (Art. 6 NBG). Die Aufsicht durch die FINMA oder eine andere Stelle würde der Weisungsfreiheit der SNB zuwiderlaufen.&nbsp;</p><p>Die SNB hat bezüglich des SIC-Systems eine duale Rolle. Zum einen gibt sie den Betrieb des SIC-Systems bei der SIX Interbank Clearing AG in Auftrag und übernimmt die Funktion der Systemmanagerin. Zum anderen überwacht sie das SIC-System. Dieses duale Mandat widerspiegelt sich in der Organisation der SNB und in der Aufgabenteilung zwischen dem II. und III. Departement. Während die Rolle der Auftraggeberin und Systemmanagerin vom III. Departement wahrgenommen wird, liegt diejenige der Überwacherin beim II. Departement.&nbsp;</p><p>Der Bundesrat erachtet die Ausübung der Aufsicht des Bundes über die SNB als verfassungskonform und die Übertragung gewisser Aufsichts- und Kontrollfunktionen an den Bankrat als angemessen.&nbsp;</p>
    • <p>Der Bundesrat wird beauftragt, eine Vorlage oder andere geeignete Massnahmen auszuarbeiten und dem Parlament zu unterbreiten, die es ermöglichen, die Verwaltung der Schweizerischen Nationalbank wirksam und im Einklang mit Artikel 99 Absatz 2 der Bundesverfassung zu beaufsichtigen.</p>
    • Aufsicht über die Verwaltung der SNB. Einhaltung der Bundesverfassung

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